Verfahrensgang
LSG Berlin (Urteil vom 08.12.1994) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 8. Dezember 1994 wird als unzulässig verworfen.
Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
Die Beschwerde des Klägers ist in entsprechender Anwendung von § 169 Satz 2 und 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) als unzulässig zu verwerfen. Der Kläger hat die Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 160a Abs 2 SGG nicht eingehalten bzw das ihm insoweit zustehende Recht verwirkt (§ 242 BGB).
Eine Verwirkung prozessualer Befugnisse kann vorliegen, wenn die verspätete Geltendmachung gegen Treu und Glauben verstößt; der Zeitablauf allein führt zwar noch nicht zur Verwirkung; hinzukommen muß, daß der Berechtigte unter Verhältnissen untätig bleibt, unter denen vernünftigerweise etwas zur Wahrung des Rechts unternommen zu werden pflegt. Bei der Verwirkung prozessualer Befugnisse im öffentlichen Recht besteht ein öffentliches Interesse an der Erhaltung des Rechtsfriedens, das es rechtfertigen kann, eine Verwirkung einer gesetzlichen Frist anzunehmen (so BVerfGE 32, 305, 308 f). Bei einer Fristversäumnis ist es zwar den Gerichten grundsätzlich verwehrt, die Verantwortung für einen in dem Verantwortungsbereich des Gerichts liegenden Fehler auf den Bürger abzuwälzen. Unterläßt allerdings der Bürger mögliche und ihm zumutbare Anstrengungen, von sich aus zum Wegfall des Hindernisses beizutragen, und steht er der Wahrnehmung seiner Rechte mit vermeidbarer Gleichgültigkeit gegenüber, wird er nicht geschützt (vgl hierzu BVerfG NJW 1996, S 1811). Um einen derartigen Fall handelt es sich hier im Hinblick auf den Fristablauf sowie das weitere Verhalten des Klägers bzw seiner Bevollmächtigten, das er sich zurechnen lassen muß.
Dem Kläger war bereits im Februar 1995, wie sich aus seinem Schreiben vom 21. Februar 1995 ergibt, das Urteil des Landessozialgerichts vom 8. Dezember 1994 bekannt. Er hat zur Durchführung der Nichtzulassungsbeschwerde am 30. Mai 1995 eine Prozeßbevollmächtigte beauftragt, der bereits im Juni 1995 Akteneinsicht gewährt worden war. Nach Ablauf von fast eineinhalb Jahren nach Kenntnis des Urteils durch den Kläger und nach Ablauf von einem Jahr seit Kenntnis der Prozeßbevollmächtigten ist die Beschwerde (und im übrigen auch ein Wiedereinsetzungsgesuch) ohne erkennbaren Grund noch immer nicht begründet. Der Kläger hat somit, obwohl er zuverlässig Kenntnis von dem Urteil erlangt hatte, nichts unternommen, um von sich aus die Voraussetzungen für eine Entscheidung innerhalb einer angemessenen Frist herbeizuführen. Für denjenigen, dem ein Urteil ohne oder mit unrichtiger Rechtsmittelbelehrung zugestellt wird, muß ebenso wie für denjenigen, der von der Entscheidung auf andere Weise zuverlässig Kenntnis erhält, die Einjahresfrist zur Einlegung und Begründung des Rechtsmittels/-behelfs des § 66 Abs 2 SGG gelten. Ein später eingelegtes und begründetes Rechtsmittel/-behelf ist daher wegen Verwirkung in der Regel unzulässig (vgl hierzu Meyer-Ladewig, SGG, § 66 RdNr 13).
Die Beschwerde ist mithin unzulässig. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 160a Abs 4 Satz 3 Halbsatz 2 SGG ab.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Fundstellen