Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommensberücksichtigung und -berechnung. Wohngeldnachzahlung. einmalige Einnahme. abschließende Feststellung des Leistungsanspruchs nach vorläufiger Bewilligung. Durchschnittseinkommen. Berücksichtigung erst ab dem Folgemonat des Zuflusses. sozialgerichtliches Verfahren. Kostenentscheidung. Kosten des Vorverfahrens

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine Wohngeldnachzahlung ist bei der Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II als Einkommen zu berücksichtigen, da sie nicht aus einem mit den drei Existenzsicherungssystemen SGB II, SGB XII und AsylbLG vergleichbaren Rechtsgrund stammt.

2. Das einmalige Einkommen aus der Wohngeldnachzahlung ist auch bei abschließender Feststellung des Leistungsanspruchs nach § 11 Abs 3 S 3 SGB II erst ab dem auf den Zufluss folgenden Monat in die Bildung des Gesamteinkommens nach § 41a Abs 4 S 3 SGB II aF einzustellen und insoweit bei der Berechnung des Durchschnittseinkommens nach § 41a Abs 4 S 1 SGB II aF zu berücksichtigen (vgl auch BSG vom 18.5.2022 - B 7/14 AS 9/21 R = SozR 4-4200 § 41a Nr 5).

3. Zu den Kosten, die Gegenstand der Kostenentscheidung nach § 193 SGG sind, gehören die Kosten des Vorverfahrens nur, soweit der Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens und der Gegenstand des Vorverfahrens identisch sind. Im Übrigen bleibt die Kostenlastentscheidung des Widerspruchsbescheides nach § 63 SGB X unberührt.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 30.05.2023; Aktenzeichen B 7 AS 11/23 B)

 

Tenor

I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 22. Juni 2022 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitgegenständlich ist die Höhe der den Klägern und Berufungsklägern (Kläger) in der Zeit vom 01.10.2020 bis 28.02.2021 gewährten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). In der Sache geht es um die Anrechnung von Wohngeld in Höhe von 572,17 Euro monatlich auf die Leistungen nach dem SGB II, nachdem die Kläger im August 2020 eine Wohngeldnachzahlung in Höhe von 3.433,- Euro erhalten hatten.

Die 1975 und 1983 geborenen Kläger zu 1 und 2 und ihre drei minderjährigen, in den Jahren 2013, 2016 und 2019 geborenen Kinder, die Kläger zu 3 bis 5, beziehen als Bedarfsgemeinschaft seit April 2020 aufstockend Arbeitslosengeld II vom Beklagten und Berufungsbeklagten (Beklagten). Die Kläger bewohnen eine 73 qm große Dreizimmerwohnung, für die im streitgegenständlichen Zeitraum Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von insgesamt 946,- Euro zu zahlen waren. Der Kläger zu 1 ist als angestellter Taxifahrer bei der S erwerbstätig. Nachdem der Arbeitgeber im März 2020 Kurzarbeit beantragt hatte, stellte der Kläger zu 1 im April 2020 einen Antrag auf Arbeitslosengeld II beim Beklagten. Anspruch auf Arbeitslosengeld I hatte der Kläger zu 1 nicht. Die Klägerin zu 2 arbeitet seit Oktober 2015 als Erzieherin. Zum Zeitpunkt der Antragstellung befand sie sich in Elternzeit und bezog bis Mai 2020 Elterngeld. Die Kläger erhielten im Jahr 2020 Kindergeld in Höhe von insgesamt 618,- Euro monatlich bzw. ab Januar 2021 in Höhe von 663,- Euro monatlich. Im streitgegenständlichen Zeitraum bezogen die Kläger zu 1 und zu 2 bis Januar 2021 außerdem für die Kläger zu 3 bis 5 Kinderzuschlag in Höhe von jeweils 185,- Euro bzw. jeweils 205,- Euro (ab Januar 2021).

Die Kläger beantragten am 18.09.2020 die Weiterbewilligung der Leistungen für den hier streitgegenständlichen Zeitraum ab Oktober 2020 und legten einen Bescheid der Landeshauptstadt A vom 13.08.2020 vor, mit dem Wohngeld bewilligt wurde. Ausweislich dieses Bescheides wurde am 31.08.2020 eine Nachzahlung für die Monate November 2019 bis März 2020 in Höhe von 3.433,- Euro an die Kläger ausgezahlt.

Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 21.10.2020 bewilligte der Beklagte den Klägern für die Zeit vom 01.10.2020 bis 31.03.2021 vorläufig Arbeitslosengeld II in Höhe von insgesamt monatlich 506,83 Euro unter Anrechnung von Wohngeld in Höhe von 572,17 Euro monatlich. Dabei wurde vorläufig von einem Erwerbseinkommen des Klägers zu 1 in Höhe von 450,- Euro brutto wie netto ausgegangen, das nach Abzug der Freibeträge in Höhe von 170,- Euro in Höhe von 280,- Euro auf die Leistungen angerechnet wurde. Beim Kläger zu 3 und der Klägerin zu 4 wurden Kindergeld in Höhe von jeweils 204,- Euro und Kinderzuschlag in Höhe von jeweils 185,- Euro, bei der Klägerin zu 5 Kindergeld in Höhe von 210,- Euro und Kinderzuschlag in Höhe von 185,- Euro als Einkommen berücksichtigt. Die einmalige Einnahme in Form des Wohngeldes wurde laut Bescheid gemäß § 11 Abs. 3 Satz 4 SGB II auf sechs Monate verteilt.

Dagegen ließen die Kläger am 23.11.2020 Widerspruch erheben. Im Hinblick auf die im August 2020 zugeflossene Wohngeldnachzahlung beginne der sechsmonatige Verteilzeitraum bereits am 01.09.2020 und ende am 28.02.2021. Außerdem sei das Wohngeld überhaupt nicht bzw. a...

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