Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Altenhilfe. Kein monatlicher Pauschbetrag für Veranstaltungsbesuche. Maßnahmen der kommunalen Altenpolitik. Befriedigung kultureller Bedürfnisse als Bestandteil des Regelsatzes. Keine abweichende Festlegung des Regelsatzes wegen unabweisbarem Bedarf. Altersbedingter Bedarf. Allgemeine Leistungsklage. Leistungen der Altenhilfe. Pauschalbetrag als unbestimmte Altenhilfe. Teilnahme alter Menschen am Leben in der Gemeinschaft. Altersspezifischer Zusammenhang. Kommunale Altenpolitik. Koordinierende Hilfen
Leitsatz (amtlich)
1. § 71 SGB 12 bietet keine Rechtsgrundlage für eine pauschale Leistungen iS von Regelleistungen zur Befriedigung kultureller Bedürfnisse.
2. Nach § 71 Abs 1 S 1 SGB 12 soll alten Menschen außer den Leistungen nach den übrigen Bestimmungen des SGB 12 Altenhilfe gewährt werden. Damit kommt in systematischer Auslegung zum Ausdruck, dass vorrangig die übrigen Bestimmungen des SGB 12 greifen.
3. Grundlage der Bemessung der Regelsätze ist der aus der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe abzuleitende Eckregelsatz (vgl § 2 der gemäß § 40 SGB 12 erlassenen Rechtsverordnung). Diese umfasst auch die Befriedigung kultureller Bedürfnisse von Haushalten im unteren Einkommensbereich mit einem monatlichen Betrag von 40,76 Euro (EVS 2003). Für den Besuch von Sport- und Kulturveranstaltungen sind monatliche Ausgaben von 6,27 Euro berücksichtigt (vgl EVS Code-Nr 0941900).
4. Die Öffnungsklausel nach § 28 Abs 1 S 2 SGB 12 setzt für eine abweichende Festsetzung der Bedarfe voraus, dass im Einzelfall ein Bedarf seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht. Dies kann nicht dadurch begründet werden, dass bestimmte kulturelle Bedürfnisse aufgrund der bisherigen Lebensführung des Hilfeempfängers besonders ausgeprägt vorhanden sind.
5. Das Tatbestandsmerkmal "unabweisbar" nach § 28 Abs 1 S 2 SGB 12 nimmt Bezug auf die verfassungsrechtliche Absicherung der menschenwürdigen Existenz, die allein bei einer Orientierung am "Durchschnitt" gefährdet sein kann.
Orientierungssatz
1. Die Leistungen der Altenhilfe gem § 71 SGB 12 bedingen einen spezifischen altersbedingten Bedarf.
2. Aus § 71 Abs 2 Nr 5 SGB 12 kann sich durchaus ein individueller Einzelanspruch ergeben. Die Vorschrift ist nicht nur Ermächtigungsgrundlage zur institutionellen Förderung.
Tenor
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 28. November 2008 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger verlangt vom Beklagten Leistungen der Altenhilfe nach § 71 SGB XII.
Der 1938 geborene Kläger ist verheiratet und bezieht vom Beklagten Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem 4. Kapitel des SGB XII. Die Ehefrau bezog Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II.
Am 11.06.2007 bat der Kläger die Beklagte um Auskunft, welche Möglichkeiten es nach § 71 SGB XII (Altenhilfe) gebe, um ihn zusätzlich zur Grundsicherung zu unterstützen. Der Gesetzgeber habe seiner Ansicht nach bei § 71 SGB XII an eine finanzielle monatliche Unterstützung zum Besuch von Veranstaltungen oder Einrichtungen gedacht. Auch die Gewährung von Reisebeihilfen bis hin zu einem Erholungsurlaub sei in § 71 SGB XII enthalten.
Am 3.6.2007 antwortete der Beklagte, die Regelung des § 71 SGB XII bilde die Grundlage für die kommunale Altenpolitik und ermögliche allgemeine Leistungen bzw. Förderungen. Der Landkreis M. fördere beispielsweise neue Wohnformen älterer Menschen durch Zuschüsse an Bauträger oder freie Wohlfahrtsverbände. Er habe das Amt eines Altenhilfefachberaters eingerichtet, der koordinierende Hilfen leiste. Eine individuelle Hilfe nach § 71 SGB XII trete hinter die übrigen Hilfearten, die das SGB XII biete, zurück. Finanzielle Hilfen würde nach den einzelnen Kapiteln des SGB XII geleistet und nicht nach § 71 SGB XII. Das Hilfesystem der laufenden Hilfe zum Lebensunterhalt, die der Kläger bereits erhalte, sei vorrangig. Wenn innerhalb dieser Hilfeart bestimmte Leistungen nicht mehr erbracht werden, so könne eine entstehende Lücke nicht durch Altenhilfe des § 71 SGB XII ergänzt werden.
Am 24.06.2007 und 03.07.2007 erinnerte der Kläger an seinen Antrag nach § 71 SGB XII Altenhilfe und erhob Dienstaufsichtsbeschwerde, die am 23.07.2007 beantwortet wurde. Am 18. 07.2007, 01.08.2007 und 13.08.2007 legte der Kläger nochmals unter Hinweis auf den Kommentar zum SGB XII von Schellhorn (Rz. 14 zu §71) seine Rechtsauffassung zu "§ 71 Abs. 5 SGB XII", wonach er "gemäß § 71 Abs. 5 finanzielle Unterstützung zum Besuch von Theater, Schauspiel, Konzerten, Unterhaltungsveranstaltungen, Sportveranstaltungen, Museen, Ausflügen und Besichtigungen" beanspruchen könne. Eine genaue Bezeichnung der jeweiligen Veranstaltung sei erst möglich, wenn er den Zeitpunkt und die Höhe der begehrten Leistungen kenne. Dabei bat er zu berücksichtigen, dass er verheiratet und seine Ehefrau bereits 64 Jahre alt sei, wegen der er diese V...