Leitsatz (amtlich)
Zur Erteilung eines Teilrechtskraftzeugnisses, wenn in einem Ehescheidungsurteil zugleich über Folgesachen im Sinn von § 623 Abs. 1 ZPO entschieden ist und hinsichtlich einer Folgesache ein Rechtsmittel eingelegt wird.
Verfahrensgang
LG Heilbronn |
OLG Stuttgart |
Tenor
Die Erinnerung des Antragstellers gegen die Entscheidung des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vom 19. September 1979 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Erinnerungsverfahrens.
Gründe
Das Amtsgericht hat die Ehe der Parteien auf beiderseitigen Antrag geschieden und den Versorgungsausgleich geregelt. Die gegen die Regelung des Versorgungsausgleichs vom Antragsteller eingelegte Beschwerde ist vom Oberlandesgericht zurückgewiesen worden. Hiergegen hat der Antragsteller weitere Beschwerde eingelegt. Mit Antrag vom 24. August 1979 hat der Beschwerdeführer hinsichtlich des Scheidungsausspruches des Amtsgerichts um Erteilung des Rechtskraftzeugnisses nachgesucht, die der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle durch Entscheidung vom 19. September 1979 abgelehnt hat.
Die gegen diese Entscheidung erhobene Erinnerung ist gemäß § 576 Abs. 1 ZPO zulässig, aber nicht begründet.
Ein Zeugnis über die Rechtskraft einer Entscheidung (§ 706 Abs. 1 ZPO) darf nur erteilt werden, wenn sie mit keinem Rechtsmittel mehr angefochten werden kann (§ 705 ZPO). Das ist hinsichtlich des Scheidungsausspruchs nicht der Fall, wenn in einem Ehescheidungsurteil zugleich über Folgesachen im Sinne von § 623 Abs. 1 ZPO entschieden wird und hinsichtlich einer Folgesache ein statthaftes Rechtsmittel eingelegt wird. Das ergibt sich daraus, daß sich der Rechtsmittelgegner dem nur hinsichtlich der Folgesache eingelegten Rechtsmittel mit dem Ziel anschließen kann, den Scheidungsausspruch zu Fall zu bringen, auch wenn die gegen ihn laufende Berufungsfrist verstrichen ist. Die Anschlußberufung hat den Zweck, diejenige Partei zu schützen, die in Unkenntnis des Rechtsmittels der Gegenpartei die Rechtsmittelfrist im Vertrauen auf den Bestand des Urteils verstreichen ließ (Rosenberg/Schwab, Zivilprozeßrecht, 12. Aufl., § 139 I 2). Dieses Vertrauen muß auch dann geschützt werden, wenn vom Rechtsmittel führ er nicht der Scheidungsausspruch, sondern allein eine im Verbund mit der Ehescheidung entschiedene Folgesache zum Gegenstand des Rechtsmittelangriffs gemacht wird. Der Rechtsmittelgegner hat die Ehescheidung möglicherweise nur im Vertrauen auf die Beständigkeit einer ihm günstigen Entscheidung in einer Folgesache hingenommen. Erweist sich dieses Vertrauen als nicht gerechtfertigt, soll ihm die Möglichkeit eröffnet sein, das Urteil in seinem Kern, dem Scheidungsausspruch, der Überprüfung zugänglich zu machen. Die Anschlußberufung mit dem Ziel des Angriffes auf den Scheidungsausspruch wird daher allgemein als zulässig angesehen, auch wenn ein Rechtsmittel allein gegen eine Folgeentscheidung eingelegt wurde, der Rechtsmittelführer den Scheidungsausspruch mithin gerade nicht der Nachprüfung durch das Berufungsgericht unterwerfen wollte (OLG Karlsruhe, FamRZ 1978, 820; OLG Celle, FamRZ 1979, 168 (Leitsatz); OLG Bremen, FamRZ 1979, 444; KG, FamRZ 1979, 530 und 727; OLG München, FamRZ 1979, 531; Kissel, Ehe und Ehescheidung Bd. II S. 215; MünchKomm/Wolf, § 1564 Rdn. 87; Sedemund-Treiber, DRiZ 1976, 331, 337; Rüffer, FamRZ 1979, 405, 411). Das mögliche Interesse des Rechtsmittelgegners, den Scheidungsausspruch anzugreifen, ist unabhängig von der Frage, ob vom Rechtsmittelführer eine nach den Vorschriften der ZPO oder denjenigen des FGG zu entscheidende Folgesache angegriffen wurde; die Anschlußberufung ist in beiden Fällen zulässig (Rüffer, FamRZ 1979, 405, 411; a. M. Bauermann, StAZ 1978, 285, 291). Sie setzt auch keine Beschwer voraus (vgl. BGHZ 4, 229, 234; BGH VersR 1974, 1018, 1019; RGZ 156, 240, 242; Rosenberg/Schwab, a.a.O. § 139 IV 2; Zöller/Schneider, 12. Aufl. § 521 ZPO Anm. IX 1; Thomas/Putzo, 10. Aufl. § 521 ZPO Anm. 3; Baumbach/Lauterbach/Albers, 37. Aufl. § 521 ZPO Anm. 1 B b; a. A.: Baur, Festschrift für Fragistas 1966, 359 A; Klamaris, Das Rechtsmittel der Anschlußberufung 1975, 235 ff.; Stein/Jonas/Grunsky, 20. Aufl. § 521 Rdn. 6). Diese Überlegung gilt auch dann, wenn in einem Verfahren der statthaften weiteren Beschwerde nur über eine Folgesache zu entscheiden ist. Denn die Entscheidung über die weitere Beschwerde kann dazu führen, daß die Entscheidung der Beschwerdeinstanz aufgehoben und die Sache an das Beschwerdegericht zurückverwiesen wird. In diesem Fall kann sich die Partei, die gegen das amtsgerichtliche Urteil kein Rechtsmittel eingelegt hat, in der Beschwerdeinstanz dem Rechtsmittel der Gegenpartei mit einer Anschlußberufung anschließen, die sich gegen den Scheidungsausspruch richtet. Diese Anschlußberufung ist zulässig. Durch die Zurückverweisung entsteht die Möglichkeit der Anschlußberufung erneut (BGH LM § 536 ZPO Nr. 9).
Entgegen der Ansicht des Antragstellers läßt sich aus dem bisherigen Verhalten der Antragsgegnerin kein Verzicht auf eine Anschlußberufung entnehmen. Die Antragsgegnerin hat möglicherweise bisher von einer Anschlußberufung abgesehen, weil sie darauf vertraut hat, es werde bei der von dem Amtsgericht getroffenen Entscheidung über den Versorgungsausgleich verbleiben. Falls die Entscheidung des Oberlandesgerichts über die Zurückweisung der Beschwerde gegen die Regelung des Versorgungsausgleichs aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückverwiesen würde, könnte gerade hierdurch die Grundlage des Vertrauens der Antragsgegnerin in die Beständigkeit der Regelung des amtsgerichtlichen Urteils entfallen und daher auch der Scheidungsausspruch mit der Anschlußberufung angefochten werden.
Da demnach der Scheidungsausspruch nicht rechtskräftig ist, mußte die Erinnerung zurückgewiesen werden.
Fundstellen
Haufe-Index 3018774 |
NJW 1980, 702 |
NJW 1980, 702 (Volltext mit amtl. LS) |
MDR 1980, 388-389 (Volltext mit amtl. LS) |