Leitsatz (amtlich)
Der Anspruch auf Kostenerstattung nach AFG § 45 hängt nicht davon ab, ob es neben den vom Antragsteller nach seiner freien Entscheidung gewählten, die Förderungsvoraussetzungen im übrigen erfüllenden Maßnahme andere - billigere - Maßnahmen gibt.
Normenkette
AFG § 45 Fassung: 1969-06-25
Verfahrensgang
LSG Niedersachsen (Entscheidung vom 22.03.1977; Aktenzeichen L 7 Ar 73/75) |
SG Hildesheim (Entscheidung vom 13.05.1975; Aktenzeichen S 3 Ar 89/74) |
Tenor
Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 22. März 1977 wird abgelehnt.
Die Beklagte hat dem Kläger die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.
Gründe
Die Beklagte gewährte dem Kläger aus Anlaß der Teilnahme an einer Maßnahme der beruflichen Fortbildung (§41 des Arbeitsförderungsgesetzes - AFG -) Unterhaltsgeld (Uhg) nach § 44 AFG und Zuschüsse zu den Lehrgangskosten nach § 45 AFG. Die vom Kläger beantragte Gewährung von Zuschüssen für auswärtige Unterkunft und Verpflegung sowie für Familienheimfahrten lehnte sie jedoch mit der Begründung ab, daß eine gleichwertige Bildungsmöglichkeit in der Nähe seines Wohnortes bestehe, die er durch tägliches Pendeln von seinem Wohnort aus hätte besuchen können.
Das Sozialgericht (SG) Hildesheim hat die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide verurteilt, dem Kläger während der Teilnahme an dem von der Beklagten im übrigen geförderten Lehrgang auch die Kosten für Hin- und Rückfahrt, Familienheimfahrt sowie für Unterkunft und Verpflegung nach § 45 AFG zu erstatten (Urteil vom 13. Mai 1975).
Das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen hat die Berufung der Beklagten mit der Begründung zurückgewiesen, daß die Kosten nach § 45 AFG Folgekosten einer im übrigen geförderten Bildungsmaßnahme seien (Urteil vom 22. März 1977).
Gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG hat die Beklagte fristgerecht Beschwerde erhoben mit der Begründung, die zu entscheidende Rechtsfrage sei von grundsätzlicher Bedeutung (§§ 160 a, 160 Abs 2 Nr 1 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -) und entgegen der Auffassung des LSG höchstrichterlich bisher nicht entschieden.
Die Beschwerde ist entgegen der Auffassung des Klägers zulässig im Sinne der §§ 164, 166 SGG. Für die Bediensteten, die die Beschwerdeschrift und -begründung unterzeichnet haben, ist beim Bundessozialgericht (BSG) eine Generalprozeßvollmacht des Präsidenten der Bundesanstalt für Arbeit (BA) hinterlegt (§ 209 AFG, § 73 SGG).
Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet. Die von der Beklagten bezeichnete Rechtsfrage hat nämlich keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 160 Abs 2 Nr 1 SGG, weil sie höchstrichterlich bereits entschieden worden und deshalb nicht mehr klärungsbedürftig ist. Die Beklagte hat demgegenüber nicht dargetan, daß die Rechtsfrage gleichwohl klärungsbedürftig sei, weil der Rechtsprechung des Revisionsgerichts in nicht nur geringfügigem Umfange widersprochen worden sei (BSG SozR 1500 § 160 a Nr 13). Sie behauptet lediglich, die strittige Frage sei vom BSG bisher überhaupt noch nicht entschieden worden. Das trifft jedoch nicht zu.
Das LSG hat zutreffend darauf hingewiesen, daß der erkennende Senat bereits mehrfach zur Frage des Zusammenhangs zwischen den nach § 45 AFG erstattungsfähigen Kosten und der im übrigen gemäß §§ 41, 47, 45 AFG geförderten Teilnahme an einer Maßnahme der beruflichen Bildung entschieden und dabei hervorgehoben hat, daß insoweit eine enge kausale Verknüpfung zwischen den entstandenen notwendigen Kosten und der Bildungsmaßnahme erforderlich ist (BSGE 38, 109, 115). Bei Vorliegen dieser kausalen Verknüpfung hat der Senat den Erstattungsanspruch als begründet angesehen (BSGE 38, 292, 295). Im Urteil vom 30. September 1975 - 7 RAr 111/74 - (Dienstblatt C der BA Nr 2016a zu § 45 AFG) hat der Senat entschieden, daß die Kosten im Sinne von § 45 AFG dann entstanden sind, wenn sie nicht angefallen wären, sofern der Bildungswillige auf seine Teilnahme an der Maßnahme verzichtet hätte; sie müssen also ausschließlich durch die Teilnahme an der Bildungsmaßnahme verursacht worden sein (BSG in SozR 4100 § 45 Nr 6). In mehreren weiteren Urteilen hat der Senat ferner entschieden, daß der Anspruch auf Kostenerstattung für auswärtige Unterkunft und Verpflegung nicht davon abhängt, ob dem Teilnehmer die Verlegung seines Wohnsitzes an den Maßnahmeort zumutbar ist (BSGE 39, 119; Urteile vom 30. Januar 1975 - 7 RAr 67/73 und 7 RAr 28/74 -, Dienstblatt C der BA Nrn 1877 a und 1878 a zu § 45 AFG). Er hat die Erstattungspflicht in diesen Fällen ohne weiteres bejaht, wenn der Teilnehmer einen vom Lehrgangsort durch tägliches Pendeln nicht erreichbaren Wohnsitz hatte. Daraus wird deutlich - wie das LSG zutreffend erkannt hat -, daß der Senat den Erstattungsanspruch nach § 45 AFG als Folgekosten der vom einzelnen Teilnehmer ausgewählten Bildungsmaßnahme ansieht, sofern die Teilnahme hieran nach den übrigen gesetzlichen Bestimmungen förderbar ist und - wie hier - von der Beklagten auch gefördert wird. Entscheidend ist lediglich die von § 45 AFG verlangte Kausalität der Maßnahme für die Kosten.
Dem steht nicht die von der Beklagten angeführte Entscheidung des Senats vom 17. Dezember 1974 - 7 RAr 17/73 - entgegen (BSGE 38, 282 = SozR 4100 § 42 Nr 5), im Gegenteil. Der Senat hat in diesem Urteil die Rechtsauffassung des SG abgelehnt, daß dem Kläger, der eine auswärtige Maßnahme besucht hatte, Leistungen nur in der Höhe zu gewähren seien, wie sie angefallen wären, wenn er an näher gelegenen Lehrgängen teilgenommen hätte. Der Senat hat dazu ausgeführt: "Der Begriff "notwendig" bezieht sich in § 45 AFG auf die Kosten und nicht auf die Fortbildungsmaßnahme, deren Wahl dem Bildungswilligen nach dem AFG grundsätzlich freigestellt ist". Damit hat der Senat klargestellt, daß der Anspruch auf Kostenerstattung nach § 45 AFG nicht davon abhängig ist, ob es neben der vom Antragsteller gewählten, die Förderungsvoraussetzungen im übrigen erfüllenden Maßnahme andere - billigere - Maßnahmen gibt, sondern allein davon, daß die geltend gemachten Aufwendungen notwendige und unmittelbar durch die Teilnahme entstandene Kosten sind. Das entspricht im übrigen der Auffassung des Senats, daß es nach der Tendenz des AFG nicht Aufgabe der Beklagten ist, mit ihrer Förderungspraxis in den Wettbewerb zwischen - vom Ergebnis her - gleichwertigen Maßnahmen einzugreifen (vgl BSGE 43, 134, 146), zumal da an den Begriff der "Gleichwertigkeit" ganz erhebliche tatsächliche und rechtliche Anforderungen zu stellen wären. Wenn die Beklagte demgegenüber meint, der Senat habe die Frage der Kostenerstattung in der oa Entscheidung vom 17. Dezember 1974 offen gelassen, sofern ein kostengünstigerer Lehrgang zur Verfügung stehe, so hat sie die Ausführungen des Senats verkannt. Offen gelassen hat der Senat in seiner Entscheidung nur die Frage, ob ein Teilnehmer bei vergleichbaren Lehrgängen (zumutbar) verpflichtet sein kann, den kostengünstigeren Lehrgang zu besuchen. Hier wurde also nur die Frage angesprochen und ausdrücklich nicht entschieden, ob die Beklagte die gesamte Förderung einer Lehrgangsteilnahme mit dem Nachweis eines kostengünstigeren Lehrgangs verweigern dürfe. Davon zu unterscheiden ist jedoch die hier maßgebliche Frage, ob Kostenerstattung für einen vom Antragsteller nach seiner Wahl besuchten und von der Beklagten im übrigen - zu Recht - geförderten Lehrgang mit dieser Begründung verweigert werden darf. Das ist nach der bisherigen Rechtsprechung des Senats nicht der Fall.
Die Beschwerde ist demgemäß abzulehnen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Fundstellen