Entscheidungsstichwort (Thema)
Wehrdienstbeschädigung – Schädigung – Unfall während der Ausübung des Wehrdienstes – innere Ursache – äußere Einwirkung – haftungsbegründende Kausalität – Gleichzeitigkeit – gesetzliche Unfallversicherung – Privilegierung
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Schädigung durch eine (zeitlich begrenzte) äußere Einwirkung (zB durch Aufprall auf einen harten Gegenstand) stellt auch dann einen Unfall iS des Versorgungsrechts dar, wenn sie im Zuge eines durch innere Ursachen bedingten Geschehens (zB Sturz wegen Herzinfarkts) eintritt.
2. Nach § 81 Abs 1 Alt 2 SVG (§ 1 Abs 1 Alt 2 BVG) geschützt ist der Soldat nicht nur gegen solche Unfälle, die er infolge der Ausübung, sondern auch gegen solche, die er nur gleichzeitig mit der Ausübung des Wehrdienstes erleidet.
Stand: 26. Februar 2001
Normenkette
SGB X § 44 Abs. 1 S. 1; SVG § 81 Abs. 1 Alt. 2, § 85 Abs. 1; BVG § 1 Abs. 1 Alt. 2; SGB VII § 8 Abs. 1 S. 2
Beteiligte
Bundesrepublik Deutschland |
das Bundesministerium der Verteidigung, dieses vertreten durch die Wehrbereichsverwaltung V |
das Niedersächsische Landesamt für Zentrale Soziale Aufgaben -Landesversorgungsamt- |
Verfahrensgang
Tenor
Die Revisionen der Beklagten und des Beigeladenen gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 25. Februar 2000 werden zurückgewiesen.
Die Anschlußrevision der Klägerin wird als unzulässig verworfen.
Die Beklagte und der Beigeladene haben der Klägerin als Gesamtschuldner zwei Drittel der Kosten des gesamten Verfahrens zu erstatten.
Gründe
I
Der 1937 geborene Rechtsvorgänger der Klägerin (S) war von 1963 bis September 1993 Berufssoldat der Bundeswehr, zuletzt als Kommandeur einer Panzertruppenschule im Rang eines Oberstleutnants. Als Ausbilder eines Lehrgangs nahm er am 8. Oktober 1991 im Rahmen eines wehrsportlichen Vierkampfes an einem 20 km-Gepäcklauf auf Zeit teil. Nach Erreichen des Ziels und einer kurzen Unterhaltung mit Kameraden erlitt er auf dem Wege zu seiner Lehrgruppe einen Vorderwandinfarkt und stürzte mit der rechten Kopfseite auf eine betonierte Raseneinfassung. Dabei zog er sich eine Halswirbelsäulenverletzung mit Lähmungen der linken Körperhälfte sowie einen Bruch bzw die Lockerung von sechs Zähnen zu.
Die Beklagte hat mit Bescheid der Wehrbereichsverwaltung V vom 7. Dezember 1992 in der Gestalt des Beschwerdebescheides vom 13. September 1993 die Gewährung von Leistungen iS des § 85 des Soldatenversorgungsgesetzes – SVG – (Ausgleich) abgelehnt. Die Bescheide wurden bestandskräftig.
Im November 1993 beantragte S die Rücknahme dieser Bescheide und die Anerkennung der Folgen der am 8. Oktober 1991 erlittenen Gesundheitsstörungen als Wehrdienstbeschädigungsfolgen sowie die Gewährung von Ausgleich nach § 85 SVG. Mit Bescheid vom 5. Mai 1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Mai 1995 lehnte die Beklagte diesen Antrag ab.
Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte verurteilt, einen Zustand nach Herzvorderwandinfarkt bei coronarer Herzkrankheit, Halswirbelsäulenprellung und Halsmarkkontusion mit inkompletter Querschnittssymptomatik und deren Folgen sowie den Verlust mehrerer Zähne im Ober- und Unterkiefer als Wehrdienstbeschädigungsfolgen festzustellen und „die MdE festzusetzen” (Urteil vom 10. September 1997). Das Landessozialgericht (LSG) hat ein weiteres Sachverständigengutachten eingeholt und die Klage abgewiesen, soweit im erstinstanzlichen Urteil ein Zustand nach Herzinfarkt als Wehrdienstbeschädigungsfolge festgestellt worden ist. Im übrigen wies es die Berufungen der Beklagten und des Beigeladenen zurück. In den Entscheidungsgründen wird ausgeführt: Der Herzinfarkt sei nicht wesentlich durch den 20 km-Lauf verursacht worden und stelle auch keinen Unfall iS des § 81 Abs 1 SVG dar. Er beruhe auf einer inneren Ursache. Zu der Herzerkrankung hätten auch nicht wesentlich wehrdiensteigentümliche Verhältnisse beigetragen, insbesondere nicht die Verpflichtung des S, truppenärztliche Versorgung in Anspruch zu nehmen. Denn – wie der im zweiten Rechtszug gehörte Sachverständige bekundet habe – sei es entgegen der Annahme des SG zu keinem Behandlungsfehler durch die behandelnden Truppenärzte gekommen. Hingegen seien die Folgen des unmittelbar nach Erleiden des Herzinfarktes erfolgten Sturzes auf die betonierte Raseneinfassung als Folgen eines „während der Ausübung des Wehrdienstes erlittenen Unfalls” anzusehen. Denn insoweit liege ein Unfall vor. Darauf, ob dieser durch Ausübung des Wehrdienstes verursacht worden sei, komme es nicht an.
Gegen dieses Urteil haben die Beklagte und der Beigeladene die vom LSG zugelassene Revision eingelegt. Beide Revisionskläger rügen die Verletzung des § 81 Abs 1 2. Alt SVG.
Die Beklagte sieht den Gesetzesverstoß darin, daß das LSG in unzulässiger Weise das Geschehen vom 8. Oktober 1991 – Infarkt mit anschließendem Sturz – „auseinandergerissen” habe. Es habe ein einheitlich zu beurteilendes Geschehen vorgelegen. Der Herzinfarkt habe – als nicht auf äußerer Einwirkung beruhendes Ereignis – keinen „Unfall iS des § 27 Abs 2 Satz 1 SVG” dargestellt. Dasselbe müsse für den Sturz und seine Folgen gelten, da der Sturz Teil eines einheitlichen Geschehens gewesen sei.
Der Beigeladene macht geltend: Das LSG habe die vom Bundessozialgericht (BSG) vertretene Auffassung, das Recht der Soldatenversorgung sei „die gesetzliche Unfallversicherung” der Soldaten, nicht beachtet. Nur solche Unfälle könnten eine Wehrdienstbeschädigung darstellen, die wesentlich durch die Ausübung des militärischen Dienstes verursacht seien. Andernfalls würde der Schutz des Soldaten weiter gehen als derjenige des gesetzlich Unfallversicherten.
Die Beklagte und der Beigeladene beantragen sinngemäß und – im Ergebnis – übereinstimmend,
das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 25. Februar 2000 insoweit aufzuheben, als damit das Urteil des Sozialgerichts Lüneburg vom 10. September 1997 bestätigt worden ist, ferner insoweit das Urteil des Sozialgerichts ebenfalls aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Rechtsvorgänger der Klägerin hat, nachdem ihm die Revisionsbegründungen der Beklagten und des Beigeladenen im Juni 2000 zugestellt worden waren, mit Telefax vom 7. August 2000 Anschlußrevision (sinngemäß) mit dem Antrag eingelegt,
unter Abänderung des Urteils des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 25. Februar 2000 die Berufungen der Beklagten und des Beigeladenen gegen das Urteil des Sozialgerichts Lüneburg vom 10. September 1997 zurückzuweisen.
Diesen Antrag hat die Klägerin aufrechterhalten und ferner die Zurückweisung der Revisionen beantragt.
Sie ist der Ansicht, der von S am 8. Oktober 1991 erlittene Herzinfarkt sei als Unfall und somit als Wehrdienstbeschädigung anzusehen und seine gesundheitlichen Folgen stellten deshalb Wehrdienstbeschädigungsfolgen dar.
Alle Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung iS des § 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zugestimmt.
II
1. Die Anschlußrevision ist unzulässig. Der Rechtsvorgänger der Klägerin hat sie nicht innerhalb der Monatsfrist des nach § 202 SGG entsprechend anwendbaren § 556 der Zivilprozeßordnung eingelegt (BSGE 44, 184; Meyer-Ladewig, SGG, 6. Aufl, RdNr 3a zu § 160). Die Revisionsbegründungen der Beklagten und des Beigeladenen wurden ihm am 15. bzw 6. Juni 2000 zugestellt. Seine Anschlußrevision ist jedoch erst am 7. August 2000 beim BSG eingegangen. Deshalb kann der Senat die vorinstanzliche Entscheidung, soweit es um die begehrte Anerkennung eines Zustandes nach Herzinfarkt geht, nicht überprüfen. Das Urteil des LSG ist insoweit mit Ablauf der Frist für die Anschlußrevision rechtskräftig geworden (vgl auch Urteil des Senats vom 25. März 1999 Az: B 9 SB 12/97 R im Leitsatz veröffentlicht in SozSich 1999, 370).
2. Auch die – zulässigen – Revisionen der Beklagten und des Beigeladenen haben keinen Erfolg. Die Beklagte ist – wie die Vorinstanzen zu Recht angenommen haben – verpflichtet, ihren bestandskräftigen Bescheid vom 7. Dezember 1992 in der Gestalt des Beschwerdebescheides vom 13. September 1993 teilweise zurückzunehmen und die Gesundheitsstörungen, die sich S durch den Sturz am 8. Oktober 1991 zugezogen hatte, als Wehrdienstbeschädigungsfolgen anzuerkennen und die durch sie bedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) festzusetzen.
Gemäß § 44 Abs 1 Satz 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch – Verwaltungsverfahren – (SGB X) ist ein rechtswidriger nichtbegünstigender Verwaltungsakt, auch wenn er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, daß bei seinem Erlaß das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Diese Voraussetzungen sind erfüllt.
Zu Recht hat das LSG angenommen, daß die Bescheide vom 7. Dezember 1992 und 13. September 1993, soweit sie die Folgen des Sturzes vom 8. Oktober 1991 betreffen, gegen § 81 Abs 1 und somit auch gegen § 85 Abs 1 SVG verstoßen. Gemäß § 85 Abs 1 SVG erhalten Soldaten wegen der Folgen einer Wehrdienstbeschädigung während ihrer Dienstzeit einen Ausgleich in Höhe der Grundrente und der Schwerbeschädigtenzulage nach § 30 Abs 1 und § 31 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG). Eine Wehrdienstbeschädigung liegt nach § 81 Abs 1 SVG dann vor, wenn eine gesundheitliche Schädigung durch eine Wehrdienstverrichtung, durch einen während der Ausübung des Wehrdienstes erlittenen Unfall oder durch die dem Wehrdienst eigentümlichen Verhältnisse herbeigeführt worden ist. Die vom SG – soweit das LSG dieses Urteil bestätigt hat – im Tenor seiner Entscheidung vom 10. September 1997 genannten Gesundheitsstörungen „Halswirbelsäulenprellung und Halsmarkkontusion mit inkompletter Querschnittssymptomatik und deren Folgen, Verlust mehrerer Zähne des Ober- und Unterkiefers” sind Wehrdienstbeschädigungsfolgen, weil sie Folgen des Unfalls sind, den S am 8. Oktober 1991 während der Ausübung des Wehrdienstes erlitten hat (vgl § 81 Abs 1 2. Alt SVG).
Entgegen der Meinung der Beklagten lag ein Unfall vor. Ein Unfall iS des § 81 Abs 1 SVG ist gleichbedeutend mit dem Unfall im Sinne des Rechts der gesetzlichen Unfallversicherung. Gemäß § 8 Abs 1 Satz 2 des Sozialgesetzbuchs – Gesetzliche Unfallversicherung – (SGB VII) ist Unfall ein zeitlich begrenztes von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis, das zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führt. Ebenso wie auch der Unfall iS des § 27 Abs 2 Satz 1 SVG setzt also der „Unfall” iS des § 81 Abs 1 2. Alt SVG eine äußere Einwirkung voraus. Daß der Herzinfarkt – wie die Beklagte annimmt – kein Unfall gewesen ist, weil er ausschließlich auf innerer Ursache – also nicht auf äußerer Einwirkung – beruhte, hat bereits das LSG rechtskräftig entschieden. Trotzdem sind die Voraussetzungen des § 81 Abs 1 SVG iVm § 8 Abs 1 Satz 2 SGB VII erfüllt. Denn durch seinen Sturz und das Aufschlagen mit dem Kopf auf die Betoneinfassung des Rasens hat S zusätzlich zu seiner Schädigung durch eine innere Ursache einen Unfall erlitten, mag dieser auch durch den Herzinfarkt – und damit mittelbar ebenfalls durch eine innere Ursache – bedingt gewesen sein. Denn in dem Aufprall auf die Betoneinfassung ist „ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis” iS des Unfallbegriffs zu sehen (vgl auch BSG vom 28. Juli 1977 SozR 2200 § 550 Nr 35; Schwertfeger in Lauterbach, Unfallversicherung, SGB VII, Bd 1 4. Aufl, RdNr 26 zu § 8 SGB VII auch: BSGE 61, 127, 128 ff).
Zu Unrecht macht die Beklagte geltend, das LSG habe insoweit den einheitlichen Geschehensablauf vom 8. Oktober 1991 „auseinandergerissen”. Der Geschehensablauf umfaßt jedenfalls auch einen Vorgang – nämlich den Aufprall auf der Betoneinfassung –, der alle Merkmale eines Unfalls aufweist. Dies aber ist entscheidend und nicht die Frage, aus welchen Gründen S gestürzt ist.
Der Unfall spielte sich auch „während der Ausübung des Wehrdienstes” iS von § 81 Abs 1 SVG ab. Denn das LSG hat unangegriffen festgestellt, daß sich der Unfall während S' Rückkehr zu seiner Lehrgruppe ereignete. Für eine Unterbrechung des Wehrdienstes, den S mit seiner Beteiligung an dem 20 km-Marsch begonnen hatte, etwa durch die Aufnahme einer wehrdienstfremden (eigenwirtschaftlichen) Tätigkeit bis zum Unfallzeitpunkt, ergeben die Feststellungen des LSG keinen Anhaltspunkt; auch von den Revisionsklägern wird hierfür nichts geltend gemacht.
Für die Einordnung des Unfalls als Wehrdienstbeschädigung ist sein zeitgleicher Ablauf mit der wehrdienstlichen Verrichtung ausreichend. Der Wehrdienst muß nicht ursächlich für den Unfall gewesen sein (vgl BSGE 8, 264, 271 ff; Urteil vom 6. August 1968 – 10 RV 420/66 – BVBl 1969, 59; BSGE 33, 141, 143; Sailer in Wilke/Fehl/Förster/Leisner/Sailer, RdNr 17 zu § 81 SVG; Fehl aaO RdNrn 21 und 55 zu § 1 BVG; Rohr/Sträßer, Bundesversorgungsrecht mit Verfahrensrecht, Stand November 1999, Anm 16 zu § 1 BVG). Anders als für den Unfall „bei” der Durchführung einer der in § 1 Abs 2 „Buchst e BVG genannten Maßnahmen” (vgl § 1 Abs 2 Buchst f BVG und § 81 Abs 2 Nr 2 Buchst a und b SVG; Fehl aaO RdNr 55; Sailer aaO RdNr 21 mwN) und anders als beim „Dienstunfall” iS des § 27 Abs 1 SVG – sowie des § 31 Abs 1 Beamtenversorgungsgesetz (BeamtVG) – (vgl Bauer in Stegmüller/Schmalhofer/Bauer/BeamtVG Erl 1a zu § 31 mwN und BVerwGE 89, 117, 119) verlangt § 81 Abs 1 SVG in der hier anwendbaren Alternative keinen Ursachenzusammenhang zwischen Ausübung des Wehrdienstes und dem Unfall.
Allerdings hat der Senat in seinem Urteil vom 15. Dezember 1999 (SozR 3-3200 § 81 Nr 16), auf das der Beigeladene hinweist, die Frage geprüft, ob zwischen dienstlicher Tätigkeit (Wehrdienst) und einem dabei eingetretenen (Sport-)Unfall ein ursächlicher Zusammenhang (haftungsbegründende Kausalität) vorlag. Der Anspruch auf Ausgleich ließ sich seinerzeit aber auch mit dieser Begründung bejahen, da es für diesen Anspruch zwar nicht erforderlich ist, aber ausreicht, wenn ein (wesentlich) durch den Wehrdienst verursachter Unfall den fraglichen Gesundheitsschaden bewirkt hat. Denn der Soldat ist im Rahmen der Regelung des § 81 Abs 1 SVG gegen zwei Arten von Unfällen geschützt: (stillschweigend) gegen solche, die sich infolge des Wehrdienstes, und (ausdrücklich) gegen solche, die sich „während der Ausübung des Wehrdienstes” (vgl § 81 Abs 1, 2. Alt SVG) ereignen. Bei der ersten Art von Unfällen wird es sich jedenfalls in aller Regel um zugleich eine „durch eine Wehrdienstverrichtung herbeigeführte gesundheitliche Schädigung” iS des § 81 Abs 1, 1. Alt SVG handeln. Ausgehend von diesem Vorverständnis hat der Senat seinerzeit das Vorliegen eines „Unfalls infolge des Dienstes” bzw „infolge einer Wehrdienstverrichtung” geprüft und bejaht, wodurch er Gelegenheit erhielt, seine Rechtsprechung zu dem für die haftungsbegründende Kausalität erforderlichen Beweisgrad zu überprüfen. Der Senat hat jedoch mit jener Entscheidung vom 15. Dezember 1999 (SozR 3-3200 § 81 Nr 16) nicht beabsichtigt, die Rechtsprechung des BSG zur Frage, wann ein „während der Ausübung des Wehrdienstes” erlittener Unfall iS des § 81 Abs 1 SVG vorliegt (BSGE 8, 264, 271 ff; 33, 141, 143; BSG, Urteil vom 6. August 1968 – 10 RV 420/66 – BVBl 1969, 59), aufzugeben. Ebensowenig läßt sich aus den vom Senat sonst gelegentlich gezogenen Parallelen zwischen dem Recht der gesetzlichen Unfallversicherung und dem Soldatenversorgungsrecht (vgl etwa SozR 3-3200 § 81 Nrn 3 und 8) der Rechtssatz herleiten, das SVG dürfe keine Privilegierung gegenüber dem Recht der gesetzlichen Unfallversicherung enthalten.
Auch der Einwand der Beklagten, es müsse ein innerer Zusammenhang zwischen der „unfallbringenden” Verrichtung und dem Wehrdienst bestehen, ist nicht stichhaltig. Insoweit wird der Entscheidung des 10. Senats vom 22. September 1971 – BSGE 33, 141, 143 ff – ein darin nicht enthaltener Rechtssatz entnommen. Denn das BSG hat in dem genannten Urteil nicht verlangt, daß eine „unfallbringende” Verrichtung, also ein für den Unfall kausales Geschehen, mit dem Wehrdienst in innerer Beziehung stehen muß, sondern nur, daß die Verrichtung, während welcher sich der Unfall ereignet hat, mit dem Wehrdienst in innerem Zusammenhang steht. Diese Voraussetzung ist hier aber nach den insoweit unangegriffenen und damit für den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) erfüllt. Der Sturz ereignete sich während der Rückkehr des S zu seiner Lehrgruppe. Die Rückkehr stand aber (noch) in innerem Zusammenhang mit dem Wehrdienst.
Soweit sich die Beklagte ausdrücklich auch gegen die Kostenentscheidung des LSG wendet, ist dies im Rahmen einer – wie im vorliegenden Falle – nicht auf den Kostenpunkt beschränkten Revision statthaft (Meyer-Ladewig aaO, § 165 RdNr 3), ihr Rechtsmittel aber ebenfalls unbegründet. Unter Berücksichtigung der Möglichkeit, die im Zeitpunkt der vorinstanzlichen Entscheidung noch bestanden hat, daß eine Besserung der Folgen des Herzinfarktes eintreten könnte, die Folgen der Halswirbelsäulenschädigung mit Querschnittssymptomatik aber irreversibel waren und ihnen daher größeres Gewicht zukam, erscheint die Kostenentscheidung des LSG, 2/3 der außergerichtlichen Kosten dem Leistungsträger aufzuerlegen, angemessen. Allerdings war die Kostenentscheidung dahin zu korrigieren, daß die Beklagte und der Beigeladene die außergerichtlichen Kosten als Gesamtschuldner zu tragen haben, und zwar für alle Instanzen. Dem steht nicht entgegen, daß dem Beigeladenen insoweit erstmalig im Verfahren über seine eigene Revision ein Teil der Kosten der vorinstanzlichen Verfahren auferlegt wird. Dies ist zulässig, weil das Verbot der reformatio in peius insoweit nicht gilt (vgl BSGE 68, 47 ≪insoweit unveröffentlicht≫; BSGE 62, 131, 136 = SozR 4100 § 141b Nr 40 mwN; Meyer-Ladewig, aaO, RdNr 16 zu § 193 SGG).
Fundstellen
BSGE 87, 194 |
BSGE, 194 |
SozR 3-3200 § 81, Nr. 18 |
br 2002, 132 |
AuS 2001, 52 |