Entscheidungsstichwort (Thema)

Objektive Beweislosigkeit der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache. Beweisanträge rechtskundig vertretener Beteiligter

 

Orientierungssatz

1. Die objektive Beweislosigkeit im Rahmen der sogenannten haftungsbegründenden Kausalität ist nach der ständigen Rechtsprechung des BSG von der Klägerin zu tragen, wenn unaufklärbar geblieben ist, welche Ursache letztlich dem Arbeitsunfall zugrunde liegt. Sie ist nicht geeignet, die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gemäß § 160a Abs 2 S 3 SGG darzutun.

2. Es obliegt rechtskundig vertretenen Beteiligten, in der mündlichen Verhandlung alle diejenigen Anträge zur Niederschrift des Gerichts zu stellen, über die das Gericht entscheiden soll.

 

Normenkette

SGG § 160a Abs 2 S 3, § 160 Abs 2 Nr 1

 

Verfahrensgang

Bayerisches LSG (Entscheidung vom 13.10.1987; Aktenzeichen L 3 U 344/85)

 

Gründe

Die Klägerin hatte mit ihrem Begehren, ihr wegen des Todes ihres Ehemannes anläßlich eines auf dem Wege zur Baustelle erlittenen Verkehrsunfalles Hinterbliebenenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren, keinen Erfolg (Bescheid vom 24. Januar 1984; Widerspruchsbescheid vom 24. Mai 1984; Urteil des Sozialgerichts -SG- vom 29. Oktober 1985, Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts -LSG- vom 13. Oktober 1987).

Mit der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision macht die Klägerin grundsätzliche Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) und Verletzung der Sachaufklärungspflicht (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 iVm § 103 SGG) geltend.

Die Beschwerde ist unzulässig.

Die Klägerin vermochte die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht darzulegen (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG). Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist gegeben, wenn zu erwarten ist, daß die Revisionsentscheidung die Rechtseinheit in ihrem Bestand erhalten oder die Weiterentwicklung des Rechts fördern wird (Weyreuther, Revisionszulassung und Nichtzulassungsbeschwerde in der Rechtsprechung der obersten Bundesgerichte, 1971, S 36 mwN). Es muß eine klärungsbedürftige Rechtsfrage aufgeworfen sein, welche bisher revisionsgerichtlich noch nicht - ausreichend - geklärt ist (so ua BSG SozR 1500 § 160 Nr 17). Demgemäß muß der Beschwerdeführer, welcher die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gemäß § 160a Abs 2 Satz 3 SGG darzutun hat, aufzeigen, ob und inwieweit zu der aufgeworfenen Frage bereits Rechtsgrundsätze herausgearbeitet sind und in welchem Rahmen noch eine weitere Ausgestaltung, Erweiterung oder Änderung derselben durch das Revisionsgericht erforderlich erscheint. Besteht aber - wie hier - bereits eine höchstrichterliche Rechtsprechung, hätte die Klägerin vortragen müssen, daß eine erneute Klärungsbedürftigkeit angezeigt erscheint, etwa deswegen, weil dagegen Widerspruch in einem nicht geringfügigen Umfang erfolgt ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr 13).

Letzteres ist nicht geschehen und konnte auch nicht vorgetragen werden, nachdem - soweit ersichtlich - weder in der Literatur noch in der Rechtsprechung eine gegensätzliche Meinung in einem erheblichen Umfange geäußert worden war. Im vorliegenden Streitfall geht es nicht um die Frage, ob ggfs eine durch den Herzinfarkt verursachte Verkehrsuntüchtigkeit im Sinne einer rechtshindernden Tatsache bei Nichterweislichkeit zu Lasten des Versicherungsträgers geht. Vielmehr ist für den Anspruch auf Hinterbliebenenrente allein maßgebend, ob ein Arbeitsunfall iS des § 548 Reichsversicherungsordnung vorgelegen und dieser den Tod verursacht hat. Hierzu bedarf es des Nachweises der entscheidungserheblichen Tatsachen, wovon das Berufungsgericht in Anlehnung an die höchstrichterliche Rechtsprechung zutreffend ausgeht. Diese Feststellungen vermochte das LSG gerade nicht zu treffen, weil unaufklärbar geblieben ist, welche Ursache letztlich dem Arbeitsunfall zugrunde liegt. Die objektive Beweislosigkeit im Rahmen der hier in Frage stehenden sogenannten haftungsbegründenden Kausalität war nach der ständigen Rechtsprechung von der Klägerin zu tragen.

Ebensowenig ist als Zulassungsgrund iS des § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 3 SGG die mangelnde Sachaufklärung (§ 103 SGG) so "bezeichnet", wie dies § 160a Abs 2 Satz 3 SGG verlangt. Es fehlt an einer schlüssigen Darlegung des Zulassungsgrundes (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 24), insbesondere an dem Vorhandensein eines entsprechenden Beweisantrages.

Es ist wohl das Vorbringen der Klägerin zutreffend, wonach sie mit Schriftsatz vom 2. Juni 1987 die Einholung eines unfallanalytischen Sachverständigengutachtens beantragt hatte. Hierzu sah sich die Klägerin aufgrund der Beklagten-Behauptung veranlaßt, ihr Ehemann habe bereits vor der Kollision mit dem Zug einen unfallunabhängigen Herzinfarkt erlitten, obwohl er gleichwohl in der Lage gewesen sein mußte, sein Fahrzeug sicher durch mindestens zwei über 90 Grad gekrümmte Kurven unmittelbar vor dem Bahnübergang hindurchzulenken. Zusätzlich machte die Klägerin jedoch den Beweisantrag von der Einlassung des Obergutachters Prof. Dr. M.     abhängig. Das LSG hat diesen Sachverständigen in der letzten mündlichen Verhandlung zur Erläuterung und Ergänzung seines Gutachtens gehört. Laut Niederschrift hat sodann der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin den Beweisantrag nicht wiederholt. Aufgrund dessen durfte das Berufungsgericht nach den besonderen Umständen dieses Falles davon ausgehen, daß der schriftsätzlich gestellte Beweisantrag in der letzten mündlichen Verhandlung nicht mehr aufrechterhalten werden sollte (BSG SozR 1500 § 160 Nr 12). Immerhin hatte die Klägerin die Stellung des Beweisantrages von gewissen Bedingungen, so ua der Bekundung des Sachverständigen Prof. Dr. M. abhängig gemacht. Nachdem dieser in der mündlichen Verhandlung gehört worden war, hätte es einer eindeutigen Bekundung durch Wiederholung des Beweisantrages in der letzten mündlichen Verhandlung bedurft, daß die Klägerin an ihrem Beweisantrag festhalten wolle. Dies ist nicht geschehen. Sie hat lediglich beantragt, die beklagte Berufsgenossenschaft zur Gewährung von Hinterbliebenenleistungen zu verurteilen, ohne sich im übrigen auf den früher gestellten Beweisantrag zu berufen. Der Senat hat hierzu in ständiger Rechtsprechung entschieden, daß es jedenfalls rechtskundig vertretenen Beteiligten obliegt, in der mündlichen Verhandlung alle diejenigen Anträge zur Niederschrift des Gerichts zu stellen, über die das Gericht entscheiden soll (vgl zuletzt Beschluß des Senats vom 30. März 1988 - 2 BU 174/87 - mwN sowie Beschluß vom 7. Juli 1988 - 2 BU 1/88 -).

Letztlich kommt es auch darauf, daß das Berufungsgericht auf die Stellung eines Beweisantrages nicht hingewirkt hat (§ 106 Abs 1 SGG), nicht an. Ist ein Beweisantrag nicht gestellt oder wie hier nicht aufrechterhalten worden, so kann nicht über den Umweg des § 106 Abs 1 und § 112 Abs 2 SGG ein nicht gestellter Beweisantrag zur Zulassung der Revision führen (BSG SozR 1500 § 160 Nr 13).

Die Klägerin hat zutreffend erkannt, daß die auf die Beweiswürdigung (§ 128 Abs 1 Satz 1 SGG) gerichtete Rüge im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde ausdrücklich ausgenommen ist (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG). Schließlich könnte auch die materielle Unrichtigkeit des Berufungsurteils - sofern davon auszugehen wäre, was nicht ersichtlich ist - nicht zur Zulassung der Revision führen (st Rspr des BSG, so ua SozR 1500 § 160a Nr 7).

Die Beschwerde ist sonach nicht geeignet, der Klägerin die Revision zu eröffnen; das Rechtsmittel ist zu verwerfen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1647274

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