Entscheidungsstichwort (Thema)
Opferentschädigung: Anforderungen an die Annahme eines rechtswidrigen tätlichen Angriffs
Leitsatz (amtlich)
Zu den Voraussetzungen eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG
Orientierungssatz
1. Einzelfall zur Beurteilung des Vorliegens eines rechtswidrigen tätlichen Angriffs als Voraussetzung für Ansprüche aus der Opferentschädigung (hier: abgelehnt).
2. Die Annahme eines rechtswidrigen tätlichen Angriffs setzt im System der Opferentschädigung eine auf den Körper zielende Gewalteinwirkung voraus. Eine lediglich intellektuell oder psychisch vermittelte Beeinträchtigung reicht dagegen zur Annahme eines tätlichen Angriffs regelmäßig nicht aus.
Tenor
I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 26. Oktober 2012 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten wegen Versorgung nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG).
Am 07.01.2012 beantragte die Klägerin beim Beklagten die Gewährung von Beschädigtenversorgung nach dem OEG. Sie trug vor, sie sei von einer Arbeitsamtspsychologin im Jahr 1984 nicht gehört worden, als sie wegen starker Kopfschmerzen zu dieser gekommen sei. Die Schmerzen hätten sich durch die Arbeit am Computer entwickelt. Die Psychologin habe die Kopfschmerzen ignoriert, weil sie gewollt habe, dass die Klägerin weiter am Computer arbeite. Durch die schlechten EDV-Geräte, die sie bei sämtlichen folgenden Arbeitsstätten gehabt habe - vor allem Zeitarbeitsfirmen -, habe sich ihre Migräne nicht gerade gebessert. Eine Berufskrankheit sei von der zuständigen Berufsgenossenschaft abgelehnt worden; sie habe 2009/2010 Anträge gestellt. Von ihrer damaligen Arbeitgeberin, der Fa. B., sei sie mit der Behauptung nicht übernommen bzw. sei ihr gekündigt worden, sie beherrsche das EDV-Programm nicht. Tatsache sei jedoch gewesen, dass dieses Programm gar nicht auf dem veralteten PC installiert gewesen sei.
Mit Bescheid vom 22.02.2012 lehnte es der Beklagte ab, Beschädigtenversorgung zu gewähren. Nach der Rechtsprechung liege ein tätlicher Angriff bei einer in feindseliger Willensrichtung unmittelbar auf den Körper eines anderen zielenden gewaltsamen Einwirkung vor. Dies sei bei möglicherweise unzuträglichen Arbeitsbedingungen nicht der Fall.
Hiergegen erhob die Klägerin am 10.03.2012 Widerspruch. Sie machte geltend, nicht nur die tätlich ausgeübte Gewalt sei Gewalt, sondern auch die seelische, psychische und soziale, bei der man unter gesundheitlichen, wirtschaftlichen und rechtlichen Folgen leide. Es sei von Mutwilligkeit, Arglist und Pflichtvernachlässigung der Arbeitsamtspsychologin auszugehen, weil diese die Klägerin in ihrem Anliegen ignoriert habe. Ihre "Klage" richte sich nicht gegen den jeweiligen Arbeitgeber, sondern gegen die Berufsgenossenschaft, das Arbeitsamt und dessen Psychologin.
Mit Widerspruchsbescheid vom 13.09.2012 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Nach dem OEG müsse eine unmittelbar auf den Körper eines anderen zielende gewaltsame Einwirkung vorliegen. Der Rechtsbegriff "Gewalt" sei im Rahmen des Gewaltschutzgesetzes und des OEG unterschiedlich. Eine Entscheidung der Berufsgenossenschaft oder der Psychologin sei - unabhängig davon, ob diese Entscheidung richtig oder falsch sei - kein tätlicher Angriff im Sinne des OEG. Eine Entscheidung stelle keinen unmittelbar auf den Körper eines anderen zielende gewaltsame Einwirkung dar.
Hiergegen hat die Klägerin am 20.09.2012 Klage zum Sozialgericht Augsburg (SG) erhoben. Nachdem die Klägerin mit der Klage eine Reihe von Forderungen nach Beschädigtenversorgung gemäß dem OEG aufgrund unterschiedlicher Sachverhalte geltend gemacht hatte, hat das SG das gegenständliche Verfahren mit Beschluss vom 11.10.2012 abgetrennt und unter dem Az.: S 5 VG 17/12 fortgeführt.
Die Klägerin hat unter anderem darauf hingewiesen, dass Gewalt im Sinne des OEG auch vorliege, wenn die wenigstens fahrlässige Herbeiführung einer Gefahr für Leib und Leben eines anderen durch ein mit gemeingefährlichen Mitteln begangenes Verbrechen erfolge, sowie darauf, dass die Polizei sie oftmals abgewiesen habe. Eine über einen längeren Zeitraum hinweg anhaltende seelische, psychische und soziale Gewalt habe sich auf ihre Migräne ausgewirkt. Infolgedessen liege ein tätlicher Angriff vor. Sie habe sich um eine andere Arbeit bemüht. Vom Arbeitsamt sei darauf keine Rücksicht genommen worden.
Mit Gerichtsbescheid vom 26.10.2012 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, diese sei unbegründet. Mangels Vorliegen eines "Angriffs" nach § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG stehe der Klägerin kein Anspruch auf Beschädigtenversorgung nach dem OEG zu. Das SG hat die durch die höchstrichterliche Rechtsprechung erfolgte Auslegung der Norm im Einzelnen dargestellt und ausgeführt, hiervon ausgehend vermöge es nicht zu erkennen, dass die Klägerin Opfer eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen An...