Entscheidungsstichwort (Thema)
Elterngeldrecht: Elterngeldanspruch eines nicht freizügigkeitsberechtigten Ausländers. Besitz einer Aufenthaltserlaubnis bei rechtzeitiger Antragstellung auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis
Leitsatz (amtlich)
Im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach § 1 Abs. 7 Nr. 2 BEEG ist auch, wer rechtzeitig den Antrag auf Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis, die zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigt, stellt, ohne sich eine Fiktionsbescheinigung nach § 81 Abs. 5 AufenthG ausstellen zu lassen. Denn bei rechtzeitiger Antragstellung gilt nach § 81 Abs. 4 AufenthG der bisherige Aufenthaltstitel als fortbestehend. Der Ausstellung einer körperlichen Fiktionsbescheinigung bedarf es nicht.
Tenor
I. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 27.06.2012 wird zurückgewiesen.
II. Der Beklagte hat der Klägerin auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin ist russische Staatsangehörige und begehrt vom Beklagten Elterngeld für den 6. bis 8. Lebensmonat ihrer Tochter J. (geboren 13.11.2010). In den letzten 12 Monaten vor der Geburt ihrer Tochter übte sie keine Erwerbstätigkeit aus. Die Klägerin war im Besitz einer bis zum 01.04.2011 gültigen Aufenthaltserlaubnis gemäß § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, S. 2 Aufenthaltsgesetzes (AufenthG), die sie zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigte.
Am 16.12.2010 beantragte die Klägerin Elterngeld für den 1. bis 12. Lebensmonat von . Mit Bescheid vom 30.12.2010 bewilligte der Beklagte zunächst Elterngeld für die Lebensmonate 1 - 5 (13.11.2010 des 12.03.2011), da die Aufenthaltsgenehmigung bis 01.04.2011 befristet war. Sofern innerhalb des möglichen Elterngeldbezugszeitraumes eine über den 01.04.2011 hinaus gültige Aufenthaltsgenehmigung vorgelegt werde, könne über den weiteren Anspruch auf Elterngeld entschieden werden.
Am 24.03.2011 beantragte die Klägerin beim Landratsamt B-Stadt die Verlängerung ihrer Aufenthaltserlaubnis. Das Landratsamt B-Stadt stellte am 29.06.2011 die beantragte Aufenthaltserlaubnis gemäß § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, S. 2 AufenthG (gültig bis 01.04.2013) aus, die die Klägerin wiederum zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigte. Am 05.07.2011 ging beim Beklagten eine Kopie der am 29.06.2011 ausgestellten Aufenthaltserlaubnis ein. Außerdem übersandte die Klägerin dem Beklagten eine Bescheinigung des Landratsamtes B-Stadt vom 04.07.2011, mit der ihr bescheinigt wurde, dass sie am 24.03.2011 die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis rechtzeitig vor Ablauf des Aufenthaltstitels beantragt habe und die Aufenthaltserlaubnis damit gemäß § 81 Abs. 4 AufenthG als fortbestehend galt.
Mit Bescheid vom 08.07.2011 bewilligte der Beklagte der Klägerin Elterngeld auch für den 9. bis 12. Lebensmonats des Kindes (13.07. bis 12.10.2011) in Höhe von jeweils 300 € monatlich. Für den 6. bis 8. Lebensmonat (13.04. bis 12.07.2011) lehnte er die Zahlung mit der Begründung ab, dass für diesen Zeitraum kein Aufenthaltstitel vorgelegen habe und die Klägerin daher nicht anspruchsberechtigt gewesen sei. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 09.08.2011 zurück. Der Beklagte vertrat die Auffassung, die Klägerin sei wegen des fehlenden Aufenthaltstitels nicht anspruchsberechtigt. Zwar habe sie für die Zeit zwischen dem Ablauf des bisherigen bis zur Aushändigung des neuen Aufenthaltstitels dem Grunde nach einen rechtmäßigen Aufenthalt in Deutschland gehabt, sie sei aber nicht tatsächlich im Besitz eines entsprechenden Aufenthaltstitels oder einer Fiktionsbescheinigung gewesen, so dass die Zahlung von Elterngeld für den 6. bis 8. Lebensmonat von ausgeschlossen sei.
Hiergegen wandte sich die Klägerin mit ihrer Klage zum Sozialgerichts Augsburg. Sie habe rechtzeitig, also vor Ablauf der Geltungsdauer ihres Aufenthaltstitels bei der Ausländerbehörde ein Verlängerungsantrag gestellt, so dass sie aufgrund der Fiktion des § 81 Abs. 4 AufenthG die Anspruchsvoraussetzung nach § 1 Abs. 7 BEEG erfüllt habe. Die Ausstellung eine "körperlichen" Fiktionsbescheinigung nach § 81 Abs. 5 AufenthG sei zur Begründung der Anspruchsberechtigung nicht erforderlich.
Das SG gab der Klage mit Urteil vom 27.06.2012 statt und verurteilte den Beklagten, der Klägerin Elterngeld auch für den 6. bis 8. Lebensmonat von zu bewilligen. Die Klägerin erfülle auch in dem streitigen Zeitraum die Anspruchsvoraussetzungen, insbesondere die des § 1 Abs. 7 BEEG, denn sie habe in diesem Zeitraum eine Aufenthaltserlaubnis besessen, die zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigte (§ 1 Abs. 7 Nr. 2 BEEG). Die Klägerin sei zunächst unstreitig bis zum 01.04.2011 sowie ab 29.06.2011 im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis, die zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigte. Auch für den Zeitraum vom 02.04.2011 bis zum 28.06.2011 habe die Klägerin eine zum Bezug von Elterngeld berechtigende Aufenthaltserlaubnis im Sinne von § 1 Abs. 7 Nr. 2 BEEG besessen, wie sich aus § ...