Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsärztliche Versorgung. Vergütung des ärztlichen Bereitschaftsdienstes durch Krankenhausambulanzen. weiter Ermessens- und Gestaltungsspielraum der Vertragsparteien. keine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung mit Vertragsärzten durch extrabudgetäre Gebührenordnungspositionen
Leitsatz (amtlich)
1. Bei dem Abschluss und der Ausgestaltung von strukturvertraglichen Regelungen kommt den Vertragsparteien ein weiter Ermessens- und Gestaltungsspielraum zu.
2. Eine Ungleichbehandlung zwischen von Vertragsärzten im organisierten Notfalldienst und von Krankenhausambulanzen erbrachten Notfallbehandlungen bedarf aber auch im Rahmen strukturvertraglicher Regelungen eines sachlichen Grundes.
Nachgehend
Tenor
I. Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts München vom 24. Oktober 2014 und die Honorarbescheide der Beklagten vom 16. November 2011 und 15. Februar 2012 jeweils in der Fassung der Widerspruchsbescheide vom 25. April 2012 und 20. Juni 2012 aufgehoben, soweit die Bereitschaftsdienstpauschalen nach den GOP 95606 und 95607 abgesetzt wurden und die Beklagte verurteilt, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts insoweit erneut über die Honoraransprüche der Klägerin für die Quartale 2/2011 und 3/2011 zu entscheiden.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Vergütung von ambulanten Notfallbehandlungen im Krankenhaus.
Die Klägerin ist Trägerin eines im Bezirk der Beklagten gelegenen Krankenhauses, welches eine Notfallambulanz betreibt.
Die Beklagte hat mit Richtigstellungsbescheid vom 16.11.2011 die Gesamtabrechnung der Klägerin für das Quartal 2/2011 u.a. bezüglich der Leistungen GOP 95606 und 95607 (sog. Bereitschaftsdienstpauschale) in Höhe von 9.760,28 EUR richtig gestellt. Hiergegen hat die Klägerin mit Schreiben vom 18.11.2011 Widerspruch eingelegt. Die Sicherstellung des Bereitschaftsdienstes für ambulante Patienten, insbesondere in der Nacht und an Wochenenden/Feiertagen, verursache einen erhöhten personellen und sachlichen Aufwand. Es gebe daher keinen sachlichen Grund, die Bereitschaftsdienstpauschale nach den Abrechnungsziffern 95606 (tags) und 95607 (Nacht) nicht zu gewähren und die Klinik damit im Vergleich zu den niedergelassenen Ärzten schlechter zu stellen. Für die Teilnahme am Bereitschaftsdienst zu den sprechstundenfreien Zeiten hätte daher auch das Krankenhaus Anspruch auf die Bereitschaftsdienstpauschalen für die Teilnahme am Bereitschaftsdienst.
Der Widerspruch der Klägerin wurde mit Widerspruchsbescheid vom 25.04.2012 zurückgewiesen. Nach § 1 Abs. 1 der Bereitschaftsdienstordnung der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns habe die Beklagte die Aufgabe, die vertragsärztliche Versorgung der Versicherten in ihrem Zuständigkeitsbereich sicher zu stellen (§ 75 Abs. 1 Satz 1 SGB V). Die Sicherstellung umfasse gemäß § 75 Abs. 1 Satz 2 SGB V auch die vertragsärztliche Versorgung zu den sprechstundenfreien Zeiten (Notdienst). Die KVB organisiere diesen Dienst unter der Bezeichnung "Ärztlicher Bereitschaftsdienst" nach Maßgabe der Bestimmungen. Nach § 1 Abs. 3 würden die Zulassung als Arzt, Psychotherapeut oder Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) gemäß § 95 Abs. 1 Satz 2 SGB V und § 101 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB V und die Ermächtigung außerbayrischer Ärzte zur vertragsärztlichen Versorgung deren Verpflichtung zur Teilnahme am ärztlichen Bereitschaftsdienst bewirken, sofern sich aus den nachfolgenden Regelungen nichts anderes ergebe. Zugelassene oder angestellte Ärzte und Psychotherapeuten, die gemäß § 1 Abs. 5 der Bereitschaftsdienstordnung nicht zur Teilnahme am ärztlichen Bereitschaftsdienst verpflichtet seien, seien zur Teilnahme auf Antrag berechtigt, soweit sie geeignet seien und über die erforderliche räumliche und apparative Ausstattung verfügen. Notfallambulanzen gehörten nicht zu dem genannten Teilnehmerkreis und könnten somit die GOP 95606 und 95607 nicht abrechnen.
Mit weiterem Richtigstellungsbescheid zum Quartal 3/2011 vom 15.02.2012 wurde die Abrechnung der Klägerin u.a. bezüglich der Leistungen der GOP 95606 und 95607 in Höhe von 9.686,41 EUR richtig gestellt. Der Widerspruch der Klägerin vom 29.02.2012 wurde mit Widerspruchsbescheid vom 20.06.2012 zurückgewiesen. Die Begründung des Widerspruchsbescheides entspricht derjenigen zum Quartal 2/2011.
Die Klägerin hat gegen die Widerspruchsbescheide vom 25.04.2012 und 20.06.2012 am 24.05.2012 bzw. 17.07.2012 Klagen zum Sozialgericht München erhoben, die mit gleichlautenden Schriftsätzen vom 13.07.2012 näher begründet wurden. Die Klägerin verfolge mit den vorliegenden Klagen insbesondere das Ziel, einen den gesetzlichen Vorgaben entsprechende Vergütung für die erbrachten ambulanten Notfallleistungen im Krankenhaus zu erhalten, wie sie in gleicher Weise von der Beklagten für die Behandlung ambulanter Notfälle durch nie...