Leitsatz (amtlich)
a) Der Ersatzanspruch eines nicht sozialversicherten Verletzten gegen den Schädiger geht im Umfang kongruenter Rehabilitationsleistungen schon im Zeitpunkt des Schadenseintritts auf die Bundesanstalt für Arbeit über, wenn bereits zu dieser Zeit mit solchen Leistungen ernsthaft zu rechnen ist.
b) Haben der Schädiger oder der für ihn handelnde Haftpflichtversicherer bei dem Abschluß eines Abfindungsvergleichs mit dem Verletzten Kenntnis von Tatsachen, nach denen Rehabilitationsleistungen der Bundesanstalt für Arbeit ernsthaft in Betracht zu ziehen sind, so muß die Bundesanstalt den Vergleich nicht gegen sich gelten lassen.
Normenkette
ArbeitsförderungsG (AFG) § 58; ArbeitsförderungsG (AFG) § 127; SGB X § 116; BGB §§ 407, 412
Verfahrensgang
LG Bonn (Urteil vom 01.09.1993) |
Tenor
Die Sprungrevision der Beklagten gegen das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Bonn vom 1. September 1993 wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Revision fallen der Beklagten zur Last.
Tatbestand
Die klagende Bundesanstalt für Arbeit (künftig: BA) begehrt von der Beklagten die Erstattung von Kosten für Rehabilitationsleistungen.
Am 17. Juni 1984 erlitt der damals 23 Jahre alte Fachhochschüler Bernd K. bei einem Verkehrsunfall mit einer Versicherungsnehmerin der Beklagten schwere Verletzungen, u.a. ein gedecktes Schädelhirntrauma mit Hirnprellung. Er leidet seither an einer ausgeprägten Tetraspastik mit Einschränkung der Fortbewegung (Rollstuhlfahrer), ferner an Sprachstörungen und erheblicher Wesensveränderung mit deutlicher Verlangsamung. Sein im Jahre 1982 begonnenes Studium der Versorgungstechnik mußte er abbrechen; auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ist er nicht vermittelbar. Nach ärztlicher Empfehlung kommt er jedoch für eine Tätigkeit in einer beschützenden Umgebung, vor allem im Computerbereich, in Betracht; ein solcher Einsatz entspricht auch seinen Wünschen.
In einem von der Beklagten eingeholten Gutachten des Rehabilitationszentrums der Universität K. vom 30. Mai 1985 wurde zur Prognose folgendes ausgeführt:
„Grundsätzlich ist nach geltender Erfahrung hinsichtlich der neurologischen Ausfälle und Psyche-pathologischen Phänomene eine weitere Rückbildung nicht ausgeschlossen, das Ausmaß jedoch nicht vorhersehbar. Wir empfehlen deshalb eine erneute Untersuchung in etwa einem Jahr, dann verbunden mit einem psychologischen Zusatzgutachten. Zwischenzeitlich müssen die Rehabilitationsmaßnahmen fortgesetzt werden, ggf. unter Zwischenschaltung einer häuslichen Trainingsstrecke. Leider ist trotz der gegenwärtig offenen Prognose aufgrund der Schwere der Hirnverletzung und des Krankheitsverlaufes auch unter Einsatz umfassender Rehabilitationsmaßnahmen die Fortführung der eingeschlagenen akademischen Berufslaufbahn wenig wahrscheinlich.”
Am 4. September 1985 schloß die Beklagte mit dem Geschädigten einen Vergleich, durch den er wegen seiner Unfallverletzungen unter Berücksichtigung einer Mitverschuldensquote von 30 % abgefunden wurde. In der von den Eltern des Geschädigten als Ergänzungspflegern unterzeichneten Abfindungserklärung heißt es u.a.:
„Ich/Wir bestätige(n), daß ich/wir aus Anlaß des Ereignisses vom 17.6.84 weder von
…
c) der Bundesanstalt für Arbeit … Leistungen erhalte(n) oder zu erwarten habe(n).”
Am 28. November 1991 beantragte der Geschädigte bei der Klägerin Leistungen für berufsfördernde Maßnahmen zur Rehabilitation gemäß §§ 56 ff AFG. Die Klägerin bewilligte ihm ab 1. September 1992 eine einjährige berufliche Rehabilitationsmaßnahme im Eingangs- und Arbeitstrainingsbereich einer Werkstatt für Behinderte. Sie begehrt die Feststellung, daß die Beklagte ihr 70 % der Aufwendungen zu ersetzen habe.
Das Landgericht hat dem Klageanspruch stattgegeben. Mit der Sprungrevision erstrebt die Beklagte die Abweisung der Klage.
Entscheidungsgründe
I.
Das Landgericht hält das Klagebegehren für gerechtfertigt. Daß die Beklagte dem Geschädigten 70 % seines materiellen Unfallschadens zu ersetzen habe, sei außer Streit. Die Kosten der von der Klägerin geförderten Rehabilitationsmaßnahme seien Teil des dem Geschädigten durch den Unfall entstandenen und von der Beklagten auszugleichenden Erwerbsschadens. Dem Übergang des Ersatzanspruchs auf die Klägerin nach §§ 58, 127 AFG habe nicht der Abfindungsvergleich vom 4. September 1985 entgegengestanden. Denn der Rechtsübergang sei gemäß § 116 SGB X bereits im Zeitpunkt des Unfalls erfolgt und deshalb von dem späteren Abschluß des Vergleichs nicht mehr berührt worden. Die Klägerin müsse den Vergleich auch nicht nach §§ 407, 412 BGB gegen sich gelten lassen. Da die Beklagte bei seinem Abschluß mit der Notwendigkeit von Rehabilitationsmaßnahmen habe rechnen müssen, sei sie in Bezug auf die Gläubigerstellung des Geschädigten nicht gutgläubig gewesen.
II.
Das Urteil des Landgerichts hält den Angriffen der Revision stand.
1. Mit Recht nimmt das Landgericht an, daß der Anspruch des Verletzten gegen die Beklagte auf Ersatz von 70 % seines Erwerbsschadens (§§ 7, 11, 17, 18 StVG; § 3 PflVG) im Umfang der Leistungen der Klägerin für die von ihr geförderte Rehabilitationsmaßnahme gemäß §§ 58 Abs. 1 Satz 1, 127 AFG bereits im Zeitpunkt des Unfalls am 17. Juni 1984 auf die Klägerin übergegangen ist (zur Kongruenz siehe Senatsurteil vom 4. Mai 1982 – VI ZR 175/80 – VersR 1982, 767, 768).
a) Nach der hier maßgeblichen, am 1. Juli 1983 in Kraft getretenen Fassung des § 127 AFG gilt für den Übergang von Schadensersatzansprüchen auf die BA die Vorschrift des § 116 SGB X entsprechend. Danach tritt der Rechtsübergang nicht erst, wie unter der Geltung der alten Fassung des § 127 AFG, frühestens mit der Bewilligung von Leistungen ein (s. dazu BGHZ 83, 245, 246 ff; Senatsurteile vom 14. Februar 1984 – VI ZR 160/82 – VersR 1984, 482, 483 und vom 3. November 1987 – VI ZR 176/87 – VersR 1988, 401, 402); er erfolgt nunmehr bereits im Augenblick des schädigenden Ereignisses. Daß der Gesetzgeber die BA nicht unmittelbar in den Geltungsbereich des § 116 SGB X einbezogen, sondern für sie in § 127 AFG lediglich die entsprechende Anwendung dieser Vorschrift angeordnet hat, beruht auf gesetzestechnischen Gründen und rechtfertigt nicht die Annahme, daß es bezüglich der BA für den Zeitpunkt des Forderungsübergangs bei der früheren Rechtslage verbleiben sollte. Dies hat der erkennende Senat in seinem Urteil vom 19. September 1989 (VI ZR 344/88 – BGHZ 108, 296, 298 ff = VersR 1989, 1212, 1213) näher ausgeführt. Daran ist festzuhalten.
b) Die Regelung des § 127 AFG gilt nach § 58 Abs. 1 Satz 1 AFG für Rehabilitationsleistungen entsprechend. Entgegen der Ansicht der Revision ist es für solche Leistungen nicht unbeschadet der Änderung des § 127 AFG auch weiterhin bei dem bis zum 30. Juni 1983 geltenden späteren Zeitpunkt für den Rechtsübergang verblieben. Die Revision will dies unter Bezugnahme auf das Senatsurteil vom 14. Februar 1984 (= a.a.O.) daraus herleiten, daß die Verweisung auf § 127 AFG in § 58 AFG durch das am 1. August 1979 in Kraft getretene Fünfte Gesetz zur Änderung des Arbeitsförderungsgesetzes (5. AFG-ÄndG) vom 23. Juli 1979 (BGBl. I 1189) und damit zu einer Zeit eingeführt worden ist, als nach der damaligen Fassung des § 127 AFG der Rechtsübergang frühestens im Augenblick der Leistungsbewilligung eintrat. Daß bei der Änderung des § 127 AFG zum 1. Juli 1983 die Fassung des § 58 Abs. 1 AFG unverändert beibehalten worden ist, spricht jedoch nicht gegen, sondern gerade für den Willen des Gesetzgebers, daß die neue Fassung des § 127 AFG auch für Rehabilitationsleistungen nach §§ 56 ff AFG maßgeblich sein sollte. Damit verbietet es sich, allein deswegen, weil sich der Rechtsübergang nach § 116 SGB X bei Rehabilitationsleistungen gemäß §§ 58 und 127 AFG im Wege einer mehrfachen Analogie vollzieht, den Rechtserwerb der BA erst zu einem späteren Zeitpunkt eintreten zu lassen.
c) Eine andere Beurteilung ist im Streitfall auch nicht deshalb geboten, weil im Zeitpunkt des Unfalls des Geschädigten zwischen ihm und der Klägerin kein Sozialversicherungsverhältnis bestand.
aa) Freilich erfolgt bei Sozialleistungen, die aufgrund eines Sozialversicherungsverhältnisses zu erbringen sind, der Rechtsübergang nach § 116 Abs. 1 SGB X, wie schon unter der Geltung des § 1542 RVO, nur dann bereits im Augenblick des schädigenden Ereignisses, wenn schon zu diesem Zeitpunkt ein solches Verhältnis besteht (BGHZ 48, 181, 184 ff., 188; Senatsurteil vom 24. Februar 1983 – VI ZR 243/80 – VersR 1983, 536, 537). Denn nur in solchem Fall ist bereits im Augenblick des Schadenseintritts die mögliche Leistungspflicht eines Sozialversicherungsträgers für die Beteiligten hinreichend klar überschaubar.
bb) Dies kann aber nicht in gleicher Weise auch für Sozialleistungen gelten, deren Gewährung gar nicht an ein Sozialversicherungsverhältnis, sondern ausschließlich an andere Voraussetzungen gebunden ist, wie dies bei den von der BA zu erbringenden berufsfördernden und ergänzenden Leistungen zur Rehabilitation nach §§ 56 ff AFG der Fall ist. Voraussetzung für das Bestehen eines Förderungsanspruchs nach den §§ 56 ff. AFG ist eine Behinderung, die die berufliche Sicherheit des Betroffenen so bedroht, daß Hilfen zu ihrer Erhaltung notwendig sind (vgl. Gagel/Steinmeyer, AFG, § 56 Rdn. 2 mit Rspr.-Nachw. und Rdn. 4 ff.). Bei derartigen Maßnahmen muß, ebenso wie bei Leistungen des in § 116 Abs. 1 SGB X mitaufgenommenen Trägers der Sozialhilfe, anstelle des hier unerheblichen Sozialversicherungsverhältnisses darauf abgestellt werden, ob nach der im Zeitpunkt des Schadensereignisses gegebenen Sachlage ein Leistungsträger voraussichtlich Sozialleistungen wird erbringen müssen (vgl. allgemein Gagel, AFG, § 127 Rdn. 36 ff; zu Rehabilitationsleistungen s. Geigel/Plagemann, Der Haftpflichtprozeß, 21. Aufl., Kap. 30 Rdn. 39, 50; vgl. auch Deinhardt VersR 1984, 697, 700). In dieser Hinsicht kommt deshalb dem Umstand Bedeutung zu, daß § 58 Abs. 1 Satz 1 AFG die Geltung des § 127 AFG nur „entsprechend” anordnet.
(a) Während im Rahmen eines Sozialversicherungsverhältnisses für einen bereits bei Schadenseintritt erfolgenden Rechtsübergang schon die – wenn auch weit entfernte – Möglichkeit ausreicht, daß eine Leistungspflicht des Versicherungsträgers gegenüber dem Verletzten irgendwie in Betracht kommt, die Leistungspflicht also nur nicht völlig unwahrscheinlich, d.h. geradezu ausgeschlossen sein darf (BGHZ 48, 181, 186; Senatsurteil vom 17. April 1990 – VI ZR 276/89 – VersR 1990, 1028, 1029), müssen, um den Rechtsübergang nach § 58 Abs. 1 AFG bereits im Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses eintreten zu lassen, engere Voraussetzungen gelten. Hier muß das besondere Band des Sozialversicherungsverhältnisses, das zwischen dem Versicherungsträger und dem bei ihm Versicherten den Boden für den Forderungsübergang schafft (vgl. BGHZ 48, 181, 186), und das es ermöglicht, an die Vorhersehbarkeit künftiger Versicherungsleistungen für einen Rechtsübergang nach § 116 SGB X nur geringe Anforderungen zu stellen, durch andere Umstände ersetzt werden, die auf die Pflicht der BA zur Erbringung künftiger Rehabilitationsleistungen schließen lassen. Insoweit kann nicht schon die weit entfernte Möglichkeit von Rehabilitationsleistungen, wenn diese nicht geradezu ausgeschlossen sind, ausreichen, um die nach § 116 Abs. 1 SGB X für einen Rechtsübergang auf den Sozialleistungsträger erforderliche Voraussetzung „soweit dieser auf Grund des Schadensereignisses Sozialleistungen zu erbringen hat” zu erfüllen (vgl. auch Senatsurteil vom 14. Februar 1984 = a.a.O. für einen 10-jährigen Schüler; OLG Köln VersR 1982, 780, 781 für ein 5 1/2-jähriges Kind; Plagemann VersR 1982, 218, 219). Vielmehr ist es in solchen Fällen für einen sofortigen Rechtsübergang im Unfallzeitpunkt erforderlich, daß die Erbringung von Rehabilitationsleistungen durch die BA ernsthaft in Betracht zu ziehen ist.
(b) Ob und wann schon im Zeitpunkt eines schädigenden Ereignisses berufsfördernde und ergänzende Leistungen zur Rehabilitation der BA für den Geschädigten ernsthaft in Betracht zu ziehen sind, kann nicht allgemein, sondern nur aufgrund der Umstände des jeweiligen Einzelfalles beantwortet werden, steht der Verletzte bereits im Erwerbsleben, dann tritt der Forderungsübergang, auch wenn kein Sozialversicherungsverhältnis besteht, schon im Zeitpunkt des Unfalls jedenfalls dann ein, wenn bereits zu dieser Zeit auf Grund der Unfallverletzung nach ihrer Art und Schwere eine Behinderung des Verletzten zu befürchten ist, durch welche die Sicherheit seines Arbeitsplatzes bedroht ist, sofern nicht in solchem Fall Rehabilitationsmaßnahmen mangels Förderungsfähigkeit von vornherein auszuschließen sind. Wird dann für den Verletzten vor Erbringung der Leistungen ein Sozialversicherungsverhältnis mit der Folge begründet, daß nunmehr i.S. von § 57 AFG ein anderer Rehabilitationsträger an Stelle der BA zuständig wird, so erwirbt dieser die kongruenten Ersatzansprüche des Verletzten von der BA im Wege der Rechtsnachfolge (vgl. Senatsurteil vom 24. Februar 1983 = a.a.O. m.w.N.). Erwächst andererseits die Bedrohung der Sicherung des Arbeitsplatzes durch die Behinderung des Verletzten infolge einer nicht voraussehbaren Verschlimmerung der Unfallfolgen erst zu einem späteren Zeitpunkt, so ist dieser für den Forderungsübergang maßgebend. Insoweit liegt es dann ähnlich wie in den Fällen, in denen bei Sozialversicherungsleistungen im Zeitpunkt des Schadenseintritts zwar schon ein Sozialversicherungsverhältnis besteht, die Leistungen später aber auf einer völlig veränderten und nicht vorhersehbaren Grundlage, etwa infolge einer Systemänderung (Senatsurteile vom 4. Oktober 1983 – VI ZR 44/82 – VersR 1984, 35, 36 und vom 17. April 1990 – VI ZR 276/89 – = a.a.O.) oder aufgrund einer erst nach Beendigung der bei Schadenseintritt bestehenden Sozialberechtigung und ohne jeden Bezug zu dieser neugeschaffenen Berechtigung erbracht werden (Senatsurteil vom 9. Januar 1990 – VI ZR 86/89 – VersR 1990, 437, 438 f). Würde auch in solchen Fällen der Ersatzanspruch des Verletzten bereits im Zeitpunkt des Schadensereignisses auf einen sich noch gar nicht konkret abzeichnenden Sozialleistungsträger übergehen, so würde dies zudem auch die ohnehin nicht immer einfache Prüfung der Aktivlegitimation für einen etwaigen Abfindungsvergleich unzumutbar erschweren (vgl. dazu Senatsurteil vom 17. April 1990 = a.a.O.; OLG Köln VersR 1982, 780, 781).
(c) Im Streitfall war mit Rehabilitationsleistungen der Klägerin konkret zu rechnen. Bernd K. war bei seinem Unfall 23 Jahre alt und er war so schwer verletzt worden, daß eine Weiterführung seines Studiums als kaum möglich erschien und sich eine Vermittlung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt als unwahrscheinlich darstellte. Da auch kein anderer Rehabilitationsträger für berufsfördernde Leistungen in Betracht kam (§ 57 AFG), mußte schon im Unfallzeitpunkt die Leistungspflicht der Klägerin in Betracht gezogen werden. Deshalb ist hier, wie das Landgericht zutreffend darlegt, im Umfang dieser Leistungen der Anspruch des Verletzten auf anteiligen Ersatz seines Erwerbsschadens gemäß § 116 Abs. 1 und 3 SGB X bereits im Zeitpunkt des Unfalls dem Grunde nach auf die Klägerin übergegangen.
2. Entgegen der Ansicht der Revision muß die Klägerin den Abfindungsvergleich vom 4. September 1985 auch nicht nach §§ 407 Abs. 1, 412 BGB gegen sich gelten lassen.
a) An die Kenntnis vom Forderungsübergang werden, um den Schutz der sozialen Leistungsträger nicht durch die Behauptung fehlenden Wissens vom Gläubigerwechsel unterlaufen zu können, von der Rechtsprechung im Rahmen des § 116 Abs. 1 und 7 SGB X, wie schon zur Zeit der Geltung des § 1542 RVO, nur maßvolle Anforderungen gestellt. Diese haben sich an den Umständen auszurichten, die den frühen Zeitpunkt des Rechtsübergangs bewirken (Senatsurteil vom 4. Oktober 1983 = a.a.O.). Hängt die Leistungspflicht vom Bestehen eines Sozialversicherungsverhältnisses ab, so genügt es, wenn der Schädiger Umstände kennt, von denen allgemein bekannt ist, daß sie den Verletzten versicherungspflichtig machen (Senatsurteil vom 7. Mai 1968 – VI ZR 179/66 – VersR 1968, 771, 772; vom 13. Februar 1975 – VI ZR 209/73 – VersR 1975, 446, 447 und vom 4. Oktober 1983 = a.a.O.). Im Bereich der §§ 58, 127 AFG, in dem, wie dargelegt, der Rechtsübergang im Augenblick des Schadensereignisses eintritt, wenn schon zu diesem Zeitpunkt mit späteren Rehabilitationsleistungen ernsthaft zu rechnen ist, kommt es auf das Wissen des Schädigers von Tatsachen an, die solche Leistungen nahelegen, also insbesondere auf die Kenntnis des Ausmaßes der Verletzungen des Geschädigten. Ohne Bedeutung ist, ob dem Schädiger und ggf. seinem Haftpflichtversicherer die gesetzlichen Vorschriften bekannt sind, auf denen die Leistungspflicht des Rehabilitationsträgers beruht (Senatsurteil vom 4. Oktober 1983 = a.a.O.).
b) Im Streitfall hatte die Beklagte nach den Feststellungen des Landgerichts schon vor dem Abschluß des Abfindungsvergleichs vom 4. September 1985, nämlich aufgrund des von ihr selbst eingeholten Gutachtens vom 30. Mai 1985, Kenntnis von Tatsachen, nach denen mit späteren Rehabilitationsmaßnahmen durch die Klägerin zu rechnen war. Daß die Beklagte, wie sie geltend macht, davon ausgegangen ist, der Verletzte werde mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht mehr in das Erwerbsleben eingegliedert werden können, war nach dem Inhalt des Gutachtens nicht gerechtfertigt und ist schon deshalb unbeachtlich (vgl. dazu auch Senatsurteil vom 17. April 1990 = a.a.O.). Ohne rechtliche Bedeutung ist angesichts der dargelegten Kenntnis der Beklagten auch die in der Abfindungserklärung enthaltene „Bestätigung” des Verletzten, er habe von der BA keine Leistungen zu erwarten. Soweit in der Literatur in dieser Hinsicht eine andere Meinung vertreten wird, um den Haftpflichtversicherern eine Kalkulation der Abfindungssumme ohne Rückfrage bei den in Betracht kommenden Sozialleistungsträgern zu ermöglichen (vgl. Küppersbusch, VersR 1983, 193, 197 f), vermag der Senat dem mit Rücksicht auf die Normzwecke sowohl der §§ 407, 412 BGB als auch des § 116 Abs. 1 und 7 SGB X nicht zu folgen.
Unterschriften
Dr. Steffen, Dr. Lepa, Bischoff, Dr. v. Gerlach, Dr. Dressler
Fundstellen
BGHZ |
BGHZ, 120 |
BB 1995, 50 |
Nachschlagewerk BGH |
ZIP 1994, 1618 |