Leitsatz (amtlich)
1. Auch ein Steuerbescheid, der an eine nicht mehr bestehende GmbH gerichtet ist, unterbricht die Verjährung.
2. Verpflichtet sich eine GmbH, ihren Gewinn und Verlust an eine KG abzuführen, und vereinbart der persönlich haftende Gesellschafter der KG mit dem Mehrheitsgesellschafter der GmbH, daß der abgeführte Gewinn oder Verlust anteilig dem Mehrheitsgesellschafter der GmbH zustehen soll, liegt keine körperschaftsteuerrechtlich anzuerkennende Ergebnisabführung vor.
Normenkette
AO a.F. § 147; KStG §§ 6, 8b Abs. 7 S. 1
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine KG, ist auf Grund des Umwandlungsgesetzes vom 12. November 1956 (UmwG) in Verbindung mit dem Umwandlungs-Steuergesetz vom 11. Oktober 1957 (UmwStG) mit Wirkung vom 1. Januar 1962 Rechtsnachfolgerin der C-GmbH (GmbH) geworden. Diese war durch Verfügung des FA R vom 26. August 1960 vom 1. Januar 1960 an als Organgesellschaft der C-KG in H (KG) unter dem Vorbehalt des jederzeitigen Widerrufs anerkannt worden. Der Anerkennung lag ein Organschaftsvertrag mit Ergebnisabführungsvertrag vom 15. Mai/15. August 1960 zugrunde. An den beiden Gesellschaften waren beteiligt:
GmbH KG
J. L. 51 1/9 % -
E. L. - 51 1/9 %
X 16 2/9 % 16 2/9 %
Y 16 1/3 % 16 1/3 %
Z 16 1/3 % 16 1/3 %.
E. L. war der persönlich haftende und allein vertretungsberechtigte Gesellschafter der KG und der Hauptgeschäftsführer der GmbH. Er war außerdem von seiner Ehefrau J. L., der Mehrheitsgesellschafterin der GmbH, bevollmächtigt, das Stimmrecht in den Gesellschafterversammlungen der GmbH auszuüben.
Anläßlich einer Betriebsprüfung übergab die Gesellschafterin J. L. dem Prüfer eine bisher dem FA unbekannte Vereinbarung vom 15. Mai 1960 zwischen ihr und ihrem Ehemann E. L., durch die sich E. L. verpflichtete, 51 1/9 % der von der GmbH an die KG abzuführenden Gewinne an J. L. abzuführen. J. L. verpflichtete sich, 51 1/9 % der von der KG übernommenen Verluste der GmbH an E. L. zu erstatten.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das FA) verneinte auf Grund dieser Vereinbarung eine Ergebnisabführung von der GmbH an die KG und nahm eine verdeckte Gewinnausschüttung an. Durch den nach § 222 AO berichtigten Bescheid vom 31. März 1971 setzte das FA für das Jahr 1960 eine Körperschaftsteuer von 31 693 DM und für das Jahr 1961 eine Körperschaftsteuer von 24 098 DM fest.
Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg.
Das FG hat ausgeführt:
Die Körperschaftsteueransprüche 1960 und 1961 seien noch nicht verjährt. Durch die Betriebsprüfung seien neue Tatsachen bekannt geworden, die eine höhere Veranlagung rechtfertigten. Die Vereinbarung der Eheleute L vom 15. Mai 1960 sei dem FA nicht bekannt gewesen. Sie habe bewirkt, daß eine Ergebnisabführung von der GmbH an die KG nicht vorgelegen habe. Der Berichtigung der Steuerbescheide stehe nicht der Grundsatz von Treu und Glauben entgegen. Das FA R habe seine Erforschungspflicht nicht verletzt. Es hätten keinerlei Anhaltspunkte dafür vorgelegen, daß die von den beiden Gesellschaften eingereichten Unterlagen unvollständig gewesen seien.
Die verdeckten Gewinnausschüttungen der GmbH, die durch die Vereinbarung vom 15. Mai 1960 begründet worden seien, könnten nicht nachträglich in offene Gewinnausschüttungen umgewandelt werden.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Klägerin, in der ausgeführt wird:
1. Die vom FA angenommenen verdeckten Gewinnausschüttungen seien keine neuen Tatsachen. Denn bereits mit dem Abschluß des Organschaftsvertrags mit Ergebnisabführung habe die GmbH eine verdeckte Gewinnausschüttung an eine ihrer Mehrheitsgesellschafterin nahe stehende Person vorgenommen.
2. Da an der Vereinbarung vom 15. Mai 1960 die KG nicht beteiligt gewesen sei, habe diese Vereinbarung nicht der KG den ihr gebührenden Ergebnisanteil der Mehrheitsgesellschafterin der GmbH entzogen.
3. Bei den Leistungen an die Gesellschafterin J. L. auf Grund des Vertrages vom 15. Mai 1960 handle es sich um Gewinnanteile aus einer Unterbeteiligung als Gegenleistung des der Gesellschafterin J. L. zustehenden Ausgleichsanspruchs für ihren Verzicht auf die ihr zustehenden Gewinnanteile.
4. Der Klägerin dürfe nicht verwehrt werden, ihre Handelsbilanzen 1960 und 1961 zu berichtigen, indem sie gegen ihre Gesellschafter auf Grund der Nichtanerkennung des Ergebnisabführungsvertrages Rückgewähransprüche aktiviere und über die Verwendung des sich aus den berichtigten Handelsbilanzen ergebenden Gewinns Beschluß fasse.
5. Die nochmalige Prüfung des Jahres 1960 im Jahr 1967 sei mit den Grundsätzen von Treu und Glauben nicht vereinbar.
6. Die Körperschaftsteueransprüche 1960 und 1961 seien verjährt. Die angefochtenen Körperschaftsteuerbescheide 1960 und 1961 vom 31. März 1971 hätten die Klägerin erstmals richtig bezeichnet. Auch der vorläufige Körperschaftsteuerbescheid 1960 vom 1. März 1962 sei korrekt adressiert gewesen. Dagegen sei der am 25. Mai 1964 für endgültig erklärte Körperschaftsteuerbescheid 1961 vom 27. März 1963 ins Leere gegangen. Ebenso seien die Betriebsprüfungsanordnungen und die Betriebsprüfungsberichte an die nicht mehr existierende GmbH gerichtet gewesen. Die Verjährung sei daher weder unterbrochen noch gehemmt worden.
Die Klägerin beantragt,
1. das Urteil des FG aufzuheben,
2. die berichtigten Körperschaftsteuerbescheide 1960 und 1961 vom 31. März 1971 aufzuheben,
3. festzustellen, daß eine wirksame Ergebnisabführung im Rahmen eines Organschaftsverhältnisses zwischen der GmbH und der KG für die Zeit vom 1. Januar 1960 bis auf unbestimmte Zeit, mindestens jedoch in den Jahren 1960 und 1961, vorgelegen hat,
4. hilfsweise, für den Fall, daß das Gericht dem Antrag unter 3. nicht entspricht, festzustellen, daß die zwischen den Eheleuten L getroffene Vereinbarung vom 15. Mai 1960 keine neue Tatsache i. S. des § 222 Abs. 1 Nr. 1 AO darstellt,
5. hilfsweise, der Klägerin zu erlauben, ihre Handelsbilanzen für die Jahre 1960 und 1961 zu ändern und über die Verwendung der daraus sich ergebenden Handelsbilanzgewinne Beschluß zu fassen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Die Abführung der Gewinne der GmbH an die KG auf Grund des Organschaftsvertrags mit Ergebnisabführungsvertrag vom 15. Mai/15. August 1960 ist eine verdeckte Gewinnausschüttung (§ 6 Abs. 1 Satz 2 KStG).
1. Berichtigungsveranlagungen gemäß § 222 Abs. 1 Nr. 1 AO sind nur zulässig, wenn die Verjährungsfrist noch nicht abgelaufen ist. Die streitigen Körperschaftsteueransprüche 1960 und 1961 waren, wie das FG zutreffend festgestellt hat, zum Zeitpunkt des Berichtigungsbescheides vom 31. März 1971 noch nicht verjährt.
Bei der Prüfung der Verjährungsfrage ist zu beachten, daß die Vorschriften über die Verjährung nach dem Gesetz zur Änderung der Reichsabgabenordnung und anderer Gesetze vom 15. September 1965 (AOÄG) - BStBl I 1965, 643 - nur für Abgabenansprüche gelten, die mit Ablauf des Kalenderjahres 1965 oder später entstanden sind (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 AOÄG). Die Verjährung kann ab 1. Januar 1966 nur nach den neuen Vorschriften der §§ 146, 146 a und 147 AO gehemmt oder unterbrochen werden. Früher vorgenommene Unterbrechungshandlungen bleiben jedoch wirksam (Art. 5 Abs. 3 AOÄG).
a) Körperschaftsteuer 1960
Der vorläufige Körperschaftsteuerbescheid 1960 erging am 1. März 1962 an die damals noch bestehende GmbH. Er hat als Handlung des FA zur Feststellung des Anspruchs des Verpflichteten (§ 147 Abs. 1 AO a. F.) den Lauf der Verjährung unterbrochen, ebenso wie die im April/Mai 1962 durchgeführte Betriebsprüfung (Bericht vom 1. Juni 1962), die sich gemäß Tz. 43 des Berichts auch auf die Körperschaftsteuer 1960 bezog, mit der Folge, daß ab 1. Januar 1963 für diesen Anspruch die fünfjährige Verjährungsfrist (§ 144 AO) erneut zu laufen begann, und zwar bis zum 31. Dezember 1967.
Vom 1. Januar 1966 an bis zum Ablauf der nach altem Recht in Gang gesetzten Verjährung am 31. Dezember 1967 richten sich Hemmung und Unterbrechung der Verjährung nach den §§ 146, 146 a und 147 AO n. F. Als ein den Ablauf der Verjährung hemmendes Ereignis kommt die 1967 durchgeführte Betriebsprüfung in Frage (§ 146 a Abs. 3 AO n. F.). Nach der Darstellung der Klägerin erging die Prüfungsanordnung zur Prüfung der mittlerweile liquidierten GmbH am 17. Juli 1967. Die Prüfung selbst fand vom 16. Mai bis zum 19. Oktober 1967 statt und umfaßte gemäß Tz. 3 des Berichts vom 28. Dezember 1967 auch die Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer 1960 und 1961.
Auf die KG, Gesamtrechtsnachfolgerin der GmbH, sind die Steuerschulden der GmbH übergegangen (§§ 24, 20, 5 UmwG 1956, § 8 Abs. 1 StAnpG). Hierzu gehört auch die Schuld aus dem nach § 3 Abs. 5 c StAnpG mit Ablauf des Jahres 1960 entstandenen Körperschaftsteueranspruch für dieses Streitjahr. Die am 16. Mai 1967 bei der GmbH begonnene Betriebsprüfung hat gegenüber dem Körperschaftsteueranspruch 1960 die Ablaufhemmung nach § 146 a Abs. 3 AO n. F. ausgelöst. Gesetzliche Voraussetzung für das Eingreifen der Ablaufhemmung ist, daß vor Ablauf der Verjährungsfrist mit einer Betriebsprüfung begonnen oder deren Beginn auf Antrag des Steuerpflichtigen hinausgeschoben wird. Wie von der Klägerin selbst zugegeben wird, hat die die frühere GmbH betreffende Betriebsprüfung am 16. Mai 1967, also vor Ablauf der Verjährungsfrist, begonnen. Dem Umfang nach wird der Ablauf für die Ansprüche gehemmt, auf die sich die Betriebsprüfung tatsächlich erstreckt, soweit der Prüfer die anspruchsbegründenden Sachverhalte geprüft hat. Als Betriebsprüfung im Sinne des § 146 a Abs. 3 AO n. F. ist der tatsächliche Vorgang der Prüfung gemeint und nicht die sie in Gang setzende Verfügung in Gestalt der Prüfungsanordnung (vgl. dazu Entscheidung des BFH vom 21. November 1972 VII B 80/71, BFHE 107, 360, BStBl II 1973, 130). Daher ist es unerheblich, wenn die Prüfungsanordnung an die nicht mehr bestehende GmbH gerichtet gewesen sein sollte. Die Grundsätze des BFH-Urteils vom 22. Mai 1974 I R 259/72 (BFHE 113, 145, BStBl II 1974, 722) stehen der Ablaufhemmung nach § 146 a Nr. 3 AO nicht entgegen.
Die Verjährung der Körperschaftsteuer 1960 tritt somit nicht vor Rechtskraft des auf Grund der Betriebsprüfung ergangenen Steuerbescheids 1960 ein.
b) Körperschaftsteuer 1961
Der Steueranspruch 1961 entstand mit Ablauf des 31. Dezember 1961. Er richtet sich, wie der Steueranspruch 1960, nunmehr gegen die KG. Seine Verjährung begann am 1. Januar 1962 zu laufen.
Der vorläufige Körperschaftsteuerbescheid 1961 erging unter dem 25. März 1963 an die GmbH zu Händen des Geschäftsführers, die Endgültigkeitserklärung folgte unter dem 25. Mai 1964 und war, ohne Zusatz, an die GmbH adressiert. Zum Zeitpunkt der Zustellung des vorläufigen Körperschaftsteuerbescheides 1961 und der Endgültigkeitserklärung bestand die GmbH nicht mehr. Der vorläufige Bescheid und die Endgültigkeitserklärung waren unwirksam im Sinne der Grundsätze der Entscheidungen des Senats vom 24. März 1970 I R 141/69 (BFHE 98, 531, BStBl II 1970, 501), sie unterbrachen aber gleichwohl die Verjährung gemäß § 147 AO in vollem Umfange. Nach § 147 AO a. F. wird die Verjährung durch jede Handlung unterbrochen, die das zuständige FA zur Feststellung des Anspruchs oder des Verpflichteten vornimmt. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist eine verjährungsunterbrechende Handlung im Sinne des § 147 AO a. F. jede über den amtsinternen Bereich hinaus in Erscheinung tretende Maßnahme, die nach ihrem Wesen und ihrem Ziel ernsthaft auf eine Förderung der Sache gerichtet ist. Steuerbescheide, die an eine nicht mehr bestehende GmbH gerichtet sind, werden nicht wirksam (§ 91 Abs. 1 Satz 1 AO; BFH-Urteil I R 141/69). Das hat aber nicht zur Folge, daß das gesamte auf den Erlaß des Steuerbescheids gerichtete Handeln des FA keine Rechtswirkungen erzeugen könnte. Nur der Steuerbescheid als solcher ist unwirksam, nicht das auf seinen Erlaß und seine Bekanntgabe gerichtete Handeln des FA. Dieses hat die Kraft, die Verjährung zu unterbrechen, auch wenn es sich in einer Form vollzieht, die dem Gesetz nicht entspricht. Denn § 147 AO a. F. stellt allein auf die Tatsache des Handelns ab.
Durch den vorläufigen Körperschaftsteuerbescheid vom 25. März 1963 und die Endgültigkeitserklärung vom 25. Mai 1964 wurde somit die Verjährung bis zum Ablauf des Jahres 1968 und 1969 unterbrochen. In diesen Unterbrechungszeitraum fiel die bereits erwähnte Betriebsprüfung vom 16. Mai bis zum 19. Oktober 1967, die aus den gleichen Gründen, wie sie für den Veranlagungszeitraum 1960 dargestellt worden sind, auch gegenüber dem Steueranspruch 1961 ablaufhemmend gewirkt hat.
Aus alledem ergibt sich, daß beim Erlaß des berichtigten Bescheids vom 31. März 1971, nunmehr mit zutreffender Anschrift ergangen, die Körperschaftsteueransprüche 1960 und 1961 noch nicht verjährt waren.
2. Unstreitig war dem FA R die Vereinbarung der Eheleute L vom 15. Mai 1960 bei der Anerkennung der Organschaft mit Ergebnisabführungsvertrag unbekannt. Das Bestehen dieser Vereinbarung ist daher eine neue Tatsache, die dem FA erst durch eine Betriebsprüfung bekannt wurde. Sie rechtfertigt eine höhere Veranlagung der GmbH zur Körperschaftsteuer, weil sie zur Folge hat, daß die Organschaft mit Ergebnisabführungsvertrag zwischen der GmbH und der KG steuerrechtlich nicht anerkannt werden kann (§ 222 Abs. 1 Nr. 1 AO).
a) Die körperschaftsteuerrechtliche Anerkennung einer Organschaft setzt voraus, daß zwischen der Organgesellschaft und dem Organträger ein Ergebnisabführungsvertrag geschlossen ist und daß dieser Vertrag auch durchgeführt wird. Der Ergebnisabführungsvertrag muß sich auf das Ergebnis der gesamten Tätigkeit der Organgesellschaft oder eines bestimmt abgegrenzten Teilgebiets der Tätigkeit der Organgesellschaft beziehen (Erlaß betreffend die körperschaftsteuerrechtliche und gewerbesteuerrechtliche Behandlung von Organschaften vom 23. Oktober 1959, BStBl II 1959, 161).
An diesen Voraussetzungen fehlt es im Streitfall. Bei der im Steuerrecht gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise (§ 1 StAnpG) hat die GmbH nicht ihren vollen Gewinn oder Verlust an die KG abgeführt. Durch die Vereinbarung der Eheleute L vom 15. Mai 1960 blieb der KG der Teil des Gewinns oder Verlustes der GmbH vorenthalten, der auf die Mehrheitsgesellschafterin der GmbH, J. L., entfiel. Unerheblich ist, daß die Vereinbarung vom 15. Mai 1960 auf der einen Seite nicht von der KG als Organträger, sondern von E. L. als Mehrheitsgesellschafter des Organträgers geschlossen wurde. Auf diese Weise wurde erreicht, daß der Gewinn der GmbH deren Gesellschaftern wirtschaftlich in dem Verhältnis zufloß, in dem er ohne Organschaft mit Ergebnisabführungsvertrag zu verteilen gewesen wäre (§ 29 GmbHG). Die Mehrheitsgesellschafter der GmbH und der KG wollten die steuerrechtlichen Vorteile der Organschaft mit Ergebnisabführungsvertrag in Anspruch nehmen, ohne die wirtschaftlichen Folgen einer Abführung des vollen Gewinns oder Verlustes der GmbH an die KG zu tragen. Wie die Klägerin selbst in ihrer Revisionsbegründung ausführt, hatte die Vereinbarung vom 15. Mai 1960 den Zweck, die Mehrheitsgesellschafterin der GmbH nicht schlechter (und nicht besser) zu stellen, als sie ohne Organschaft mit Ergebnisabführungsvertrag gestellt gewesen wäre. Dabei ist es im wirtschaftlichen Ergebnis gleichgültig, ob sich die KG oder ihre Mehrheitsgesellschafter zur Weiterleitung der Gewinne und Verluste der GmbH, die auf deren Mehrheitsgesellschafterin entfielen, verpflichtete, zumal die KG keine von ihren Gesellschaftern verschiedene juristische Person ist.
Am wirtschaftlichen Ergebnis-ändert sich auch nichts durch die von der Klägerin behauptete Änderung des Gesellschaftsvertrags mit Wirkung vom 1. Januar 1961. Denn diese Änderung betraf nur das Verhältnis der Gesellschafter der KG untereinander. Die Weiterleitung von 51 1/9 v. H. des Gewinnes oder Verlustes der GmbH an deren Mehrheitsgesellschafterin nach der Vereinbarung vom 15. Mai 1960 blieb davon unberührt.
b) Die Vereinbarung der Eheleute L vom 15. Mai 1960 kann auch nicht als steuerrechtlich unschädliche Dividendengarantie oder als steuerrechtlich unschädliche Unterbeteiligung als Ersatz für eine solche Dividendengarantie behandelt werden. Einmal handelt es sich nicht um Ausgleichszahlungen an einen Minderheitsgesellschafter. Vor allem aber ist es mit dem Begriff der Dividendengarantie unvereinbar, daß nicht gleichbleibende Zahlungen geleistet wurden, sondern Zahlungen, die jeweils dem Anteil der Empfängerin am Gewinn und Verlust der GmbH entsprechen. Das ist keine Dividendengarantie, sondern die Fortsetzung der Beteiligung der Mehrheitsgesellschafterin am Gewinn und Verlust der GmbH.
c) Entgegen der Ansicht der Klägerin kann die Neuheit der Tatsache der Vereinbarung vom 15. Mai 1960 nicht dadurch in Frage gestellt werden, daß bereits im Abschluß des Organschaftsvertrags mit Ergebnisabführungsvertrag eine verdeckte Gewinnausschüttung gelegen habe. Richtig ist, daß jeder Ergebnisabführungsvertrag begrifflich eine verdeckte Gewinnausschüttung ist (BFH-Urteil vom 29. Oktober 1974 I R 240/72, BFHE 114, 70, BStBl II 1975, 126). Die neue Tatsache, die nach den vorstehenden Ausführungen eine höhere Veranlagung zur Körperschaftsteuer rechtfertigt, ist aber nicht die Tatsache, daß ein Ergebnisabführungsvertrag geschlossen wurde, sondern die Tatsache, daß die Eheleute L die Vereinbarung vom 15. Mai 1960 trafen, durch die die Folgen des Ergebnisabführungsvertrags im wirtschaftlichen Ergebnis wieder beseitigt wurden.
d) Der Grundsatz von Treu und Glauben steht der Berichtigungsveranlagung nach § 222 Abs. 1 Nr. 1 AO nicht entgegen. Den tatsächlichen Feststellungen des FG, an die der Senat gebunden ist (§ 118 Abs. 2 FGO), kann nicht entnommen werden, daß das FA in bezug auf die Vereinbarung der Eheleute L vom 15. Mai 1960 und in bezug auf die übrigen Voraussetzungen der Organschaft seine Ermittlungspflicht verletzt habe.
Auch die wiederholte Prüfung der Veranlagungszeiträume 1960 und 1961 verstößt nicht gegen Treu und Glauben. Reichsfinanzhof und BFH haben in ständiger Rechtsprechung Zweitprüfungen und die Verwertung ihrer Ergebnisse grundsätzlich und ohne Einschränkung für zulässig gehalten. Zur Zeit der Betriebsprüfung 1967 war bereits die Betriebsprüfungsordnung (Steuer) vom 23. Dezember 1965 in Kraft (§ 27). Es kann deshalb bei der Entscheidung über diese Frage von den Grundsätzen ausgegangen werden, wie sie der BFH in den Urteilen vom 29. April 1970 IV R 259/69 (BFHE 99, 365, BStBl II 1970, 714) und vom 13. Oktober 1972 I R 236/70 (BFHE 107, 179, BStBl II 1973, 74) aufgestellt hat. Die bei der Betriebsprüfung 1967 erstmals bekanntgewordene Vereinbarung der Eheleute L rechtfertigte die nochmalige Prüfung der Veranlagungszeiträume 1960 und 1961.
3. Die Gewinnabführung der GmbH an die KG war somit eine verdeckte Gewinnausschüttung und damit keine berücksichtigungsfähige Ausschüttung (BFH-Urteil vom 30. Januar 1974 I R 104/72, BFHE 111, 410, BStBl II 1974, 323). Die verdeckte Gewinnausschüttung kann im Streitfall auch nicht durch eine Änderung der Handelsbilanzen 1960 und 1961 und Beschlüsse über die Verteilung des sich aus den geänderten Bilanzen ergebenden Gewinns in offene Gewinnausschüttungen umgewandelt werden. Dieses Vorhaben der Klägerin scheitert bereits daran, daß die GmbH nach Eintragung der Umwandlung in das Handelsregister keinen Beschluß mehr über die Verteilung des Gewinns aus der Zeit vor dem Umwandlungsstichtag fassen kann (BFH-Urteil vom 30. Oktober 1974 I R 23/72, BFHE 113, 508, BStBl II 1975, 94).
Fundstellen
BStBl II 1976, 510 |
BFHE 1976, 459 |