Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. Zuschuss zu Versicherungsbeiträgen für die private Kranken- und Pflegeversicherung. keine Nachteile zur gesetzlichen Krankenversicherung. Krankenversicherungsschutz. Selbstbeteiligung. einstweiliger Rechtsschutz

 

Leitsatz (amtlich)

1. Unzumutbare, nicht wiedergutzumachende Nachteile entstehen dem privat krankenversicherten Hilfebedürftigen nicht dadurch, dass der Leistungsträger des SGB 2 nur Beiträge für die Kranken- und Pflegeversicherung in der Höhe zahlt, die für einen Bezieher in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung zu zahlen sind, da nach § 193 Abs 6 S 5 VVG bzw § 193 Abs 6 S 6 VVG Krankenversicherungsschutz besteht.

2. Eine mit der privaten Krankenversicherung vereinbarte Selbstbeteiligung des Hilfebedürftigen stellt grundsätzlich keinen aktuellen Bedarf dar, der im Wege des Eilverfahrens zugesprochen werden kann.

 

Tenor

I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts München vom 29. Dezember 2009 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Dem Beschwerdeführer wird Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt sowie Rechtsanwalt H., S. Straße, A-Stadt beigeordnet.

 

Gründe

I.

Zwischen den Beteiligten ist streitig, in welcher Höhe die Beschwerdegegnerin (Bg.) im Wege des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens die Kosten des Beschwerdeführers (Bf.) für die private Kranken- und Pflegeversicherung zu tragen hat.

Der 1949 geborene Kläger war zuletzt selbständig mit einer Finanz- und Versicherungsagentur tätig. Nach einem Aufenthalt im Ausland beantragte er am 18.03.2009 erstmalig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch, Zweites Buch (SGB II). Zuletzt bewilligte ihm die Bg. mit Bescheid vom 12.10.2009 für den Zeitraum vom 01.10.2009 bis zum 31.03.2010 Leistungen in Höhe von insgesamt 1099,88 EUR monatlich. Darin enthalten ist ein Zuschuss zur privaten Krankenversicherung in Höhe von 129,54 EUR und zur privaten Pflegeversicherung in Höhe von 59,13 EUR monatlich. Der Bf. hat im Moment monatliche Aufwendungen für seine private Krankenversicherung in Höhe von 184,09 EUR zuzüglich eines Selbstbehalts von 1170 EUR jährlich und für die private Pflegeversicherung in Höhe von 59,13 EUR.

Hiergegen hat der Bf. Widerspruch eingelegt, über den noch nicht entschieden ist.

Am 04.11.2009 stellte er beim Sozialgericht München (SG) einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz und beantragte die vorläufige Gewährung eines monatlichen Zuschusses zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 314,38 EUR unter Anrechnung bereits gewährter Leistungen sowie den jährlichen Selbstbehalt von 300 EUR. Zur Begründung führte sein Prozessbevollmächtigter aus, dass der Basistarif der privaten Kranken- und Pflegeversicherung des Bf. dem M., monatlich 569,63 EUR für die Krankenversicherung und 25,10 EUR (muss 59,13 EUR heißen) für die Pflegeversicherung betrage und fügte diesbezüglich eine Bescheinigung des M.s vom 11.11.2009 bei, aus der sich die Beiträge ergeben. Nach dem Wortlaut des § 26 Abs. 2 Nr. 1 SGB II bzw. § 28 Abs. 3 Satz 1 SGB II gelte § 12 Abs. 1c Satz 5 und Satz 6 Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG). Folge man dieser Vorschrift sei die Bg. zwar lediglich verpflichtet, den Betrag, der auch für Bezieher von Leistungen nach dem SGB II in der gesetzlichen Krankenversicherung zu tragen sei, zu zahlen, jedoch sei der Bf. nicht in der Lage die Differenz aus der bewilligten Regelleistung zu begleichen. Ein Zuwarten bis zur Entscheidung in der Hauptsache sei nicht zumutbar, da er Gefahr laufe von der ärztlichen Behandlung ausgeschlossen zu werden, wenn er die Behandlungskosten nicht bezahlen könne.

Die Bg. wandte ein, dass dem Bf. statt des derzeit gültigen Betrags von 124,32 EUR irrtümlich der bis 30.06.2009 gültige Betrag in Höhe von 129,54 EUR bewilligt worden sei. Aufgrund der eindeutigen gesetzlichen Regelung sei eine darüber hinausgehende Übernahme von Beiträgen nicht möglich.

Das SG wies mit Beschluss vom 29.12.2009 den Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes ab. Der Wortlaut des § 12 Abs. 1 c Satz 6 VAG sei eindeutig und lasse eine abweichende Auslegung nicht zu. Das Sozialgericht sei kein "Ersatz-Gesetzgeber", eine analoge Anwendung von § 16 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB II sei nicht möglich, da sich diese Vorschrift auf freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherte Personen beziehe. Auch lasse sich die volle Beitragsübernahme nicht im Wege der richterlichen Rechtsfortbildung verwirklichen, denn die würde voraussetzen, dass das Gesetz insoweit lückenhaft, also angesichts der erkennbaren Regelungsabsicht des Gesetzgebers "planwidrig" unvollständig sei, so dass die Gerichte lediglich nur das vom Gesetzgeber versehentlich weggelassene Regelungsstück einfügen müssten. Eine derartige planwidrige Lücke weise das Regelungsgefüge des § 26 SGB II iV mit § 12 VAG nicht auf. Es gebe vielmehr deutliche Anhaltspunkte, dass die Möglichkeit einer Deckungslücke bewusst in Kauf genommen worden sei....

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