Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialversicherungspflicht. Fahrlehrer. Fahrlehrererlaubnis ohne Fahrschulerlaubnis. abhängige Beschäftigung. selbstständige Tätigkeit. Verfassungsmäßigkeit
Leitsatz (amtlich)
Ob ein Fahrlehrer sozialversicherungspflichtig tätig ist, bestimmt die Rechtsordnung, insbesondere das Fahrlehrergesetz (juris: FahrlG). Danach dürfen Fahrlehrer für eine fremde Fahrschule nicht auf Honorarbasis tätig sein.
Orientierungssatz
Gegen die Regelungen der § 1 Abs 4 FahrlG und § 10 Abs 1 FahrlG bestehen im Hinblick auf Art 12 GG keine verfassungsrechtlichen Bedenken.
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 14. September 2012 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger in der Zeit vom 01.09.2009 bis Mai 2010 als Fahrlehrer bei der Beigeladenen sozialversicherungspflichtig beschäftigt war.
Der 1972 geborene Kläger erwarb am 27.09.2005 den Fahrlehrerschein und besitzt die Fahrerlaubnis der Klassen A, BE, CE und DE. Von August 2005 bis August 2009 war er im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses bei der Beigeladenen und bei einer weiteren Fahrschule auf 400-Euro-Basis beschäftigt. Das Landratsamt L. bestätigte im Fahrlehrerschein jeweils den Beginn dieser Beschäftigungsverhältnisse zum 01.08.2005 bzw. 20.08.2007.
Seit 01.09.2009 hatte der Kläger ein eigenes Gewerbe als Fahrlehrer angemeldet und war seit Februar 2010 auch als Referent im Sinne des Berufskraftfahrerqualifikationsgesetzes (BKrFGQ) tätig; als Fahrlehrer erteilte er sowohl theoretischen Unterricht als auch praktische Fahrstunden und nahm an Prüfungen teil. Seit September 2009 war der Kläger für die beigeladene Fahrschule als "freiberuflicher" Fahrlehrer tätig. Danach erhielt er Aufträge von weiteren Fahrschulen.
Der Kläger besitzt weder eine Fahrschulerlaubnis noch ist er Mitunternehmer oder Gesellschafter der Beigeladenen.
Seit September 2009 beschäftigte der Kläger zwei Hilfskräfte auf geringfügiger Basis. Dies sind eine Bürohilfe mit einer Vergütung von 400,00 € monatlich und ein Fahrzeugwart mit einer monatlichen Vergütung von 62,00 €. Ferner unterhielt der Kläger einen eigenen Büroraum.
Die Durchführung der Fahrstunden erfolgte mit dem eigenen Fahrschulfahrzeug des Klägers. Den entsprechenden Leasingvertrag der Beigeladenen übernahm er mit Wirkung zum 01.09.2009 im Wege der Vertragsumschreibung. Nach ca. zwei Jahren leaste er ein neues Fahrschulauto. Diese Fahrschulfahrzeuge waren bzw. sind nach dem Tarif Gewerbe versichert und auf den Kläger zugelassen. Der Kläger entrichtet hierfür die Kraftfahrzeugsteuer, Benzin-, Reparatur- und alle weiteren Nebenkosten. Daneben besitzt er zu privaten Zwecken einen weiteren PKW. Für seine Tätigkeit als Fahrlehrer zahlt er Gewerbe-, Umsatz- und Mehrwertsteuer und versteuert seine Einkünfte als Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Er hat eine Berufs- und Verkehrsrechtsschutzversicherung für Selbständige abgeschlossen. Wegen der Fahrlehrertätigkeit wurden keine Beiträge zur Sozialversicherung abgeführt.
Bei der Beigeladenen waren in dem streitigen Zeitraum drei Fahrlehrer im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausschließlich für die Beigeladene tätig. Ferner war ein Fahrlehrer geringfügig beschäftigt. Lediglich der Kläger war als "Rechnungsfahrer", d.h. als selbstständiger Fahrlehrer eingesetzt.
Zwischen dem Kläger und der Beigeladenen waren keine schriftlichen Verträge abgeschlossen worden. Die Beauftragung erfolgte mündlich. Der Kläger hatte gegen die Beigeladene keinen Anspruch auf eine höhere Vergütung wegen Sonntags- oder Nachtarbeit, auf Fortzahlung der Vergütung bei Arbeitsunfähigkeit sowie auf bezahlten Urlaub. Er konnte die Aufträge der Beigeladenen ablehnen oder annehmen. Die Fahrten erfolgten ausschließlich mit dem eigenen Fahrschulfahrzeug des Klägers. Der theoretische Unterricht fand in den Räumen der Fahrschule der Beigeladenen statt. Die Fahrstunden wurden vom Kläger jeweils mit den Fahrschülern vereinbart. Der Kläger stellte der Beigeladenen zwei Mal monatlich eine Rechnung entsprechend dem vorher vereinbarten Stundenpreis und berechnete ein Entgelt für die Nutzung des Fahrschulfahrzeugs. Die Stundenpreise für die Fahrstunde waren vom Kläger mit den verschiedenen Fahrschulen - meist abhängig von den Fahrklassen und den Regionen - in unterschiedlicher Höhe (12 € - 20 €) vereinbart worden.
Am 04.02.2010 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status bezüglich seiner Tätigkeit als Fahrlehrer für die Beigeladene. In diesem Antrag gab er an, für verschiedene Auftraggeber tätig zu sein, keine regelmäßigen Arbeits- oder Anwesenheitszeiten einhalten zu müssen und keine Weisungen hinsichtlich der Ausführung der Tätigkeit zu erhalten. Auch sei die Einstellung von Vertretern bzw. Hilfskräften nicht von der Zustimmung der Auftraggeber abh...