Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 14. September 2021 wird als unzulässig verworfen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten über die Versicherungspflicht des Klägers in der sozialen Pflegeversicherung (sPV).
Der 1947 geborene Kläger ist serbischer Staatsangehöriger und wird bei der beigeladenen Pflegekasse als Rentner der gesetzlichen Rentenversicherung als in der sPV versichert geführt. Die Beklagte zahlt die Beiträge aus der Rente des Klägers. Seinen Antrag, das Nichtbestehen der Versicherungspflicht in der sPV festzustellen, lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 12.7.2012; Widerspruchsbescheid vom 14.7.2014). Das SG Hamburg hat die Klage einschließlich des Hilfsantrags auf Feststellung der Leistungsansprüche aus der sPV im Fall der Rückkehr nach Serbien abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 26.6.2019). Das LSG Hamburg hat die Berufung unter Bezugnahme auf die Entscheidungsgründe des SG auch bezüglich des nach schriftlicher Rücknahme in der mündlichen Verhandlung erneut gestellten Hilfsantrags zurückgewiesen. Es bestehe kein Anspruch auf Leistungstransfer ins Ausland oder Befreiung von der Versicherungspflicht für den Fall des Rückzugs nach Serbien aus nationalem oder zwischenstaatlichem Recht (Urteil vom 14.9.2021).
Gegen die Nichtzulassung der Revision in dem angefochtenen Urteil wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde.
II
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung des LSG ist als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG). Der Kläger hat entgegen § 160a Abs 2 Satz 3 SGG den allein geltend gemachten Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) nicht hinreichend dargelegt.
1. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine abstrakt-generelle Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - allgemeine Bedeutung hat und aus Gründen der Rechtseinheit oder der Rechtsfortbildung einer Klärung durch das Revisionsgericht bedarf (Klärungsbedürftigkeit) und fähig (Klärungsfähigkeit) ist. Mit der Beschwerdebegründung ist daher aufzuzeigen, welche rechtliche Frage sich zu einer bestimmten Norm des Bundesrechts iS des § 162 SGG stellt. Hierzu ist anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und des Schrifttums auszuführen, weshalb eine Klärung erforderlich und im angestrebten Revisionsverfahren zu erwarten ist. Schließlich ist darzulegen, dass der angestrebten Entscheidung eine über den Einzelfall hinausgehende Breitenwirkung zukommt (vgl BSG Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17 mwN). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.
Der Kläger hält die Frage für grundsätzlich bedeutsam,
"ob die Versicherungspflicht in der sozialen Pflegeversicherung gem. § 20 Abs. 1 SGB XI i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 11 und § 3 Nr. 2 SGB IV einschränkend interpretiert werden muss, um einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 GG zu verhindern."
Es ist bereits zweifelhaft, ob der Kläger damit eine Rechtsfrage zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts (§ 162 SGG) mit höherrangigem Recht formuliert. Die Bezeichnung einer hinreichend bestimmten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage ist jedoch unverzichtbar, damit das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann (BSG Beschluss vom 10.9.2014 - B 10 ÜG 3/14 B - juris RdNr 11 mwN). Eine Rechtsfrage ist so konkret zu formulieren, dass sie als Grundlage für die Darlegung der weiteren Merkmale der grundsätzlichen Bedeutung (Klärungsbedürftigkeit, Klärungsfähigkeit, Breitenwirkung) geeignet ist (Voelzke in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Aufl 2017, § 160a RdNr 97).
Selbst wenn eine hinreichend konkrete Rechtsfrage unterstellt würde, fehlt es an der Darlegung der Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Thematik. Eine Rechtsfrage ist dann als höchstrichterlich geklärt und damit als nicht (mehr) klärungsbedürftig anzusehen, wenn diese bereits beantwortet ist. Ist sie noch nicht ausdrücklich entschieden, genügt es, dass schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beantwortung der vom Beschwerdeführer als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben (vgl BSG Beschluss vom 30.8.2016 - B 2 U 40/16 B - SozR 4-1500 § 183 Nr 12 RdNr 7 mwN; s auch BSG Beschluss vom 28.11.2018 - B 12 R 34/18 B - juris RdNr 6). Für die Darlegung der Klärungsbedürftigkeit einer verfassungsrechtlichen Frage gilt, dass sich die Begründung nicht auf eine bloße Berufung von Normen des GG beschränken darf, sondern unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BVerfG und des BSG ausführen muss, woraus sich im konkreten Fall die Verfassungswidrigkeit ergibt. Dazu müssen der Bedeutungsgehalt der infrage stehenden einfachgesetzlichen Normen aufgezeigt, die Sachgründe ihrer jeweiligen Ausgestaltung erörtert und die Verfassungsverletzung dargelegt werden (BSG Beschluss vom 14.3.2019 - B 12 KR 95/18 B - juris RdNr 5 mwN). Dies gilt hier zumindest im Hinblick auf den Feststellungsantrag in besonderem Maße deshalb, weil der Kläger die Feststellung seiner Leistungsberechtigung im Hinblick auf einen noch nicht vollzogenen und potentiell anvisierten Umzug begehrt und selbst darauf hinweist, dass Serbien den Beitritt zur Europäischen Union beantragt habe und die Exportierbarkeit von Leistungen nach § 34 Abs 1a SGB XI ab 2025 zu erwarten sei.
Insoweit hätte eine substantiierte Auseinandersetzung mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Verfassungsmäßigkeit des Ruhens von Leistungsansprüchen im Ausland (vgl BSG Urteil vom 25.2.2015 - B 3 P 6/13 R - BSGE 118, 110 = SozR 4-3300 § 34 Nr 2; BVerfG ≪Kammer≫ Beschluss vom 17.3.2008 - 1 BvR 96/06 - BVerfGK 13, 406 = SozR 4-2500 § 17 Nr 2) erfolgen müssen. Insbesondere hätte der Kläger darlegen müssen, dass trotz der höchstrichterlichen Rechtsprechung noch oder wieder Klärungsbedarf bestehe. Der Kläger zeigt aber weder auf, dass der höchstrichterlichen Rechtsprechung mit gewichtigen Argumenten in Literatur und Rechtsprechung substantiell widersprochen worden wäre, noch wirft er völlig neue, nicht erwogene Gesichtspunkte auf, die eine andere Beurteilung nahelegen könnten (vgl zu diesem Darlegungserfordernis BSG Beschluss vom 23.6.2010 - B 12 KR 14/10 B - juris RdNr 11 mwN; BSG Beschluss vom 4.3.2020 - B 12 R 34/19 B - juris RdNr 8). Hierfür reicht es nicht aus, sich allein auf die eigene abweichende Auffassung zu stützen und Misstrauen in die Motivation des Gesetzgebers zu äußern.
Im Hinblick auf Art 14 Abs 1 GG beschäftigt sich der Kläger insbesondere nicht hinreichend mit den mangelnden Umsetzungs- und (hoheitlichen) Kontrollmöglichkeiten der Versicherungsträger im Ausland, die den Leistungsausschluss nach § 34 Abs 1 Nr 1 Satz 1 SGB XI aus Gründen des Allgemeinwohls rechtfertigen (vgl hierzu BSG Urteil vom 25.2.2015 - B 3 P 6/13 R - BSGE 118, 110 = SozR 4-3300 § 34 Nr 2, RdNr 31; BSG Urteil vom 20.4.2016 - B 3 P 4/14 R - BSGE 121, 108 = SozR 4-3300 § 34 Nr 3, RdNr 27; BSG Beschluss vom 21.12.1971 - GS 6/71 - BSGE 33, 280, 284 = SozR Nr 13 zu 1302 RVO). Danach ist auch bezüglich des Pflegegelds zu berücksichtigen, dass dieses nur zweckgebunden zur Sicherstellung der Pflege eingesetzt werden darf (BSG Urteil vom 25.2.2015 aaO RdNr 31).
Diese Rechtsprechung ist nicht allein dadurch infrage gestellt, dass der Kläger die Gleichwertigkeit der medizinischen Infrastruktur und medizinischer Gutachten in Serbien behauptet. Eine substantiierte Auseinandersetzung liegt auch nicht in der Forderung nach einem "sozialen Besitzstand" in der Pflegeversicherung wie in der Rentenversicherung oder in dem Hinweis, dass in Corona-Zeiten ohnehin Gutachten nach telefonischer Befragung der Versicherten oder ihrer Angehörigen erstattet würden. Weder ist damit die Frage der mangelnden Umsetzungs- und hoheitlichen Kontrollmöglichkeiten auch hinsichtlich der zur Begutachtung erforderlichen Angaben der Angehörigen und Pflegekräfte auf serbischem Staatsgebiet gelöst noch der zweckgebundene Einsatz des Pflegegelds in Serbien sichergestellt.
Soweit der Kläger eine Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit rügt, setzt er sich nicht hinreichend mit der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung (vgl BVerfG Beschluss vom 17.3.2008 - 1 BvR 96/06 - BVerfGK 13, 406 = SozR 4-2500 § 17 Nr 2 - juris RdNr 4; BVerfG Beschluss vom 30.12.1999 - 1 BvR 809/95 - SozR 3-1200 § 30 Nr 20 - juris RdNr 11; BVerfG Beschluss vom 2.7.1998 - 1 BvR 810/90 - juris RdNr 6) auseinander, wonach es ein grundsätzlich nicht zu beanstandendes Ziel nationaler Sozialpolitik sein kann, sozial relevante Tatbestände im eigenen Staatsgebiet zu formen und zu regeln. Dabei kann der gewöhnliche Aufenthalt einer Person im jeweiligen Staatsgebiet - ohne Rücksicht auf die Staatsangehörigkeit - ein systemgerechter Anknüpfungspunkt für die mitgliedschaftliche Einbeziehung in nationale Sozialversicherungssysteme sein, der sich auch in anderen nationalen Sozialversicherungssystemen durchgesetzt hat (vgl BVerfG Beschluss vom 2.7.1998 - 1 BvR 810/90 - juris RdNr 6). Dass davon im deutschen Sozialversicherungsrecht Ausnahmen (zB §§ 4, 5 SGB IV) vorgesehen sind oder abweichende zwischenstaatliche bzw europarechtliche Regelungen getroffen werden können, ändert an diesem Grundsatz nichts. Insofern ist der Verweis auf Regelungen innerhalb der EU oder des EWR nicht weiterführend. Abgesehen davon hat der Kläger auch keine Ausführungen dazu gemacht, weshalb er bereits im Vorfeld eines Umzugs eine Ungleichbehandlung geltend machen könnte, obwohl der Versicherungsträger in dieser Zeit das volle versicherte Risiko trägt. Aus der Beschwerdebegründung wird schließlich auch nicht deutlich, inwieweit der von der EMRK (insbesondere Art 14 EMRK und Art 1 1. Zusatzprotokoll zur EMRK) gewährte Schutz über die Grundrechtsgarantien des GG hinausgehen soll.
2. Nachdem gegen die Entscheidung des LSG in der Hauptsache kein Revisionszulassungsgrund dargelegt ist, kann auch die (evtl) Rüge der unbegründeten Auferlegung von Mutwillenskosten nach § 192 SGG nicht zur Zulassung der Revision führen (BSG Beschluss vom 27.1.1999 - B 12 KR 56/98 B - juris mwN).
3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Heinz U. Waßer Padé
Fundstellen
Dokument-Index HI15134702 |