Entscheidungsstichwort (Thema)
Antragsfrist für Konkursausfallgeld. Beginn und Wahrung der Frist für die Beantragung von Konkursausfallgeld
Leitsatz (amtlich)
Die weitere 2-Monatsfrist des § 141e Abs 1 S 3 AFG wird nur eröffnet, wenn die Antragsfrist des § 141e Abs 1 S 2 AFG unvertretbar versäumt ist (Ergänzung zu BSG 26.8.1983 10 RAr 1/82 = BSGE 55, 284 = SozR 4100 § 141e Nr 5).
Orientierungssatz
Die zweimonatige Ausschlußfrist des § 141e Abs 1 S 2 AFG (Fassung: 23.7.1979) innerhalb derer der Antrag auf Konkursausfallgeld zu stellen ist, beginnt gleichermaßen bei allen nach § 141b Abs 1 und Abs 3 AFG rechtserheblichen Insolvenzereignissen mit deren Eintritt ohne Rücksicht darauf, ob dem Arbeitnehmer diese Ereignisse bekannt sind oder nicht (vgl BSG 26.8.1983 10 RAr 1/82 = BSGE 55, 284 = SozR 4100 § 141e Nr 5).
Normenkette
AFG § 141b Abs 1, § 141e Abs 1 S 2 Fassung: 1979-07-23, § 141e Abs 1 S 3 Fassung: 1979-07-23, § 141b Abs 3
Verfahrensgang
LSG Nordrhein-Westfalen (Entscheidung vom 08.02.1984; Aktenzeichen L 12 Ar 139/82) |
SG Köln (Entscheidung vom 23.09.1982; Aktenzeichen S 10 Ar 281/81) |
Tatbestand
Unter den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger wegen verspäteter Antragstellung keinen Anspruch auf Konkursausfallgeld (Kaug) hat.
Der Kläger war bis zum 20. Dezember 1977 bei dem Elektromeister St. in S-B beschäftigt. Wegen rückständiger Lohnzahlungen hatte er das Arbeitsverhältnis fristlos gekündigt und einen rechtskräftigen Titel über das ihm noch zustehende restliche Arbeitsentgelt erstritten. Der von ihm mit der Zwangsvollstreckung beauftragte Gerichtsvollzieher teilte ihm am 7. Dezember 1980 mit, daß die Zwangsvollstreckung fruchtlos verlaufen sei.
Das Amtsgericht E. lehnte mit Beschluß vom 2. Oktober 1980 die Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen des St. mangels einer die Kosten des Verfahrens deckenden Masse ab. Von diesem Ablehnungsbeschluß erlangte der Kläger am 21. Oktober 1980 Kenntnis.
Der Kläger beantragte am 8. Dezember 1980 bei der Beklagten die Zahlung von Kaug für die Zeit vom 1. Oktober 1977 bis 20. Dezember 1977. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit ihrem Bescheid vom 24. August 1981 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Oktober 1981 ab, weil der Antrag verspätet gestellt sei, der Kläger die Antragsfrist aber hätte einhalten können.
Das Sozialgericht (SG) Köln hat die Klage mit Urteil vom 23. September 1982 abgewiesen. Das Landessozialgericht (LSG) für das Land Nordrhein-Westfalen hat mit seinem Urteil vom 8. Februar 1984 auf die vom SG zugelassene Berufung des Klägers die Beklagte verurteilt, ihm Kaug für die Zeit vom 1. Oktober 1977 bis 20. Dezember 1977 zu gewähren. Der Kläger habe die Ausschlußfrist des § 141e des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) nF nicht versäumt. Für den Beginn dieser Frist sei der Ablehnungsbeschluß maßgebend. Die zweimonatige Frist des § 141e Abs 1 Satz 2 AFG habe der Kläger zwar versäumt, die weitere zweimonatige Ausschlußfrist des § 141e Abs 1 Satz 3 AFG dagegen nicht. Diese beginne nach dem Wegfall des Hindernisses, dh hier der unverschuldeten Unkenntnis von dem Ablehnungsbeschluß, also am 21. Oktober 1980, so daß der Kaug-Antrag am 8. Dezember 1980 innerhalb dieser Frist gestellt sei. Daß der Kläger von dem maßgebenden Insolvenzereignis nicht vor dem 21. Oktober 1980 Kenntnis erhalten habe, sei nicht von ihm zu vertreten. Er habe sich vielmehr mit der laufenden Individualvollstreckung um die Durchsetzung seines Anspruchs im erforderlichen Umfang bemüht, so daß der Anspruch nicht nach § 141e Abs 1 Satz 4 AFG nF ausgeschlossen sei. Außerdem habe der Kläger die Zweimonatsfrist des § 141e Abs 1 Satz 2 AFG nF nicht aus von ihm zu vertretenden Gründen versäumt. Da er einen rechtskräftigen Titel wegen seiner rückständigen Lohnforderungen gegen seinen früheren Arbeitgeber besessen habe, sei es geboten gewesen, zunächst einmal aus diesem die Vollstreckung zu betreiben. Es könne dem Kläger nicht vorgeworfen werden, wenn er zunächst den zuständigen Gerichtsvollzieher mit der Individualzwangsvollstreckung beauftragt und das Ergebnis abgewartet habe. Denn bei erfolgreicher Vollstreckung hätte sich ein Antrag auf Kaug erübrigt. Von der Erfolglosigkeit der Zwangsvollstreckung habe der Kläger aber erst am 7. Dezember 1980, also nach Ablauf der Ausschlußfrist des Satzes 1 erfahren.
Mit ihrer Revision rügt die Beklagte die Verletzung des § 141e Abs 1 AFG nF. Der Kläger habe die Nichteinhaltung der Ausschlußfrist des Abs 1 Satz 2 zu vertreten. Die Kenntnis von einer Abweisung mangels Masse sei nicht geeignet, die Hoffnung auf erfolgreiche Einzelzwangsvollstreckung zu wecken. Jedenfalls aber könnten Vollstreckungsmaßnahmen kein hinreichender Grund sein, die daneben mögliche und risikolose rechtzeitige Beantragung von Kaug zu unterlassen. Vielmehr sei dem Kläger offenbar bis zu seinem Gespräch mit dem Gerichtsvollzieher am 7. Dezember 1980 nichts von der Möglichkeit bekannt gewesen, Kaug in Anspruch zu nehmen. Hierin und nicht in seiner Bevorzugung der Zwangsvollstreckung liege dann die Ursache für das Unterlassen des Kaug-Antrags innerhalb der Ausschlußfrist trotz Kenntnis von der Insolvenz. Die Unkenntnis über das Bestehen eines Anspruchs sei von dem Kläger zu vertreten, zumal nicht ersichtlich sei, daß diese Unkenntnis auf falscher oder unzureichender Aufklärung oder Beratung des Klägers durch Dienststellen der Beklagten beruhen könnte. Entfalle das nicht zu vertretende Antragshindernis zu einem Zeitpunkt, zu dem eine Antragstellung bis zum Ende der Frist noch möglich und zumutbar sei, so werde keine Nachfrist nach Satz 3 eröffnet.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 8. Februar 1984 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 23. September 1982 zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des LSG habe der Kläger, ohne das vertreten zu müssen, von dem maßgebenden Insolvenzereignis nicht vor dem 21. Oktober 1980 Kenntnis gehabt. Folglich sei für ihn die Nachfrist bis zum 21. Dezember 1980 gelaufen. Zutreffend habe das LSG berücksichtigt, daß der Kläger zunächst versucht habe, aus einem rechtskräftigen Titel zu vollstrecken. Von der Erfolglosigkeit dieser Maßnahme habe er aber erst am 7. Dezember 1980 erfahren. Aus der Regelung des § 141e Abs 1 Satz 4 AFG folge, daß, wer sich mit der erforderlichen Sorgfalt bemüht habe, die Versäumung der Ausschlußfrist nicht zu vertreten habe. Das Gesetz erwarte, daß der Arbeitnehmer zunächst versuche, seine Ansprüche gegen den Arbeitgeber mit den zur Verfügung stehenden Zwangsvollstreckungsmaßnahmen durchzusetzen. Das sei hier geschehen. Der Kläger hätte die Nichteinhaltung der Ausschlußfrist nur dann zu vertreten gehabt, wenn ihm der Beginn der Ausschlußfrist bzw deren Ende bekannt gewesen wäre oder hätte bekannt sein müssen. Solche Umstände seien aber nicht festgestellt worden.
Die Beteiligten sind damit einverstanden, daß der Senat ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheidet (§ 124 Abs 2 SGG).
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist begründet, weil der Kläger wegen verspäteter Antragstellung keinen Anspruch auf Konkursausfallgeld (Kaug) für die streitige Zeit hat.
Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des LSG ist ein Antrag, das Konkursverfahren über das Vermögen des früheren Arbeitgebers des Klägers zu eröffnen, am 2. Oktober 1980 mangels Masse abgelehnt worden. Wie der erkennende Senat bereits mit seinem Urteil vom 26. August 1983 (BSGE 55, 284) entschieden hat, beginnt die zweimonatige Ausschlußfrist des § 141e Abs 1 Satz 2 AFG nF innerhalb derer der Antrag auf Kaug zu stellen ist, gleichermaßen bei allen nach § 141b Abs 1 und Abs 3 AFG rechtserheblichen Insolvenzereignissen mit deren Eintritt ohne Rücksicht darauf, ob dem Arbeitnehmer diese Ereignisse bekannt sind oder nicht. Das ergibt sich aus der Neufassung des § 141e AFG durch das 5. AFG-ÄndG vom 23. Juli 1979 (BGBl I 1189), die am 1. August 1979 in Kraft getreten und anzuwenden ist, wenn das Konkursverfahren nach dem 31. Juli 1979 eröffnet worden ist bzw die entsprechenden Insolvenzereignisse eingetreten sind (§ 141e Abs 3 AFG nF). Die zu der alten Fassung des § 141e AFG ergangene Entscheidung des BSG vom 20. Oktober 1977 - 12 RAr 93/76 - (BSGE 45, 85), auf die sich der Kläger wiederholt bezogen hat, ist nicht mehr maßgebend, weil der Gesetzgeber die von dem BSG angenommene und in der Weise gefüllte Gesetzeslücke, daß bei Unkenntnis eines Ablehnungsbeschlusses die Antragsfrist für den Arbeitnehmer erst mit dessen tatsächlicher Kenntnis dieses Beschlusses beginne, durch eine andere gesetzliche Regelung geschlossen hat. Er hat bei nicht zu vertretender Versäumung der zweimonatigen Antragsfrist des § 141e Abs 1 Satz 2 AFG in Satz 3 eine weitere Zweimonatsfrist eröffnet, die zwar mit dem Wegfall des Hindernisses beginnt, aber voraussetzt, daß die erste Frist des § 141e Abs 1 Satz 2 AFG unvertretbar versäumt ist. Fällt das Hindernis schon während des Laufs der ersten Frist weg, so ist damit die weitere Frist des § 141e Abs 1 Satz 3 AFG nicht eröffnet. Maßgeblich bleibt vielmehr die erste Frist. Diese Rechtsauffassung, die der erkennende Senat in dem genannten Urteil vom 26. August 1983 (aaO) vertreten, und an der er auch mit der weiteren - zur Veröffentlichung bestimmten - Entscheidung vom 16. November 1984 (10 RAr 17/83) festgehalten hat, aufzugeben, besteht kein Anlaß. Ein Antragsteller kann zwar eine ihm gesetzlich eingeräumte Frist voll ausnutzen, dh seinen Antrag erst am letzten Tag dieser Frist stellen. Das bedeutet aber nicht, daß diese Frist unterbrochen oder gehemmt wird, wenn der Berechtigte während ihres Laufes zeitweise unverschuldet an der Antragstellung gehindert ist. So ist etwa auch für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei Versäumung einer gesetzlichen Verfahrensfrist nach § 67 SGG die unverschuldete Versäumung Voraussetzung für die Wiedereinsetzung. Auch hier beginnt die einmonatige Antragsfrist mit dem Wegfall des Hindernisses. War das Hindernis jedoch schon während des Laufs der eigentlichen Frist weggefallen, so ist die Versäumung zu vertreten, wenn es dem Berechtigten unter den gegebenen Umständen bei Anwendung der ihm zumutbaren Sorgfalt möglich gewesen wäre, die Frist einzuhalten. Würde man der Rechtsansicht des LSG folgen, daß die weitere Frist in jedem Fall mit Wegfall des Hindernisses eröffnet wird, gleichgültig, ob dieser Zeitpunkt vor oder nach Ablauf der ersten Frist liegt, würde das im Ergebnis wieder zu der früheren Rechtsauffassung führen, daß bei nicht zu vertretender Unkenntnis - jedenfalls eines Ablehnungsbeschlusses - eine Antragsfrist von zwei Monaten erst mit der tatsächlichen Kenntnis beginnt. Das entspräche der Neufassung des § 141e aber nicht.
Da der Kläger mit seinem Antrag vom 8. Dezember 1980 die Frist des § 141e Abs 1 Satz 2 AFG versäumt hat, hätte ihm somit die weitere Frist des § 141e Abs 1 Satz 3 AFG nur zur Verfügung gestanden, wenn er diese erste Frist aus Gründen, die von ihm nicht zu vertreten sind, versäumt hat. Da er jede Fahrlässigkeit zu vertreten hat, wäre das nur der Fall, wenn er ohne fahrlässig zu handeln, diese Frist nicht einhalten konnte (BSG aaO).
Nach den von dem LSG getroffenen Feststellungen ergibt sich für ein nicht fahrlässiges Verhalten des Klägers, das zur Versäumung der Antragsfrist geführt hat, kein Anhalt. Selbst wenn er, wie er jetzt vortragen lässt, am 21. Oktober 1980 aus der Tagespresse nur von der Tatsache der Ablehnung des Konkursantrages, nicht aber den Zeitpunkt des Ablehnungsbeschlusses erfahren hat, wäre das kein Hindernis, das er bei Anwendung der zumutbaren Sorgfalt nicht hätte beseitigen können. Während eines Zeitraumes von sechs Wochen, wie er dem Kläger vom 21. Oktober 1980 bis zum Ablauf der Antragsfrist des § 141e Abs 1 Satz 2 AFG zur Verfügung stand, ist es möglich, soweit nicht besondere Umstände entgegenstehen, bei dem Konkursgericht das Datum eines Ablehnungsbeschlusses zu erfragen und einen Kaug-Antrag zu stellen, zu dessen fristwahrender Wirkung keine weiteren Unterlagen oder Beweismittel vorgelegt werden müssen (vgl Urteil des erkennenden Senats vom 14. August 1984, 10 RAr 18/83 - zur Veröffentlichung bestimmt -). Es kann dahingestellt bleiben, ob es bei wesentlich kürzeren zur Verfügung stehenden Zeiträumen die zumutbare Sorgfalt erfordert, jedenfalls zur Fristwahrung, einen Kaug-Antrag zu stellen, ohne sich vorher über Einzelheiten, wie etwa das Datum oder den Inhalt eines Beschlusses des Konkursgerichts zu unterrichten, wenn nur hinreichende Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß ein relevantes Insolvenzereignis eingetreten ist.
Der Kläger kann sich schließlich nicht darauf berufen, er habe seine Arbeitsentgeltforderung unmittelbar gegen seinen früheren Arbeitgeber geltend gemacht, versucht sich im Wege der Zwangsvollstreckung zu befriedigen und erst nach deren Erfolglosigkeit - dann allerdings sofort - den Kaug-Antrag gestellt. Mit diesem Vorbringen kann er sich nicht auf § 141e Abs 1 Satz 4 AFG stützen. Dort ist nur geregelt, daß der Arbeitnehmer die Versäumung der Ausschlußfrist des § 141e Abs 1 Satz 2 AFG stets zu vertreten hat, wenn er sich nicht mit der erforderlichen Sorgfalt um die Durchsetzung seiner Forderung gegenüber dem Arbeitgeber bemüht hat. Hieraus folgt aber nicht, daß die Versäumung der Ausschlußfrist nicht zu vertreten ist, wenn und solange der Arbeitnehmer sich in diesem Sinne bemüht hat. Wenn der Gesetzgeber an das von ihm erwartete "Bemühen" die Rechtsfolge hätte knüpfen wollen, daß die Antragsfrist so lange gehemmt oder unterbrochen sein soll, wie das Bemühen anhält, so hätte er das positiv ausgedrückt. Die tatsächlich gewählte Fassung enthält aber unmißverständlich nur eine "Sanktion" für den Fall des "Nichtbemühens".
Es liegt nahe, daß der Kläger den Kaug-Antrag nicht früher gestellt hat, weil er zunächst nicht wußte, daß es Ansprüche auf Kaug gibt und/oder daß diese Ansprüche innerhalb der Ausschlußfristen des § 141e Abs 1 Satz 2 AFG geltend gemacht werden müssen. Eine solche Unkenntnis rechtfertigt aber nicht ein "Nichtvertretenmüssen" der Versäumung einer gesetzlichen Ausschlußfrist.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Fundstellen