Verfahrensgang
LSG Niedersachsen (Urteil vom 20.10.1961) |
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 20. Oktober 1961 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Von Rechts wegen.
Gründe
Der 1942 geborene Kläger beendete am 30. September 1960 seine Lehre als Kraftfahrzeughandwerker. Bis dahin hatte er von der Beklagten Waisenrente aus der Invalidenversicherung seines 1945 gestorbenen Vaters bezogen.
Am 1. Oktober 1960 wurde er als Polizeiwachtmeister in den Polizeidienst des Landes Niedersachsen eingestellt. Er erlangte damit die Rechtsstellung eines planmäßigen Beamten auf Probe und erhielt Dienstbezüge nach der Besoldungsgruppe A 5 des Niedersächsischen Besoldungsgesetzes. Sein Gehalt betrug danach 290,35 DM monatlich netto. Dazu erhielt er noch freie Unterkunft, freie Dienstbekleidung und freie Heilfürsorge.
Der Kläger begann den Polizeidienst mit einem einjährigen Grundlehrgang an der Landespolizeischule Niedersachsen in Hann.-Münden; während der Dauer des Besuches des Grundlehrganges wurden ihm für die Teilnahme an der Gemeinschaftsverpflegung täglich 2,60 DM einbehalten.
Mit Rücksicht auf diesen Schulbesuch beantragte der Kläger die Weiterzahlung seiner Waisenrente. Die Beklagte lehnte den Antrag mit der Begründung ab, der Besuch des Grundlehrganges stelle keine Berufsausbildung dar.
Hiergegen hat der Kläger Klage erhoben. Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen und das Landessozialgericht (LSG) die hiergegen eingelegte Berufung mit der Begründung zurückgewiesen, der Kläger sei kein Beamtenanwärter, der lediglich einen Unterhaltszuschuß erhalte, sondern planmäßiger Beamter, der Gehalt beziehe. Damit befinde er sich in einer Stellung, die nach der Gesamtheit ihrer rechtlichen, sozialen und finanziellen Merkmale sowie nach allgemeiner Auffassung als Beruf gelte, nicht aber noch als Schul- oder Berufsausbildung.
Das LSG hat die Revision zugelassen.
Mit der Revision beantragt der Kläger,
unter Aufhebung der Urteile der Vorinstanzen die Beklagte zu verurteilen, ihm über den 30. September 1960 hinaus Waisenrente zu gewähren.
Er rügt, das LSG habe § 1267 der Reichsversicherungsordnung (RVO) unrichtig angewendet. Dafür, ob eine Berufsausbildung im Sinne dieser Vorschrift vorliege, sei entscheidend die tatsächliche Gestaltung der Verhältnisse, ob diese nämlich überwiegend der Ausbildung oder überwiegend der Verwertung der Arbeitskraft dienen. Er, der Kläger, habe als Beamter auf Probe in einer Polizeischule einen einjährigen Grundlehrgang absolvieren müssen, der ihn für die späteren Aufgaben als Polizeibeamter auf Lebenszeit ausbilden sollte. Die Teilnahme an dem Grundlehrgang habe nicht der Verwertung seiner Arbeitskraft gedient. Deshalb habe er sich noch in Berufsausbildung befunden.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie schließt sich der Auffassung der Vorinstanzen an.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Die Revision ist zulässig, jedoch unbegründet. Das Urteil des LSG ist im Ergebnis richtig.
Der Senat hat in seinem – vom LSG angeführten – Urteil vom 5. März 1959 (BSG 9, 196) zu der Frage des Ausbildungsverhältnisses von Beamtenanwärtern Stellung genommen und entschieden, daß sich ein Inspektoranwärter in Berufsausbildung befinde. Berufsausbildung sei die Ausbildung für einen zukünftig gegen Entgelt auszuübenden Lebensberuf. Eine solche Ausbildung erhalte ein Inspektoranwärter; er durchlaufe während der Vorbereitungszeit die einzelnen Abteilungen der Ausbildungsbehörde zu seiner Information und werde zusätzlich in Kursen theoretisch geschult; er sei jeweils einem Beamten zur Ausbildung überwiesen und habe für diesen Verfügungsentwürfe anzufertigen ohne selbstverantwortliche Tätigkeit. Der Senat hat weiter ausgeführt, daß sich der Ausbildungscharakter des Vorbereitungsdienstes wesentlich auch aus der Art. der Vergütung ergebe; ein Inspektoranwärter erhalte keine Dienstbezüge, sondern lediglich einen Unterhaltszuschuß. Die Entscheidung ist also nicht allein darauf gestützt, daß ein Inspektoranwärter noch keine Tätigkeit ausübt, wie sie ein Inspektor auszuüben pflegt – was während eines Schulbesuches nicht oder höchstens mit Einschränkung der Fall sein kann –, sondern auch darauf, daß der Lebensunterhalt eines Anwärters durch seine berufliche Tätigkeit nicht gesichert ist. Anders liegen die Verhältnisse beim Kläger als einem planmäßig angestellten Beamten. Er erhält Dienstbezüge, die es ihm ermöglichen, sich selbst zu unterhalten. Während der Unterhaltszuschuß eines Beamtenanwärters bezweckt, die wirtschaftliche Lage dieses Beamten im Vorbereitungsdienst zu erleichtern, nicht aber den Unterhalt sicherzustellen, ist es der Zweck des Gehalts eines Beamten, auch wenn er zu einem Lehrgang abgeordnet ist, den Lebensunterhalt so zu sichern, wie dies auch bei den Beamten der Fall ist, die ohne jede Einschränkung nur ihrer Arbeit nachgehen. Die volle Besoldung des Klägers ist nicht mit der Annahme vereinbar, daß er sich noch in Berufsausbildung befindet. Der Senat hat anläßlich seiner früheren Entscheidung schließlich auch darauf hingewiesen, daß einer Waisenrente Unterhaltsersatzfunktion eigen ist. Die Rente soll der Waise Ersatz für den untergegangenen Unterhaltsanspruch gegen den Vater gewähren. Dieser Hinweis erscheint im vorliegenden Fall deshalb bedeutsam, weil der Kläger als Beamter mit Gehalt nicht mehr unterhaltsbedürftig ist und deshalb des Unterhaltsersatzes nicht bedarf.
Die Revision ist daher zurückzuweisen (§ 170 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes –SGG–).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Unterschriften
Penquitt, Schmitt, Mellwitz
Fundstellen