Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 30. September 2020 wird als unzulässig verworfen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten um die Versicherungspflicht des Klägers in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung seit dem 1.1.2016.
Der Kläger übte seitdem die Tätigkeit eines ausgebildeten Physiotherapeuten in der Praxis des Beigeladenen zu 1. (im Folgenden: Beigeladener) aus. Auf seinen Statusfeststellungsantrag stellte die Beklagte die Versicherungspflicht dieser Beschäftigung in allen Zweigen der Sozialversicherung fest (Bescheid vom 21.11.2016; Widerspruchsbescheid vom 8.12.2017).
Das SG Landshut hat den Bescheid der Beklagten in der Fassung des Widerspruchsbescheids aufgehoben und die Beklagte verurteilt festzustellen, dass der Kläger seine Tätigkeit in der Praxis des Beigeladenen nicht im Rahmen einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung ausübe (Urteil vom 9.5.2018). Auf die Berufung der Beklagten hat das Bayerische LSG dieses Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Nach der Rechtsprechung des BSG sei bei der Statusbeurteilung wesentlich zu berücksichtigen, dass der Kläger selbst keine Zulassung als Leistungserbringer habe. Allein der Beigeladene sei gegenüber den Leistungsträgern unter Einhaltung organisatorischer und personeller Voraussetzungen berechtigt, Leistungen zu erbringen und abzurechnen. Der Kläger könne Leistungen lediglich innerhalb der dadurch vorgegebenen Struktur erbringen und sei daher in die Betriebsorganisation des Beigeladenen eingegliedert. Für eine Selbstständigkeit sprechenden Anhaltspunkten komme demgegenüber kein entscheidendes Gewicht zu. Maßgeblich sei vielmehr, dass der Kläger kein nennenswertes Unternehmerrisiko trage. Im Rahmen der gebotenen Gesamtabwägung unter Berücksichtigung der vertraglichen Vereinbarung und deren tatsächlicher Umsetzung überwögen die Merkmale einer abhängigen Beschäftigung (Urteil vom 30.9.2020).
Gegen die Nichtzulassung der Revision wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde.
II
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung des LSG ist als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG). Der Kläger hat die geltend gemachten Zulassungsgründe der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) und der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) entgegen § 160a Abs 2 Satz 3 SGG nicht hinreichend dargelegt oder bezeichnet.
1. Der Zulassungsgrund der Divergenz setzt voraus, dass die angefochtene Entscheidung des LSG von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Eine solche Abweichung ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn aufgezeigt wird, mit welcher genau bestimmten entscheidungserheblichen rechtlichen Aussage zum Bundesrecht die angegriffene Entscheidung des LSG von welcher ebenfalls genau bezeichneten rechtlichen Aussage des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht. Insoweit genügt es nicht darauf hinzuweisen, dass das LSG seiner Entscheidung nicht die höchstrichterliche Rechtsprechung zugrunde gelegt hätte. Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung der Revision wegen Divergenz. Sie liegt daher nicht schon dann vor, wenn die angefochtene Entscheidung nicht den Kriterien entsprechen sollte, die das BSG, der GmSOGB oder das BVerfG entwickelt hat, sondern erst dann, wenn das LSG diesen Kriterien auch widersprochen, also andere rechtliche Maßstäbe bei seiner Entscheidung herangezogen hat (vgl BSG Beschluss vom 12.5.2005 - B 3 P 13/04 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 6 RdNr 5 und BSG Beschluss vom 16.7.2004 - B 2 U 41/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 4 RdNr 6, jeweils mwN). Zur Darlegung einer Divergenz sind daher die nicht übereinstimmenden abstrakten und tragenden Rechtssätze einander gegenüberzustellen. Sie müssen sich unmittelbar aus dem angegriffenen Urteil des LSG einerseits und aus der höchstrichterlichen Entscheidung, von der abgewichen wird, andererseits ergeben (vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 160a RdNr 15b mwN).
Dem wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Der Kläger entnimmt weder dem angefochtenen Urteil des LSG noch den in Bezug genommenen Urteilen des BSG abstrakte, entscheidungsrelevante Rechtssätze und legt eine Divergenz nicht hinreichend dar.
a) Der Kläger zitiert aus der angegriffenen Entscheidung des LSG den Satz:
"Maßgebend ist vielmehr, dass der Kläger kein nennenswertes Unternehmerrisiko trug."
Er sieht darin den
"allgemeinen Rechtssatz (…), dass zumindest in Bezug auf Fälle von Leistungserbringern im Gesundheitswesen im weiteren Sinne, die tätig werden im Praxisbetrieb von Vertragspartnern, das Unternehmerrisiko nicht ein Aspekt unter mehreren, sondern der maßgebende Aspekt sei."
Bezüglich des unmittelbar aus der Entscheidung des LSG zitierten Satzes fehlt es an der Darlegung der erforderlichen Abstraktheit. Denn der Satz nimmt ganz ausdrücklich ausschließlich auf den Kläger Bezug. Die Beschwerdebegründung zeigt daher keinen Rechtssatz des LSG auf, nach welchem das Unternehmerrisiko abstrakt und unabhängig vom vorliegenden Fall des Klägers als das maßgebliche Kriterium gelten soll. Bei dem Verständnis, das der Kläger der LSG-Entscheidung beimisst, indem er ausführt, welchen "allgemeinen Rechtssatz" das LSG "damit" aufgestellt habe, handelt es sich nicht um einen der LSG-Entscheidung unmittelbar zu entnehmenden Rechtssatz. Es kommt daher nicht darauf an, dass dieses Verständnis von der angegriffenen Berufungsentscheidung aufgrund der umfangreichen Ausführungen des LSG zur Eingliederung des Klägers in die Praxisorganisation des Beigeladenen und zu der gebotenen Gesamtabwägung überdies auch inhaltlich wenig nachvollziehbar ist.
b) Darüber hinaus wird auch kein abweichender abstrakter Rechtssatz aus den in Bezug genommenen Entscheidungen des BSG aufgezeigt.
Der Kläger zitiert aus dem Urteil des BSG vom 24.3.2016 (B 12 KR 20/14 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 29 RdNr 13):
"Die Zuordnung einer Tätigkeit nach deren Gesamtbild zum rechtlichen Typus der Beschäftigung bzw. der selbstständigen Tätigkeit setzt dabei voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls als Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gebiet eingestellt und nachvollziehbar, d.h. den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei gegeneinander abgewogen werden … ."
Aus den Ausführungen des Klägers ergibt sich jedoch nicht, dass das LSG dem in der angegriffenen Entscheidung abstrakt widersprochen hat. Ein Widerspruch lässt sich insbesondere nicht den Ausführungen des LSG zur Maßgeblichkeit des fehlenden Unternehmerrisikos im Fall des Klägers entnehmen.
Das der RdNr 23 der genannten Entscheidung entnommene Zitat nimmt im 1. Halbsatz ausschließlich konkret die Beteiligten (den Beigeladenen zu 1. und die Klägerin) in Bezug und bezieht sich im 2. Halbsatz mit der Formulierung "die hier zu beurteilende Tätigkeit" ebenfalls ausschließlich auf den dort entschiedenen Einzelfall, sodass es an der für einen Rechtssatz erforderlichen Abstraktheit fehlt. Der Rechtssatz, den der Kläger daraus ableiten will,
"dass nach Einstellung und Bewertung aller Aspekte maßgeblich der Grad der Einbindung in die Arbeitsabläufe und die Organisationsstruktur ist."
lässt sich wiederum der zitierten Entscheidung des BSG nicht unmittelbar entnehmen. Vor allem ergibt sich aber auch daraus kein inhaltlicher abstrakter Widerspruch zu den Ausführungen des LSG. Aus den Darlegungen der Beschwerdebegründung ergibt sich allenfalls, dass das LSG eine Gesamtwürdigung vorgenommen habe, die im Ergebnis nicht mit der nach Auffassung des Klägers der Rechtsprechung des BSG zu entnehmenden Gewichtung übereinstimme.
Auch aus den Ausführungen der Beschwerdebegründung zum Urteil des BSG vom 7.6.2019 (B 12 R 6/18 R - BSGE 128, 205 = SozR 4-2400 § 7 Nr 44, RdNr 31) ergibt sich nicht, dass das LSG den Kriterien des BSG abstrakt widersprochen und seiner Entscheidung grundsätzlich andere rechtliche Maßstäbe zugrunde gelegt hat.
Dem Zitat aus der Entscheidung des BSG,
"Das LSG hat auch keine für Selbstständigkeit sprechenden Anhaltspunkte festgestellt, die ein derartiges Gewicht hätten, dass sie die Weisungsgebundenheit und Eingliederung des Beigeladenen zu 1. auch nur annähernd hätten auf- oder überwiegen können. Insbesondere trug der Beigeladenen zu 1. kein nennenswertes Unternehmerrisiko.",
fehlt die für einen Rechtssatz erforderliche Abstraktheit. Sofern der Kläger meint, dem sei dem Sinn nach der Rechtssatz zu entnehmen,
"dass dann, wenn eine Weisungsgebundenheit und/oder Eingliederung in die Organisationsstruktur des Auftraggebers von den Tatsachen her festgestellt und entsprechend stark gewürdigt wurde, ein besonders hohes Gewicht entgegenstehender Umstände, z.B. eines bestehenden Unternehmerrisikos zu verlangen sind",
wird wiederum lediglich die eigene Interpretation des Klägers, nicht aber ein unmittelbar vom BSG aufgestellter Rechtssatz dargelegt. Zudem wäre auch damit allenfalls eine möglicherweise unrichtige Gewichtung von Einzelfallumständen im Rahmen einer Gesamtabwägung, jedoch keine Abweichung im Grundsätzlichen aufgezeigt.
Aus der des Weiteren in der Beschwerdebegründung genannten Entscheidung des BSG vom 4.6.2019 (B 12 R 11/18 R - BSGE 128, 191 = SozR 4-2400 § 7 Nr 42) benennt der Kläger keinen Rechtssatz und auch ein Widerspruch zu den Ausführungen des LSG zur Maßgeblichkeit des fehlenden Unternehmerrisikos im Fall des Klägers ist der Beschwerdebegründung nicht zu entnehmen. Vielmehr führt der Kläger hierzu selbst aus, dass das LSG diese Entscheidungen des BSG "herangezogen" habe.
2. Bei Geltendmachung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (stRspr; vgl nur BSG Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17; BSG Beschluss vom 28.1.2019 - B 12 KR 94/18 B - juris RdNr 6 mwN). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (vgl BSG Beschluss vom 25.10.1978 - 8/3 BK 28/77 - SozR 1500 § 160a Nr 31 S 48; BSG Beschluss vom 28.1.2019 - B 12 KR 94/18 B - juris RdNr 6). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.
Der Kläger wirft auf Blatt 9 der Beschwerdebegründung die Frage
"nach der Notwendigkeit der Bewertung von Faktoren als Unternehmerrisiko, wenn typischerweise mit der Berufsausübung der Einsatz von 'Wagniskapital' in nennenswertem Sinne nicht verbunden ist"
sowie die weitere Frage auf,
"ob das Fehlen eines Unternehmerrisikos nach dieser Definition zumindest in den Fällen, in denen nicht die Weisungsabhängigkeit und Eingliederung als eindeutig festgestellt angesehen werden kann, als 'maßgebender Aspekt' in Frage kommen kann".
Die Klärungsbedürftigkeit dieser Fragen ist - ungeachtet dessen, ob es sich überhaupt um Rechtsfragen handelt - jedoch nicht hinreichend dargelegt. Denn es fehlt an einer Auseinandersetzung mit der umfangreichen Rechtsprechung des BSG zur Gesamtabwägung und zum Unternehmerrisiko, auch wenn die Ausübung der Tätigkeit keinen nennenswerten Kapitaleinsatz erfordert (vgl zB BSG Urteil vom 31.3.2017 - B 12 R 7/15 R - BSGE 123, 50 = SozR 4-2400 § 7 Nr 30, RdNr 41 ff mwN). Den Ausführungen kann nicht entnommen werden, inwieweit hierzu noch weiterer Klärungsbedarf besteht. Zu der zweiten Frage fehlt es außerdem an Darlegungen zur Entscheidungserheblichkeit. Das Vorliegen der immanenten Prämisse, dass die Weisungsabhängigkeit und Eingliederung nicht als eindeutig festgestellt angesehen werden kann, wird für den Fall des Klägers weder aufgezeigt noch ist dies offensichtlich.
3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung von § 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI14578950 |