Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Zulässigkeit der Revision. Revisionsbegründung. Schlüssige Darlegung eines Verstoßes gegen die Grundsätze freier Beweiswürdigung. Verstoß gegen Denkgesetze. Verstoß gegen allgemeine Erfahrungssätze. Eigene Beweiswürdigung
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Revisionsbegründung muss nicht nur die eigene Meinung des Revisionsklägers wiedergeben, sondern sich auch mit den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils auseinander setzen und erkennen lassen, dass und warum die als verletzt gerügte Vorschrift des materiellen Rechts nicht oder nicht richtig angewandt worden ist (st.Rspr.; vgl. z.B. BSG SozR 1500 § 164 Nr. 12).
2. Aus dem Inhalt der Darlegung muss sich ergeben, dass der Revisionskläger sich mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung rechtlich auseinander gesetzt hat, und inwieweit er bei der Auslegung der angewandten Rechtsvorschriften anderer Auffassung ist. Hierzu reicht es nicht aus, lediglich Rechtsansichten der Vorinstanz als unrichtig zu bezeichnen; vielmehr ist hinzuzufügen, warum sie nicht geteilt werden. Das gilt jedenfalls dann, wenn die Vorinstanz ihre Rechtsauffassung näher begründet hat. In diesem Fall ist ein Eingehen auf den Gedankengang des Berufungsgerichts unumgänglich (BSG SozR 1500 § 164 Nr. 20; BSG Beschluss v. 04.02.1997, 2 RU 43/96).
3. Das Revisionsgericht kann bei geltend gemachten Verstößen gegen die Grenzen der freien richterlichen Beweiswürdigung nur prüfen, ob das Tatsachengericht bei der Beweiswürdigung gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstoßen hat und ob es das Gesamtergebnis des Verfahrens berücksichtigt hat (st.Rspr.; vgl. BSG SozR 1500 § 164 Nr. 31; BSG SozR 3-2200 § 539 Nr. 19). Von einem Verstoß gegen Denkgesetze kann dabei nur gesprochen werden, wenn aus den gesamten Gegebenheiten nur eine Folgerung gezogen werden kann, jede andere nicht “denkbar” ist und das Gericht die allein denkbare nicht gezogen hat (BSG SozR 3-2200 § 539 Nr. 19 m.w.N.). Ein allgemeiner Erfahrungssatz ist verletzt, wenn das Gericht einen bestehenden Erfahrungssatz nicht berücksichtigt (BSG SozR 1500 § 128 Nr. 4) oder einen tatsächlich nicht existierenden Erfahrungssatz angewendet hat (BSGE 36, 35, 36; BSG SozR 1500 § 103 Nr. 25).
4. Begnügt sich ein Kläger damit, anhand des Tatbestands des angefochtenen Urteils und verschiedener Unterlagen (Sitzungsniederschriften, Anstellungsvertrag, Terminbericht des Sitzungsvertreters der Beklagten) die seiner Ansicht nach vorliegenden Beweismittel zu würdigen und das so gefundene Ergebnis dem vom LSG für richtig gehaltenen Ergebnis der Beweisaufnahme als zutreffend gegenüberzustellen, handelt es sich lediglich um eine in der eigenen Beweiswürdigung erschöpfende Vorgehensweise, die eine schlüssige Darlegung eines Verstoßes gegen die Grenzen freier richterlicher Beweiswürdigung nicht darstellt.
Normenkette
SGG § 164 Abs. 2 Sätze 1, 3, § 128 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 03.08.2001) |
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 3. August 2001 wird als unzulässig verworfen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Unfall der Klägerin vom 2. Oktober 1994 als Arbeitsunfall zu entschädigen ist.
Die im Jahre 1961 geborene Klägerin, die den Beruf einer Industriekauffrau erlernt und später eine Ausbildung zur Krankengymnastin absolviert hat, meldete sich im März 1994 auf ein Zeitungsinserat, in dem eine „Assistentin für Gymnastik, Sport und Freizeit” gesucht wurde. Dies führte zum Abschluss eines Anstellungsvertrages zwischen ihr und der A. … Aktiengesellschaft (AG), durch den sie zum 1. Juli 1994 als Dolmetscherin und Übersetzerin eingestellt wurde. Zu ihren Pflichten heißt es darin ua: „Aufgabengebiet und Obliegenheiten des Arbeitnehmers werden durch persönliche Einweisung oder schriftliche Weisungen geregelt”.
Vom 30. September 1994 an begleitete die Klägerin den Vorstand der AG, F. … S. … (S), auf eine Reise nach Wien. Am Sonntag, dem 2. Oktober 1994, bestiegen beide gegen 16.00 Uhr im Wiener Prater die Gondel eines Fahrgeschäfts „Para-Tower”). Bei dieser Fahrt stürzte die Gondel ab, wobei die Klägerin schwere Verletzungen erlitt.
Die AG gab gegenüber der Beklagten an, die Tätigkeit der Klägerin bringe es mit sich, dass sie S auch bei geschäftlichen Auslandsreisen unterstütze. Am Unfalltag habe S in Wien eine geschäftliche Besprechung mit einem amerikanischen Geschäftsfreund gehabt. Die Klägerin habe dabei die Dolmetscherfunktion übernommen. Zur Überbrückung der Zeit zwischen zwei Besprechungen und zu seiner körperlichen Fitness habe S die Klägerin gebeten, ihn in den Wiener Prater zu begleiten. Während des Spaziergangs dorthin hätten beide die weitere Vorgehensweise für die geplante Geschäftsbesprechung am Nachmittag besprochen. S habe dann die Klägerin zu einer Gondelfahrt eingeladen. Dieser Einladung habe sich die Klägerin nicht entziehen können. Die Beklagte lehnte die Gewährung von Entschädigungsleistungen mit der Begründung ab, bei der Gondelfahrt habe es sich um eine unversicherte eigenwirtschaftliche Tätigkeit gehandelt, auch wenn S die Fahrt bezahlt habe (Bescheid vom 21. Juni 1995, Widerspruchsbescheid vom 17. August 1995).
Das Sozialgericht Karlsruhe (SG) verurteilte die Beklagte, der Klägerin aus Anlass des Arbeitsunfalls vom 2. Oktober 1994 Leistungen der Unfallversicherung in gesetzlichem Umfang zu gewähren (Urteil vom 2. August 1996). Auf die Berufung der Beklagten hob das Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) das erstinstanzliche Urteil auf und wies die Klage ab (Urteil vom 11. Dezember 1996). Die Fahrt der Klägerin mit der Gondel sei nicht mehr wesentlich von betrieblichen Belangen geprägt gewesen, sondern habe der privaten Sphäre der Klägerin gedient.
Im Dezember 1998 stellte die Klägerin erneut den Antrag, den Unfall vom 2. Oktober 1994 als Arbeitsunfall zu entschädigen. Sie machte nunmehr geltend, der bei ihrem Vorstellungsgespräch im Jahre 1994 allein anwesende (damals) 79 Jahre alte S sei ihr wie ein Vater erschienen. Sie habe deshalb keine Bedenken gehabt, den von der Stellenanzeige abweichenden Anstellungsvertrag zu unterschreiben. Von Anfang an habe sie dementsprechend vollen Einsatz als Assistentin für Gymnastik, Sport und Freizeit für S erbracht; Freizeit von S sei Dienstzeit für sie als dessen ständige Begleiterin gewesen. Auch der Aufenthalt in Wien sei für S nichts als Freizeit, für sie dagegen – einschließlich der Gondelfahrt – Dienst gewesen; ein Treffen mit einem Geschäftspartner habe es nicht gegeben. Erst durch eine Psychotherapie sei sie in die Lage versetzt worden, die Dinge beim Namen zu nennen. Die Beklagte lehnte den Zugunstenantrag nach § 44 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) ab (Bescheid vom 28. Januar 1999, Widerspruchsbescheid vom 19. April 1999).
Klage und Berufung der Klägerin waren erfolglos (Urteil des SG vom 12. November 1999 und des LSG vom 3. August 2001). Das Berufungsurteil ist im Wesentlichen auf folgende Erwägungen gestützt: Die Voraussetzungen des § 44 SGB X für eine Aufhebung des Bescheides vom 21. Juni 1995 lägen auch im Hinblick auf den neuen Sachvortrag nicht vor. Das Verhalten der Klägerin, bei dem sich der Unfall ereignet habe, sei auch unter der Annahme, dass sie während ihres Aufenthaltes in Wien für eine Tätigkeit als persönliche Assistentin des S für Sport, Gymnastik und Freizeit unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung gestanden habe, nicht zur versicherten Tätigkeit zu rechnen. Der Versicherungsschutz entfalle, wenn sich der Versicherte rein persönlichen, von der Betriebstätigkeit nicht mehr beeinflussten Belangen widme. Bei der Gondelfahrt habe es sich um einen rein touristischen Programmpunkt gehandelt, der dem unversicherten privaten Bereich der Klägerin zuzurechnen sei. Diese Bewertung hänge nicht davon ab, ob die Klägerin als Dolmetscherin oder als Assistentin des S auf einer Geschäftsreise in Wien gewesen sei. Beim Besuch einer Touristenattraktion in einem Vergnügungspark bestehe in der Regel kein Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung, weil die Benutzung einer solchen Einrichtung für Personen, die nicht mit der Montage, Inspektion (einschließlich einer Reparatur) oder dem Betrieb einer solchen Einrichtung betraut seien, eine rein persönliche Angelegenheit darstelle. Auch im vorliegenden Fall fehle der innere Zusammenhang mit dem arbeitsvertraglich übernommenen Aufgabenbereich. Für eine Dolmetscherin und Übersetzerin verstehe sich dies von selbst. Aber auch als Assistentin für Gymnastik, Sport und Freizeit, die ihren Angaben zufolge in erster Linie für die Erhaltung der körperlichen Fitness des betagten S zu sorgen, ihn aber auch bei seinen Freizeitaktivitäten zu begleiten gehabt habe, bestehe jedenfalls dann kein Versicherungsschutz, wenn – wie hier – in einem Freizeitpark gemeinsam als touristische Attraktivität ein Fahrgeschäft besucht werde, dessen besonderer Reiz sich durch die Simulation des freien Falls in einem nur wenige Sekunden dauernden Nervenkitzel bei den Fahrgästen erschöpfe. Die Teilnahme an einer derartigen Fahrt sei auch bei der Klägerin der unversicherten Privatsphäre zuzurechnen, denn keine ihrer dem S arbeitsvertraglich geschuldeten Verpflichtungen hätten ein solches Tun erfordert. Bei der Gondelfahrt sei es unmöglich gewesen, eine irgendwie geartete Betreuungsleistung zu erbringen, nachdem, wie die Klägerin selbst vortrage, dafür lediglich ein Zeitraum von maximal 10 Sekunden zur Verfügung gestanden habe.
Schließlich könne auch der Aspekt der Begleitung des S bei seinen Freizeitaktivitäten zu keiner anderen Beurteilung führen. Die Klägerin habe diese dem S geschuldete Verpflichtung durch ihre Anwesenheit bei dessen Besuch des Wiener Praters erfüllt. Eine objektive und sachgerechte Bewertung des Beschäftigungsverhältnisses der Klägerin lasse nicht den Schluss zu, dass sie verpflichtet gewesen wäre, dem S auch dann nicht von der Seite zu weichen, wenn dieser beim gemeinsamen Besuch eines Vergnügungsparks eine Attraktion aufsuchen wolle, die allein schon wegen der insgesamt nur wenige Minuten dauernden Darbietung von vornherein kein Mitmachen der Klägerin im Sinne einer weiteren Begleitungsleistung erfordere.
Der von der Klägerin angestrebte Versicherungsschutz könne auch nicht damit begründet werden, dass sie als Untergebene nach den bestehenden Gepflogenheiten hätte glauben dürfen, sich der Bitte des S nicht entziehen zu können, um nachteilige Folgen für ihre beruflichen und persönlichen Belange zu vermeiden. Dabei sei zu berücksichtigen, dass – auch nach dem Vortrag der Klägerin – eine ausdrückliche Weisung des S, die Fahrt mitzumachen, nicht ergangen sei. Der Senat könne nicht erkennen, dass insbesondere im Hinblick auf den ganz im Vordergrund stehenden touristischen Aspekt, in Verbindung mit dem eher extremen und Überwindung erfordernden Charakter der angebotenen Attraktion, die Klägerin zu Recht eine Gepflogenheit dahingehend unterstellen habe können, einer Einladung der in Frage stehenden Art nicht folgen zu dürfen. Es sei ihr vielmehr zumutbar gewesen, das Angebot auszuschlagen.
Im Übrigen dürfe es sich bei der von der Klägerin geschilderten Abhängigkeit zu S mehr um ein – insoweit rechtlich irrelevantes – seelisches Problem der Klägerin gehandelt haben. Dies zeige ihr Vortrag, S sei ihr wie ein Vater erschienen, sie sei wie „mit unsichtbarer Handschelle” an S gekettet oder „die Magd des Herrn” gewesen und habe in Hotels mit S in einem Zimmer schlafen müssen, obwohl sie selbst dies gar nicht gewollt habe. Weitere Ermittlungen von Amts wegen seien nicht erforderlich, obwohl die Klägerin im Zugunstenverfahren einen völlig anderen Sachverhalt geschildert habe als noch im ersten Feststellungsverfahren. Für die Beurteilung der Rechtslage habe der Senat den Vortrag der Klägerin über die tatsächliche Ausgestaltung ihres Arbeitsverhältnisses und ihre Schilderung des Unfallherganges als wahr unterstellt.
Mit der – vom LSG zugelassenen – Revision trägt die Klägerin vor: Das LSG habe § 539 der Reichsversicherungsordnung (RVO) nicht richtig angewandt, insbesondere die Tragweite des Tatbestandsmerkmals Arbeitsunfall verkannt und durch fehlerhafte Beweiswürdigung den Zusammenhang zwischen der dienstlichen Tätigkeit und der Gondelfahrt zerrissen. Die Bewertung ihrer Gondelfahrt als privates Vergnügen sei „angesichts ihrer Folgen, vornehmlich aber angesichts der feststehenden Anknüpfungstatsachen, von rechtswegen nicht hinnehmbar”, weil sie die Grenzen der richterlichen Beweiswürdigung überschreite. Die Klägerin sei dem S trotz ihrer Angst in die verhängnisvolle Gondel gefolgt, um ihr Arbeitsverhältnis über die Probezeit hinaus zu retten. „Wie ein rocher de bronce” stehe das Faktum, dass es sie – wie sie bei ihrer Anhörung vor dem SG angegeben habe – Überwindung gekostet habe, in die Gondel einzusteigen. „Ein und derselbe Akt” könne aber „bei ein und derselben Person nicht zugleich Attraktion (im Sinne von Begehren) und Widerwillen auslösen”, „des Menschen Seele” könne „zugleich nicht heiß und kalt sein”. Diese „Erfahrungstatsache und ihr Widerwillen” schlössen die Annahme aus, sie habe sich einer rein touristischen Attraktion hingegeben. Das LSG habe „die Rechnung sozusagen ohne den Wirt gemacht: S. (sei) ein harter Knochen, der seine Untergebenen degenmäßig zu machen” wisse. Diese Einschätzung des S knüpfe an dessen Zeugenaussage vor dem SG vom 24. Januar 1996 an; auch auf den Terminsvertreter der Beklagten habe S Eindruck gemacht. Schließlich würdige das Urteil den arbeitsrechtlichen Status der Klägerin nicht. Zwischen den Zeilen des Tatbestandes sei bereits zu lesen, dass sie von September 1993 bis zu ihrer Arbeitsaufnahme bei der AG am 1. Juli 1994 arbeitslos gewesen sei; die im Anstellungsvertrag vereinbarte Probezeit sei am Unfalltag noch nicht abgelaufen gewesen. Bei einer Zusammenschau dieser Fakten komme „der Abwägungsprozess im Innern der Klägerin zum Vorschein, welchen sie vor dem Besteigen der Gondel angestellt hat
- Fahr' ich net mit, flieg' ich 'raus (aus der A. … AG).
- Fahr' ich mit, so bleib' ich d'rin.
- Auf der Straß' will ich net stehn.
- Also: ich fahr' mit.”
Eine Abwägung dieser Art habe das LSG nicht angestellt. Für seine Annahme, es bestehe kein Unfallversicherungsschutz bei dem gemeinsamen Besuch eines Fahrgeschäfts als touristischer Attraktion, dessen besonderer Reiz sich in der durch die Simulation des freien Falls bedingten nur wenige Sekunden dauernden Nervenkitzels bei den Fahrgästen erschöpfe, sei „rechtlich kein Raum”. Es bleibe dabei, dass ein Arbeitnehmer auch dann Unfallversicherungsschutz genieße, wenn er für den Arbeitgeber auf dessen Veranlassung hin private Tätigkeiten verrichte, die er ohne diese Veranlassung nicht verrichtet hätte. Die haftungsbegründende Kausalität sei hier gegeben, da der präsente Arbeitgeber ihr nachdrücklich eine ihr widerstrebende, Angst auslösende Tätigkeit unter Sanktionsandrohung angesonnen habe, sie demgegenüber wehrlos gewesen sei und sich zur Vermeidung einer Kündigung in den Willen ihres Arbeitgebers ergeben habe und „wie ein Lamm, das zur Schlachtbank geführt wird”, in die Gondel gestiegen sei; der unvorhergesehene Absturz der Gondel habe sie „vollends zum Lamm” gemacht. Wenn damit ernst sein solle, dass die gesetzliche Unfallversicherung die Unternehmerhaftung ablöse, müsse die Beklagte für die Verletzung der Fürsorgepflicht des S ihr gegenüber einstehen. Da die gesetzliche Unfallversicherung eine Risikoversicherung sei, müsse sie dem Arbeitnehmer Versicherungsschutz gewähren, wenn sich an ihm ein Risiko realisiert habe, dessen Übernahme ihm der Arbeitgeber angesonnen habe.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 12. November 1999 und das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 3. August 2001 sowie den Bescheid vom 28. Januar 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. April 1999 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Unfall der Klägerin vom 2. Oktober 1994 als Arbeitsunfall anzuerkennen und zu entschädigen,
hilfsweise,
den Beigeladenen zu 1.) zu verurteilen, den Unfall der Klägerin vom 2. Oktober 1994 als Arbeitsunfall anzuerkennen und zu entschädigen,
des Weiteren hilfsweise,
die Beigeladene zu 2.) zu verurteilen, den Unfall der Klägerin vom 2. Oktober 1994 als Arbeitsunfall anzuerkennen und zu entschädigen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der Klägerin ist unzulässig. Sie hat ihr Rechtsmittel nicht ausreichend begründet.
Gemäß § 164 Abs 2 Satz 1 und 3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ist die Revision zu begründen. Die Pflicht zur schriftlichen Begründung des Rechtsmittels soll eine umfassende Vorbereitung des Revisionsverfahrens gewährleisten. Daher muss nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG; s ua BSGE 70, 186, 187f = SozR 3-1200 § 53 Nr 4; BSG SozR 1500 § 164 Nr 12, 20, 25; SozR 3-1500 § 164 Nr 9; SozR 3-5555 § 15 Nr 1; SozR 3-2500 § 106 Nr 12, jeweils mwN; Bundesverfassungsgericht SozR 1500 § 164 Nr 17) die Revision sorgfältig und nach Umfang und Zweck zweifelsfrei begründet sein. Es ist darzulegen, dass und weshalb die Rechtsansicht des Berufungsgerichts nicht geteilt wird; dies kann nur mit rechtlichen Erwägungen geschehen. Die Revisionsbegründung muss nicht nur die eigene Meinung des Revisionsklägers wiedergeben, sondern sich auch mit den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils auseinander setzen und erkennen lassen, dass und warum die als verletzt gerügte Vorschrift des materiellen Rechts nicht oder nicht richtig angewandt worden ist (vgl schon BSG SozR 1500 § 164 Nr 12). Aus dem Inhalt der Darlegung muss sich ergeben, dass der Revisionskläger sich mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung rechtlich auseinander gesetzt hat, und inwieweit er bei der Auslegung der angewandten Rechtsvorschriften anderer Auffassung ist. Hierzu reicht es nicht aus, lediglich Rechtsansichten der Vorinstanz als unrichtig zu bezeichnen; vielmehr ist hinzuzufügen, warum sie nicht geteilt werden. Das gilt jedenfalls dann, wenn die Vorinstanz ihre Rechtsauffassung näher begründet hat; in diesem Fall ist ein Eingehen auf den Gedankengang des Berufungsgerichts unumgänglich (BSG SozR 1500 § 164 Nr 20; BSG Beschluss vom 4. Februar 1997 – 2 RU 43/96 –).
Diesen Anforderungen wird die von der Klägerin mit Schriftsatz vom 14. November 2001 eingereichte Revisionsbegründung nicht gerecht. Ihr lässt sich zunächst nur entnehmen, dass das LSG nach Ansicht der Klägerin zu Unrecht ihre Gondelfahrt als „privates Vergnügen” bewertet habe. Sie rügt die Überschreitung der Grenzen der freien richterlichen Beweiswürdigung.
Diese vom Tatsachengericht gemäß § 128 Abs 1 Satz 1 SGG nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens unter Einschluss der Beweisaufnahme nach der Überzeugungskraft der jeweiligen Beweismittel frei vorzunehmende Würdigung (vgl Meyer-Ladewig, SGG, 7. Aufl, § 128 RdNr 4 mwN) darf das Revisionsgericht nur darauf prüfen, ob das Tatsachengericht die Grenzen der freien Beweiswürdigung nicht überschritten hat (BSG Urteil vom 31. Mai 1996 – 2 RU 24/95 – HVBG-Info 1996, 2071; BSG SozR 3-2200 § 539 Nr 19 mwN). Daher kann das Revisionsgericht bei geltend gemachten Verstößen gegen sie nur prüfen, ob das Tatsachengericht bei der Beweiswürdigung gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstoßen hat und ob es das Gesamtergebnis des Verfahrens berücksichtigt hat (BSG Urteil vom 6. April 1989 – 2 RU 69/87 – HV-Info 1989, 1368; BSG SozR 1500 § 164 Nr 31; BSG SozR 3-2200 § 539 Nr 19; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 2. Aufl, III, RdNr 162 f sowie IX, RdNr 286). Von einem Verstoß gegen Denkgesetze kann dabei nur gesprochen werden, wenn aus den gesamten Gegebenheiten nur eine Folgerung gezogen werden kann, jede andere nicht „denkbar” ist und das Gericht die allein denkbare nicht gezogen hat (BSG SozR 3-2200 § 539 Nr 19 mwN). Ein allgemeiner Erfahrungssatz ist verletzt, wenn das Gericht einen bestehenden Erfahrungssatz nicht berücksichtigt (BSG SozR 1500 § 128 Nr 4; BSG SozR 1500 § 103 Nr 25) oder einen tatsächlich nicht existierenden Erfahrungssatz angewendet hat (vgl BSGE 36, 35, 36 = SozR Nr 40 zu § 548 RVO; BSG SozR Nr 72 und 89 zu § 128 SGG; BSG SozR 1500 § 103 Nr 25).
An einer entsprechenden schlüssigen Darlegung mangelt es. Im Wesentlichen begnügt sich die Klägerin damit, anhand des Tatbestandes des angefochtenen Urteils und verschiedener Unterlagen (Sitzungsniederschriften, Anstellungsvertrag, Terminsbericht des Sitzungsvertreters der Beklagten) die ihrer Ansicht nach vorliegenden Beweismittel zu würdigen und das so gefundene Ergebnis dem vom LSG für richtig gehaltenen Ergebnis der Beweisaufnahme als zutreffend gegenüberzustellen. Dies betrifft vor allem ihre Ausführungen für ihre Auffassung, bei der Gondelfahrt habe es sich nicht um eine touristische Attraktion gehandelt, die ihrer Ansicht nach anzustellende Würdigung ihres Abwägungsprozesses und die – teilweise unter Zugrundelegung von den tatsächlichen Feststellungen des LSG abweichender oder dort nicht festgestellter Tatsachen. Diese sich in der eigenen Beweiswürdigung erschöpfende Vorgehensweise ist indes unzulässig. Ein Ansatz für eine zulässige Verfahrensrüge gemäß § 128 Abs 1 Satz 1 SGG ist lediglich in ihrem Vortrag zu erkennen, es sei eine „Erfahrungstatsache”, dass ein und derselbe Akt bei ein und derselben Person nicht zugleich Attraktion und Widerwillen auslösen, die menschliche Seele nicht zugleich heiß und kalt sein könne. Damit könnte sie zum Ausdruck bringen wollen, dass das LSG mit seiner Beweiswürdigung einen entsprechenden allgemeinen Erfahrungssatz verletzt hat. Allerdings fehlt hierfür ein schlüssiger Vortrag. Generell handelt es sich bei allgemeinen Erfahrungssätzen um Schlüsse, die aufgrund von Erfahrung aus einer Reihe gleichartiger Tatsachen gezogen werden und die daher entweder der allgemeinen Lebenserfahrung oder der besonderen Fachkunde angehören (vgl Baumbach/ Hartmann, Zivilprozessordnung, 60. Aufl, Einf § 284 RdNr 22 mwN). Ein Anhaltspunkt für die Existenz des von der Klägerin angenommenen Erfahrungssatzes ist indes nicht ersichtlich. Aus der allgemeinen Lebenserfahrung ergibt sich eher das Gegenteil. Auf den Nervenkitzel des Publikums zielende, ein erhebliches Risiko simulierende Fahrgeschäfte auf Rummelplätzen – wie etwa Achterbahn, Geisterbahn, Flugsimulatoren – dürften auf die Mehrzahl der potenziellen Fahrgäste gerade dadurch anziehend wirken, dass sie zugleich ein „mulmiges” Gefühl, wie es auch die Klägerin nach ihren eigenen Angaben beschlich, und den Wunsch, dieses riskante Erlebnis kennen zu lernen und zu bestehen, wecken „Abenteuerlust”). Was in diesem Zusammenhang die von der Klägerin angeführte Metapher der Seele, die nicht zugleich heiß und kalt sein könne, zu bedeuten haben soll, ist nicht zu erkennen.
Als möglicher Ausgangspunkt materiellrechtlicher Ausführungen in der Revisionsbegründung der Klägerin findet sich allein der Hinweis auf die gesetzliche Unfallversicherung als Risikoversicherung, welche die Unternehmerhaftung ablöse und daher einen Anspruch des Arbeitnehmers auf Leistungen bei einer Fürsorgepflichtversicherung durch den Arbeitgeber begründen müsse. Diese allgemein gehaltene Andeutung reicht indes für eine rechtliche Auseinandersetzung mit der Entscheidung des LSG nicht aus. Sie lässt nicht einmal ansatzweise erkennen, aus welchen Vorschriften des geltenden Rechts die Klägerin diese Rechtssätze entnehmen will.
Der Vortrag der Klägerin bleibt nach alledem deutlich hinter den Mindestanforderungen an eine Revisionsbegründung zurück. Ihre nicht hinreichend begründete Revision musste daher als unzulässig ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter verworfen werden (§ 169 Satz 2 und 3 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen