Entscheidungsstichwort (Thema)
Soziales Entschädigungsrecht. Soldatenversorgung. Wehrdienstbeschädigung. Dienstunfall. Verkehrsunfall auf dem Weg zum Dienst. fehlendes Anlegen des Sicherheitsgurts. haftungsausschließender besonderer Umstand. grobe Fahrlässigkeit. fahrlässige Straßenverkehrsgefährdung. Wegfall des Versorgungsschutzes
Leitsatz (amtlich)
1. Das Nichtanlegen des Sicherheitsgurtes führte im Jahr 2006 grundsätzlich zum Verlust des Versorgungsschutzes für darauf beruhende Gesundheitsschäden.
2. Dies gilt jedenfalls im Zusammenhang mit einer vom geschädigten Soldaten vorwerfbar verursachten Gefährdung des Straßenverkehrs.
Tenor
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 24. Juni 2014 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob Gesundheitsstörungen, die beim Kläger nach einem Verkehrsunfall verblieben sind, als Folgen einer Wehrdienstbeschädigung anzuerkennen sind und dem Kläger deshalb Beschädigtenrente nach dem Gesetz über die Versorgung für die ehemaligen Soldaten der Bundeswehr und ihre Hinterbliebenen (Soldatenversorgungsgesetz - SVG) i.V.m den Regelungen des Gesetzes über die Versorgung der Opfer des Krieges (Bundesversorgungsgesetzes - BVG) zu gewähren ist.
Der im Jahr 1974 geborene Kläger und Berufungskläger (im Folgenden: Kläger) leistete von 04.10.1994 bis 31.05.2010 als Soldat Dienst in der Bundeswehr, vom 10.09.2002 bis 31.05.2010 als Berufssoldat. Er war dort in der Heeresfliegerversorgungstaffel XXX als Verpflegungsfeldwebel im Dienstgrad eines Hauptfeldwebels eingesetzt.
Wie regelmäßig der Fall, fuhr er am frühen Morgen des 11.05.2006 mit seinem Pkw (Audi A3) von seinem Wohnort A-Stadt in Richtung seiner Dienststelle in R., um dort seinen Dienst zu verrichten. In dem Ort W., welcher auf der unmittelbaren Strecke zur Dienststelle liegt, stieg der in D-Stadt wohnhafte Kollege und durch den Senat als Zeugen einvernommene Herr D. (im Folgenden: Zeuge) als Beifahrer zu, mit welchem der Kläger eine Fahrgemeinschaft für diese täglichen Fahrten zur Dienststelle führte. Im Verlauf der Fahrt überquerte der Kläger, auf der Staatsstraße 2220 in Richtung R. fahrend, die bevorrechtigte Bundesstraße 466 (H. Kreuzung). An der Kreuzung befand sich für die vom Kläger befahrene Strecke ein STOP-Schild. Zusätzlich war der Kreuzungsbereich aus Sicht des Klägers mit einem Blinklicht gesichert. Beim Überqueren der Bundesstraße stieß der Kläger mit dem auf der Bundesstraße fahrenden, von rechts kommenden Pkw (Mercedes C 180 T) des Herrn K. zusammen. Dessen Fahrzeug prallte frontal in Höhe des vorderen Kotflügels und der Tür in die rechte Seite des Pkw des Klägers, drehte sich dabei um 180° und blieb entgegen der Fahrrichtung im Kreuzungsbereich stehen. Das Fahrzeug des Klägers wurde nach links in den angrenzenden Acker geschleudert. Der Unfall wurde auch von einem auf der Bundesstraße aus Sicht des Klägers von links heranfahrenden Pkw-Fahrer (Herr K.) beobachtet.
Der Kläger wurde schwerst verletzt mit einem Rettungshubschrauber ins Krankenhaus I. geflogen. Der Zeuge D. erlitt einen Schlüsselbeinbruch rechts und Prellungen, er wurde mit einem Rettungswagen ins Krankenhaus S. gefahren. Herr K. erlitt leichtere Verletzungen (Brustkorbprellung, HWS-Distorsion). An beiden beteiligten Fahrzeugen trat (wirtschaftlicher) Totalschaden ein (8.000,- EUR (Audi) bzw. 10.000,- EUR (Mercedes)).
Der Kläger war nach dem Unfall - und im Weiteren dauerhaft - nicht vernehmungsfähig. Der Zeuge D. wurde im Jahr 2007 seitens der Dienststelle zu dem Unfall vernommen. Er gab an, dass der Unfall auf der täglichen Fahrt zur Dienststelle geschehen sei; es habe keine Möglichkeit der Inanspruchnahme öffentlicher Verkehrsmittel für diese Wegstrecke bestanden. Er sei gegen 06:25 Uhr von seinem Wohnort losgefahren und gegen 06:45 Uhr beim Kläger zugestiegen. Die Verpflichtung zum Wohnen in der Gemeinschaftsunterkunft sei aufgehoben gewesen. Dienstbeginn sei am Unfalltag um 07:15 Uhr gewesen. Mitten auf der Kreuzung bei H. sei von rechts mit hoher Geschwindigkeit ein Mercedes-Kombi in die Beifahrerseite geprallt. Der Kläger habe zuvor am STOP-Schild angehalten, aber das von rechts herankommende Fahrzeug übersehen.
Die Beklagte und Berufungsbeklagte (im Folgenden: Beklagte) zog die Ermittlungsakten über das gegen den Kläger eingeleitete Strafverfahren (Az.: X) bei. Darin waren unter anderem die Protokolle der Polizeiinspektion H. (Az.: X.) über die Zeugenvernehmungen von Herrn K., dem Zeugen D. sowie von Herrn K. enthalten. Ferner die Verkehrsunfallanzeige von Polizeihauptmeister (PHM) S. vom 27.05.2006. Die Beklagte nahm Kopien dieser Unterlagen zu ihren Akten.
Herr K. gab bei einer ersten Vernehmung am Unfalltag (11.05.2006) an, dass er im Kreuzungsbereich mit einer Geschwindigkeit von ca. 60 km/h gefahren sei. Aus den Augenwinkeln habe er einen Pkw auf die Kreuzung zufahren gesehen. Da dieser Pkw hätte anhalten müssen, habe er nicht weit...