Verfahrensgang

SG Dresden (Entscheidung vom 22.07.2019; Aktenzeichen S 33 R 523/19)

Sächsisches LSG (Urteil vom 20.01.2020; Aktenzeichen L 6 R 528/19)

 

Tenor

Der Antrag der Klägerin, ihr für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 20. Januar 2020 Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines vom Gericht auszuwählenden Prozessbevollmächtigten zu gewähren, wird abgelehnt.

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

 

Gründe

I

Das Sächsische LSG hat mit Urteil vom 20.1.2020 die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des SG Dresden vom 22.7.2019 als unzulässig verworfen.

Vor dem SG Dresden hatte die Klägerin mit der Untätigkeitsklage eine Entscheidung über ihren Widerspruch gegen den Bescheid der Beklagten vom 17.9.2018 begehrt. Darin hatte die Beklagte die im Versicherungsverlauf der Klägerin enthaltenen Daten bis zum 31.12.2011 festgestellt. Während des Vorverfahrens hat die Beklagte mit Bescheid vom 15.4.2019 weitere Daten bis zum 31.12.2012 festgestellt. Nach Erhebung der Untätigkeitsklage hat die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 6.6.2019 zurückgewiesen und die Erstattung der der Klägerin entstandenen Kosten des Widerspruchsverfahrens abgelehnt. Gegen die Zurückweisung ihres Widerspruchs hat die Klägerin gesondert Klage erhoben, die beim SG Dresden unter dem Aktenzeichen S 33 R 758/19 geführt wird. Gegenüber dem SG Dresden hat die Beklagte erklärt, die im Untätigkeitsklageverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten der Klägerin dem Grunde nach in voller Höhe zu übernehmen. Dieses Kostenanerkenntnis hat die Klägerin angenommen, es jedoch abgelehnt, den Rechtsstreit für erledigt zu erklären. Mit Gerichtsbescheid vom 22.7.2019 hat das SG Dresden die Klage abgewiesen, weil diese mit Erlass des Widerspruchsbescheids unzulässig geworden sei. Zugleich hat es die Beklagte aufgrund ihres Anerkenntnisses verurteilt, die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu tragen.

Gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG hat die Klägerin Beschwerde beim BSG eingelegt und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung eines vom Gericht auszuwählenden Prozessbevollmächtigten beantragt.

II

1. Der Antrag der Klägerin auf Gewährung von PKH zur Durchführung des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil des Sächsischen LSG vom 20.1.2020 ist abzulehnen.

Nach § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm §§ 114, 121 ZPO kann einem bedürftigen Beteiligten für das Beschwerdeverfahren vor dem BSG ua nur dann PKH bewilligt und ein Rechtsanwalt beigeordnet werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor, weil die von der Klägerin eingelegte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG nicht erfolgreich sein kann. Die Revision darf gemäß § 160 Abs 2 SGG nur zugelassen werden, wenn einer der dort abschließend genannten Revisionszulassungsgründe vorliegt. Nach Durchsicht der Akten und unter Berücksichtigung des ausführlichen Vorbringens der Klägerin ist das hier nicht der Fall.

a) Es ist nicht ersichtlich, dass ein zur Vertretung vor dem BSG zugelassener Prozessbevollmächtigter (§ 73 Abs 2 und 4 SGG) erfolgreich geltend machen könnte, dass der Rechtssache eine grundsätzliche Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) zukommt. Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist.

Anhaltspunkte für eine derartige Rechtsfrage sind im Fall der Klägerin nicht vorhanden. Insbesondere ist durch die Rechtsprechung des BSG geklärt, welche Folgen der Erlass eines ungünstigen Widerspruchsbescheids während eines Untätigkeitsklageverfahrens nach § 88 Abs 2 SGG hat. So kann ein Kläger nach Erlass eines ungünstigen Widerspruchsbescheids seine Klage ändern und sie als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage fortführen, wobei der Widerspruchsbescheid in den Klageantrag einzubeziehen ist. Wird jedoch - wie hier - gesondert Klage gegen einen Widerspruchsbescheid beim SG erhoben, kann die Untätigkeitsklage wegen der anderweitigen Rechtshängigkeit nicht als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage mit identischem Streitgegenstand fortgeführt werden. Insoweit besteht ein Prozesshindernis (BSG Beschluss vom 4.11.2009 - B 8 SO 38/09 B - juris RdNr 6 mwN). Ebenso ist geklärt, dass der beklagte Sozialversicherungsträger die Kosten des Untätigkeitsklageverfahrens in der Regel zu erstatten hat, wenn die Klage nach Ablauf der Sperrfrist erhoben und der Bescheid bzw Widerspruchsbescheid ohne zureichenden Grund erst später erlassen wird (vgl B. Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 193 RdNr 13c). Über die Kosten des Widerspruchsverfahrens ist jedoch entgegen der Ansicht der Klägerin in dem gegen den ungünstigen Widerspruchsbescheid anhängig gemachten weiteren - hier in dem beim SG Dresden unter dem Aktenzeichen S 33 R 758/19 geführten - Klageverfahren zu entscheiden. Geklärt sind zudem die Voraussetzungen, unter denen ein während des Berufungsverfahrens ergehender weiterer Verwaltungsakt, wie der von der Klägerin angeführte Verwaltungsakt vom 28.11.2019, nach § 96 Abs 1, § 153 Abs 1 SGG Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens wird (vgl zB BSG Urteil vom 25.2.2010 - B 13 R 61/09 R - SozR 4-5050 § 22 Nr 10 RdNr 15 mwN). Danach käme allenfalls eine Einbeziehung in das Verfahren S 33 R 758/19, nicht aber in das vorliegende Verfahren in Betracht.

b) Des Weiteren ist nicht erkennbar, dass der Zulassungsgrund der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) vorliegt. Denn die angefochtene Entscheidung des LSG ist nicht von höchstrichterlicher Rechtsprechung abgewichen. Soweit sich die Klägerin auf eine Abweichung des angegriffenen Urteils von einer nicht näher benannten Rechtsprechung des LSG Nordrhein-Westfalen beruft, wäre eine solche Abweichung von vornherein nicht geeignet, die Zulassung der Revision wegen Divergenz zu ermöglichen. Denn eine Divergenz iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG liegt nur bei einer Abweichung von einem Rechtssatz aus einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des BVerfG vor. Nicht ausreichend ist es zudem, wenn allenfalls die fehlerhafte Anwendung eines als solchen nicht in Frage gestellten höchstrichterlichen Rechtssatzes durch das Berufungsgericht geltend gemacht werden kann (bloße Subsumtionsrüge), denn nicht die Unrichtigkeit einer Entscheidung im Einzelfall, sondern nur eine Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen ermöglicht die Zulassung der Revision wegen Divergenz (vgl BSG Beschluss vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 72 f; BSG Beschluss vom 24.4.2015 - B 13 R 37/15 B - juris RdNr 6).

c) Schließlich lässt sich auch kein Verfahrensmangel feststellen, der gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG zur Zulassung der Revision führen bzw die Bewilligung von PKH rechtfertigen könnte.

Insbesondere sind im Zusammenhang mit der Ablehnung der Bestellung eines besonderen Vertreters (§ 72 SGG) durch das LSG keine rügefähigen Verfahrensmängel erkennbar. Ebenso wenig bestehen Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin nicht ordnungsgemäß zur mündlichen Verhandlung des LSG am 20.1.2020 geladen worden wäre oder dass für das LSG ein zwingender Anlass bestanden hätte, das persönliche Erscheinen der Klägerin anzuordnen. Auch ein Verfahrensmangel wegen Nichteinbeziehung des Verwaltungsakts vom 28.11.2019 in das Berufungsverfahren kommt - wie bereits ausgeführt - nicht in Betracht.

Schließlich scheidet die Bewilligung auch im Hinblick darauf aus, dass das LSG bei Erlass des angefochtenen Urteils das wahre Begehren der Klägerin - insbesondere Erstattung der Kosten des Vorverfahrens - verkannt und gleichzeitig zu Unrecht durch Prozessurteil anstelle eines Sachurteils entschieden haben könnte. Denn auch ein nach Zulassung der Revision und Zurückverweisung des Rechtsstreits an das LSG wiedereröffnetes Berufungsverfahren könnte zu keinem für die Klägerin günstigeren Ergebnis führen.

d) Dass das LSG nicht der Rechtsansicht der Klägerin gefolgt ist und sie das Berufungsurteil wie auch den Gerichtsbescheid des SG inhaltlich für unzutreffend hält, eröffnet die Revisionsinstanz nicht.

e) Mit der Ablehnung des Antrags auf Bewilligung von PKH entfällt zugleich die Möglichkeit der Beiordnung eines Rechtsanwalts im Rahmen der PKH (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 121 Abs 1 ZPO).

2. Die unabhängig vom Antrag auf Bewilligung von PKH eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde ist in entsprechender Anwendung von § 169 Satz 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter als unzulässig zu verwerfen. Sie ist bereits deswegen unzulässig, weil sie formunwirksam ist. Schon die Beschwerdeschrift muss von einem vor dem BSG zugelassenen Prozessbevollmächtigten (§ 73 Abs 2 iVm Abs 4 Satz 1 SGG) eingereicht werden. Hierauf ist die Klägerin in der Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Urteils ausdrücklich hingewiesen worden.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 Abs 1 und 4 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI14375241

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