Entscheidungsstichwort (Thema)
Klärungsbedürftige Rechtsfrage
Orientierungssatz
Zur Klärungsbedürftigkeit der Rechtsfrage, wie in das Gerichtsverfahren eingebrachte Privatgutachten bei der Überzeugungsbildung des Gerichts zu berücksichtigen sind.
Normenkette
SGG § 160 Abs 2 Nr 1, § 160a Abs 2 S 3, § 128 Abs 1 S 1
Verfahrensgang
Bayerisches LSG (Entscheidung vom 28.02.1989; Aktenzeichen L 3 U 67/87) |
Gründe
Der Kläger ist mit seinem auf die Weitergewährung von Verletztenrente gerichteten Begehren ohne Erfolg geblieben (Rentenentziehungsbescheid der Beklagten vom 24. August 1984; Urteile des Sozialgerichts -SG- vom 18. Dezember 1986 und des Landessozialgerichts -LSG- vom 28. Februar 1989). Das LSG ist zu der Überzeugung gelangt, in den unfallabhängigen Gesundheitsstörungen sei eine wesentliche Besserung eingetreten, die eine Herabsetzung des Erwerbsminderungsgrades von 20 auf 10 vH und damit den Rentenentzug ab 1. Oktober 1984 rechtfertige. Dabei ist es dem Gutachten des Dr. R. , das dieser im Verwaltungsverfahren erstattet hat, den Ausführungen des im SG-Verfahren gehörten Dr. W. sowie dem Gutachten des Dr. E. gefolgt, das die Beklagte im Berufungsverfahren vorgelegt hat; die gegenteiligen Ausführungen des vom SG im Rahmen des § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) gehörten Sachverständigen Prof. Dr. L. hat das LSG demgegenüber für nicht überzeugend gehalten.
Mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde macht der Kläger geltend, die Sache habe grundsätzliche Bedeutung; auch liege ein Verfahrensmangel vor, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne. Grundsätzlich bedeutsam sei die Frage, ob Gutachten, die ein Versicherungsträger im Rahmen eines sozialgerichtlichen Verfahrens privat erstellen lasse, vom Gericht als Gutachten gewürdigt werden dürften. Als Verfahrensfehler werde gerügt, daß das LSG die Widersprüche zwischen den Gutachten entweder durch mündliche Anhörung der Sachverständigen oder durch Einholung eines weiteren Gutachtens (Obergutachtens) hätte klären müssen. Auch habe es das LSG versäumt, sich mit dem Gutachten des Prof. Dr. L. sachbezogen auseinanderzusetzen.
Die Beschwerde ist unzulässig. Sie entspricht nicht den in § 160 Abs 2 und § 160a Abs 2 Satz 3 SGG festgelegten Erfordernissen. Nach § 160 Abs 2 Nr 1 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn die Sache grundsätzliche Bedeutung hat. In der Beschwerdebegründung muß nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt werden. Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist gegeben, wenn zu erwarten ist, daß die Revisionsentscheidung die Rechtseinheit in ihrem Bestand erhalten oder die Weiterentwicklung des Rechts fördern wird (vgl Weyreuther, Revisionszulassung und Nichtzulassungsbeschwerde in der Rechtsprechung der obersten Bundesgerichte, RdNr 84 mwN). Es muß eine klärungsbedürftige Rechtsfrage aufgeworfen sein, welche bisher revisionsgerichtlich noch nicht - ausreichend - geklärt ist (s ua BSG SozR 1500 § 160 Nr 17; BSG Beschluß vom 9. Dezember 1988 - 2 BU 97/88 -). Demgemäß muß der Beschwerdeführer, welcher die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache darzulegen hat, aufzeigen, ob und inwieweit zu der aufgeworfenen Frage bereits Rechtsgrundsätze herausgearbeitet sind, und in welchem Rahmen noch eine weitere Ausgestaltung, Erweiterung oder Änderung derselben durch das Revisionsgericht erforderlich erscheint. Hierzu enthält die Beschwerdebegründung keine hinreichenden Ausführungen. Die Klägerin beanstandet zwar zu Recht, daß sich das LSG bezüglich der Verwertung des von der Beklagten im Berufungsverfahren vorgelegten Gutachtens des Dr. E. nicht auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 31. Mai 1963 (BSG SozR Nr 66 zu § 128 SGG) hätte berufen dürfen, weil jene Entscheidung lediglich die richterliche Beweiswürdigung von ärztlichen Gutachten betraf, die im Rahmen des Verwaltungsverfahrens von einem Versicherungsträger eingeholt worden sind. Im übrigen fehlt es aber an einer Auseinandersetzung mit der zur Verwertung von Privatgutachten ergangenen Rechtsprechung des BSG. Danach sind solche von einer Partei in das Gerichtsverfahren eingebrachten Gutachten bei der Überzeugungsbildung des Gerichts zu berücksichtigen (BSG SozR Nr 68 zu § 128 SGG) und können ggfs allein als Entscheidungsgrundlage dienen (BSG SozR Nr 3 zu § 118 SGG). Bei der Bewertung von Privatgutachten darf lediglich nicht außer acht gelassen werden, daß sie keine Beweismittel im Sinne des Beweises durch Sachverständige (§§ 402 ff der Zivilprozeßordnung -ZPO-) sind, vielmehr in erster Linie Bestandteile des Parteivorbringens und wie diese zu würdigen (vgl zuletzt BSG Urteile vom 9. Dezember 1988 - 2/9b RU 66/87 - und vom 6. April 1989 - 2 RU 55/88 -). Inwieweit diese Rechtsprechung einer Änderung oder weiteren Ausgestaltung bedarf, legt die Beschwerde nicht dar.
Auch bezüglich der gerügten Verfahrensfehler ist die Beschwerde unzulässig; denn auf eine Verletzung des § 128 Abs 1 Satz 1 SGG (Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung) kann der Verfahrensmangel nicht (s auch BSG SozR 1500 § 160 Nr 26) und auf eine Verletzung des § 103 SGG (Verletzung der Amtsermittlungspflicht) nur gestützt werden, wenn sich der Verfahrensmangel auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist (§ 160a Abs 2 Satz 3 iVm § 160 Abs 2 Nr 3 SGG). Einen solchen Beweisantrag hat die Beschwerde nicht bezeichnet.
Die Beschwerde war daher als unzulässig zu verwerfen (§ 169 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen