Orientierungssatz
Die HaVO kann nicht im Wege der Auslegung auf solche Tatbestände ausgedehnt werden, die von der HaVO nicht erfaßt werden.
HaVO § 7 Nr 2 verlangt, daß die Freistellung des Betriebsrats im Anschluß an die in §§ 1 - 6 aaO bezeichneten Arbeiten erfolgt ist. Es darf also zwischen der Betriebsratstätigkeit und den früheren anderen Tätigkeiten keine Unterbrechung eingetreten sein.
Normenkette
RKG § 59 Abs. 1 Fassung: 1957-05-21; HaVO § 7 Nr. 2 Fassung: 1958-03-04
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 11. Oktober 1962 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Der Kläger war u. a. von 1927 bis 1940 als Hauer, von 1940 bis 1944 als Zuschläger und ab 1. Januar 1945 als Schmied über Tage beschäftigt. Seit Mai 1945 ist er als Mitglied des Betriebsrats von der Arbeit freigestellt; seit 1. Juni 1946 wird er als Hauer entlohnt. Vom 1. August 1940 bis zum 31. Mai 1946 bezog der Kläger die Invalidenpension bzw. Knappschaftsrente wegen eines Augenleidens; seit 1. Januar 1954 bezog der Kläger Knappschaftssold.
Auf Antrag des Klägers vom November 1957 gewährte ihm die Beklagte die Bergmannsrente nach § 45 Abs. 1 Nr. 2 des Reichsknappschaftsgesetzes (RKG) vom 1. Januar 1957 an; bei der Rentenberechnung ließ sie die Zeit vom 1. August 1940 an für den Leistungszuschlag unberücksichtigt. Demgegenüber begehrte der Kläger, ihm auch für die Zeit vom 1. Januar 1946 bis 31. Dezember 1956 Leistungszuschlag zu gewähren. Die Beklagte lehnte ab, weil der Kläger nicht unmittelbar vor der Freistellung als Betriebsratsmitglied Hauerarbeiten oder gleichgestellte Tätigkeiten verrichtet habe. Widerspruch, Klage und Berufung blieben erfolglos. Zur Begründung führte das Landessozialgericht (LSG) aus, nach § 7 Nr. 2 der Hauerarbeitenverordnung stehe die Tätigkeit eines Betriebsratsmitgliedes der Hauerarbeit gleich, Voraussetzung sei jedoch, daß der Versicherte bisher eine der in den §§ 1 bis 6 der Hauerarbeitenverordnung genannten Arbeiten ausgeübt habe und im Anschluß daran wegen der Zugehörigkeit zum Betriebsrat von dieser Arbeit freigestellt worden sei. Dies treffe aber bei dem Kläger nicht zu. Denn die Freistellung müsse "im Anschluß" an die Hauerarbeit erfolgt sein, d. h. einer solchen Tätigkeit zeitlich unmittelbar folgen. Der Kläger sei aber nicht von der Hauerarbeit, sondern von der bis dahin ausgeübten Tätigkeit als Schmied über Tage freigestellt worden. Überdies sei es auch sehr zweifelhaft, ob der Kläger ohne die Freistellung nach dem 1. Juni 1946 zur Gedingearbeit zurückgekehrt wäre. Denn der Arzt habe ihn damals lediglich zur Verrichtung bestimmter Tätigkeiten über Tage für fähig gehalten, die Tauglichkeit für Gedingearbeit aber ausdrücklich verneint. Revision wurde zugelassen.
Der Kläger legte gegen das Urteil Revision ein und trägt vor, zwar stehe der Wortlaut des § 7 Nr. 2 der Hauerarbeitenverordnung seinem Anspruch entgegen, jedoch sei Sinn dieser Bestimmung, Versicherte von der Art des Klägers wegen der ehrenamtlichen Betriebsratstätigkeit nicht schlechter zu stellen. Er werde aber schlechter gestellt, wenn ihm für die Zeit, in der er Hauerarbeiten hätte verrichten können, der Leistungszuschlag versagt werde. Entgegen der Ansicht des LSG müsse die Zeit des Rentenbezugs außer Betracht bleiben. Werde diese Zeit aber ausgeklammert, so habe der Kläger "bisher" eine Hauerarbeit verrichtet und sei "im Anschluß daran" wegen der Betriebsratstätigkeit von der Hauerarbeit freigestellt worden.
Der Kläger beantragt,
unter Abänderung der Urteile des LSG Nordrhein-Westfalen vom 11. Oktober 1962 und des Sozialgerichts Duisburg vom 20. September 1960 sowie unter Aufhebung der Bescheide die Beklagte zu verurteilen, bei Berechnung des Leistungszuschlags für die Bergmannsrente auch die Zeit vom 1. Juni 1946 bis zum 31. Dezember 1956 als hauergleiche Arbeiten anzuerkennen und den Leistungszuschlag entsprechend zu berechnen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Beide Beteiligten sind mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden.
II.
Die nach § 162 Abs. 1 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte Revision ist zulässig, konnte aber keinen Erfolg haben.
Nach § 59 Abs. 1 RKG erhöht sich die Bergmannsrente um den Leistungszuschlag, wobei der Leistungszuschlag nach mindestens zehn Jahren Hauerarbeit unter Tage oder dieser gleichgestellten Arbeiten für jedes weitere volle Jahr einer solchen Tätigkeit gewährt wird. Nach § 59 Abs. 2 in Verbindung mit § 49 Abs. 6 RKG bestimmt der Bundesminister für Arbeit durch Rechtsverordnung ... den Begriff der Hauerarbeit unter Tage und der diesen gleichgestellten Arbeiten für die einzelnen Bergbauarten. Nach § 7 Nr. 2 der Hauerarbeitenverordnung vom 4. März 1958 (BGBl. I, 137) wird den Hauerarbeiten unter Tage gleichgestellt die Tätigkeit als Mitglied des Betriebsrats, wenn der Versicherte bisher eine der in §§ 1 bis 6 bezeichneten Arbeiten ausgeübt und er im Anschluß daran wegen der Betriebsratstätigkeit von diesen Arbeiten freigestellt worden ist. Es wird hier verlangt, daß die Freistellung des Betriebsrats im Anschluß an die in §§ 1 bis 6 bezeichneten Arbeiten erfolgt ist. Es darf also zwischen der Betriebsratstätigkeit und den früheren anderen Tätigkeiten keine Unterbrechung eingetreten sein. Durch diese Vorschrift soll gemäß den Grundsätzen des Betriebsverfassungsgesetzes (§ 37 Abs. 2) das Betriebsratsmitglied, das seine bisherige Tätigkeit nicht mehr ausübt, nicht schlechter gestellt werden als bisher; es soll also so behandelt werden, als habe es die Tätigkeit weiter ausgeübt, von der aus es Mitglied des Betriebsrats geworden ist. Etwas anderes könnte nur gelten, wenn der Versicherte im Zeitpunkt der Wahl zum Betriebsratsmitglied krank gewesen wäre oder aus einem anderen Grunde nur vorübergehend eine andere Tätigkeit ausgeübt hätte, weil es dann unbillig wäre, es auf diesen mehr zufälligen vorübergehenden Umstand abzustellen. Sonst ist aber nur von der unmittelbar vorhergehenden Arbeit auszugehen, nicht aber von einer solchen, die er früher, schon lange zurückliegend, einmal ausgeübt hat oder einer, die er möglicherweise einmal später verrichtet hätte (vgl. die Urteile des Senats vom 12. Juli 1956 und 3. Oktober 1957, SozR RKG § 35 a aF Nr. 3 und 5). Hier ist ausdrücklich ausgeführt, nur die von dem Versicherten tatsächlich verrichtete Tätigkeit sei maßgebend, Berufstätigkeiten, die der Versicherte im Laufe weiterer Berufsentwicklung möglicherweise einmal verrichtet haben würde, könnten nicht berücksichtigt werden. Unter diesen Umständen kann unerörtert bleiben, ob der Kläger nach Entziehung seiner früheren Rente seit 1946 wieder in der Lage gewesen wäre, Hauerarbeiten zu verrichten. Denn es muß von der Tätigkeit ausgegangen werden, die er unmittelbar vor der Tätigkeit zum Betriebsrat ausgeübt hat. Dies war aber keine der in der Hauerarbeitenverordnung genannten Tätigkeiten.
Auch wenn diese Lösung vielleicht unbillig erscheinen könnte, so ist doch zu beachten, daß eine ausdehnende Anwendung der Hauerarbeitenverordnung nicht zulässig ist, wie der Senat in seinem Urteil vom 13. Dezember 1962 (5 RKn 11/61) ausgesprochen hat. Mit der Aufstellung der in der Hauerarbeitenverordnung genannten Beschäftigungen, die nach vorausgegangener Abstimmung mit den Tarifparteien erfolgt ist, sollten bewußt klare, nicht überschreitbare Grenzen gezogen werden, die auch von den Gerichten einzuhalten sind. Da diese Grenzen auch für den vorliegenden Fall gelten, kann die Verordnung auch nicht im Wege der Auslegung auf solche Tatbestände ausgedehnt werden, die von der Verordnung nicht erfaßt werden. Dies wäre aber der Fall, weil sich die Tätigkeit des Klägers als Betriebsratsmitglied nicht unmittelbar an eine der in der Hauerarbeitenverordnung genannten Beschäftigungen angeschlossen hat.
Die Revision muß daher zurückgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung ergeht nach § 193 SGG.
Fundstellen