Entscheidungsstichwort (Thema)
Künstlersozialversicherung – Versicherungspflicht – Künstler – allein vertretungsberechtigter GmbH-Geschäftsführer – Beteiligung an GmbH mit 50 vH – Sprungrevision – Einreichung der Zustimmung des Rechtsmittelgegners per Telefax
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Künstler, der mit 50 vH der Geschäftsanteile an einer GmbH beteiligt und allein vertretungsberechtigter Geschäftsführer ist, ist nicht Arbeitgeber der Beschäftigten der GmbH und jedenfalls aus diesem Grund nicht von der Versicherungspflicht in der Künstlersozialversicherung ausgeschlossen.
2. Die Zustimmung des Rechtsmittelgegners zur Einlegung der Sprungrevision kann vom Rechtsmittelführer formgerecht auch per Telefax eingereicht werden, dem ein entsprechendes Telefax des Rechtsmittelgegners zugrunde liegt.
Stand: 2. Juli 2001
Normenkette
KSVG § 1 Nr. 2, §§ 24-25; SGG § 161 Abs. 1 Sätze 1, 3
Beteiligte
Landesversicherungsanstalt Oldenburg-Bremen, –Künstlersozialkasse– |
Verfahrensgang
SG Köln (Entscheidung vom 07.06.2000; Aktenzeichen S 5 (19) RA 9/99) |
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 7. Juni 2000 geändert. Der Bescheid der Beklagten vom 13. Januar 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. April 1999 und des Teilanerkenntnisses vom 7. Juni 2000 wird aufgehoben.
Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers in allen Rechtszügen zu erstatten.
Gründe
I
Der Kläger wendet sich gegen seinen Ausschluß aus der Künstlersozialversicherung.
Der Kläger ist als Komponist, Texter, Arrangeur und Musiker unter dem Künstlernamen „G” tätig. Mit Bescheid vom 30. Juni 1995 stellte die beklagte Künstlersozialkasse die Versicherungspflicht des Klägers nach § 1 des Künstlersozialversicherungsgesetzes (KSVG) in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung sowie der sozialen Pflegeversicherung mit Wirkung ab dem 24. März 1995 fest.
Am 4. September 1995 gründeten der Kläger und R. Sch. als Gesellschafter die d. GmbH. Nach dem Gesellschaftsvertrag sind Unternehmensgegenstand: Musikproduktion, Musikverlag, Schallplattenvertrieb, Künstlermanagement und Merchandising. Unternehmenszweck im weiteren Sinn ist die Vermarktung des Klägers. Das Stammkapital der Gesellschaft von 50.000,– DM wird zu gleichen Teilen von den beiden Gesellschaftern gehalten. Beschlüsse bedürfen, soweit durch Gesetz oder Gesellschaftsvertrag keine größere Mehrheit vorgeschrieben ist, der Mehrheit aller abgegebenen Stimmen, wobei je 100,– DM eines Geschäftsanteils eine Stimme darstellen. Aufgrund eines Beschlusses der Gesellschafterversammlung vom 4. September 1995 schloß die d GmbH am 26. September 1997 mit dem Kläger einen Vertrag über die Anstellung als Geschäftsführer. Danach ist der Kläger, auch wenn mehrere Geschäftsführer bestellt sind, allein vertretungsberechtigt und von den Beschränkungen des § 181 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) befreit. Neben dem Kläger ist auch R. Sch. allein vertretungsberechtigter Geschäftsführer.
Die d. GmbH beschäftigt durchschnittlich sieben Arbeitnehmer, davon zwei geringfügig, die übrigen sozialversicherungspflichtig. Der Kläger ist ausschließlich als Autor und Sänger bei öffentlichen Gesangs-, Werbe- und Promotionsauftritten sowie bei Tonträgeraufnahmen tätig. Die sonstigen Aufgaben, wie Produktion, Konzertveranstaltung, Merchandising, Sponsoring sowie Filmproduktion, werden von R. Sch. wahrgenommen.
Mit Bescheid vom 13. Januar 1999 teilte die Beklagte dem Kläger mit, daß seine Versicherungspflicht nach § 1 KSVG am 31. Dezember 1998 geendet habe, da er im Zusammenhang mit seiner künstlerischen Tätigkeit mehr als einen nicht nur geringfügig beschäftigten Arbeitnehmer beschäftige. Der Widerspruch des Klägers blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 30. April 1999). Mit der hiergegen gerichteten Klage hat der Kläger geltend gemacht, er sei lediglich formal Geschäftsführer, ohne jedoch tatsächlich eine geschäftsführende Tätigkeit auszuüben. Hierfür bleibe ihm neben seinen übrigen Aktivitäten keine Zeit. Er habe die Stellung eines Geschäftsführers lediglich eingenommen, um seine Kontrollrechte gegenüber denen eines bloßen Gesellschafters zu erweitern. In der mündlichen Verhandlung vom 7. Juli 2000 hat die Beklagte als Teilanerkenntnis erklärt, die Mitgliedschaft des Klägers in der Künstlersozialversicherung habe erst mit dem 1. Februar 1999 geendet. Mit Urteil vom 7. Juni 2000 hat das Sozialgericht (SG) die weitergehende Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, der Kläger beschäftige im Zusammenhang mit seiner künstlerischen Tätigkeit mehr als einen Arbeitnehmer, was nach § 1 Nr 2 KSVG einer Versicherungspflicht nach dem KSVG entgegenstehe. Zwar bestünden die Arbeitsverträge nicht unmittelbar mit ihm, sondern mit der d. GmbH. Der Kläger habe jedoch die Rechtsmacht, Arbeitgeberfunktionen innerhalb der d. GmbH auszuüben, weil er die Gesellschaft als alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer mit einem Gesellschaftsanteil von 50 % beherrsche.
Hiergegen richtet sich die vom SG zugelassene Sprungrevision des Klägers. Der Kläger hat die Zustimmung der Beklagten zur Einlegung der Sprungrevision bis zum Ablauf der Revisionsfrist nur als Telefax vorgelegt, dem ein entsprechendes Telefax der Beklagten an die Prozeßbevollmächtigte des Klägers zugrunde lag. Mit der Sprungrevision rügt der Kläger eine Verletzung von § 1 Nr 2 KSVG. Das SG habe zu Unrecht entschieden, daß er im Zusammenhang mit seiner künstlerischen Tätigkeit mehr als einen Arbeitnehmer beschäftige. Arbeitgeber sei nicht er, der Kläger, sondern die d. GmbH. Da ihm neben seiner künstlerischen Tätigkeit für die Geschäftsführung keine Zeit bleibe, habe er auch keine arbeitgeberähnliche Position inne. Die im Gesetz genannte Voraussetzung des Fehlens einer Beschäftigung von mehr als einem Arbeitnehmer müsse eng ausgelegt werden. Nach dem Wortlaut sei erforderlich, daß der Künstler selbst die Arbeitnehmer beschäftige.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 7. Juni 2000 zu ändern und den Bescheid der Beklagten vom 13. Januar 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. April 1999 und des Teilanerkenntnisses vom 7. Juni 2000 für die Zeit ab dem 1. Februar 1999 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Revision des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 7. Juni 2000 zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
II
Die Revision des Klägers ist zulässig und begründet.
1. Der Zulässigkeit steht nicht entgegen, daß der Kläger innerhalb der Revisionsfrist die nach § 161 Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erforderliche Zustimmungserklärung des Gegners zur Einlegung der Sprungrevision lediglich als Telefax vorgelegt hat, dem selbst nicht das Original zugrunde lag, sondern das der Prozeßbevollmächtigten des Klägers von der Beklagten übermittelte Telefax. Nach bisheriger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ist die Zustimmung zur Sprungrevision nicht ordnungsgemäß nachgewiesen, wenn innerhalb der Rechtsmittelfrist lediglich eine einfache Fotokopie der Zustimmungserklärung vorgelegt wird (vgl zuletzt SozR 3-1500 § 161 Nr 11). Das Schriftformerfordernis des § 161 Abs 1 Satz 3 SGG ist allerdings gewahrt, wenn der Revisionskläger den Inhalt des Originalschriftstücks, in dem der Rechtsmittelgegner die Zustimmung zur Einlegung der Sprungrevision erteilt, als Telefax an das Revisionsgericht übermittelt (BSG SozR 3-1500 § 161 Nr 12), was hier nicht der Fall ist.
Der bisherigen Rechtsprechung des BSG ist, soweit es um die Verwendung elektronischer Übertragungsformen für Erklärungen geht, die der Schriftform bedürfen, durch die Entscheidung des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 5. April 2000 (GmSOGB 1/98 = NJW 2000, 2340) die Grundlage entzogen worden. Die bisherige Rechtsprechung beruhte auf dem Rechtssatz, daß die Zustimmungserklärung unabhängig vom Bestehen oder Nichtbestehen einer Manipulationsgefahr im Einzelfall generell denselben formalen Anforderungen zu unterwerfen sei, die für die Rechtsmittelschrift selber und andere bestimmende Schriftsätze gelten (BSG SozR 3-1500 § 161 Nr 3 und 11). In bezug auf sog bestimmende Schriftsätze im Zivilprozeß hat der GmS (aaO) jedoch nunmehr entschieden, daß diese formwirksam auch dadurch eingereicht werden können, daß eine elektronische Textdatei mit eingescannter Unterschrift bzw mit der Anmerkung, daß der benannte Urheber wegen der gewählten Übertragungsform nicht unterzeichnen könne, auf ein Faxgerät des Gerichts übertragen wird. Der alleinige Zweck der Schriftform, die Rechtssicherheit und insbesondere die Verläßlichkeit der Eingabe zu gewährleisten, könne auch im Falle einer derartigen elektronischen Übermittlung gewahrt werden. Für die hier vorliegende Konstellation der Übermittlung eines Faxes durch ein weiteres Fax gilt nichts anderes. Auch insoweit hat die Rechtsprechung dem technischen Fortschritt auf dem Gebiet der Telekommunikation Rechnung zu tragen. Maßgeblich für die Beurteilung der Wirksamkeit eines elektronisch übermittelten Schriftsatzes ist nicht eine beim Absender vorhandene schriftliche Vorlage, sondern allein die auf seine Veranlassung am Empfangsort (Gericht) erstellte körperliche Urkunde (GmSOGB 1/98, aaO). Wenn es – wie im Falle eines sog Computer-Faxes – an einer sog Originalurkunde gänzlich fehlen kann, gibt es keine Rechtfertigung mehr dafür, eine formwirksame Übermittlung einer Erklärung eines Dritten davon abhängig zu machen, daß dem Fax ein Original zugrunde gelegen hat. Zweifel an der Echtheit der Erklärungen können hier wie dort in gleicher Weise auftreten. Diese Unsicherheit ist im Interesse der Beschleunigung des Rechtsverkehrs hinzunehmen; Zweifel an der Urheberschaft werden nur im Ausnahmefall auftreten und können in der Regel relativ schnell aufgeklärt werden.
Der Senat war nicht verpflichtet, vor einer Entscheidung das Verfahren nach § 41 SGG durchzuführen. Die Anrufung des Großen Senats des BSG ist nicht erforderlich, wenn ein Senat sich – abweichend von der Entscheidung eines anderen Senats dieses Gerichts – in einer Rechtsfrage einer neueren Entscheidung des GmSOGB anschließen will (BSG, Urteil vom 26. September 1972, 5 RKnU 21/70 = BSGE 34, 269, 271 = SozR Nr 1 zu § 602 Reichsversicherungsordnung ≪RVO≫).
2. Die Revision ist auch in der Sache begründet. Der angefochtene Bescheid war aufzuheben. Der Kläger ist folglich aufgrund des Bescheides vom 30. Juni 1995, mit dem die Beklagte seine Versicherungspflicht nach § 1 KSVG in der Rentenversicherung der Angestellten sowie in der gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung festgestellt hat, weiterhin nach dem KSVG pflichtversichert.
Die Beklagte ist in dem angefochtenen Bescheid zu Unrecht davon ausgegangen, durch die Gründung der „d. GmbH” sei gegenüber dem Feststellungsbescheid vom 30. Juni 1995 eine Änderung der Verhältnisse eingetreten, weil die in § 1 Nr 2 KSVG enthaltene Voraussetzung der Versicherungspflicht, daß im Zusammenhang mit der künstlerischen Tätigkeit nicht mehr als ein Arbeitnehmer beschäftigt wird, seither nicht mehr gegeben sei. Daß der Kläger nicht persönlich Arbeitgeber der Beschäftigten der GmbH ist, wird auch von der Beklagten nicht in Abrede gestellt. Diese rechnet die Arbeitgeberstellung der GmbH jedoch zu Unrecht dem Kläger zu, weil dieser als allein vertretungsberechtigter Geschäftsführer der GmbH über Gesellschaftsanteile mit bestimmendem Einfluß verfüge. Zwar hat das SG den Einwand des Klägers, er könne die ihm formal zustehende Funktion innerhalb der Gesellschaft schon wegen seiner zeitlichen Belastung nicht ausfüllen, zu Recht als unerheblich eingestuft. Nach den von der Rechtsprechung für die Abgrenzung von selbständiger Tätigkeit und abhängiger Beschäftigung herausgearbeiteten Grundsätzen sind die tatsächlichen Verhältnisse Grundlage der Beurteilung (BSGE 13, 130, 132 = SozR Nr 20 zu § 165 RVO; BSGE 83, 246, 251 = 5425 § 1 Nr 5); zu den tatsächlichen Verhältnissen zählt auch die dem Betroffenen zustehende Rechtsmacht, ohne daß es darauf ankommt, inwieweit er diese im Einzelfall tatsächlich ausübt (BSGE 66, 69, 71 = SozR 4100 § 104 Nr 19; SozR 3-2400 § 7 Nr 4).
Dies führt dazu, daß der Kläger durch seine Anstellung als Geschäftsführer der GmbH nicht seine Selbständigkeit verloren hat. Weil der andere Gesellschafter ihm bei gleichen Gesellschaftsanteilen wegen des für Beschlüsse geltenden Mehrheitsprinzips gegen seinen Willen keine Weisungen erteilen kann, unterliegt der Kläger als Geschäftsführer keinem für ein Beschäftigungsverhältnis typischen Direktionsrecht des Arbeitgebers. Er blieb damit weiterhin selbständiger Künstler, wenn auch im Rahmen eines Dienstvertrages.
Die in bezug auf § 1 Nr 2 KSVG maßgebende Frage, ob der Kläger als Gesellschafter Arbeitgeber neben oder anstelle der GmbH ist, kann aber nicht unter Rückgriff auf die von der Rechtsprechung im Hinblick auf geschäftsführende Gesellschafter entwickelten Grundsätze zur Abgrenzung von abhängiger Beschäftigung und selbständiger Tätigkeit (BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 4 mwN) beantwortet werden. Denn dort geht es nur darum, ob der Betroffene Einwirkungen Dritter auf seine eigene Rechtsstellung abwehren kann oder nicht. Mit der Selbständigkeit ist insoweit jedoch nicht ohne weiteres auch die Innehabung der Arbeitgeberfunktion verbunden.
Der Kläger ist aufgrund seiner Stellung in der Gesellschaft nicht in der Lage, gegenüber den von der GmbH beschäftigten Arbeitnehmern das Direktionsrecht des Arbeitgebers allein wahrzunehmen. Insoweit ist seine Stellung als einzeln vertretungsberechtigter Geschäftsführer nicht ausschlaggebend. Zwar kann er dadurch die Gesellschaft gegenüber Dritten ohne Einschränkungen vertreten und ist daher auch in der Lage, eigenständig Arbeitsverträge im Namen der Gesellschaft abzuschließen und Arbeitnehmern zu kündigen. Der Kläger kann dieses Recht jedoch nicht allein und gegen den Willen des anderen Gesellschafters ausüben, ohne gegen den Gesellschaftsvertrag zu verstoßen. Insoweit ist zwischen der Rechtsmacht nach außen und den Befugnissen im Innenverhältnis zu unterscheiden. Das für die Willensbildung innerhalb der Gesellschaft maßgebende Stimmrecht liegt zu gleichen Teilen beim Kläger und dem Mitgesellschafter Sch. Ohne die Zustimmung des Mitgesellschafters kann der Kläger das Direktionsrecht des Arbeitgebers nicht ausüben; er machte sich damit gegenüber der Gesellschaft schadensersatzpflichtig. Der Gesellschaftsvertrag läßt die für das Ergebnis des SG maßgebende Auslegung, der Kläger könne die Gesellschaftsanteile seines Mitgesellschafters im Konfliktfall einziehen (kaduzieren), nicht zu. Andernfalls müßte der Mitgesellschafter dann auch die Gesellschaftsanteile des Klägers kaduzieren und diesen aus der Gesellschaft herausdrängen können, was ersichtlich nicht zutreffen kann.
Dem Kläger kann die Arbeitgeberfunktion trotz seiner Stellung als geschäftsführender Gesellschafter der „d. GmbH” aber auch schon deshalb nicht zugerechnet werden, weil damit die vom Kläger hier gewählte Gestaltungsform, die von der Rechtsordnung anerkannt wird, unbeachtet bliebe. Es gibt keinen Grund, die Stellung der „d GmbH” als Arbeitgeber der bei ihr beschäftigten Arbeitnehmer nur im Hinblick auf die Künstlersozialversicherung anders zu beurteilen als im Hinblick auf alle anderen Rechtsbereiche. Der erkennende Senat hat es bereits in anderem Zusammenhang abgelehnt, die Existenz einer rechtlich selbständigen Gesellschaft aufgrund einer wirtschaftlichen Gesamtbetrachtung unberücksichtigt zu lassen (BSGE 82, 107, 109 = SozR 3-5425 § 25 Nr 12). Der Kläger hat zusammen mit seinem Mitgesellschafter mit der „d GmbH” eine im Rechtsverkehr anerkannte Unternehmensform gewählt. Die rechtliche Unabhängigkeit einer Gesellschaft selbst bei einem – was hier nicht der Fall ist – sie beherrschenden Alleingesellschafter ist in anderen Rechtsbereichen, etwa im Gesellschafts-, Steuer- und Haftungsrecht, unbestritten, obgleich auch dort gleichgerichtete wirtschaftliche Interessen zwischen beiden Rechtssubjekten bestehen (vgl BSGE 82, 107, 109 = SozR 3-5425 § 25 Nr 12).
Für die Künstlersozialversicherung ist die Zwischenschaltung eines Unternehmens als eigenständiger Rechtsperson zwischen Künstler und „Kunstverbraucher” vor allem in bezug auf die Künstlersozialabgabe von Bedeutung. Das Unternehmen unterliegt nach §§ 24, 25 KSVG auch dann der Abgabepflicht, wenn der Unternehmenszweck nur darin besteht, einen bestimmten Künstler zu vermarkten, der zugleich beherrschender Gesellschafter des Unternehmens ist (BSGE 82, 107, 109 = SozR 3-5425 § 25 Nr 12). Erhält er ein Geschäftsführergehalt, so unterliegt dieses der Bemessung der Künstlersozialabgabe, soweit es für künstlerische Tätigkeiten gezahlt wird. Der Abgabepflicht unterliegen darüber hinaus die Honorare, die der Künstler unabhängig von seiner Geschäftsführertätigkeit bezieht. Hieraus folgt auch im Hinblick auf den Kläger und die zu seiner Vermarktung eingesetzte Gesellschaft, daß der Künstler durch die Zwischenschaltung einer GmbH regelmäßig nicht einseitig zu Lasten der Künstlersozialkasse einen wirtschaftlichen Vorteil erzielen kann. Dem wirtschaftlichen Vorteil einer kostengünstigen Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung steht die Abgabelast der Gesellschaft gegenüber, die ihn letztlich trifft, weil sie seinen Gewinnanteil als Gesellschafter schmälert.
Ein Ausschluß von der Versicherungspflicht nach dem KSVG kann, ohne eine spezielle gesetzliche Grundlage, nicht allein mit der fehlenden Schutzbedürftigkeit begründet werden. Zwar verfolgte der Gesetzgeber mit der Anordnung der Versicherungspflicht grundsätzlich das Ziel, in eine zwangsweise Vorsorge gegen die Risiken Alter, Invalidität, Krankheit und Pflegebedürftigkeit, die von dritter Seite (Unternehmen, die Kunst oder Publizistik verwerten, sowie Bundeshaushalt) in erheblichem Umfang mitfinanziert wird, wie auch in andere Bereiche der Sozialversicherung nur solche Personen einzubeziehen, die sozial schutzbedürftig und nicht in der Lage sind, einen vergleichbaren Schutz aus eigener Kraft aufzubauen. Als schutzbedürftig wurden nur diejenigen Künstler und Publizisten angesehen, deren soziale Lage mit derjenigen eines Arbeitnehmers vergleichbar ist (vgl BT-Drucks 11/2964, S 14). Die Gestaltung der Vermarktung durch ein vom Künstler beherrschtes selbständiges Unternehmen läßt allein keinen Rückschluß auf dessen wirtschaftliche Leistungsfähigkeit bzw. soziale Schutzbedürftigkeit zu. Als Abgrenzungskriterium hat der Gesetzgeber vielmehr allein die Beschäftigung von mehr als einem Arbeitnehmer eingeführt. Der Gesetzgeber hat damit bewußt ein Kriterium eingesetzt, das nicht geeignet ist, alle Künstler von einem Versicherungsschutz auszuschließen, die unter sozialen Aspekten nicht als schutzbedürftig erscheinen; andernfalls hätte er, wie in anderen Zweigen der Sozialversicherung, eine Einkommensgrenze festgesetzt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Fundstellen
BSGE 88, 1 |
BSGE, 1 |
FA 2001, 384 |
NZA-RR 2002, 261 |
NZS 2001, 547 |
SozR 3-5425 § 1, Nr. 6 |
AuS 2001, 60 |
SozSi 2003, 180 |