Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Rentenversicherung: Zeitliche Beschränkung einer Nachzahlung von Regelaltersrente
Leitsatz (amtlich)
Die zeitliche Beschränkung des § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X für nachzuzahlende Sozialleistungen (hier: Altersrente) greift unabhängig vom Grad des dem zuständigen Sozialversicherungsträger zuzurechnenden Verschuldens.
Die Vorschrift des § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.
Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch wird im Hinblick auf die Beseitigung der Folgen eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsaktes durch die Vorschrift des § 44 SGB X tatbestandlich verdrängt.
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 24. Oktober 2014 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Anwendung des § 44 Abs. 4 SGB X auf eine von der Beklagten zu erbringende Nachzahlung von Regelaltersrente streitig.
Der 1934 geborene Kläger bezieht aufgrund eines am 03.11.1955 erlittenen Arbeitsunfalls von der Gartenbau-Berufsgenossenschaft eine laufende Verletztenrente nach einer MdE von 75 %. Mit Bescheid vom 26.07.1990 gewährte die Beklagte Erwerbsunfähigkeitsrente ab dem 01.04.1990 auf Dauer. Entsprechend den maßgeblichen Bestimmungen der RVO wurde hierbei die Verletztenrente angerechnet, was zu einem teilweisen Ruhen des Anspruchs auf Erwerbsunfähigkeitsrente führte. Mit Bescheid vom 11.02.1999 wandelte die Beklagte aufgrund des Erreichens der Altersgrenze die Erwerbsunfähigkeitsrente ab 01.04.1999 in eine Regelaltersrente um. Bei der nunmehr nach den Vorschriften des SGB VI vorzunehmenden Anrechnung der Unfallrente wurde von der EDV aufgrund einer Fehlprogrammierung der nach § 93 Abs. 2 Nr. 2a SGB VI vor Anrechnung der Unfallrente von dieser abzuziehende Grundrentenbetrag nach dem BVG nicht in Ansatz gebracht. Bei der obligatorischen abschließenden Prüfung des ausgegebenen Bescheides durch den Sachbearbeiter wurde dies nicht erkannt. Auch der laufenden internen Fehlerprüfung blieb dieser Mangel aufgrund der besonderen Konstellation mit Umwandlung einer Erwerbsunfähigkeitsrente in eine Regelaltersrente unter geänderten Anrechnungsbestimmungen sowie unter Anwendung der Übergangsregelung der §§ 266, 312 SGB VI in der Folge verborgen. Erst im Rahmen einer individuellen Prüfung am 28.06.2012 durch die nunmehr zuständige Sachbearbeiterin trat der Fehler zu Tage.
Mit angefochtenem Bescheid vom 19.06.2012 hob die Beklagte die Altersrentenbewilligung hinsichtlich der Höhe von Amts wegen auf und berechnete die Rente ab 01.01.2008 neu. Hieraus ergab sich eine Nachzahlung in Höhe von Euro 13.339,25. Am 04.07.2012 legte der Kläger Widerspruch ein. Nachdem die Beklagte mit Schreiben vom 03.09.2012 die Berechnungsgrundlagen sowie die zur Beschränkung der Nachzahlung führende Vorschrift des § 44 Abs. 4 SGB X erläutert hatte, wurde der Widerspruch mit einer fehlenden Verzinsung sowie mit einer weitergehenden Nachzahlung nach den Grundsätzen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs begründet. Mit Bescheid vom 24.01.2013 führte die Beklagte die begehrte Verzinsung durch. Mit weiterem Bescheid vom 13.03.2013 wies sie den Widerspruch als unbegründet zurück. Bei der nach § 44 Abs. 1 SGB X von Amts wegen vorgenommen Korrektur des Bescheides vom 11.02.1999 hätten nach der Regelung des § 44 Abs. 4 SGB X zu Unrecht nicht erbrachte Rentenleistungen längstens für einen Zeitraum von vier Jahren vor der Rücknahme des Bescheides erbracht werden können. Diese Beschränkung stelle eine materielle Ausschlussfrist dar, die unabhängig von einem Verschulden der Beklagten greife und bei deren Berücksichtigung kein Ermessen eingeräumt sei. Diese Regelung sei nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts entsprechend auch auf einen möglichen sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs anzuwenden. Mit dem angegriffenen Bescheid sei im Übrigen über eine Verzinsung noch nicht entschieden worden. Aufgrund der zwischenzeitlich gewährten Verzinsung liege insoweit keine Beschwer des Klägers mehr vor.
Gegen diese Entscheidung erhob der Kläger am 08.04.2013 durch seine Bevollmächtigten Klage zum Sozialgericht Regensburg (SG). Zur Begründung wurde im Wesentlichen vorgetragen, der Kläger habe Anspruch auf Nachzahlung ab dem 01.04.1990. Die Beklagte habe eingeräumt, dass die Erstberechnung der Altersrente fehlerhaft gewesen sei. Insoweit ergebe sich die Nachzahlung aus den Grundsätzen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs. Auf diesen sei § 44 Abs. 4 SGB X im vorliegenden Fall nicht analog anzuwenden. Der Kläger habe aus Art. 14 Grundgesetz (GG) einen Anspruch auf Verwirklichung seiner Anwartschaften in Form einer ordnungsgemäßen Rentenauszahlung, diesem grundgesetzlich garantierten Anspruch genüge § 44 Abs. 4 SGB X nicht. Sachlich gerechtfertigte Gründe für eine Beschränkung des Grundrechts auf Eigentum bestünden nicht. Im Übrigen seien auch das S...