Entscheidungsstichwort (Thema)

Gewährung einer Rente nach dem ZRBG für Zeiten in einem Arbeitslager in der Slowakei

 

Orientierungssatz

Die Voraussetzungen des § 1 Abs 1 S 1 Nr 2 ZRBG sind bei in der Slowakei zurückgelegten Zeiten nicht erfüllt, denn die Slowakei war bis zu ihrer Kapitulation am 8.5.1945 zu keinem Zeitpunkt vom Deutschen Reich "besetzt oder diesem eingegliedert".

 

Tenor

I. Die Berufung der Kläger gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 01. März 2011 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten als Rechtsnachfolger des verstorbenen Versicherten ist die Gewährung einer Altersrente nach dem Gesetz zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG) streitig.

Die in der Slowakei wohnhaften, die dortige Staatsangehörigkeit besitzenden Kläger sind die Kinder und Rechtsnachfolger des am 19.03.2009 verstorbenen Versicherten A Senior. Der 1924 geborene Versicherte, welcher zu Lebzeiten ebenfalls die Staatsbürgerschaft der slowakischen Republik besaß und dort wohnhaft war, war nach eigenen Angaben aufgrund seines jüdischen Glaubens in der Zeit vom 20.11.1944 bis 15.01.1945 im Lager S auf dem Staatsgebiet der ersten slowakischen Republik inhaftiert und wurde anschließend in das Konzentrationslager S1 deportiert.

Am 25.06.2003 stellte der Versicherte als Verfolgter im Sinne des Bundesgesetzes zur Entschädigung für Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung (BEG) durch seine Bevollmächtigten einen formlosen Antrag auf Altersrente nach dem ZRBG bei der Beklagten. In dem am 15.01.2004 übermittelten Antragsformular gab er neben den slowakischen Versicherungszeiten auch eine Beschäftigung im Arbeitslager S für die Zeit seiner Inhaftierung an. Diese Beschäftigung sei freiwillig bzw. durch den Judenrat, respektive die Ghettoverwaltung zustande gekommen. Er sei in der Landwirtschaft etwa 8 bis10 Stunden täglich eingesetzt worden. Während der Arbeit habe eine Bewachung durch Soldaten stattgefunden. Als Entlohnung seien Nahrungsmittelzuschüsse sowie Kleidung gewährt worden.

Mit Bescheid vom 20.01.2004 lehnte die Beklagte eine Altersrente nach dem ZRBG ab. Nach § 1 ZRBG finde das Gesetz nur Anwendung auf Beschäftigungen in einem Ghetto, welches sich in einem Gebiet befunden hat, das vom Deutschen Reich besetzt oder diesem eingegliedert war. Auf Verfolgte, die sich im Gebiet eines mit dem Deutschen Reich verbündeten Staates - wie hier der Slowakei - aufgehalten haben, finde das Gesetz keine Anwendung. Zudem habe es sich bei dem Lager S um kein Ghetto im Sinne des Gesetzes, sondern um ein Arbeitslager gehandelt.

Gegen diese Entscheidung legte die Bevollmächtigten des Versicherten am 10.02.2004 Widerspruch ein. Die Slowakei sei im August 1944 nach dem slowakischen Aufstand von den Deutschen besetzt worden, so dass die Voraussetzungen des § 1 ZRBG ab diesem Zeitpunkt erfüllt seien. Mit Bescheid vom 03.03.2004 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Zwar seien Teile der Slowakei während des Zweiten Weltkriegs wieder an das besetzte Ungarn zurückgegeben worden, so dass die Voraussetzung “vom Deutschen Reich besetzt“ erfüllt sei, bei dem Lager S habe es sich jedoch nach wie vor um kein Ghetto sondern um ein Zwangsarbeitslager gehandelt. Ein auf Freiwilligkeit beruhendes Arbeitsverhältnis liege damit nicht vor. Insbesondere die vom Kläger angegebene Bewachung durch Soldaten sei ein typisches Merkmal für Zwangsarbeit. Entgelt oder Sachbezüge im wesentlichen Umfang seien nicht gewährt worden.

Gegen diese Entscheidung erhob der Versicherte durch seine Bevollmächtigten am 05.04.2004 Klage zum Sozialgericht Landshut (SG). Zur Begründung wurde vorgetragen, dass sich für das Lager S in der historischen Literatur zwar die Bezeichnung Arbeitslager finde, allein aus der Bezeichnung jedoch nicht auf die tatsächliche Natur geschlossen werden könne. Im Lager habe ein Judenrat bestanden, es sei eine Schule, ein Krankenhaus sowie ein Schwimmbad eingerichtet gewesen und ein Kulturprogramm mit Theateraufführungen, Sprachkursen und Lesungen entwickelt worden. Auch die Bewachung spreche nicht gegen den Charakter eines Ghettos, da diese größtenteils von den Lagerinsassen selbst übernommen worden sei. Der Versicherte habe aufgrund der Tätigkeit neben der dreimal täglich gewährten Verpflegung weitere Lebensmittel und Kleidung erhalten. Die Entlohnung sei damit über den täglichen Ernährungsbedarf hinaus gegangen. Die Bevollmächtigten des Versicherten legten in der Folge Abhandlungen in slowakischer Sprache eines Herrn N (Dozent für allgemeine Geschichte der philosophischen Fakultät der C Universität B) sowie einer Frau H (wissenschaftliche Mitarbeiterin des historischen Institutes der slowakischen Akademie der Wissenschaften) über die jüdischen Arbeitslager im N, S und V vor, aus welcher sich ihrer Auffassung nach ergebe, dass es sich bei dem Lager S um ein Ghetto gehandelt und die Slowakei a...

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