Entscheidungsstichwort (Thema)
Berücksichtigung der Witwengrundrente als Einkommen bei Bezug von Arbeitslosenhilfe. Unterhaltspflicht gegenüber Volljährigen
Leitsatz (amtlich)
Bei der Prüfung, ob der Arbeitslose einen Unterhaltsanspruch hat, der gemäß § 138 Abs 1 Nr 1 AFG zu berücksichtigen ist, ist die Witwengrundrente nach Bundesversorgungsgesetz als Einkommen des Unterhaltspflichtigen zu berücksichtigen. § 138 Abs 3 Nr 5 AFG gilt insoweit nicht.
Orientierungssatz
1. Unterhaltsansprüche volljähriger Arbeitsloser gegen ihre Eltern richten sich nach den Bestimmungen des BGB. Diese sehen eine Nichtberücksichtigung der Witwengrundrente als Einkommen des Unterhaltspflichtigen nicht vor. Für Unterhaltsansprüche des Arbeitslosen gegenüber seinem nicht dauernd von ihm getrennt lebenden Ehegatten und gegenüber seinen Eltern, sofern der Arbeitslose minderjährig und unverheiratet ist, gelten demgegenüber bei der Bedürftigkeitsprüfung die Bestimmungen des BGB nicht. Vielmehr wird hier das Einkommen des Unterhaltspflichtigen aus Gründen der Praktikabilität, soweit es die in § 138 Abs 1 Nr 2 AFG genannten Freibeträge überschreitet, grundsätzlich voll angerechnet. Diese Anrechnung geschieht zwar in Anlehnung an die Unterhaltsregelungen des BGB; jedoch kann sie, da es sich bei § 138 Abs 1 Nr 2 AFG um eine lex specialis handelt, nicht auf bürgerlich-rechtliche Vorschriften über die Unterhaltsverpflichtung angewandt werden. Das hat zur Folge, daß bei dem Einkommen der Mutter eines minderjährigen unverheirateten Arbeitslosen die Witwengrundrente gemäß § 138 Abs 3 Nr 5 AFG nicht als Einkommen gilt. Unterschiedliche Voraussetzungen für die Einkommensberechnung führen daher, was die Anrechnung der Witwengrundrente als Einkommen angeht, nach der Systematik des Gesetzes zu unterschiedlichen Ergebnissen.
2. Zwar gibt § 1602 Abs 1 BGB der wirtschaftlichen Eigenverantwortung des Volljährigen für die Bestreitung seines Unterhalts den Vorrang. Das hat jedoch nur zur Folge, daß an die Beurteilung, ein gesunder Volljähriger, der nicht in der Berufsausbildung ist, sei außerstande, seinen Lebensunterhalt selbst zu verdienen, strenge Anforderungen zu stellen sind (Anschluß an BGH 1984-12-06 IVb ZR 53/83).
Normenkette
AFG § 138 Abs. 1 Nr. 1 Fassung: 1979-07-23, Nr. 2 Fassung: 1979-07-23, Abs. 2 S. 1 Fassung: 1979-07-23, Abs. 3 Nr. 5 Fassung: 1969-06-25; BGB §§ 1601, 1602 Abs. 1, § 1603 Abs. 1, § 1610 Abs. 2; BVG § 40
Verfahrensgang
Tatbestand
Streitig ist die Höhe der dem Kläger zustehenden Arbeitslosenhilfe (Alhi).
Die Beklagte bewilligte dem 1951 geborenen ledigen Kläger durch Bescheid vom 31. Oktober 1980 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Januar 1981 Alhi in Höhe von 213,58 DM wöchentlich ab 1. Oktober 1980. Ermittelt wurde dieser Betrag nach einem wöchentlichen Arbeitsentgelt von 590,-- DM, dem ein Leistungssatz von 221,40 DM entsprach. Dieser Betrag wurde wegen eines Unterhaltsanspruchs des Klägers gegen seine Mutter um 7,82 DM gekürzt. Den Unterhaltsanspruch errechnete die Beklagte aufgrund der monatlichen Gesamteinkünfte der Mutter des Klägers, die sich aus einer Erwerbsunfähigkeitsrente (EU-Rente) und einer Witwenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung von 315,60 DM bzw 699,90 DM sowie einer Witwengrundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) in Höhe von 420,-- DM zusammensetzten. Von der Summe dieser Einkünfte wurde ein monatlicher Freibetrag von 1.300,-- DM abgesetzt. Von den verbleibenden 135,50 DM wurde ein Viertel, das sind 33,80 DM im Monat, berücksichtigt und als zu leistender Unterhalt angesehen, der wöchentlich mit 7,82 DM angesetzt wurde.
Mit seiner Klage wandte sich der Kläger, der ab 5. Januar 1981 nicht mehr arbeitslos war, gegen die Einbeziehung der Witwengrundrente bei der Feststellung seiner Bedürftigkeit. Das Sozialgericht (SG) hat dem Begehren entsprochen und die Beklagte unter Abänderung der angefochtenen Bescheide verurteilt, dem Kläger die Alhi ab 1. Oktober 1980 ohne Anrechnung der seiner Mutter gewährten Witwengrundrente zu zahlen. Es hat die Berufung zugelassen.
Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im wesentlichen folgendes ausgeführt: Die Höhe der Alhi richte sich neben dem zugrunde liegenden Bemessungsentgelt nach dem Grad der Bedürftigkeit des Arbeitslosen. Dabei sei nach § 138 Abs 1 Nr 1 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) das Einkommen des Arbeitslosen zu berücksichtigen, einschließlich der Leistungen, die er von Dritten erhält oder beanspruchen kann, soweit es nicht nach § 115 anzurechnen ist. Nach § 138 Abs 1 Nr 2 AFG sei das Einkommen des vom Arbeitslosen nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten und der Eltern eines minderjährigen unverheirateten Arbeitslosen insoweit zu berücksichtigen, als es jeweils 75,-- DM in der Woche übersteige. Dieser Betrag erhöhe sich im Falle weiterer Unterhaltsverpflichtungen des Angehörigen um weitere Beträge. Der § 138 Abs 1 AFG unterscheide insoweit also zwischen dem Einkommen des Arbeitslosen selbst sowie dem Einkommen seines Ehegatten und dem Einkommen der Eltern des minderjährigen unverheirateten Arbeitslosen einerseits und dem bestehenden Leistungsanspruch des Arbeitslosen gegenüber Dritten andererseits. Nur auf den erstgenannten Personenkreis finde demzufolge bei der anzustellenden Bedürftigkeitsprüfung der eigenständige Einkommensbegriff des § 138 Abs 2 und Abs 3 AFG Anwendung, der insoweit auch die Nichtberücksichtigung der Grundrenten nach dem BVG vorsehe. Demgegenüber sei der Leistungsanspruch des volljährigen Arbeitslosen gegenüber Dritten diesem eigenständigen Einkommensbegriff nicht zuzuordnen.
Allein entscheidungserheblich sei demnach bei der Prüfung des Anspruchs gegenüber Dritten iS des § 138 Abs 1 Nr 1 AFG, in welcher tatsächlichen Höhe ein solcher Anspruch des Arbeitslosen bestehe. Das gelte auch für Unterhaltsansprüche des Arbeitslosen. Die Mutter des Klägers sei diesem gegenüber seit dem hier in Betracht kommenden Zeitpunkt nach §§ 1601 ff Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) unterhaltspflichtig geworden. Sie sei unter Berücksichtigung ihrer eigenen Einkünfte und ihrer sonstigen Verpflichtungen als imstande anzusehen, dem Kläger, der zu diesem Zeitpunkt über kein eigenes Einkommen verfügte, Unterhalt zumindest in der Höhe zu gewähren, die die Beklagte auf die dem Kläger dem Grunde nach zustehende Alhi angerechnet habe. Hierbei sei sie zu Recht bei ihrer Berechnung von einem Gesamteinkommen der Mutter des Klägers von 1.435,50 DM ausgegangen, aufgrund dessen der Unterhaltsanspruch des Klägers zu ermitteln sei. Insbesondere sei danach neben der EU-Rente sowie der Witwenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung auch die Witwengrundrente nach dem BVG in Höhe von 420,-- DM monatlich in vollem Umfang bei der Ermittlung des dem Kläger zustehenden Unterhaltsanspruchs zu berücksichtigen. Die Witwengrundrente sei nicht zum Ausgleich für einen immateriellen Schaden gedacht; vielmehr sei sie als eine für den regelmäßigen Lebensunterhalt bestimmte Leistung als Ausgleich für den Verlust bestehender gesetzlicher Unterhaltsansprüche anzusehen. Soweit die Beklagte dabei, ausgehend von den Nettoeinkünften der Mutter des Klägers in Höhe von 1.435,50 DM, im Ergebnis einen Freibetrag von 1.402,-- DM zugrunde gelegt habe, liege dieser Betrag deutlich über demjenigen Selbstbehalt, der im Jahre 1980 von den Zivilgerichten bei der Ermittlung bestehender Unterhaltsansprüche angewendet worden sei. Der angemessene Selbstbehalt gegenüber Volljährigen nach § 1603 Abs 1 BGB werde für das Jahr 1980 nach den vom Oberlandesgericht Hamm aufgestellten unterhaltsrechtlichen Leitlinien mit monatlich 1.100,-- DM beziffert, wobei diese der Rechtsprechung zugrunde liegenden Leitlinien ihrerseits deutlich über den Ansätzen des Selbstbehaltes lägen, die etwa in der sog Düsseldorfer Tabelle sowie den weiteren von den Oberlandesgerichten aufgestellten Leitlinien enthalten seien.
Hiergegen richtet sich die Revision des Klägers. Er trägt zur Begründung vor, das LSG habe § 138 AFG unrichtig ausgelegt. Das Gesetz habe in Abs 2 dieser Bestimmung festgelegt, was als Einkommen im Sinne der Vorschriften über die Alhi anzusehen sei. Es habe den Einkommensbegriff jedoch nicht nur positiv in Abs 2 bestimmt, sondern auch negativ festgehalten, was nicht als Einkommen gelten solle. Letzteres umfasse nämlich die Regelung in Abs 3 des Gesetzes. Danach seien Grundrenten nach dem BVG nicht als Einkommen anzusehen. Es sei völlig eindeutig, daß der Kläger einen zivilrechtlichen Unterhaltsanspruch gegenüber seiner Mutter gehabt habe. Streitig sei nur die Frage, ob die Fiktion des Abs 3 darüber, was als Einkommen zu gelten habe und was nicht, auch auf diejenigen Einkommen zu beziehen sei, die bei der Berechnung des Unterhaltsanspruchs zugrunde zu legen sind. Dabei sei aufgrund der umfassenden Regelung in Abs 2 des § 138 AFG davon auszugehen, daß nach dem Subsidiaritätsprinzip die Beklagte und damit die Allgemeinheit nur dann zur Zahlung von Alhi verpflichtet sei, wenn der Berechtigte keine anderweitigen Einkommensmöglichkeiten, zu denen auch die Realisierung von Unterhaltsansprüchen zähle, zur Verfügung habe. Habe er solche Ansprüche nicht, so würde ihm eine Leistung nach dem BVG nicht als Einkommen angerechnet werden. Das gleiche müsse auch dann gelten, wenn er Unterhaltsansprüche habe, sich die Einkünfte des Unterhaltsverpflichteten jedoch aus Leistungen zusammensetzten, die eben aufgrund der Fiktion in Abs 3 privilegiert seien. Würde etwas anderes gelten, so ergäbe sich die absurde Folge, daß bis zum 18. Lebensjahr eines Antragstellers das Einkommen seiner Eltern unberücksichtigt bleiben müsse. In der Zeit danach würde es jedoch angerechnet. Dabei sei dann völlig die zivilrechtliche Grundlage des Unterhaltsanspruchs außer acht gelassen worden, die eben dahingehend laute, daß gegenüber minderjährigen Kindern eine erhöhte Unterhaltspflicht bestehe. Das Subsidiaritätsprinzip könne also nicht zu einer Umkehrung der zivilrechtlichen Unterhaltsverpflichtung führen. Daher sei festzuhalten, daß bei der Bemessung des Unterhaltsanspruchs eines Berechtigten dasjenige Einkommen des Unterhaltsverpflichteten außer Ansatz bleibe, das nach § 138 Abs 3 AFG bei unmittelbarem Anspruch nicht als Einkommen zugrunde gelegt werden dürfe. Der Kläger beantragt, das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 11. Mai 1983 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 11. Dezember 1981 zurück- zuweisen, hilfsweise, die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt, die Revision des Klägers zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-).
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist nicht begründet. Zutreffend hat das LSG auf die Berufung der Beklagten das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide sind nicht rechtswidrig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine höhere Alhi. Dem LSG ist darin beizutreten, daß die Witwengrundrente seiner Mutter nach Maßgabe des § 138 Abs 1 Nr 1 AFG in der hier maßgeblichen Fassung des 5. AFG-Änderungsgesetzes (5. AFGÄndG) vom 23. Juli 1979 (BGBl I 1189) zu berücksichtigen ist.
Voraussetzung für die Gewährung von Alhi ist ua gem § 134 Abs 1 Nr 3 AFG, daß der Arbeitslose bedürftig ist. Bedürftig ist der Arbeitslose, soweit er seinen Lebensunterhalt nicht auf andere Weise als durch Alhi bestreitet oder bestreiten kann und das Einkommen, das nach § 138 AFG zu berücksichtigen ist, die Alhi nach § 136 nicht erreicht (§ 137 Abs 1 AFG). Im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung ist als Einkommen nach § 138 Abs 1 Nr 1 AFG Einkommen des Arbeitslosen einschließlich der Leistungen, die er von einem Dritten erhält oder zu beanspruchen hat, zu berücksichtigen. Der Kläger selbst hat für den hier in Betracht kommenden Zeitraum weder Einkommen noch anrechenbares Vermögen. Er war deshalb nicht in der Lage, seinen Lebensunterhalt auf andere Weise als durch die Alhi zu bestreiten; dennoch steht ihm die Alhi nicht in der geforderten Höhe zu. In Höhe von 7,82 DM wöchentlich stand ihm auf jeden Fall ein Unterhaltsanspruch gegen seine Mutter zu. Er kann somit eine Leistung von einem Dritten beanspruchen. Diese Leistung ist gem § 138 Abs 1 Nr 1 AFG zu berücksichtigen und mindert seine Alhi entsprechend.
Gemäß § 1601 BGB sind Verwandte in gerader Linie verpflichtet, einander Unterhalt zu gewähren. Unterhaltsberechtigt ist nur, wer außerstande ist, sich selbst zu unterhalten (§ 1602 Abs 1 BGB). Das ist beim Kläger schon deshalb der Fall, weil er ohne Arbeit ist und keine Einkünfte hat. Unerheblich ist insoweit, daß er nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG seine Ausbildung als Vermessungsingenieur im September 1980 abgeschlossen hatte. Der Auffassung von Diederichsen (in Palandt, 43. Aufl 1984, § 1602 Anm 2a und § 1610 Anm 2 und 4a), wonach sich der Unterhaltsanspruch des Volljährigen grundsätzlich auf den Ausbildungsunterhalt beschränkt und generell nicht bei Erwerbslosigkeit besteht, vermag der Senat nicht zu folgen. Sie steht - jedenfalls in dieser Ausschließlichkeit - nicht im Einklang mit dem Gesetz. Zwar gibt § 1602 Abs 1 BGB der wirtschaftlichen Eigenverantwortung des Volljährigen für die Bestreitung seines Unterhalts den Vorrang. Das hat jedoch, wie dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 6. Dezember 1984 (IV b ZR 53/83) zu entnehmen ist, nur zur Folge, daß an die Beurteilung, ein gesunder Volljähriger, der nicht in der Berufsausbildung ist, sei außerstande, seinen Lebensunterhalt selbst zu verdienen, strenge Anforderungen zu stellen sind. Dieser Auffassung schließt sich der Senat an. Hiernach muß der Berechtigte bereit sein, erforderlichenfalls auch Arbeiten unterhalb seiner gewohnten oder erstrebten Lebensstellung anzunehmen. Erst wenn ihm dies nicht gelingt, kommt eine Inanspruchnahme der Eltern in Betracht (vgl OLG Zweibrücken, FamRZ 1983, 291; OLG Köln aaO S 942). Dafür, daß der Kläger insoweit nicht arbeitswillig war, bestehen keine Anhaltspunkte. Vielmehr räumt er ein, daß er einen Unterhaltsanspruch hat, sofern seine Mutter leistungsfähig ist. Dies ist gemäß § 1603 Abs 1 BGB dann der Fall, wenn sie bei Berücksichtigung ihrer sonstigen Verpflichtungen nicht außerstande ist, ohne Gefährdung ihres angemessenen Unterhalts dem Kläger Unterhalt zu gewähren. Das trifft hier zu.
Bei der Bestimmung des angemessenen Unterhaltes ist davon auszugehen, daß der Begriff Unterhalt den gesamten Lebensbedarf erfaßt (§ 1610 Abs 2 BGB). Attribute wie angemessen notwendig und notdürftig kennzeichnen insoweit den Grad des zustehenden Bedarfs. Dieser richtet sich bei dem angemessenen Unterhalt des Unterhaltspflichtigen nach dessen Lebensstellung, hier also nach der der Mutter des Klägers. Hieraus läßt sich allerdings kein konkreter angemessener Bedarf des Verpflichteten (Selbstbehalt) herleiten. Es fehlt insoweit an einer gesetzlichen Feststellung. Dies bedeutet, der für den angemessenen Unterhalt erforderliche genaue Betrag muß grundsätzlich unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles ermittelt werden (siehe Urteil des Senats vom 20. Juni 1984 - 7 RAr 18/83 -). Nicht zu übersehen ist jedoch, daß im Interesse der Rechtssicherheit und Rechtsgleichheit und zur Vermeidung individueller Fehleinschätzungen ein Bedürfnis besteht, möglichst allgemein gültige Richtlinien zur Interpretation der im Unterhaltsrecht enthaltenen unbestimmten Rechtsbegriffe zu entwickeln. Dem haben verschiedene Oberlandesgerichte entsprochen und Bedarfstabellen und Unterhaltsrichtlinien aufgestellt (vgl die Übersicht bei Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 41. Aufl 1982 § 1610 Anm 1). So liegt der angemessene Selbstbehalt im Jahre 1980 nach den Leitlinien der Oberlandesgerichte Hamm (NJW 80, 110) und Bremen (NJW 80, 109), die sich an der sog Düsseldorfer Tabelle orientieren (NJW 80, 107) bei mindestens 1.100,-- DM und darüber hinaus bis zu einem Drittel des anzurechnenden Betrages. Das Oberlandesgericht Köln stellt auf einen angemessenen Bedarf von mindestens 1.100,-- DM ab (NJW 1980 S 1271). Wenn demgegenüber die Beklagte im vorliegenden Fall den Selbstbehalt mit einem Grundbetrag von 1.300,-- DM monatlich und den darüber hinausgehenden Betrag zu einem Viertel berücksichtigt, so ist dies eine Feststellung der Unterhaltspflicht, die jedenfalls aus der Sicht des Alhi-Empfängers grundsätzlich akzeptiert werden kann und auch die Lebensstellung der Mutter des Klägers, die sich am Einkommen orientiert, hinreichend berücksichtigt. Im Hinblick darauf, daß es sich bei den jeweiligen Tabellen der Oberlandesgerichte und auch den von der Beklagten zugrunde gelegten Werten um Orientierungshilfen bei der Bedarfsermittlung handelt, muß allerdings im Einzelfalle von einem hiervon abweichenden tatsächlichen Bedarf ausgegangen werden (OLG Celle, Nds Rpfl 1976, 261; KG FamRZ 77, 818). Hierfür besteht im vorliegenden Falle jedoch kein Anhalt. Vielmehr akzeptiert der Kläger ausdrücklich die Berechnungsmethode der Beklagten bei der Ermittlung des angemessenen Selbstbehalts. Er wendet sich lediglich dagegen, daß bei der Berechnung der Leistungsfähigkeit seiner Mutter deren Witwengrundrente nach dem BVG mitberücksichtigt wird. Wäre dies nicht der Fall, müßte ihm Alhi nach dem ungekürzten Leistungssatz gewährt werden. Hiermit kann er jedoch nicht durchdringen.
Maßgebend für die Leistungsfähigkeit des Unterhaltsverpflichteten sind sein Vermögen und seine Einkünfte. Vermögen der Mutter des Klägers ist nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG nicht zu berücksichtigen. Monatliche Einkünfte hat sie in dem hier in Betracht kommenden Zeitraum in der Gestalt der EU-Rente von 351,60 DM und der Witwenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung von 699,90 DM sowie der Witwengrundrente nach dem BVG in Höhe von 420,-- DM. Bei der Witwengrundrente handelt es sich um eine Leistung, die zum Ausgleich für den Wegfall des Ernährers und damit für den Verlust gesetzlicher Unterhaltsansprüche gewährt wird (BSG SozR Nr 6 zu § 150 AVAVG). Dieser Auffassung ist auch das Bundesverfassungsgericht -BVerfG- (BVerfGE 37, 38, 44 ff).
Wie das LSG zutreffend erkannt hat, wird diese Rente im vorliegenden Falle nicht von der Fiktion des § 138 Abs 3 Nr 5 AFG erfaßt, wonach ua die Grundrenten nach dem BVG nicht als Einkommen gelten. Zwar fällt unter den Begriff Grundrenten auch die Witwengrundrente, was aus der Entstehungsgeschichte des Gesetzes folgt. Die Witwengrundrente war nach der Regelung des § 150 Abs 4 Nr 5 des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (AVAVG) von der Anrechnung auf die Alhi nicht ausgeschlossen (BSG SozR Nr 6 zu § 150 AVAVG). Der Regierungsentwurf des AFG wollte in § 136 Abs 3 diese Regelung beibehalten. Auf Antrag des Ausschusses für Arbeit vom 18. April 1969 (BT-Drucks V 4110 S 62 f zu § 136) wurde in dem § 136 Abs 3 Nr 5, der dem jetzigen § 138 Abs 3 Nr 5 AFG entspricht, anstelle des Wortes Grundrente das Wort Grundrenten gesetzt. Dies geschah, weil nach der Auffassung des Ausschusses die Grundrente der Witwe bei der Bedürftigkeitsprüfung in der Alhi ebenso außer Betracht bleiben sollte, wie die Grundrente des Beschädigten (Bericht der Abgeordneten Porten und Jaschke zu BT-Drucks V 4110 S 22).
Dennoch ist im vorliegenden Falle die Witwengrundrente der Mutter des Klägers deren Einkommen zuzurechnen. Das folgt aus der Systematik des Gesetzes. Der § 138 Abs 1 AFG idF des 5. AFG-ÄndG bestimmt in seiner Nr 1, daß im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung als Einkommen das Einkommen des Arbeitslosen zu berücksichtigen ist einschließlich der Leistungen, die er von Dritten erhält oder zu beanspruchen hat, soweit es nicht nach § 115 AFG anzurechnen ist. Außerdem sind Unterhaltsansprüche gegenüber Verwandten zweiten oder entfernteren Grades nicht zu berücksichtigen. Einkommen des von dem Arbeitslosen nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten und der Eltern eines minderjährigen unverheirateten Arbeitslosen wird gemäß § 138 Abs 1 Nr 2 AFG als Einkommen berücksichtigt, soweit es 75,-- DM in der Woche übersteigt. Bei weiteren Unterhaltsverpflichteten erhöht sich dieser Betrag. Das Gesetz kennt also bei der Anrechnung von Einkommen zwei Begriffe: Einmal das Einkommen des Arbeitslosen bzw das seines nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten oder das der Eltern eines minderjährigen unverheirateten Arbeitslosen und zum anderen die Leistungen, die der Arbeitslose von Dritten erhält oder zu beanspruchen hat. Diese werden zwar dem Einkommen des Arbeitslosen zugerechnet und sind auch gem § 138 Abs 2 Satz 1 AFG als solches zu behandeln. Sie unterfallen ferner, soweit die Voraussetzungen vorliegen, der Fiktion des § 138 Abs 3 AFG, wonach bestimmte Leistungen nicht als Einkommen gelten. Dies gilt jedoch nicht, soweit es das Entstehen und die Höhe des Anspruchs angeht. Dieser kann sich jeweils nur nach den hierfür maßgeblichen Vorschriften des jeweiligen Rechtsgebietes richten, soweit im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung nichts anderes bestimmt ist. Unterhaltsansprüche volljähriger Arbeitsloser gegen ihre Eltern richten sich, wie oben aufgezeigt wurde, nach den Bestimmungen des BGB. Diese sehen eine Nichtberücksichtigung der Witwengrundrente als Einkommen des Unterhaltspflichtigen nicht vor. Für Unterhaltsansprüche des Arbeitslosen gegenüber seinem nicht dauernd von ihm getrennt lebenden Ehegatten und gegenüber seinen Eltern, sofern der Arbeitslose minderjährig und unverheiratet ist, gelten demgegenüber bei der Bedürftigkeitsprüfung die Bestimmungen des BGB nicht. Vielmehr wird hier das Einkommen des Unterhaltspflichtigen aus Gründen der Praktikabilität, soweit es die in § 138 Abs 1 Nr 2 AFG genannten Freibeträge überschreitet, grundsätzlich voll angerechnet. Diese Anrechnung geschieht zwar in Anlehnung an die Unterhaltsregelungen des BGB (BT-Drucks 8/2624 S 30 Nr 46); jedoch kann sie, da es sich bei § 138 Abs 1 Nr 2 AFG um eine lex specialis handelt, nicht auf bürgerlich-rechtliche Vorschriften über die Unterhaltsverpflichtung angewandt werden. Das hat zur Folge, daß bei dem Einkommen der Mutter eines minderjährigen unverheirateten Arbeitslosen die Witwengrundrente gemäß § 138 Abs 3 Nr 5 AFG nicht als Einkommen gilt. Unterschiedliche Voraussetzungen für die Einkommensberechnung führen also, was die Anrechnung der Witwengrundrente als Einkommen angeht, nach der Systematik des Gesetzes zu unterschiedlichen Ergebnissen. Das hat der Senat bereits zu § 138 Abs 1 idF bis zum Inkrafttreten des 5. AFG-ÄndG entschieden (SozR 4100 § 138 Nr 7).
Wenn der Kläger demgegenüber meint, diese Lösung führe dazu, daß die zivilrechtliche Grundlage des Unterhaltsanspruchs, und zwar insbesondere der Umstand, daß gegenüber minderjährigen Kindern eine erhöhte Unterhaltsverpflichtung besteht, außer acht gelassen wird, dann übersieht er, daß dies nur in den Fällen möglich ist, in denen die Mutter des Arbeitslosen außer der Witwengrundrente nur geringe andere Einkünfte hat. In allen anderen Fällen, in denen die anrechenbaren Einkünfte den Betrag von 75,-- DM übersteigen, erfolgt die Anrechnung, ohne daß ein entsprechender Bedarf des Unterhaltspflichtigen, wie er sonst bei der Ermittlung des Unterhaltsanspruchs gemäß § 1603 Abs 1 BGB berücksichtigt wird, angerechnet wird. Im übrigen hat der Gesetzgeber die weitergehende Einkommensberücksichtigung für Eltern eines unverheirateten minderjährigen Arbeitslosen gerade im Hinblick auf ihre gesteigerte Unterhaltspflicht (§ 1603 Abs 2 BGB) geschaffen (BT-Drucks 8/2624 S 30 Nr 44 zu Abs 1 Nr 2).
Die Revision muß nach allem zurückgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen