Entscheidungsstichwort (Thema)
Dreistufigkeit des Wiederaufnahmeverfahrens. Restitutionsklage bei Einstellung des Strafverfahrens. Wiederaufnahmeverfahren bei fehlender strafgerichtlicher Verurteilung
Leitsatz (amtlich)
1. Das Wiederaufnahmeverfahren ist dreistufig aufgebaut (Abgrenzung zu BSG vom 14.11.1968 - 10 RV 471/65 = BSGE 29, 10, 17ff = SozR Nr 3 zu § 580 ZPO).
2. Die Restitutionsklage findet aus den in § 580 Nr 1-5 ZPO genannten Gründen auch dann statt, wenn ein Strafverfahren nach § 153a StPO eingestellt worden ist.
3. Das Wiederaufnahmeverfahren nach § 179 Abs 2 SGG ist unzulässig, wenn eine strafgerichtliche Verurteilung fehlt.
Normenkette
SGG § 179 Abs. 2, 1; ZPO § 580 Nr. 4, § 581 Abs. 1 Hs. 2; StPO § 153a
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob das durch rechtskräftiges Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Baden-Württemberg vom 18. Januar 1990 abgeschlossene Verfahren auf die Restitutionsklage der Versorgungsverwaltung hin wiederaufzunehmen ist.
Der 1922 geborene Beklagte wurde als Berufsoffizier im Zweiten Weltkrieg verwundet. Er bezieht Grund- und Ausgleichsrente sowie Pflegezulage nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG). Im Juni 1984 beantragte er Berufsschadensausgleich (BSchA) und erklärte dazu: Nachdem im Juni 1984 ein Konkursantrag gegen das von ihm als Alleingesellschafter und Geschäftsführer betriebene Ingenieurbüro mangels Masse abgelehnt worden sei, sei er in den folgenden Jahren nur noch mit der Abwicklung seines Betriebes beschäftigt gewesen, habe aber keine selbständige Tätigkeit mehr ausgeübt. Der Kläger lehnte den Antrag ab. Die Klage des Beklagten hatte keinen Erfolg. Das LSG hat den Kläger verurteilt, ab Juni 1984 BSchA auf der Basis eines Vergleichseinkommens nach Besoldungsgruppe A 15 des Bundesbesoldungsgesetzes und eines derzeitigen Bruttoeinkommens nach Besoldungsgruppe A 11 zu gewähren (Urteil vom 18. Januar 1990). Beide Werte seien auf 75 % abzusenken; das Vergleichseinkommen wegen der für Berufsoffiziere geltenden besonderen Altersgrenze (Vollendung des 60. Lebensjahres), das derzeitige Bruttoeinkommen nur deshalb schon vor Vollendung des 65. Lebensjahres, weil der Beklagte schädigungsbedingt aus dem Erwerbsleben ausgeschieden sei. Unter Berücksichtigung dieser vorzeitigen Kürzung des derzeitigen Bruttoeinkommens setzte der Kläger den BSchA des Beklagten für mehrere Jahre rückwirkend zu hoch fest.
Nachdem der Kläger erfahren hatte, daß der Beklagte - entgegen seiner Erklärung - noch über den Juni 1984 hinaus als alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der Firmen "A. GmbH" und "L. C. GmbH" tätig geblieben war, erstattete er Strafanzeige. Die Staatsanwaltschaft erhob Anklage wegen fortgesetzten Betruges (§ 263 Strafgesetzbuch ≪StGB≫). Dieses Strafverfahren stellte das Amtsgericht (AG) gemäß § 153a Abs 2 Strafprozeßordnung (StPO) mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft und der Versorgungsverwaltung endgültig ein, nachdem auch der Angeschuldigte (Beklagte) zugestimmt und die Auflage erfüllt hatte, 3.000,00 DM an eine gemeinnützige Organisation zu zahlen (Beschluß vom 30. März 1992). Von diesem Beschluß erhielt der Kläger am 9. April 1992 Kenntnis.
Das LSG hat die am 6. Mai 1992 erhobene Restitutionsklage wegen des Urteils vom 18. Januar 1990 als unzulässig verworfen (Urteil vom 28. November 1995) und dazu ausgeführt: Die Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 179 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) wegen Prozeßbetrugs sei ein Sondertatbestand gegenüber § 179 Abs 1 SGG iVm § 580 Nr 4 Zivilprozeßordnung (ZPO). Für § 179 Abs 2 SGG fehle es an der zwingend geforderten strafgerichtlichen Verurteilung. Weder die Anklageschrift noch die Zustimmung des Angeschuldigten zur Einstellung nach § 153a Abs 2 StPO stünden einer solchen rechtskräftigen Verurteilung gleich. Selbst bei Rückgriff auf § 179 Abs 1 SGG iVm § 580 Nr 4 und § 581 Abs 1 ZPO sei die Restitutionsklage unzulässig. Die Einstellung nach § 153a Abs 2 StPO erfülle nicht die Voraussetzungen des § 581 Abs 1 Halbsatz 2 ZPO. Weder aus dem Einstellungsbeschluß als solchem noch aus der Zustimmung des Angeschuldigten (Beklagten) noch aus der Auferlegung einer Auflage und ihrer Erfüllung ergebe sich, daß der Beklagte einen Prozeßbetrug begangen habe. Eine derartige Annahme verbiete sich wegen der Unschuldsvermutung.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 179 SGG sowie der §§ 580 ff ZPO. Entgegen der Auffassung des LSG sei die Restitutionsklage zulässig. Ein Restitutionsgrund iS des § 179 Abs 2 SGG liege vor, weil der Beklagte seine Geschäftsführertätigkeit bei der "A. GmbH" sowie der "L. C. GmbH" wissentlich verschwiegen und das LSG seine Entscheidung darauf gestützt habe. § 179 Abs 2 SGG setze eine strafrechtliche Verurteilung nicht zwingend voraus. Sinn und Zweck der Restitutionsklage, die Autorität des Staates und der Gerichte zu wahren, geböten es gerade in Fällen des § 179 Abs 2 SGG, nicht nur eine Verurteilung, sondern auch eine nach § 153a StPO ausgesprochene Verfahrenseinstellung für die Wiederaufnahme eines durch rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens ausreichen zu lassen.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 28. November 1995 aufzuheben und festzustellen, daß die Restitutionsklage zulässig ist und ein Restitutionsgrund iS des § 179 SGG vorliegt.
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 SGG).
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist in dem Sinne begründet, daß das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen ist (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG). Das LSG hat die Restitutionsklage zu Unrecht für unzulässig gehalten und deshalb verworfen. Die Klage ist zulässig, weil der Kläger einen Restitutionsgrund schlüssig behauptet hat und auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen erfüllt sind. Ob der behauptete Restitutionsgrund tatsächlich vorliegt und das rechtskräftige Urteil des LSG vom 18. Januar 1990 deshalb aufzuheben ist, läßt sich nach den bisher vom LSG getroffenen tatsächlichen Feststellungen nicht abschließend entscheiden.
Das LSG hat seiner Entscheidung zu Recht eine Einteilung des Wiederaufnahmeverfahrens in folgende drei Abschnitte zugrunde gelegt: Zulässigkeitsprüfung, aufhebendes Verfahren und ersetzendes Verfahren (vgl Hartmann in Baumbach/Lauterbach, Zivilprozeßordnung, 53. Aufl 1995, Grundzüge vor § 578 Rz 15 mwN; Meyer-Ladewig, Sozialgerichtsgesetz, 5. Aufl 1993, Rz 9). Diese Gliederung hat zur Folge, daß der Senat gehindert ist, selbst zu ermitteln und festzustellen, ob der vom Kläger behauptete Restitutionsgrund vorliegt. Denn dies geschieht auf der zweiten Stufe, im aufhebenden Verfahren, und ist dem Tatsachengericht vorbehalten (vgl BGHZ 3, 65, 68, 69f).
Der Senat weicht mit seiner Auffassung vom dreigliedrigen Aufbau des Wiederaufnahmeverfahrens (vgl bereits beiläufig BSGE 63, 33, 35 = SozR 1300 § 44 Nr 33) nicht von der Entscheidung des 10. Senats des Bundessozialgerichts (BSG) vom 14. November 1968 - 10 RV 471/65 - (BSGE 29, 10, 17 ff = SozR Nr 3 zu § 580 ZPO) ab. Dort hat der 10. Senat zwar allgemein ausgesprochen, für die Wiederaufnahme eines rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens gelte nichts anderes als für ordentliche Rechtsmittel: In einem Unterabschnitt der Zulässigkeitsprüfung sei über die Statthaftigkeit des Rechtsmittels zu befinden. Ob die besonderen Statthaftigkeitsgründe der §§ 579, 580 ZPO vorlägen, sei deshalb im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung zu entscheiden. Der 10. Senat hat aber erkannt, daß seine Betrachtungsweise zum Aufbau des Wiederaufnahmeverfahrens in dieser Allgemeinheit im Gegensatz zur Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH) stand, was eine Anrufung des - ab 1. Juli 1968 eingerichteten - Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes erforderlich gemacht hätte. Der 10. Senat hat deshalb unter Berufung auf die - damals noch - uneinheitliche Rechtsprechung des BGH (vgl zur Bereinigung: BGHZ 57, 211, 212 f) zu dem in § 580 Nr 7b ZPO genannten Restitutionsgrund (Auffinden einer anderen Urkunde) dargelegt, daß er mit seiner Entscheidung zu eben diesem Restitutionsgrund von der Rechtsprechung des BGH nicht abweiche. Nur insoweit trägt mithin die besondere Auffassung des 10. Senats zur Gliederung des Wiederaufnahmeverfahrens dessen Entscheidung. Davon weicht der erkennende Senat nicht ab, weil es hier um einen Fall des § 580 Nr 4 ZPO (Urteilserschleichung) geht.
Diese Vorschrift ist nach § 179 Abs 1 SGG im sozialgerichtlichen Verfahren entsprechend anzuwenden. Sie wird nicht durch den Sondertatbestand des § 179 Abs 2 SGG verdrängt, wie das LSG meint. Durch § 179 Abs 2 SGG wird der Katalog der Wiederaufnahmegründe gegenüber § 179 Abs 1 SGG iVm §§ 579, 580 ZPO erweitert. Das ergibt sich aus dem Wortlaut der Vorschrift, wonach die Wiederaufnahme "ferner", mithin zusätzlich zu den in Abs 1 genannten Fällen zulässig ist. Inhaltlich geht § 179 Abs 2 SGG deshalb über die Wiederaufnahmegründe der ZPO, insbesondere über § 580 Nr 4 ZPO hinaus. Während das Urteil nach dieser Vorschrift erschlichen sein muß, genügt es für § 179 Abs 2 SGG, daß die fälschlich behauptete oder verschwiegene Tatsache für die Entscheidung von wesentlicher Bedeutung war (vgl Peters/Sautter/Wolff, Komm zur Sozialgerichtsbarkeit, 3. Aufl, § 580 Anm 3; s auch Meyer-Ladewig aaO § 179 Rz 6). Die für den Prozeßbetrug erforderliche Absicht, sich durch unwahre Behauptungen einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, verlangt der Tatbestand des § 179 Abs 2 SGG danach nicht (Bley GK-SGG, Stand 1987, § 179 Anm 7c). Die Vorschrift fordert aber im Gegensatz zu §§ 580 Nr 4, 581 Abs 1 Halbsatz 2 ZPO eine - hier fehlende - strafgerichtliche Verurteilung des Beteiligten wegen wissentlich falscher Behauptung einer Tatsache. Die Unmöglichkeit strafgerichtlicher Verfolgung aus anderen Gründen als aus Mangel an Beweisen genügt nicht (aA Bley aaO § 179 Anm 7b, der § 581 Abs 1 Halbsatz 2 ZPO entsprechend anwenden will). Das ergibt sich aus dem Wortlaut der Vorschrift und aus ihrer Entstehungsgeschichte. Der Gesetzgeber hat § 179 Abs 2 SGG nach dem Vorbild der §§ 1722 ff Reichsversicherungsordnung (RVO) und des § 66 des Gesetzes über das Verfahren in Versorgungssachen - Verfahrensgesetz - geschaffen (vgl BT-Drucks 1/4357, S 32). Diese Vorschriften machten die Wiederaufnahme abgeschlossener Verwaltungsverfahren in den § 179 Abs 2 SGG vergleichbaren Fällen davon abhängig, daß wegen der strafbaren Handlung eine rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilung ergangen war oder ein gerichtliches Strafverfahren aus anderen Gründen als wegen Mangels an Beweis nicht eingeleitet oder durchgeführt werden konnte. Die Übernahme nur der strafgerichtlichen Verurteilung in die Regelung des § 179 Abs 2 SGG zwingt zu dem Schluß, daß für diesen Restitutionsgrund die Wiederaufnahme bei Strafverfahrenshindernissen ausgeschlossen sein soll. Dieses Ergebnis wird bestätigt durch die zugleich mit § 179 Abs 2 SGG bei Einführung des SGG erfolgte Neuregelung der Wiederaufnahme abgeschlossener Verwaltungsverfahren in § 220 Nr 18 SGG aF. Nur dort ist der Gesetzgeber dem Vorbild der §§ 1744 Abs 2 RVO aF, 66 Abs 2 Verfahrensgesetz in vollem Umfang gefolgt, indem er gegenüber einem bindenden Verwaltungsakt eines Versicherungsträgers eine neue Prüfung auch für den Fall zugelassen hat, daß ein gerichtliches Strafverfahren gegen den Beteiligten, der Tatsachen wissentlich falsch behauptet hatte, aus anderen Gründen als wegen Mangels an Beweis nicht eingeleitet oder nicht durchgeführt werden konnte.
Nach § 179 Abs 1 SGG iVm § 580 Nr 4 ZPO findet die Restitutionsklage statt, wenn das Urteil von dem Gegner (hier: vom Beklagten) durch eine in Beziehung auf den Rechtsstreit verübte Straftat erwirkt ist. Das hat der Kläger schlüssig behauptet, indem er auf das Strafverfahren verwiesen hat. Dort war der Beklagte in bezug auf den dem Urteil vom 18. Januar 1990 vorausgehenden Rechtsstreit eines fortgesetzten Betruges zum Nachteil des Versorgungsträgers angeklagt. Der Vortrag des Klägers umfaßt auch das Vorliegen der für diesen Restitutionsgrund in § 581 Abs 1 ZPO geforderten weiteren Voraussetzung einer Verurteilung wegen der Straftat oder der Unmöglichkeit ihrer Verfolgung aus anderen Gründen als dem Mangel an Beweisen. Die hier fragliche Straftat konnte als Vergehen nicht mehr verfolgt werden, weil mit der - nach Zahlung einer Geldbuße - endgültigen Einstellung des Verfahrens nach § 153a Abs 2 StPO ein Verfolgungshindernis entstanden war (vgl § 153a Abs 2 iVm Abs 1 Satz 4 StPO). In Rechtsprechung (OLG Hamm, FamRZ 1997, 759; FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 13. Dezember 1995 - 1 K 2001/94 - nicht veröffentlicht) und Literatur (Hartmann aaO § 581 Rz 4; Zöller, ZPO, 20. Aufl 1997, § 581 Rz 8; Grunsky in Stein/Jonas, ZPO, 21. Aufl 1994, § 581 Rz 4; Bley, aaO, § 179 Anm 3c, bb) ist anerkannt, daß dieses Verfolgungshindernis unter die in § 581 Abs 1 Halbsatz 2 ZPO genannten - nicht im Mangel an Beweis liegenden - anderen Gründe fällt, wegen derer ein Strafverfahren nicht erfolgen kann. Der Senat schließt sich dem mit Braun (MünchKomm ZPO, 1992, § 581 Rz 9) aus folgender Erwägung an: Bei Inkrafttreten der ZPO (am 1. Oktober 1879) konnte ein Strafverfahren wegen restitutionsbegründender Delikte aus anderen Gründen als wegen Mangels an Beweis nicht eingestellt werden. Das Erfordernis strafgerichtlicher Verurteilung beruhte daher auf der stillschweigenden Voraussetzung, daß bei hinreichendem Tatverdacht zwingend Anklage zu erheben war, außer wenn ein Verfahrenshindernis vorlag. Die späteren Einschränkungen des Legalitätsprinzips haben diesen Zusammenhang zerstört. Eine allein am Wortlaut des § 581 Abs 1 Halbsatz 2 ZPO ausgerichtete Interpretation würde dieser historischen Entwicklung nicht gerecht. Maßgebend ist vielmehr die Überlegung, daß einer durch Prozeßbetrug, Falschaussage, Urkundenfälschung und andere Delikte beeinträchtigten Partei kein restitutionsrechtlicher Nachteil daraus entstehen darf, daß die Strafverfolgungsbehörden ein Strafverfahren aus Opportunitätsgründen nicht durchführen.
Anders als vom LSG angenommen steht dem auch die Unschuldsvermutung nicht entgegen. Bei dieser handelt es sich nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) um eine besondere Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips, die auch kraft Art 6 Abs 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten Bestandteil des positiven Rechts der Bundesrepublik Deutschland im Range eines Bundesgesetzes ist. Die Unschuldsvermutung verlangt, daß dem Täter in einem justizförmig geordneten Verfahren, das eine wirksame Sicherung der Grundrechte des Beschuldigten gewährleistet, Tat und Schuld nachgewiesen werden müssen. Bis zum gesetzlichen Nachweis der Schuld wird seine Unschuld vermutet (vgl BVerfG, Beschluß vom 16. Januar 1991 - BvR 1326/90 -, NJW 1991, 1530, 1531f). Deshalb läßt sich zwar weder aus dem Einstellungsbeschluß nach § 153a Abs 2 StPO noch aus der vom Beklagten damals erklärten Zustimmung schließen, die ihm damals zur Last gelegte Straftat sei nachgewiesen. Das heißt aber nicht, daß nach Einstellung des Strafverfahrens einem Dritten - hier dem Kläger - die Behauptung eines Restitutionsgrundes nach § 580 Nr 4 ZPO und den Gerichten im Restitutionsverfahren - hier dem LSG - die eigenständige Würdigung und Bewertung der strafrechtlichen Verfahrensakten - auf der zweiten Stufe des Wiederaufnahmeverfahrens - verwehrt ist. Die Gerichte bleiben vielmehr trotz des Einstellungsbeschlusses nach § 153a Abs 2 StPO befugt, die im staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren und im strafgerichtlichen Verfahren gewonnenen Erkenntnisse und Beweismittel eigenständig darauf zu prüfen, ob der Restitutionsbeklagte das Urteil durch eine in Beziehung auf den Rechtsstreit verübte Straftat erwirkt hat (vgl dazu BVerfG aaO). Dagegen bestehen jedenfalls dann keine Bedenken, wenn der ehemals Beschuldigte - wie hier der Beklagte - am Verfahren beteiligt ist und somit rechtliches Gehör erhält.
Ob der vom Kläger schlüssig behauptete Restitutionsgrund tatsächlich vorliegt, wird das LSG auf der zweiten Stufe des wiedereröffneten Verfahrens zu entscheiden haben, nachdem es die dazu notwendigen Feststellungen insbesondere zum inneren Tatbestand der Straftat getroffen hat.
Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.
Fundstellen
BSGE 81, 46 |
BSGE, 46 |
NZS 1998, 256 |
SGb 1998, 377 |
SozR 3-1500 § 179, Nr. 1 |
SozSi 1999, 31 |