Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Rentenversicherung: Erwerbsminderungsrente wegen psychischer Erkrankungen
Leitsatz (amtlich)
1. Zu den Voraussetzungen einer Rente wegen Erwerbsminderung.
2. Psychische Erkrankungen rechtfertigen erst dann einen Rentenanspruch, wenn trotz adäquater Behandlung (medikamentös, therapeutisch, ambulant oder stationär) davon auszugehen ist, dass der Versicherte die psychischen Einschränkungen weder aus eigener Kraft noch mit ärztlicher oder therapeutischer Hilfe dauerhaft nicht mehr überwinden kann.
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 26.05.2011 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob die Klägerin gegen die Beklagte aufgrund des Antrags vom 29.07.2008 Anspruch auf Gewährung einer Erwerbsminderungsrente hat.
Die 1960 geborene Klägerin hat in der Zeit von 1977 bis 1979 eine Ausbildung als Teilzeichnerin (Technische Zeichnerin) absolviert. Zwischen 1981 und 1988 war sie als freiberufliche Zeichnerin, anschließend von 1988 bis 1996 (nach ihren eigenen Angaben) als selbständig tätige Zeichnerin tätig. Seit 1992 war die Klägerin nach einer Anlernzeit von einem Monat als Modellbaumechanikerin versicherungspflichtig in Teilzeit beschäftigt (täglich fünf Stunden). Ab dem 14.02.2007 bestand Arbeitsunfähigkeit mit Krankengeldbezug bis 12.08.2008, anschließend Arbeitslosigkeit mit Bezug von Arbeitslosengeld I bis zur Anspruchserschöpfung.
Am 13.12.2007 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung einer stationären medizinischen Rehabilitationsmaßnahme wegen Schmerzzuständen unklarer Genese (Druck, Schwellungsgefühl, Schmerzen in den Augen/Nasennebenhöhlen). Nach Widerspruch gegen den ablehnenden Bescheid vom 23.01.2008 holte die Beklagte ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten von Dr. H. ein, die am 08.05.2008 zu dem Ergebnis gelangte, dass die Klägerin zwar mehr als sechs Stunden täglich sowohl die letzte Tätigkeit als auch Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verrichten könne. Sie hielt aber eine stationäre psychosomatische Reha-Maßnahme für angezeigt. Diese wurde in der Zeit vom 12.08.2008 bis 23.09.2008 in der Psychosomatischen Klinik B. absolviert. Aus dieser Maßnahme wurde die Klägerin (wegen eines unauflösbaren Arbeitsplatzkonfliktes) als arbeitsunfähig, jedoch mit einem Leistungsbild von mindestens sechs Stunden täglich sowohl für die letzte Tätigkeit als auch für den allgemeinen Arbeitsmarkt unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen entlassen.
Am 29.07.2008 - also bereits vor Durchführung der stationären medizinischen Reha-Maßnahme - beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung von Erwerbsminderungsrente wegen Kopfschmerzen, Unwohlsein, Schwindel, brennenden Schmerzen in den Nebenhöhlen, Schwellungen im Kopfbereich und am Körper, erhöhten Bleigehalts, Konzentrationsstörungen. Sie halte sich seit Januar 2007 für erwerbsgemindert. Die Beklagte lehnte den Rentenantrag nach Einholung einer prüfärztlichen Stellungnahme des Med.-Dir. H. vom 14.10.2008 zum Reha-Entlassungsbericht mit streitgegenständlichem Bescheid vom 21.10.2008 ab. Der hiergegen eingelegte Widerspruch vom 04.11.2008, den die Klägerin mit Schreiben vom 24.11.2008 begründete, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 14.01.2009 als unbegründet zurück.
Hiergegen hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin am 16.02.2009 Klage zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben, ohne diese näher zu begründen. Das SG hat Befundberichte der behandelnden Ärzte der Klägerin beigezogen, nämlich des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. S., des Orthopäden Dr. S., des HNO-Arztes Dr. M. sowie der Universitätsklinik E-Stadt, Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin. Sodann hat das SG ein internistisches Sachverständigengutachten von Dr. S. eingeholt, der am 27.07.2009 zu folgenden Diagnosen gelangt ist:
1. Autoimmunthyreopathie Typ Morbus Basedow (Erstdiagnose Ende 2004), Zustand nach Radiojodtherapie 01/05 mit endokriner Orbitopathie
2. Adipositas
3. Arterieller Hypertonus
4. Leichtes Schlafapnoesyndrom
5. Chondropathia patellae
6. Nasenmuschelhyperplasie, Zustand nach Nasennebenhöhlenoperation 2007
7. Vorübergehende Bleibelastung
Die Klägerin könne trotz dieser gesundheitlichen Einschränkungen unter den üblichen Bedingungen eines allgemeinen Arbeitsverhältnisses noch mindestens sechs Stunden täglich tätig sein. Nicht mehr zumutbar seien schwere Arbeiten sowie Tätigkeiten mit Absturzgefahr, auf Leitern und Gerüsten sowie der direkte Hautkontakt zu Latexprodukten. Die Wegefähigkeit der Klägerin sei gegeben. Der beschriebene Zustand und das daraus folgende Leistungsbild hätten bereits bei Antragstellung bestanden. Die Tätigkeit als Modellbaumechanikerin sei noch möglich unter der Voraussetzung einer erheblichen Verbesserung der Arbeitshygiene zur Verhinderung einer erneuten Bleiexpos...