Entscheidungsstichwort (Thema)
Versorgungsleistungen. Antrag. Sozialrechtlicher Herstellungsanspruch. Beratungsfehler. Zurechnung des Verhaltens Dritter. Funktionseinheit
Leitsatz (redaktionell)
1. Im Rahmen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs kann das Fehlverhalten eines Dritten nur zugerechnet werden, wenn zwischen der in Anspruch genommenen Behörde und dem Dritten eine Funktionseinheit besteht. Daran fehlt es im Verhältnis zwischen dem Träger der gesetzlichen Unfallversicherung und dem Träger sozialrechtlicher Entschädigungsleistungen.
2. Das Antragsprinzip nach § 60 BGV ist mit höherrangigem Recht vereinbar.
Normenkette
GG Art. 14 Abs. 1, 3; OEG § 1 Abs. 1, § 3 Abs. 4; BVG § 60 Abs. 1, § 65; SGB VII § 4 Abs. 1 Nr. 2; SGB I §§ 13-16
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 11.08.2008 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der 1933 geborene Kläger begehrt Leistungen nach den Vorschriften des Opferentschädigungsgesetzes (OEG) in Verbindung mit den des Bundesversorgungsgesetzes (BVG).
Der Kläger ist am 08.06.2003 Opfer einer Gewalttat im Sinne von § 1 Abs.1 OEG geworden. Sein Antrag auf Anerkennung als Arbeitsunfall und Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ist von Seiten der Verwaltungsberufsgenossenschaft (VBG) mit Bescheid vom 08.07.2003 abgelehnt worden. Mit Schreiben vom 18.06.2003 habe Dr.L. I. mitgeteilt, der Kläger habe beim Transport seiner Büroeinrichtung im Rahmen eines Umzuges von einem Nachbarn seines Hauses durch das offene Pkw-Fenster mehrere Schläge an den Kopf bekommen. Der Kläger habe angegeben, er habe zum Unfallzeitpunkt seine Büroeinrichtung von der alten Wohnung/Büro zu seiner neuen Wohnung/Büro transportieren wollen. Nachdem sein Nachbar seinen Umzugshelfer auf der Fahrt verfolgt habe, hätte er diesen aufgefordert, die Verfolgung zu unterlassen. Daraufhin habe der Nachbar ihm durch das offene Pkw-Fenster mehrere Faustschläge gegen die linke Gesichtsseite, das linke Auge, den Hals und die Schulter versetzt. Aus seiner Schilderung gehe hervor, dass er und seine Tochter schon mehrere Male von dem Nachbarn angegriffen worden seien. Nachdem der Kläger bereits mit Schreiben vom Juni 2003 mitgeteilt habe, dass bereits seit längerer Zeit Streitigkeiten zwischen ihm und der Familie seines Nachbarn bestünden und diese Streitigkeiten dem persönlichen Lebensbereich zuzurechnen seien (Belästigung der Tochter, Verunreinigung des Treppenhauses, vielfältige soziale Auffälligkeiten), stehe dies nicht im Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit. Ein Arbeitsunfall habe deshalb nicht vorgelegen.
Der Antrag des Klägers vom 09.06.2005 auf Gewährung von Beschädigtenversorgung nach dem OEG ist am 10.06.2005 bei dem Amt für Versorgung und Familienförderung L. eingegangen.
Der Beklagte hat mit Bescheid des Zentrums Bayern Familie und Soziales Region Oberbayern I vom 19.01.2007 als Folge einer Schädigung nach dem OEG anerkannt "Visusminderung linkes Auge nach Contusiobulbi" im Sinne der Entstehung. Die Schädigungsfolge bedinge eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) - nunmehr: Grad der Schädigungsfolgen (GdS) - um weniger als 25 v.H.. Eine Versorgungsrente stehe daher nicht zu.
Der hiergegen gerichtete Widerspruch vom 31.01.2007 ist mit Widerspruchsbescheid des Zentrums Bayern Familie und Soziales vom 18.10.2007 zurückgewiesen worden. Eine "posttraumatische Belastungsstörung" könne nicht als weitere Schädigungsfolge anerkannt werden. Entsprechend dem versorgungsärztlichen Gutachten der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr.A. vom 21.11.2006 würden sich weder vorübergehende noch bleibende psychische Schädigungsfolgen infolge des Schlages in das Gesicht vom 08.06.2003 feststellen lassen. Vielmehr sei bei dem Kläger bereits 1983/1984 eine endogene Involutionsdepression festgestellt worden. Zu der damaligen Zeit sei der Kläger an der linken Hand operiert worden. Die Depression sei auch vor dem biografischen Hintergrund seiner damaligen Ehe gewesen, die er zu Ende gebracht habe. Er habe sich damals von der Last seines Hauses in F. und vom schlechten Klima des Bayerischen Rundfunks befreit und sei nach B. gegangen. Zwischenzeitlich sei der Kläger berentet und arbeite als freiberuflicher Publizist weiter.
Die hiergegen gerichtete Klage ist beim Sozialgericht Bayreuth unter dem Geschäftszeichen S 10 VG 3/08 anhängig. Das Sozialgericht Bayreuth hat das Verfahren mit Beschluss vom 03.04.2008 ausgesetzt, bis das Verfahren S 10 VG 2/08 rechtskräftig abgeschlossen ist. Das Bayerische Landessozialgericht hat die Beschwerde vom 07.04.2008 gegen den Beschluss des Sozialgerichts Bayreuth vom 03.04.2008 - S 10 VG 3/08 - mit Beschluss vom 09.05.2008 - L 15 B 311/08 VG zurückgewiesen. Soweit das Sozialgericht Bayreuth mit Beschluss vom 28.02.2008 die Verfahren S 10 VG 2/08 und S 10 VG 3/08 gemäß § 113 Abs.1 SGG getrennt habe, sei dieser Beschluss unanfechtbar und für die Beteili...