Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Berufskrankheit gem BKV Anl 1 Nr 5101. Tatbestandsmerkmal: Unterlassungszwang. Feststellungszeitpunkt. Entscheidungszeitpunkt gem § 9 Abs 4 SGB 7: Vorliegen der übrigen Voraussetzungen
Leitsatz (amtlich)
1. Die Unterlassung der gefährdenden Tätigkeiten ist Tatbestandsmerkmal der Berufskrankheit gem Nr 5101 Anl 1 BKV.
2. Anspruch auf eine Feststellung nach § 9 Abs 4 SGB 7, dass die übrigen Voraussetzungen für die Anerkennung einer Berufskrankheit erfüllt sind, besteht nur, solange die gefährdende Tätigkeit noch nicht aufgegeben worden ist.
Tenor
I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Regensburg vom 22. Juli 2011 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Rechtsstreit aus der gesetzlichen Unfallversicherung nach dem Siebten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) betrifft das Vorliegen der Berufskrankheit (BK) Nr. 5101 der Anlage zu § 1 der Berufskrankheiten-Verordnung (BKV). Streitig ist im Berufungsverfahren zwischen den Parteien nur noch der Zeitpunkt, ab dem die Berufskrankheit festzustellen ist.
Am 03.08.2006 erlangte die Beklagte durch einen Bericht des Dermatologen Dr. L. vom 01.08.2006 Kenntnis von einer Hauterkrankung der Klägerin, die Dr. L. auf ihre 11-jährige berufliche Tätigkeit im Formkabelbau und den Kontakt zu Kabelgummierung und Plastikmaterial zurückführte. In der Folgezeit wurden verschiedene Versuche unternommen, die Probleme der Klägerin in den Griff zu bekommen, insbesondere durch einen stationären Aufenthalt in der Berufsgenossenschaftlichen Klinik für Berufskrankheiten F./V. vom 24.11.2008 bis zum 15.12.2008 (Entlassungsbericht der Klinik vom 15.12.2008). Die Beklagte holte das Gutachten der ärztlichen Direktorin der eben genannten Klinik, Dr. K., vom 20.12.2008 ein, in dem diese feststellte, dass ein durch berufliche irritative Einflüsse provoziertes atopisches Handekzem vorliege. Allerdings bestehe derzeit noch kein objektiver Zwang zur Unterlassung der beruflichen Tätigkeit, weil die intensive Therapie zu einer deutlichen Besserung der Beschwerden geführt habe.
Mit Bescheid vom 11.08.2009 stellte die Beklagte fest, dass die Hauterkrankung der Klägerin durch ihre berufliche Tätigkeit im Formkabelbau bei der I. GmbH, R., verursacht worden sei und zu folgende gesundheitlichen Beeinträchtigungen geführt habe:
irritativ provoziertes atopisches Ekzem sowie subtoxisch-kumulatives Handekzem beidseits.
Folgende Beeinträchtigungen des Gesundheitszustandes der Klägerin lägen dagegen unabhängig von der beruflichen Tätigkeit vor:
Typ-IV-Sensibilisierung auf Formaldehyd, Abietinsäure, Bismark Brown R, Dispersionsrot 17, Lyral, Nickel und Palladiumchlorid, atopische Diathese, saisonale und periniale allergische Rhinokonjunktivitis bei Typ I-Sensibilisierung gegenüber multiplen inhalativen und nutritiven Allergenen, Latexsensibilisierung (Rast-Klasse 2) sowie orales Allergiesyndrom auf Äpfel, Haselnuss und Karotte.
Die beruflich verursachte Hauterkrankung stelle aber noch keine BK Nr. 5101 dar, weil die Hauterkrankung die Klägerin derzeit noch nicht zwinge, die bisher ausgeübte Tätigkeit zu unterlassen. Die Klägerin habe Anspruch auf Leistungen oder Maßnahmen, die dem Entstehen einer BK entgegenwirkten.
Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 20.08.2009 Widerspruch mit der Begründung ein, dass der Zwang zur Aufgabe der beruflichen Tätigkeit sehr wohl vorliege. Eine Stabilisierung sei immer nur dann eingetreten, wenn die Klägerin krankheitsbedingt der Exposition nicht mehr ausgesetzt gewesen sei. Das Medikament Toctino werde von der Klägerin wegen der damit verbundenen Nebenwirkungen auf innere Organe abgelehnt.
Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 29.01.2010 als unbegründet zurück. Der objektive Zwang zur Aufgabe der beruflichen Tätigkeit sei weiterhin gegeben, zumal nicht alle vorbeugenden Maßnahmen am Arbeitsplatz ausgeschöpft seien. Hierzu zähle die empfohlene stationäre Heilmaßnahme, die die Klägerin im eigenen Interesse durchführen solle. Die Kosten hierfür würden von der Beklagten übernommen.
Dagegen hat die Klägerin am 01.03.2010 beim Sozialgericht (SG) Regensburg Klage erhoben und beantragt, in Abänderung des Bescheides vom 11.08.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.01.2010 die Beklagte zu verurteilen, die Hautkrankheit der Klägerin als BK anzuerkennen und der Klägerin die ihr zustehenden finanziellen Leistungen zu gewähren.
Zum 18.06.2010 hat die Klägerin ihre bisherige berufliche Tätigkeit endgültig aufgegeben.
Der vom SG zum Sachverständigen ernannte Hautarzt und Dermatologe Dr. M. B., S., hat in seinem Gutachten vom 14.02.2011 festgestellt, dass es seit der Beendigung der beruflichen Tätigkeit zu einer deutlichen Verbesserung des Handekzemleidens gekommen, der aktuelle Hautbefund werde subjektiv von der Klägerin sogar als sehr gut beurteilt. Es sei sicher richtig, dass ei...