Leitsatz (amtlich)
1. Hat ein Versicherungsträger in der Bundesrepublik Deutschland aus Versicherungszeiten die teils im heutigen Bundesgebiet und teils in der Republik Österreich zurückgelegt worden sind, vor dem Inkrafttreten des SVFAG (1952-04-01) und des SVABK AUT (1953-01-01) eine Rente nach den Vorschriften des AVG bindend festgesetzt, so kann sie nur dann nach SVAbk AUT Art 39 Abs 2 S 2 neu festgestellt und um den Leistungsanteil aus den in die österreichische Versicherungslast gefallenen Versicherungszeiten gekürzt werden, wenn der österreichische Versicherungsträger aus diesen Versicherungszeiten eine Leistung gewährt oder auf Antrag zu gewähren hat ( SVFAG § 1 Abs 5 S 1 ).
Soweit danach der Versicherungsträger in der Bundesrepublik Deutschland aus den vom österreichischen Versicherungsträger übernommenen Versicherungszeiten zur Leistung verpflichtet bleibt, sind FRG § 15 , FANG Art 6 § 6 und FRG § 31 entsprechend anzuwenden.
Normenkette
SVAbk AUT Art. 39 Abs. 2 S. 2; SVFAG § 1 Abs. 5 S. 1; FRG § 15 Fassung: 1960-02-25, § 31 Fassung: 1960-02-25; FANG Art. 6 § 6 Fassung: 1960-02-25
Tenor
Das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 6. Dezember 1960 wird aufgehoben.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 2. Februar 1960 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten auch des Berufungs- und Revisionsverfahrens zu erstatten.
Gründe
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte zu Recht die Rente des Klägers nach Art. 39 Abs. 2 des Ersten deutschösterreichischen Sozialversicherungsabkommens vom 21. April 1951 ( BGBl 1952 II 317 ) neu berechnet und dabei einen Teil der im Rentenbescheid angerechneten Beiträge als in die österreichische Versicherungslast fallend außer Ansatz gelassen hat, obwohl der österreichische Versicherungsträger nach den für ihn maßgeblichen Vorschriften keine Leistung gewährt.
Der Kläger, deutscher Staatsangehöriger, war von August 1936 an als technischer Angestellter bei einer deutschen Luftwaffeneinheit im heutigen Bundesgebiet beschäftigt. Im Jahre 1938 wurde er zum Luftgaukommando nach Wien versetzt. Von Februar 1942 an leistete er Wehrdienst. Nach dem Kriege war er selbständiger Handelsvertreter in Wien und seit 1949 in Augsburg. In den Versicherungskarten Nrn. 1 - 3 sind 67 Beitragsmonate zur Reichsversicherungsanstalt für Angestellte - RfA - (für die Zeit von August 1936 bis Februar 1942) und 37 Kriegsdienstmonate (März 1942 bis März 1945) als Ersatzzeiten nachgewiesen. Aus diesen Versicherungszeiten gewährte ihm vom 1. Januar 1952 an die Landesversicherungsanstalt (LVA) Schwaben, die damals für ihren Bereich die Aufgaben der stillgelegten RfA wahrnahm, nach den Vorschriften des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) eine Rente (Ruhegeld) wegen Berufsunfähigkeit (Bescheid vom 30. Juli 1952).
Im Jahre 1956 wurde die Beklagte, welche die Rente seit 1954 weiterzahlte (§ 26 des Errichtungsgesetzes vom 7. August 1953) durch eine Eingabe des Klägers auf die Berechnung der Rente aufmerksam. Sie veranlaßte den Kläger, bei dem österreichischen Versicherungsträger einen Rentenantrag nach den Vorschriften des Ersten deutsch-österreichischen Sozialversicherungsabkommens zu stellen. Die Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten in Wien teilte der Beklagten mit, daß sie allenfalls die Versicherungszeiten des Klägers vom 1. Januar 1939 an in die österreichische Versicherungslast übernehme; sie lehnte aber mit Bescheid vom 4. März 1959 die Gewährung einer Rente aus diesen Versicherungszeiten ab mit der Begründung, die versicherungsmäßigen Voraussetzungen seien nicht gegeben. Der Kläger focht den Bescheid nicht an.
Die Beklagte stellte die Rente des Klägers vom 1. Januar 1953 an neu fest. Der Berechnung legte sie nur noch die Beiträge von August 1936 bis Dezember 1938 und als Ersatzzeit die Kriegsdienstmonate von 1942 bis 1945 zugrunde. Die zuletzt mit 368,30 DM gezahlte Rente wurde vom 1. Juli 1959 an in Höhe von 197,60 DM festgestellt. Von der Rückforderung einer errechneten Überzahlung sah die Beklagte vorläufig ab (Bescheid vom 8. Mai 1959 mit Ergänzungsbescheid vom 16. Juni 1959).
Das vom Kläger angerufene Sozialgericht (SG) München hob den Bescheid der Beklagten auf und verurteilte sie, dem Kläger die sogenannte vorvertragliche Rente über den 30. Juni 1959 hinaus unter Berücksichtigung aller nachgewiesenen Beitragsmonate und der Ersatzzeiten (unter Anrechnung eines Steigerungsbetrags nach der Höhe der zuletzt in Klasse K entrichteten Beiträge) zu gewähren (Urteil vom 2. Februar 1960). Auf die Berufung der Beklagten hob das Bayerische Landessozialgericht (LSG) das Urteil des SG auf und wies die Klage ab: Der österreichische Versicherungsträger habe mit Recht auf Grund der Regelung in Art. 24 Abs. 1 Nr. 2 b des Abkommens die vom 1. Januar 1939 an zurückgelegten Versicherungszeiten des Klägers in seine Versicherungslast übernommen. Die Beklagte könne diese Zeiten nicht mehr rentensteigernd berücksichtigen. Daraus folge eine Kürzung der deutschen Rente, was allerdings eine besondere Härte deshalb bedeute, weil der österreichische Versicherungsträger auf Grund der für ihn maßgeblichen Vorschriften keine Leistung gewähre. Für diese Fälle enthalte das Abkommen aber keine Besitzstandsklausel. Der Neuberechnung der Rente stehe der bindende Leistungsbescheid der LVA Schwaben nicht entgegen. Dies folge aus Art. 39 Abs. 2 Satz 2 des Abkommens. Dieser Bestimmung hätte es nicht bedurft, wenn die Neuberechnung nicht auch zu einer Verringerung der Leistung führen könne. Sie ermögliche es dem betroffenen Personenkreis, zu der infolge des Abkommens gekürzten Rente zusätzlich die Leistungen des österreichischen Versicherungsträgers zu erhalten. Daß dem Kläger solche Leistungen nicht gewährt werden, habe die Beklagte nicht zu verantworten; dieser Umstand verpflichte sie auch nicht, die in die österreichische Versicherungslast gefallenen Beiträge bei der von ihr zu gewährenden Leistung zu berücksichtigen. Ebensowenig sei zu beanstanden, daß die (über Art. 20 des Abkommens berücksichtigte) Kriegsdienstzeit lediglich in Klasse H angerechnet worden sei, weil der letzte vor der Ersatzzeit liegende deutsche Beitrag in dieser Klasse entrichtet worden sei. -
Die Revision wurde zugelassen (Urteil vom 6. Dezember 1960).
Der Kläger legte Revision ein mit dem Antrag,
das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG zurückzuweisen.
Nach seiner Meinung ist das deutsch-österreichische Abkommen in seinem Fall überhaupt nicht anzuwenden, sein Rentenanspruch vielmehr ausschließlich nach den innerdeutschen Vorschriften zu beurteilen. Das Abkommen bezwecke nach den in Abschn. I aufgestellten allgemeinen Grundsätzen die Gleichstellung der Staatsangehörigen beider Vertragsstaaten, nicht aber die Schlechterstellung deutscher Staatsangehöriger, die vorübergehend im Gebiet der Republik Österreich tätig gewesen sind. Aber auch wenn das Abkommen auf den Kläger zuträfe, sei Art. 39 Abs. 2 rechtsfehlerhaft angewandt. Ein Widerruf des begünstigenden Verwaltungsakts der LVA Schwaben sei, wie das SG mit Recht entschieden habe, ohne Änderung der tatsächlichen Verhältnisse nicht zulässig gewesen. Schließlich verstoße die Anwendung des Abkommens auf den Kläger gegen die in Art. 3 und 14 des Grundgesetzes (GG) garantierten Grundrechte. Nach dem innerdeutschen Recht habe der Kläger (1961) Anspruch auf eine Rente in Höhe von 533,40 DM monatlich, während ihm bei Anwendung des Abkommens lediglich eine Monatsrente in Höhe von 220,80 DM zustehe. Es sei deshalb angezeigt, nach Art. 100 GG das Verfahren auszusetzen und die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen.
Die Beklagte beantragte,
die Revision zurückzuweisen.
Sie räumte ein, daß die Angaben des Klägers über die Höhe der jetzigen und der früheren Rente zutreffend seien.
Die Revision ist zulässig und begründet. Die Beklagte war nicht befugt, die Rente des Klägers vom 1. Januar 1953 an in der Weise neu festzustellen, daß eine Leistung aus den von 1939 bis 1942 in Österreich zurückgelegten Beitragszeiten nicht mehr zu gewähren, die laufende Rente also um den auf diese Beiträge entfallenden Leistungsanteil zu kürzen war. Die Rente, die bereits vor dem Inkrafttreten des Fremdrenten- und Auslandsrentengesetzes (FAG) vom 7. August 1953 (BGBl I, 848) und vor dem Inkrafttreten des Ersten deutsch-österreichischen Sozialversicherungsabkommens bindend festgestellt worden war, konnte von der Beklagten nicht in geringerer Höhe neu festgesetzt werden, wenn und solange der österreichische Versicherungsträger aus den ihm zugefallenen Versicherungszeiten keine Leistung zu gewähren hatte.
Die von der LVA Schwaben festgestellte Leistung beruht ausschließlich auf Beitragszeiten, die bei der früheren RfA erworben worden sind, und den davon abhängigen Ersatzzeiten. Da die RfA zu den stillgelegten Versicherungsträgern gehört, galt für die bei ihr erworbenen Versicherungszeiten das FAG. Auf die von der LVA Schwaben vom 30. Juli 1952 - d. h. nach dem Inkrafttreten, aber vor der Verkündung des FAG - festgestellte Leistung sind nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) § 17 Abs. 6 FAG und damit auch die übrigen Vorschriften des FAG anzuwenden (BSG 4, 91, 101; 9, 273, 276). Daran ändert es auch nichts, daß das Erste deutsch-österreichische Abkommen über Sozialversicherung schon vorher - 1951 - abgeschlossen worden ist denn es ist erst später, nämlich am 1. Januar 1953, in Kraft getreten.
Entgegen der Auffassung des Klägers gilt dieses Abkommen aber auch für die von ihm erworbenen Versicherungszeiten. Dieses Abkommen grenzt den Geltungsbereich der Versicherungssysteme beider Länder gegeneinander ab, sichert den beiderseitigen Staatsangehörigen Inländerbehandlung im anderen Vertragsstaat zu und umfaßt all die Probleme, die auch sonst in Gegenseitigkeitsverträgen geregelt sind, einschließlich der Probleme der die Staatsgrenzen überschreitenden Wanderversicherung. Darüber hinaus aber regelt es die Fragen, die sich aus der Einführung der Sozialversicherung nach den reichsgesetzlichen Vorschriften in Österreich im Jahre 1939 und der Wiederherstellung der Selbständigkeit Osterreichs im Jahre 1945 ergeben haben. Hierbei geht es im wesentlichen um die Verteilung der Versicherungslast (Art. 23, 24 des Abkommens). Soweit es sich um die in Österreich vor Einführung der Reichsversicherung und danach bis zur Wiederherstellung der Unabhängigkeit Österreichs erworbenen Versicherungszeiten handelt (Art. 24 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a und b des Abkommens), wird der sogenannte Anschluß als ungeschehen behandelt: Die Zeiten werden ausnahmslos von den österreichischen Versicherungsträgern übernommen. Der dem Abkommen insoweit sichtlich zugrunde liegenden Absicht, den "Anschluß" als ungeschehen zu behandeln, hätte es vielleicht besser entsprochen, wenn diejenigen Zeiten nicht auf österreichische Versicherungsträger übernommen worden wären, die während der Zeit des "Anschlusses" auf Grund einer nur infolge des "Anschlusses" im Gebiet der Republik Österreich aufgenommenen Beschäftigung erworben worden sind. Dasselbe gilt umgekehrt für Versicherungszeiten, die nur während und nur infolge des "Anschlusses" in der Bundesrepublik Deutschland von solchen Arbeitnehmern erworben worden sind, die nach der Wiedererrichtung der Republik Österreich dorthin zurückgezogen sind. Hierzu hätte die Zurechnung der Versicherungslast nicht nur von dem früheren Beschäftigungsort, sondern statt dessen oder daneben auch von dem Wohn- oder Beschäftigungsort an bestimmten Stichtagen abhängig gemacht werden müssen, mit denen die Rückwanderung oder die Abwanderung von dem Gebiet eines Vertragsstaates in das des anderen als abgeschlossen angesehen werden konnte. So ist auch in fast allen Abkommen verfahren worden, die aus Anlaß von Gebietsänderungen Leistungen und Anwartschaften der Sozialversicherung zwischen den Versicherungsträgern der Vertragsstaaten aufgeteilt haben. Auf diese Weise wird in sehr zahlreichen Fällen vermieden, daß ein Versicherter auf Leistungen aus zwei verschiedenen, sich meist nach voneinander abweichenden Grundsätzen weiter entwickelnden Versicherungssystemen angewiesen ist, und es wird ferner vermieden, daß in diesen Fällen Teilleistungen von dem Gebiet eines Staates in das des anderen überwiesen werden müssen. Eine solche Lösung ist sicher sehr zweckmäßig und führt auch zu angemessenen Ergebnissen.
Der Kläger versucht aber zu Unrecht - wenn auch verständlicherweise -, das Erste deutsch-österreichische Abkommen in einem im Ergebnis ähnlichen Sinne auszulegen. In diesem Abkommen ist nämlich kein Stichtag für eine solche differenzierte Überleitung von Leistungen und Anwartschaften festgelegt worden, und keine seiner Vorschriften bietet einen Anhalt für eine Auslegung, die zu ähnlichen Ergebnissen führen könnte. Aus welchen Gründen in dem Abkommen auf solche - vielleicht naheliegende - Regelung verzichtet worden ist, kann dahinstehen. Es mag sein, daß die damaligen allgemeinen politischen Verhältnisse und die besonderen zwischen Österreich und der Bundesrepublik Deutschland noch offenen Fragen dafür bestimmend waren. Der erkennende Senat muß jedenfalls davon ausgehen, daß auch die in der Zeit zwischen 1939 und 1945 während einer nur vorübergehenden Beschäftigung in Österreich erworbenen Versicherungszeiten auf die österreichischen Versicherungsträger übergegangen sind.
Da das deutsch-österreichische Abkommen nicht nur den Übergang der Versicherungszeiten regelt, sondern auch alle Hindernisse ausräumt, die sich daraus ergeben, daß der Leistungsberechtigte im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland sich aufhält und die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, könnten die Vorschriften des FAG nicht angewendet werden, wenn der Versicherungsträger in der Bundesrepublik Deutschland aus den vom österreichischen Versicherungsträger übernommenen Zeiten noch keine Leistung festgestellt hat.
Anders verhält es sich freilich, wenn aus diesen Zeiten nach den in der Bundesrepublik Deutschland geltenden Vorschriften schon eine Leistung bindend festgestellt worden war. Das Abkommen gilt zwar nach Art. 39 Abs. 1 auch für Versicherungsfälle, die vor seinem Inkrafttreten eingetreten sind, und für Versicherungszeiten, die vorher zurückgelegt worden sind. Nach Art. 39 Abs. 2 Satz 2 des Abkommens können vor seinem Inkrafttreten festgestellte und nachher noch fällig werdende Leistungen nach den Bestimmungen des Abkommens neu festgestellt werden, ohne daß die Rechtskraft früherer Entscheidungen entgegensteht.
Die Ermächtigung, schon rechtskräftig festgestellte Leistungen neu festzustellen, hebt zwar die formale Bindung an die Rechtskraft einer Feststellung auf, sie beseitigt aber nicht ohne weiteres auch alle anderen Bindungen, die das innerstaatliche Recht an die getroffene Feststellung knüpft. So bleibt der Versicherungsträger zB gebunden an die Feststellung der Berufsunfähigkeit, und er bleibt auch gebunden an die Feststellung und Bewertung der nicht auf österreichische Versicherungsträger übergegangenen Versicherungszeiten; hiervon kann er nur abweichen, wenn eine Vorschrift des innerstaatlichen Rechts ihn dazu ermächtigt. Zu den innerstaatlichen Vorschriften, die festlegen, unter welchen besonderen Voraussetzungen ein Versicherungsträger die von ihm - oder wie hier mit Wirkung für ihn - festgestellte, als Leistung nach dem FAG geltende Rente wieder entziehen kann, gehört auch § 1 Abs. 5 FAG . Leistungen, die auf Grund des FAG gewährt worden sind, verlieren den Charakter als Leistungen "nach § 1 Abs. 1 des Gesetzes" nicht schon dadurch, daß zwischen der Bundesrepublik und dem Staat, bei dessen Versicherungsträger das Versicherungsverhältnis bestanden hat, ein zwischenstaatliches Abkommen über die Gewährung von Leistungen aus dem Gebiet des einen Staates in das des anderen abgeschlossen wird. Ein zwischenstaatliches Abkommen ist vielmehr in aller Regel sogar die wesentliche Voraussetzung dafür, daß Leistungen "von einem Träger der Sozialversicherung oder einer anderen Stelle außerhalb des Bundesgebietes" mit oder ohne Antrag in das Bundesgebiet gewährt werden. Weder der Wortlaut des § 1 Abs. 5 FAG noch der Sinnzusammenhang des Gesetzes und die damit verfolgten Ziele sprechen dafür, daß diese Vorschrift nur dann anzuwenden sei, wenn ein Versicherungsträger oder eine andere Stelle außerhalb des Bundesgebietes ohne zwischenstaatliches Abkommen oder eine diesem gleichstehende Regelung, d. h. also nur auf Grund des fremden innerstaatlichen Rechts eine Leistung gewährt oder auf Antrag gewähren würde. Wortlaut und Sinnzusammenhang des § 1 Abs. 5 FAG und der Zweck des ganzen Gesetzes sprechen vielmehr dafür, daß § 1 Abs. 5 FAG auch die Fälle umfassen soll, in denen die einer Leistung auf Grund des FAG zugrunde liegenden Zeiten ganz oder teilweise durch zwischenstaatlichen Vertrag wieder auf die fremde Versicherung übernommen worden sind. Solche Verträge regeln nur den Übergang der Versicherungszeiten, sie enthalten aber keine bindende Vorschrift darüber, welche Leistung der übernehmende Versicherungsträger daraufhin zu gewähren oder der bisherige weiterzugewähren hat. Die im § 1 Abs. 5 FAG enthaltene "indirekte Bestandsgarantie" gilt daher auch für den Fall, daß über die unter das FAG fallenden Versicherungszeiten nachträglich ein Vertrag abgeschlossen wird.
Die Versicherungsträger der Bundesrepublik können daher die nach Abs. 1 des § 1 FAG von ihnen gewährten Leistungen dann nicht entziehen, wenn der ursprünglich verpflichtete fremde Versicherungsträger nach einem zwischenstaatlichen Abkommen Leistungen in die Bundesrepublik zwar wiederaufzunehmen hatte, im konkreten Falle aber nach dem für ihn geltenden Recht nicht zur Leistung verpflichtet ist.
Dieselben Grundsätze gelten auch für das neue Fremdrentenrecht. Denn auch die Vorschriften des Fremdrenten- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetzes (FANG) lassen nicht erkennen, daß eine nach dem Fremdrentengesetz (FRG) festgestellte Leistung deswegen wegfallen soll, weil nach der Feststellung einer der in § 2 FRG bezeichneten Umstände eingetreten ist, die die Geltung des Gesetzes für Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten oder für Versicherungszeiten und Beschäftigungszeiten ausschließen. Die dem § 1 Abs. 5 FAG entsprechenden Vorschriften der §§ 11 , 31 FRG lassen auch nur tatsächlich von Versicherungsträgern oder anderen Stellen außerhalb seines Geltungsbereichs gewährte Leistungen auf die einmal festgestellte Rente einwirken. Sie unterscheiden dabei ebenfalls nicht danach, ob die fremde Leistung auf Grund einer der in § 2 bezeichneten Regelungen oder unabhängig von ihr gewährt wird. Daß diese Unterscheidung weder in § 1 Abs. 5 FAG noch in den §§ 11 , 31 FRG gemacht wird, ist dadurch bedingt und gerechtfertigt, daß die Bundesrepublik Deutschland in zwischenstaatlichen Verträgen zwar vereinbaren kann, daß die Versicherungsträger des Vertragsstaates bestimmte Versicherungszeiten übernehmen und daraus Leistungen in die Bundesrepublik gewähren, aber nicht vereinbaren kann und auch nicht vereinbart hat, daß ihre Vertragspartner die bisher vom Versicherungsträger der Bundesrepublik zu gewährende und gewährte Leistung in derselben Weise garantiert, in der ihr Bestand in der Bundesrepublik garantiert ist.
Da der Kläger von dem Versicherungsträger der Republik Österreich keine Leistung erhalten hat, ist sein Anspruch nach § 1 Abs. 5 FAG auch nicht weggefallen, sondern bestand trotz des Ersten deutsch-österreichischen Abkommens fort.
Dieses hat nur die in Österreich zurückgelegten Zeiten, die bis dahin zu den bei einem stillgelegten deutschen Versicherungsträger zurückgelegten Zeiten rechneten ( § 1 Abs. 2 Nr. 1 FAG ), in solche verwandelt, die bei einem nichtdeutschen Versicherungsträger zurückgelegt worden sind ( § 1 Abs. 2 Nr. 2 FAG ). Diese Umwandlung hat zunächst keine Wirkungen gezeitigt. Diese traten aber ein mit dem Erlaß des FANG. Die bis dahin als bei einem stillgelegten deutschen Versicherungsträger zurückgelegt geltenden und damit nur nach dem FAG einen Leistungsanspruch begründenden Zeiten der reichsgesetzlichen Angestelltenversicherung sind nach Art. 3 Nr. 1 FANG im § 27 Abs. 1 Buchst. a des AVG aufgenommen worden, soweit sie nicht auf einen österreichischen Versicherungsträger übergegangen waren. Auf die von dem österreichischen Versicherungsträger nach dem Ersten deutsch-österreichischen Abkommen übernommenen Versicherungszeiten sind dagegen § 15 FRG und Art. 6 § 6 FANG entsprechend anzuwenden, wenn der Versicherungsträger in der Bundesrepublik auch weiterhin zur Leistung verpflichtet bleibt. Das hat zur Folge, daß Leistungen, die der österreichische Versicherungsträger etwa inzwischen gewährt hat oder künftig gewähren wird, nach § 31 FRG zu berücksichtigen sind.
Dies Ergebnis entspricht auch der Regelung, die Art. 7 Abs. 2 Buchst. b des Gesetzes vom 21. August 1962 im Finanz- und Ausgleichsvertrag vom 27. November 1961 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich getroffen hat (BGBl II 1041). Diese Vorschrift stellt rückwirkend die Renten wieder her, die vor dem Zweiten deutschösterreichischen Abkommen von einem Versicherungsträger der Bundesrepublik festgestellt und auf Grund dieses Abkommens entzogen oder gekürzt worden waren; sie rechnet aber darauf die jeweils vom österreichischen Versicherungsträger tatsächlich gewährte Leistung an. Diese Vorschrift unterscheidet sich wesentlich von derjenigen des Art. 7 Abs. 1 desselben Gesetzes, die sich nur auf laufende, aber ungekürzte und auf künftig noch festzustellende Renten bezieht und deswegen auch nur Vorschriften für Bezugszeiten nach dem Inkrafttreten des Finanz- und Ausgleichsvertrages enthält.
Auch diese Entwicklung des allgemeinen Fremdrentenrechts und die besondere Regelung im Gesetz über den deutschösterreichischen Finanz- und Ausgleichsvertrag stützen die Auffassung des Senats, daß zwischenstaatliche Verträge sich zwar auch auf solche Versicherungszeiten beziehen, aus denen ein Versicherungsträger in der Bundesrepublik Deutschland vor ihrem Inkrafttreten auf Grund des FAG oder des FRG Leistungen festgestellt hat, daß aber diese Leistungen auf Grund der Übernahme der Versicherungslast durch den Vertragsstaat allein weder entzogen noch gekürzt werden können, sondern nur dann und nur so weit, als innerstaatliche Vorschriften der Bundesrepublik dies rechtfertigen, und daß § 1 Abs. 5 FAG und § 31 FRG zu diesen Vorschriften gehören. Danach können nur tatsächlich gewährte Leistungen des Versicherungsträgers (oder einer anderen Stelle) des Vertragsstaates zum Wegfall des Leistungsanspruchs ( § 1 Abs. 5 FAG ) oder zum gänzlichen oder teilweisen Ruhen der Rente ( § 31 FRG ) führen.
Die Beklagte war daher nicht berechtigt, die nach Art. 23 des Ersten deutsch-österreichischen Abkommens über Sozialversicherung von den österreichischen Versicherungsträgern zu übernehmenden Versicherungszeiten bei der Bemessung der Rente des Klägers unberücksichtigt zu lassen. Deshalb ist die Entscheidung des SG München vom 2. Februar 1960 im Ergebnis richtig; das Urteil des Bayerischen LSG vom 6. Dezember 1960 ist daher aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG München zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes .
Fundstellen
BSGE, 21 |
BSGE, 22, 21 (Leitsatz 1 und Gründe) |
RegNr, 2321 |
SozR, (Leitsatz) |
SozR, (Leitsatz) |
SozR, Nr 2 zu Art 39 Abk Österreich SozVers vom 1951-04-21 (Leitsatz 1 und Gründe) |
SozR, (Leitsatz) |
SozR, (Leitsatz) |
Breithaupt, 223 (Leitsatz 1 und Gründe) |