Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Berufskrankheit. arbeitstechnische Voraussetzung. bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule. Belastungsdosis. MDD-Modell. Kfz-Meister
Orientierungssatz
Zur Nichtanerkennung einer bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule eines Kfz-Meisters als Berufskrankheit gem BKVO Anl 1 Nr 2108 mangels Nachweises der arbeitstechnischen Voraussetzungen unter Berücksichtigung des MDD-Modells (Belastungshöhe pro Arbeitsgang, Tagesbelastungsdosis, Gesamtlebensbelastungsdosis).
Nachgehend
Tenor
I. |
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Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 04.05.1999 aufgehoben und die Klage gegen den Bescheid vom 26.06.1996 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 23.12.1996 abgewiesen. |
II. |
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Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. |
III. |
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Die Revision wird zugelassen. |
Tatbestand
Streitig ist, ob die Wirbelsäulenbeschwerden des Klägers als Berufskrankheit (BK) nach Nr 2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) anzuerkennen und zu entschädigen sind.
Der ... 1943 geborene Kläger war von Beruf Kfz-Meister. Seit 1966 war er selbstständig tätig, hauptsächlich befasst mit schwerem Heben von Motoren sowie von ihm allein durchgeführten Abschlepparbeiten. Der TAD der Beklagten fasste mit Ermittlungsbericht vom 16.01.1996 die Tätigkeiten des Klägers nach dessen Befragung wie folgt zusammen: Verkauf, Kfz-Instandhaltung, Abschleppdienst, bis 1992 Tankstellenbetrieb. Der Abschleppdienst wurde ab 1966 mit einem sog. "Abschlepphund" (einachsiger Nachläufer, auf den das Fahrzeug gehoben wurde) ca. dreimal wöchentlich durchgeführt. Ab Februar 1980 übernahm der Kläger den Straßendienst für den ADAC unter Benutzung einer Aufziehwinde (Bergung bis zu maximal 21 Fahrzeugen in der Woche). Ab 1992 wurde ein Kranwagen benutzt, wodurch sich die Tragevorgänge verringerten. Die Werkstattarbeit umfasste 50 % der Arbeitszeit des Klägers. Hier fiel u. a. der Ein- und Ausbau von Getrieben mit der Hand an, die teilweise über 50 kg wogen. Saisonbedingt mussten an ca. 15 Fahrzeugen täglich Reifen von mehr als 25 kg gewechselt werden (bis zu 80 Hebevorgänge pro Tag). Mit Stellungnahme vom 24.01.1996 erkannte die Beklagte die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die BK Nr 2108 als vorliegend an. In der ersten Hälfte 1995 (30.04.1995) übergab der Kläger die Firma an seine Tochter. Berufsunfähigkeitsrente bezog er ab Mai 1995. Seit Dezember 1997 erhält er Erwerbsunfähigkeitsrente.
Erste Beschwerden am Rücken, auch an der Lendenwirbelsäule (LWS) machte er seit 1983 geltend. Am 30.01.1995 beantragte er die Anerkennung einer BK wegen Erkrankung der Wirbelsäule.
Die Beklagte zog Befundberichte des Orthopäden Dr. B vom 12.04.1995 und des Allgemeinarztes Dr. K vom 26.06.1995, den ärztlichen Entlassungsbericht der Höhenklinik B vom 04.01.1984, Arztberichte des Waldkrankenhauses St. M, E, vom 18.04.1995 (Zustand nach Vorderwandinfarkt und aorto-coronarem Bypass), des Krankenhauses R vom 23.01.1995, des Orthopäden Dr. P vom 18.05.1995 sowie die ärztlichen Unterlagen der Chirurgischen Klinik mit Poliklinik der Universität E bei. Sodann holte sie ein Gutachten der Orthopädin Dr. B vom 11.03.1996 ein. Diese diagnostizierte beim Kläger vor allem ein Wirbelsäulensyndrom mit beginnenden Funktionsstörungen in allen drei Etagen bei Abnutzungserscheinungen der gesamten Brustwirbelsäule (BWS) bei bland abgelaufenem Scheuermann, beginnende Abnutzungserscheinungen in der unteren LWS und in der Halswirbelsäule (HWS) bei C5/6. Aus den CT-Befunden von 1995 ließe sich ein Prolaps bei L4/5 und eine minimale Protrusion bei L3/4 nachweisen. Eine geringe Osteochondrose bei L5/S1 bei fraglich kleinstem Prolaps sei erkennbar. Der Kläger weise Einschränkungen auf wie bei einem normal gesunden 50-Jährigen. Die festgestellten degenerativen Veränderungen an der LWS seien als im üblichen Altersmaß liegend anzusehen. Ein Wirbelsäulenleiden nach Nr 2108 könne nicht anerkannt werden.
Nach Stellungnahme des Gewerbearztes Dr. M lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 26.06.1996 die Entschädigung der Wirbelsäulenerkrankung ab. Sie verwies auf das fachärztliche Gutachten der Dr. B. Im Bereich der LWS habe sich röntgenologisch kein über das Altersmaß stärker ausgeprägter Verschleiß nachweisen lassen (bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 23.12.1996).
Gegen diese Bescheide hat der Kläger Klage zum Sozialgericht (SG) Nürnberg erhoben und beantragt, die Erkrankung der LWS als BK anzuerkennen und Leistungen zu gewähren. Hierzu hat er ein ärztliches Attest des Orthopäden Dr. P vom 24.03.1997 vorgelegt, in dem auf zwei Bandscheibenvorfälle im Bereich der LWS hingewiesen wird.
Das SG hat einen Befundbericht des Dr. K vom 05.07.1997 und die Schwerbehindertenakte des Amtes für Versorgung und Familienförderung N beigezogen. Sodann hat der Chirurg Dr. S am 06.04.1998 ein Gutachten erstellt. Er hat bei dem Versicherten zwar eine Erkrank...