Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde der Beigeladenen zu 1) gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 22. Februar 1984 wird zurückgewiesen.
Die Beigeladene zu 1) hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten darum, ob die Klägerin in der Kranken- und Rentenversicherung versicherungs- sowie zur Bundesanstalt für Arbeit beitragspflichtig war, während sie vom 1. Juli 1977 bis zum 31. August 1980 aufgrund eines „Werkvertrages” für Ale Beigeladene zu 1) arbeitete. Das Landessozialgericht (LSG) Berlin hat das durch Urteil vom 22. Februar 1984 bejaht, weil eine abhängige Beschäftigung vorgelegen habe. Es hat die Revision nicht zugelassen.
Dagegen richtet sich die Beschwerde der Beigeladenen zu 1). Zur Begründung führt sie an, folgende Fragen hätten grundsätzliche Bedeutung (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz –SGG–):
- Sind bei der Beurteilung, ob eine abhängige Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit vorliegt, differenzierende Regelungen und genaue Anweisungen, die der Arbeit- bzw Auftraggeber erteilt und die „der Natur der Sache nach” ausschließlich den Inhalt der Arbeit, d. h. also nicht die äußere Gestaltung des Tätigwerdens an sich, betreffen, ein entscheidendes Argument dafür, daß ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis gegeben ist?
- Ist der Umstand, daß die verrichteten Tätigkeiten zu den öffentlich-rechtlichen Aufgaben des Auftraggebers gehören, ein wesentlicher rechtlicher Gesichtspunkt für das Vorliegen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses?
Des weiteren macht die Beigeladene zu 1) geltend, das LSG sei von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) abgewichen (§ 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG), insbesondere vom Urteil des erkennenden Senats vom 25. September 1981 – 12 RK 5/80 – (SozR 2200 § 165 Nr. 61). Die Divergenz liege darin, daß das Fehlen eines garantierten Mindesteinkommens nach dem Urteil des LSG für sich allein kein Unternehmerrisiko begründe, während das in der erwähnten Entscheidung des Senats angenommen worden sei.
Die Beigeladene zu 3) hat sich der Auffassung der Beigeladenen zu 1) angeschlossen. Die Beklagte und die Beigeladene zu 2) haben mitgeteilt, eine Äußerung sei nicht beabsichtigt. Die Klägerin hat sich nicht geäußert.
Entscheidungsgründe
II
Die Beschwerde ist unbegründet.
Die von der Beigeladenen zu 1) aufgeworfenen Fragen haben keine grundsätzliche Bedeutung iS von § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG. Die maßgebenden Kriterien zur Abgrenzung eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses von einer selbständigen Tätigkeit sind in einer umfangreichen höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelt worden. Maßgebend hat stets das Gesamtbild der jeweiligen Arbeitsleistung unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung zu sein. Die gebotene Abwägung aller Merkmale im Einzelfall führt dazu, daß keinem von ihnen allein ausschlaggebende Bedeutung zukommt, Einzelne von ihnen, die für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis sprechen, finden sich in mehr oder minder ausgeprägter Form auch bei einer selbständigen Tätigkeit und umgekehrt. Deshalb kann bei manchen Merkmalen bisweilen nur darauf abgestellt werden, ob sie in der einen oder der anderen Richtung typisch sind und ob bei einer Gesamtbetrachtung die Kennzeichen einer abhängigen Beschäftigung oder einer selbständigen Tätigkeit überwiegen.
Im Rahmen seiner Rechtsprechung zur Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbständiger Tätigkeit hat der Senat auch die von der Beigeladenen zu 1) angesprochenen Fragen schon behandelt. So hat er – besonders bei Verrichtung einfacher, routinemäßig sich wiederholender Arbeiten, wie sie auch sonst vorkommen und dann in der Regel von abhängig Beschäftigten ausgeführt werden – die Bedeutung einer engen Bindung an Richtlinien erörtert und ausgeführt, daß bei einfachen Verrichtungen, die keine große Dispositionsfreiheit mit sich bringen (zB einfache Bankgeschäfte), eine ins einzelne gehende Regelung für eine abhängige Tätigkeit spricht (BSG SozR 2200 § 165 Nr. 63; BSG SozR Nr. 71 zu § 165 RVO). Dabei hat er gewisse Umstände (etwa die üblichen Öffnungszeiten von Sparkassen) als Zeichen für Abhängigkeit mitverwertet, obwohl sie – nach dem Vorbringen der Beteiligten – „einfach aus der Natur der Sache folgten” (BSG SozR 2200 § 165 Nr. 63).
Der Senat hat ferner (in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung auch des BAG, s zB AP Nr. 10 zu § 611 BGB Abhängigkeit) einen wichtigen Hinweis für die Abhängigkeit einer Beschäftigung darin gesehen, daß die gleiche oder eine vergleichbare Tätigkeit von zweifelsfrei abhängig Beschäftigten verrichtet wird (BSG SozR Nr. 71 zu § 165 RVO). Dabei können Freiräume, die aus der „Natur der Sache” folgen, auch bei Arbeitnehmern vorkommen (BSG SozR 2200 § 165 Nr. 51; BSG Urteil vom 18. Mai 1983 – 12 RK 41/81 – = USK 8393); andererseits sprechen Bindungen nicht unbedingt gegen eine selbständige Tätigkeit, sofern sie sich aus „Sachzwängen” ergeben (BSG SozR 2200 § 165 Nr. 63).
Im übrigen hat der Senat danach unterschieden, ob es sich bei den vom Auftraggeber/Arbeitgeber gestellten Anforderungen hinsichtlich Zeit, Ort und Art. der Arbeit nur um Bedingungen der Tätigkeit handelt, die im voraus als Inhalt des Vertragsverhältnisses vereinbart werden (dies spricht dafür, daß es sich um eine selbständige Tätigkeit handelt, zumal wenn die Regelungen nur wenige Tätigkeitsbereiche betreffen), oder um Anforderungen, deren – einseitige – Festlegung und Änderung auch nach Abschluß des Vertrages offengehalten wird oder werden muß (BSG SozR 2200 § 165 Nr. 36).
Weiterhin ist in der Rechtsprechung der Einbeziehung in den Aufgabenkreis eines Betriebes Bedeutung beigemessen und sie als Hinweis für eine abhängige Tätigkeit gewertet worden, wenngleich eine solche Einbeziehung auch bei Selbständigen möglich ist (BSG SozR 2200 § 165 Nrn 51 und 63; s ferner Urteil vom 18. Mai 1983 – 12 RK 41/81 = USK 8393 betr Schulbusbegleiter). Dabei ist hervorgehoben worden, daß die Verantwortung einer Behörde für die Erledigung öffentlicher Aufgaben zunächst dafür spricht, daß die Aufgaben nicht an selbständig tätige Privatpersonen übertragen worden sind. Dies gilt auch, wenn Weisungen im Einzelfall tatsächlich nicht nötig waren; denn in diesem Bereich ist davon auszugehen, daß die Behörde nicht auf die zur Sicherstellung der Aufgabe erforderlichen Weisungen verzichtet und deshalb als Vertragsinhalt unterstellt werden kann, daß sie sich im Zweifel die Erteilung solcher Weisungen vorbehält (BSG 18. Mai 1983 – 12 RK 41/81 – USK 8393).
Als Kriterium für die Abhängigkeit einer Beschäftigung hat der Senat auch das Zurverfügungstellen von Büromaterial angesehen (BSG SozR 2200 S 165 Nrn 51 und 63 sowie Urteil vom 18. Mai 1983 – 12 RK 41/81 – aaO).
Soweit ein Unternehmerrisiko besteht, spricht dies dagegen für Selbständigkeit. Unter bestimmten Umständen genügt insoweit schon, daß der Erfolg des Einsatzes der eigenen Arbeitskraft ungewiß ist. Dieses Minimum an Unternehmerrisiko reicht aber nicht in jedem Fall aus (s zB SozR Nr. 71 zu § 165 RVO).
Der Senat hat schließlich – vor allem bei einfacheren Verrichtungen ohne erhebliche Dispositionsfreiheit – ausgesprochen, daß die Überbürdung zusätzlicher Risiken einen Arbeitnehmer nicht zum Selbständigen macht, vielmehr diese Risiken nur dann Bedeutung gewinnen, wenn sie mit einem deutlichen Zuwachs an Dispositionsfreiheit und Gewinnchancen einhergehen (BSG SozR 2200 § 1227 Nr. 17).
Die von der Beigeladenen zu 1) aufgeworfenen Fragen erscheinen dem Senat hiernach – unter Zugrundelegung des vom LSG festgestellten Sachverhalts – nicht geeignet, die Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbständiger Tätigkeit fortzuentwickeln oder zu verfeinern. Dieses und damit die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache könnte nur angenommen werden, wenn die von der Beigeladenen zu 1) beanstandeten, vom LSG verwendeten Merkmale als Indizien für eine abhängige Beschäftigung generell untauglich wären und deshalb aus der Gesamtschau auszuscheiden hätten. Das ist jedoch nicht der Fall. Insbesondere der Umstand, daß Arbeiten wegen ihrer Kompliziertheit, möglicherweise aber auch nur wegen eines Bedürfnisses nach streng einheitlicher Ausführung („Genormtheit”) nach Regeln erbracht werden müssen, die genau festgelegt sind, bleibt ein Indiz für Abhängigkeit, weil bis ins einzelne gehende Weisungen oder wenigstens die Möglichkeit dazu gerade für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis typisch sind. Gleiches läßt sich von selbständigen Tätigkeiten nicht sagen, selbst wenn auch sie mitunter – heute möglicherweise in zunehmendem Maße – ihrem Inhalt und ihrem äußeren Ablauf nach bestimmten Regeln folgen. Ob solche inhaltliche Bestimmtheit als Unterscheidungsmerkmal zwischen abhängiger Beschäftigung und selbständiger Tätigkeit um so untauglicher wird, je mehr sie gewissen Arbeitsvorgängen ihrer „Natur” nach anhaftet, ist hier nicht zu entscheiden. Denn um solche Regeln handelt es sich bei den Bestimmungen, die die Beigeladene zu 1) für die von der Klägerin verrichtete Arbeit getroffen hatte, nicht. Ihre Richtlinien und Arbeitsanweisungen sind vielmehr nach der vorliegenden Rechtsprechung (vgl. dazu BSG SozR 2200 § 165 Nr. 36) zwanglos als Ausübung des Direktionsrechts in einer verallgemeinerten und mittelbaren Form einzuordnen, zumal sie nicht bereits Inhalt des „Werkvertrages” waren, sondern von der Beigeladenen zu 1) erst nachträglich und einseitig zur „Konkretisierung” des Arbeitsinhalts erlassen wurden. Daran ändert nichts, daß das LSG in diesem Zusammenhang von der „Natur der Sache” gesprochen hat.
Eine von der Beigeladenen zu 1) geltend gemachte Divergenz des angefochtenen Urteils des Senats vom 25. September 1981 – 12 RK 5/80 – (SozR 2200 § 165 Nr. 61) besteht nicht. Die Beigeladene zu 1) isoliert hier ein einzelnes Merkmal – das Fehlen eines Mindesteinkommens bei der Beurteilung des Unternehmerrisikos – aus der Gesamtbetrachtung und beachtet nicht hinreichend, daß es im einen Fall die für Selbständigkeit sprechenden Merkmale verstärken, in anderen Fällen jedoch durch andere, für Abhängigkeit bestehende Gesichtspunkte zurückgedrängt werden kann. Der Unterschied liegt nicht in voneinander abweichenden Bewertungsmaßstäben, sondern in dem abweichenden Gesamtbild des einzelnen Falles. Das LSG hat mit Recht für diesen Fall mehr auf die Urteile des Senats vom 13. Juli 1978 (12 RK 14/78 SozR 2200 § 1227 Nr. 17) und vom 18. November 1980 (12 RK 76/79 SozR 2200 § 165 Nr. 51) Bezug genommen, Es hat dabei zu erkennen gegeben, daß die fehlende Garantie eines Mindesteinkommens zwar auch als Indiz für ein Unternehmerrisiko gewertet werden könne, daß jedoch für die Bewertung das Gesamtbild entscheidend sei. Damit bewegt es sich im Bereich der Grundsätze, die der erkennende Senat für die Unterscheidung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbständiger Tätigkeit aufgestellt hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Fundstellen