Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialversicherungspflicht. Tätigkeit eines Krankenpflegers für einen ambulanten Pflegedienst. Abgrenzung abhängiger Beschäftigung von selbständiger Tätigkeit
Leitsatz (amtlich)
Zur Abgrenzung abhängiger Beschäftigung von selbständiger Tätigkeit bei Intensiv-Krankenpflegern.
Orientierungssatz
1. Agiert ein Intensiv-Krankenpfleger bei der pflegerischen Leistungserbringung auf Grundlage eines Rahmenvertrags außerhalb der Betriebs- und Organisationsstruktur des ambulanten Pflegedienstes, tritt er gegenüber den Angehörigen des Pflegebedürftigen als selbstständiger Freiberufler auf, trägt er ein unternehmerisches Risiko und tritt er am Markt erkennbar unternehmerisch auf, so kommt einer fehlenden direkten Abrechnungsmöglichkeit mit den Pflegekassen kein entscheidendes Gewicht zu.
2. Dem Leistungserbringungsrecht fehlt eine über das Leistungs- und Leistungserbringungsrecht des SGB V hinausgehende übergeordnete Wirkung auch bezogen auf die sozialversicherungs- und beitragsrechtliche Rechtslage in Bezug auf die konkret tätig werdenden Personen. Diesem System kann keine determinierende Wirkung auf die Frage, ob eine Beschäftigung i.S.v. § 7 Abs. 1 SGB IV vorliegt, entnommen werden (BSG, 24. März 2016, B 12 KR 20/14 R).
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 10. März 2016 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers und der Beigeladenen zu 1.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist der sozialversicherungsrechtliche Status des Klägers bei der Beigeladenen zu 1 als Intensivkrankenpfleger seit 1.1.2008 bis 31.3.2015.
Die Beigeladene zu 1 betreibt einen ambulanten Pflegedienst speziell für Wachkomapatienten, Heimbeatmung und 24-Stunden-Intensivpflege bei Kindern und Erwachsenen.
Die Tätigkeit des Klägers für die Beigeladene zu 1 bestand in der ambulanten Versorgung von tracheotomierten und langzeitbeatmeten Personen, insbesondere in der Überwachung und Pflege dieser Personen als Intensivpfleger. Konkret handelte es sich um eine pflegebedürftige Person in A-Stadt und R-Stadt. Grundlage hierfür war der Rahmenvertrag vom 16.8.2008. Der Kläger ist examinierter Krankenpfleger und absolvierte eine Ausbildung im Bereich Pflegemanagement. Am 5.9.2011 gründete er die Firma A. Pflegedienstleistungen UG (haftungsbeschränkt), dessen alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer er ist. Im Nachgang zur Gründung der Gesellschaft schloss die Beigeladene zu 1 mit der Gesellschaft am 20.1.2012 einen dem Rahmenvertrag vom 16.6.2008 betreffend die vertraglichen Regelungen im Wesentlichen inhaltsgleichen Rahmenvertrag. Außerdem beschäftigte der Kläger zwei geringfügig Beschäftigte, die für ihn Aufträge bei anderen Auftraggebern als dem Beigeladenen zu 1 übernahmen.
Mit Bescheiden jeweils datierend vom 20.9.2011 stellte die Beklagte in Ausführung gerichtlicher Anerkenntnisse (u.a. S 11 R 2652/05) für die Tätigkeit bei der H. GmbH, M. Intensivpflege, P.-Intensivpflege und für die P. GmbH für die Zeit ab 1.4.2004 eine selbständige Tätigkeit im Bereich der ambulanten Krankenpflege fest.
Mit Schreiben vom 16.11.2011 stellte der Kläger Antrag auf Statusfeststellung nach § 7a SGB IV in Bezug auf die Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1. Er sei für mehrere Auftraggeber tätig, so u.a. seit Oktober 2007 auch für die P. GmbH & Co. KG.
Der Rahmenvertrag vom 16.06.2008 enthält (auszugsweise) folgende Regelungen:
I. Vertragsgegenstand:
Dieser Vertrag in Form von Rahmenbedingungen soll die Konditionen einer künftigen Geschäftsbeziehung zwischen den Parteien regeln.
II. Tätigkeit:
Unter der Voraussetzungen einer Auftragserteilung bzw. Auftragsannahme im Einzelfall (siehe unter Ziffer 4) wird der Auftragnehmer, im wesentlichen folgende Leistungen erbringen, wobei der Umfang der konkret beauftragten Tätigkeit, wenn sie vom nachfolgenden Leitungskatalog abweicht, im einzelnen Auftrag schriftlich festzuhalten ist:
Der Auftragnehmer verpflichtet sich die ihm übertragenen Aufgaben sorgfältig, sachgerecht und nach bestem Wissen und Gewissen auszuführen. Er haftet dem Auftraggeber gegenüber für die ihm verursachten Schäden. Der Auftragnehmer hat zur Deckung derartiger Schäden eine Haftpflichtversicherung abgeschlossen.
III. Personelle/Örtliche Durchführung
Der Ort der Durchführung orientiert sich allein an den Bedürfnissen des konkreten Auftrages bzw. Pflegekunden.
IV. Auftragsabwicklung
Der Auftragnehmer wird dem Auftraggeber nach eigenem Ermessen seine zeitlichen und fachlichen Kapazitäten am 1. eines Vormonates für den Auftragsfolgemonat in Form eines schriftlichen Angebotes unterbreiten (z.B. am 1. April Terminvorschläge für den Monat Mai). Der Auftraggeber überprüft die zur Verfügung gestellten Kapazitäten des Auftragnehmers. Besteht auf Seiten des Auftraggebers in Kongruenz zur Anfrage des Auftragnehmers Tätigkeitsbedarf, so wird der Auftraggeber dem Auftragnehmer eine Mitteilung (schriftlich bzw. per email) zukommen lassen, aus...