Verfahrensgang
SG Meiningen (Entscheidung vom 13.08.2019; Aktenzeichen S 20 R 1030/17) |
Thüringer LSG (Urteil vom 14.12.2022; Aktenzeichen L 12 R 1182/19) |
Tenor
Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Thüringer Landessozialgerichts vom 14. Dezember 2022 wird als unzulässig verworfen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten darüber, ob der Kläger zu 1. (im Folgenden: Kläger) in seiner Tätigkeit als Projektleiter und Prokurist der zu 2. klagenden GmbH (im Folgenden: Klägerin) in der Zeit vom 1.6.2016 bis zum 26.10.2017 aufgrund Beschäftigung der Sozialversicherungspflicht unterlag.
Der Kläger wurde durch Arbeitsvertrag vom 30.5.2016 zum 1.6.2016 bei der Klägerin als unmittelbar der Geschäftsführung unterstellter Projektleiter eingestellt. Die ihm erteilte Prokura konnte nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften jederzeit widerrufen werden. Vom Stammkapital der Klägerin in Höhe von 25 600 Euro hielt der Kläger 7680 Euro (30 vH). In einem Statusfeststellungsverfahren stellte die beklagte Deutsche Rentenversicherung Bund die Versicherungspflicht des Klägers aufgrund Beschäftigung in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung fest (Bescheide vom 22.11.2016; Widerspruchsbescheide vom 9.5.2017).
Das SG hat die auf den Zeitraum 1.6.2016 bis 26.10.2017 begrenzten Klagen abgewiesen (Urteil vom 13.8.2019). Das LSG hat die Berufungen der Kläger zurückgewiesen (Urteil vom 14.12.2022). Der Kläger sei schon nicht als Geschäftsführer tätig gewesen. Außerdem habe er nicht über die Rechtsmacht verfügt, die Geschicke der GmbH bestimmen zu können.
Mit ihrer Beschwerde wenden sich die Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG.
II
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung ist gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 SGG in entsprechender Anwendung von § 169 Satz 2 und 3 SGG als unzulässig zu verwerfen. In der Begründung des Rechtsmittels ist entgegen § 160a Abs 2 Satz 3 SGG kein Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.
1. Bei Geltendmachung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (stRspr; vgl nur BSG Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17; BSG Beschluss vom 28.1.2019 - B 12 KR 94/18 B - juris RdNr 6 mwN).
Die Kläger formulieren auf Seite 3 der Beschwerdebegründung vom 28.4.2023 die Frage,
"ob ein mitarbeitender Gesellschafter mit Einzelprokura und Stimmrechtsbindung, der der GmbH nach außen ihr entscheidendes Gepräge gibt und über faktische Gestaltungsmacht verfügt, als nichtselbständig Beschäftigter i.S. § 7 Abs. 1 SGB IV einzustufen ist."
Das Urteil des BSG vom 13.12.2022 (B 12 KR 16/20 R - juris, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen) betreffe einen Gesellschafter mit nur einem begrenzten Tätigkeitsfeld. Vorliegend sei der Kläger zur Führung des Unternehmens in der Lage gewesen. Er habe herausragende und weitreichende Branchenkenntnisse, eine 20-jährige Berufserfahrung, technisches sowie kaufmännisches Wissen und ein Netzwerk gehabt. Darüber hätten die übrigen Gesellschafter nicht verfügt. Er sei unternehmerisch tätig gewesen und habe die Rechtsmacht besessen, frei zu handeln. Auch habe er ein unternehmerisches Risiko getragen. Das Urteil des BSG vom 29.7.2015 (B 12 KR 23/13 R - BSGE 119, 216 = SozR 4-2400 § 7 Nr 24) betreffe ebenfalls eine andere Fallkonstellation.
a) Es kann offenbleiben, ob die Beschwerdebegründung die Darlegungsvoraussetzungen für eine Grundsatzrüge (vgl hierzu exemplarisch BSG Beschluss vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN) schon deshalb nicht erfüllt, weil keine abstrakt-generelle Rechtsfrage zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts (§ 162 SGG) mit höherrangigem Recht (BSG Beschluss vom 23.12.2015 - B 12 KR 51/15 B - juris RdNr 11 mwN) formuliert, sondern nach dem Ergebnis eines Subsumtionsvorgangs gefragt wird. Die Bezeichnung einer abstrakten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage ist jedoch unverzichtbar, damit das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann (BSG Beschluss vom 10.9.2014 - B 10 ÜG 3/14 B - juris RdNr 11 mwN).
b) Jedenfalls legen die Kläger die Klärungsbedürftigkeit der formulierten Frage nicht hinreichend dar. Eine Rechtsfrage ist dann als nicht klärungsbedürftig anzusehen, wenn die Antwort praktisch außer Zweifel steht, dh sich unmittelbar aus dem Gesetz ergibt (vgl BSG Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 11 und BSG Beschluss vom 21.1.1993 - 13 BJ 207/92 - SozR 3-1500 § 160 Nr 8 S 17). Bei der insoweit gebotenen Aufarbeitung der rechtlichen Problematik hat sich die Beschwerde mit dem fraglichen Gesetz, der Rechtssystematik sowie den Gesetzesmaterialien auseinanderzusetzen (vgl BSG Beschluss vom 16.10.2018 - B 12 KR 26/18 B - juris RdNr 5). Die Rechtsfrage ist auch dann höchstrichterlich geklärt und damit als nicht (mehr) klärungsbedürftig anzusehen, wenn diese bereits beantwortet ist. Ist sie noch nicht ausdrücklich entschieden, genügt es, dass schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beantwortung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben (BSG Beschluss vom 30.8.2016 - B 2 U 40/16 B - SozR 4-1500 § 183 Nr 12 RdNr 7 mwN). Daher muss substantiiert aufgezeigt werden, dass und warum sich früheren Entscheidungen keine solchen Anhaltspunkte entnehmen lassen. Dem wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.
Die Beschwerdebegründung beschränkt sich darauf, vermeintliche Abweichungen im konkreten Sachverhalt aufzuzeigen, ohne schlüssig darzulegen, inwieweit diese angesichts der umfangreichen Rechtsprechung des BSG zu Nicht-Geschäftsführern/Gesellschaftern einer GmbH (vgl nur BSG Urteil vom 17.5.2001 - B 12 KR 34/00 R - SozR 3-2400 § 7 Nr 17; BSG Urteil vom 29.8.2012 - B 12 KR 25/10 R - BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17; BSG Urteil vom 25.1.2006 - B 12 KR 30/04 R - juris; BSG Urteil vom 11.11.2015 - B 12 R 2/14 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 27 mwN; BSG Urteil vom 19.8.2015 - B 12 KR 9/14 R - juris) rechtlich von Belang sind. Zudem unterstellt die Beschwerdebegründung, der Kläger habe über die Rechtsmacht verfügt, das Unternehmen zu leiten. Woraus sich diese Rechtsmacht angesichts der Position des Klägers als Nicht-Geschäftsführer kombiniert mit seiner Stellung als Gesellschafter mit einem Anteil am Stammkapital von (nur) 30 vH ableiten lassen soll, legt die Beschwerdebegründung nicht hinreichend dar. Mit der Rechtsprechung des Senats, nach der das Bestehen faktischer Handlungsmöglichkeiten für die Frage einer selbstständigen Tätigkeit selbst im Fall eines Geschäftsführers einer GmbH nicht entscheidend ist (vgl ua BSG Urteil vom 10.12.2019 - B 12 KR 9/18 R - BSGE 129, 254 = SozR 4-2400 § 7 Nr 46, RdNr 31 mwN), befasst sich die Beschwerdebegründung ebenfalls nicht.
2. Der Zulassungsgrund der Divergenz setzt voraus, dass das angefochtene Urteil des LSG von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Eine solche Abweichung ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn aufgezeigt wird, mit welcher genau bestimmten entscheidungserheblichen rechtlichen Aussage zum Bundesrecht die angegriffene Entscheidung des LSG von welcher ebenfalls genau bezeichneten rechtlichen Aussage des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht. Insoweit genügt es nicht darauf hinzuweisen, dass das LSG seiner Entscheidung nicht die höchstrichterliche Rechtsprechung zugrunde gelegt hätte. Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung der Revision wegen Divergenz. Sie liegt daher nicht schon dann vor, wenn das angefochtene Urteil nicht den Kriterien entsprechen sollte, die das BSG, der GmSOGB oder das BVerfG entwickelt hat, sondern erst dann, wenn das LSG diesen Kriterien auch widersprochen, also andere rechtliche Maßstäbe bei seiner Entscheidung herangezogen hat (vgl BSG Beschluss vom 12.5.2005 - B 3 P 13/04 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 6 RdNr 5 und BSG Beschluss vom 16.7.2004 - B 2 U 41/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 4 RdNr 6, jeweils mwN).
In der Beschwerdebegründung behaupten die Kläger, das LSG hätte die Revision nach § 160 Abs 2 Nr 2 SGG zulassen müssen. Nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG erforderliche Ausführungen, die den oben genannten Anforderungen zur Darlegung einer entscheidungserheblichen Divergenz genügen, fehlen jedoch.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht, weil der Kläger zu dem nach § 183 SGG begünstigten Personenkreis gehört, bei dem hier gegebenen Fall der subjektiven Klagehäufung einheitlich auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI16226555 |