Verfahrensgang
Tenor
Der Antrag des Klägers, ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 19. April 2018 Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen, wird abgelehnt.
Gründe
I
Das Sozialgericht (SG) Stuttgart hat die Klage des Antragstellers, mit der er die Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt nach der Regelbedarfsstufe 1 statt nach der Regelbedarfsstufe 3 für die Zeiträume von vier Familienheimfahrten (7.7.2013 bis 19.7.2013; 23.12.2013 bis 3.1.2014; 6.7.2014 bis 21.7.2014; 22.12.2014 bis 5.1.2015) begehrt hat, abgewiesen und in der Rechtsmittelbelehrung über das Rechtsmittel der Berufung belehrt. Die Berufung hat es weder im Tenor noch in den Entscheidungsgründen zugelassen (Gerichtsbescheid vom 27.6.2016). Das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg hat die Berufung nach Hinweis auf die Nichterreichung der Berufungssumme von 750 Euro als unzulässig verworfen (Urteil vom 19.4.2018).
Der Kläger hat beim Bundessozialgericht (BSG) die Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG und die Beiordnung eines Rechtsanwalts beantragt. Das SG habe die Berufung zugelassen, es liege grundsätzliche Bedeutung vor, hieran sei das LSG gebunden. Außerdem habe er nach dem Hinweis des LSG deutlich gemacht, dass es ihm nicht nur um die bislang thematisierten höheren Leistungen nach Regelbedarfsstufe 1 statt 3, sondern auch um weitergehende Leistungen gehe und insgesamt ein Betrag in Höhe von 2208,01 Euro streitig sei. Es verstoße gegen den Grundsatz eines fairen Verfahrens, wenn das LSG seine Anträge in unzulässiger Weise verkürze und nicht sachdienlich auslege.
II
Der Antrag auf Bewilligung von PKH ist nicht begründet. PKH ist nur zu bewilligen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint (§ 73a Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫ iVm § 114 Zivilprozessordnung ≪ZPO≫); daran fehlt es hier. Hinreichende Aussicht auf Erfolg wäre nur zu bejahen, wenn einer der drei in § 160 Abs 2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe durch einen zugelassenen Prozessbevollmächtigten (§ 73 Abs 4 SGG) mit Erfolg geltend gemacht werden könnte; denn nur diese Gründe können zur Zulassung der Revision führen. Dies ist vorliegend nicht der Fall.
Es ist nicht erkennbar, dass ein Verfahrensmangel (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 1 SGG) mit Aussicht auf Erfolg geltend gemacht werden könnte. Insbesondere hat das LSG zu Recht ein Prozessurteil statt eines Sachurteils erlassen und die Berufung als unzulässig verworfen. Nach § 158 Satz 1 Alt 1 SGG ist die Berufung ua als unzulässig zu verwerfen, wenn sie nicht statthaft ist. Eine Berufung ist nicht zulässig, sondern bedarf der Zulassung, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro nicht übersteigt (§ 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGG) und nicht wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betroffen sind (§ 144 Abs 1 Satz 2 SGG). Der Wert des Beschwerdegegenstandes iS von § 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGG richtet sich danach, was das SG dem Rechtsmittelkläger versagt hat und was er davon mit seinen Berufungsanträgen weiter verfolgt. Bei einer Geldleistung ist daher der Wert des Beschwerdegegenstandes für das Berufungsverfahren nach dem Geldbetrag zu berechnen, um den unmittelbar gestritten wird (vgl BSG SozR 4-1500 § 144 Nr 2 RdNr 5). Als maßgeblicher Zeitpunkt für die Bestimmung des Wertes des Beschwerdegegenstandes ist auf die Einlegung der Berufung abzustellen (stRspr; vgl BSG SozR 4-1500 § 96 Nr 4 RdNr 14; BSGE 58, 291, 294 = SozR 1500 § 144 Nr 30 S 51; BSG Beschluss vom 23.7.2015 - B 8 SO 58/14 B - RdNr 8). Soweit ein Kläger seinen Antrag nicht beziffert, ist dieser Verstoß gegen die Soll-Vorschrift des § 151 Abs 3 SGG, wonach die Berufungsschrift einen bestimmten Antrag enthalten soll, zwar unschädlich (BSG SozR Nr 2 zu § 151 SGG; BSG Beschluss vom 23.7.2015 - B 8 SO 58/14 B - RdNr 8). Bei einem unbezifferten Antrag muss aber das Gericht den Wert ermitteln (BSG Beschluss vom 21.9.2017 - B 8 SO 32/17 B - RdNr 9), was das LSG ausgehend von den konkreten Anträgen des Klägers in der Klagschrift und bei Berufungseinlegung in rechtsfehlerfreier Weise getan hat, indem es sämtliche vom Kläger aufgeführten Tage der Familienheimfahrten addiert und die begehrten Leistungen nach der Differenz der angestrebten Regelbedarfsstufe 1 zur Regelbedarfsstufe 3 berechnet hat. Der Beschwerdewert von 750 Euro wird bei Weitem nicht erreicht. Da die Zulässigkeit der Berufung zu Beginn der Instanz zu beurteilen ist, kann sie nicht erst danach durch Klageerweiterung geschaffen werden (BSGE 58, 291, 294 - SozR 1500 § 144 Nr 30 S 51, mwN; BSG SozR 4-1500 § 158 Nr 1 RdNr 9). Das SG hat die Berufung auch nicht zugelassen; eine unrichtige Rechtsmittelbelehrung ersetzt nicht die Berufungszulassung (BSG Beschluss vom 22.7.2010 - B 4 AS 77/10 B - RdNr 8 mwN, die hiergegen erhobene Verfassungsbeschwerde wurde nicht zur Entscheidung angenommen, Bundesverfassungsgericht ≪BVerfG≫ Beschluss vom 24.8.2010 - 1 BvR 2082/10).
Das LSG durfte auch in Abwesenheit des Klägers eine mündliche Verhandlung durchführen und sodann durch Urteil entscheiden, ohne seinen Anspruch auf rechtliches Gehör (vgl Art 103 Grundgesetz ≪GG≫; § 62 SGG) zu verletzen. Denn der Kläger war zu diesem Termin ordnungsgemäß durch Übersendung der Terminmitteilung geladen worden. Ohnehin stellt sich die Entscheidung des LSG in der Sache als zutreffend dar, sodass auch nicht ersichtlich ist, welcher Vortrag in der Sache dem Kläger zum Erfolg hätte verhelfen können.
Der Rechtssache kommt nach Aktenlage auch keine grundsätzliche Bedeutung zu (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG). Zwar können grundsätzlich auch Fragen des Verfahrensrechts, etwa solche zur Zulässigkeit der Berufung, die Revisionszulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache rechtfertigen. Dass sich eine solche klärungsbedürftige verallgemeinerungsfähige Rechtsfrage stellt, ist hier aber nicht erkennbar. Ob sich im Zusammenhang mit Familienheimfahrten klärungsbedürftige Rechtsfragen in Bezug auf das Führen eines Haushalts und auf die Höhe der Regelleistung stellen, kann hingegen offenbleiben. Denn Fragen materiellen Rechts stellen sich angesichts der Unzulässigkeit der Berufung nicht und scheiterten jedenfalls an der Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) etwaiger Rechtsfragen. Nichts anderes gilt für eine Divergenzrüge (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG).
Da dem Kläger keine PKH zusteht, kommt auch die Beiordnung eines Rechtsanwalts gemäß § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 121 ZPO nicht in Betracht.
Fundstellen
Dokument-Index HI12335633 |