Entscheidungsstichwort (Thema)
Abwicklung des Versorgungsausgleichs. Erstattung der Aufwendung auf Grund von Übertragungen von Rentenanwartschaften in einem Bagatellfall durch den Träger der Versorgungslast. Verjährung
Leitsatz (amtlich)
Normenkette
SGB VI § 187 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2, 3 S. 1, § 225 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1; SGB I § 45 Abs. 1; SGB IV §§ 20, 25 Abs. 1, 2 S. 1, § 27 Abs. 2 S. 1; SGB X § 50 Abs. 4, § 113 Abs. 1; VAErstV § 1 Abs. 1 S. 1, § 2 Abs. 4, § 3; BGB § 214 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 10. November 2004 zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Der Streitwert wird auf 509,32 € festgesetzt.
Tatbestand
I
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte als Träger der Versorgungslast an die Klägerin als Träger der Rentenversicherung Aufwendungen aufgrund von “Rentenanwartschaften” zu erstatten hat, die durch Entscheidung des Familiengerichts begründet worden sind.
Im Rahmen eines Ehescheidungsverfahrens übertrug das Amtsgericht (AG) Böblingen zu Gunsten des R… B… (nachfolgend: der Versicherte) ua aus der bei der Beklagten, einer kommunalen Zusatzversorgungskasse, bestehenden unverfallbaren Anwartschaft seiner Ehefrau E… B… 24,15 DM auf ein bei der Klägerin zu begründendes Rentenversicherungskonto. Die übertragene Anwartschaft war auf das Ende der Ehezeit (30. September 1989) bezogen (Urteil des AG Böblingen vom 20. April 1990 idF des Änderungsbeschlusses vom 17. Mai 1990). Die Versorgungsausgleichsentscheidung wurde am 23. Juni 1990 rechtskräftig.
Die Klägerin erkannte dem Versicherten ab 1. März 1995 das Recht auf Altersrente zu. Bei dessen Wertfestsetzung berücksichtigte sie ua die aus der Zusatzversorgung übertragenen Rentenanwartschaften in Höhe von 24,15 DM mit 0,6291 Entgeltpunkten (EP). Im August 1995 forderte die Klägerin die Beklagte auf, gemäß § 225 Abs 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) iVm § 187 Abs 1 Nr 3 und Abs 2 und 3 SGB VI Beiträge in Höhe von 5.964,37 DM zur Ablösung der Erstattungspflicht zu zahlen. Die Beklagte erhob die Einrede der Verjährung und verweigerte die Zahlung (Schreiben der Beklagten vom 27. Dezember 1995).
Die Klägerin hat im März 1998 Klage erhoben und – nunmehr gestützt auf § 225 Abs 1 Satz 1 SGB VI – beantragt, die Beklagte zu verurteilen, die Aufwendungen in der Zeit vom 1. März 1995 bis 31. Dezember 1997 in Höhe von insgesamt 996,15 DM (= ab 1. Januar 2002: 509,32 €) zu erstatten. Zur Begründung ihres Begehrens machte sie geltend, durch ein technisches Versehen habe sie die Beiträge zur Ablösung der Erstattungspflicht nicht unverzüglich nach rechtskräftigem Abschluss des Versorgungsausgleichsverfahrens erhoben, sodass der Anspruch aus § 225 Abs 2 SGB VI verjährt sei. Ihr stehe jedoch ein nicht verjährter Erstattungsanspruch nach § 225 Abs 1 Satz 1 SGB VI zu. Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 24. September 2003). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung zurückgewiesen und ausgeführt, der Klägerin stehe ein Erstattungsanspruch nach § 225 Abs 1 SGB VI nicht zu, da sie von vornherein nur Anspruch auf Zahlung von Beiträgen nach § 225 Abs 2 SGB VI gehabt habe. Dieser Anspruch sei verjährt (Urteil vom 10. November 2004).
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin sinngemäß eine Verletzung des § 225 Abs 1 und 2 SGB VI. Sie trägt vor, es könne offen bleiben, ob sich die Verjährung aus einer mittelbaren oder unmittelbaren Anwendung des § 25 Abs 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) ergebe. Folge man dieser Auffassung nicht, sei Verjährung nicht eingetreten und es bestehe noch ein Erstattungsanspruch aus § 225 Abs 2 SGB VI. Gehe man von einer Verjährung aus, sei die von der Beklagten erhobene Einrede schon deshalb unbeachtlich, weil sie ermessensfehlerhaft erhoben worden sei; denn diese sei kraft Gesetzes auch ohne Aufforderung zur unverzüglichen Zahlung nach Eintritt der Rechtskraft der Versorgungsausgleichsentscheidung des Familiengerichts verpflichtet gewesen. Im Übrigen könne sie, die Klägerin, weiterhin Erstattung nach § 225 Abs 1 SGB VI verlangen; denn dieser Anspruch sei nach § 225 Abs 2 Satz 2 SGB VI nur dann ausgeschlossen, wenn Beiträge nach Abs 2 Satz 1 aaO tatsächlich gezahlt worden seien.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 10. November 2004 und das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 24. September 2003 aufzuheben und der Klage stattzugeben.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, dass die angefochtene Entscheidung rechtlich nicht zu beanstanden ist.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫).
Entscheidungsgründe
II
1. Die Revision ist zulässig, ebenso sind es die Berufung und die allgemeine Leistungsklage der Klägerin.
a) Die vom LSG zugelassene und von der Klägerin fristgerecht eingelegte und begründete Revision genügt den gesetzlichen Anforderungen. Der von ihr gestellte Sachantrag lässt sich gerade noch hinreichend bestimmen. Die Klägerin hat es zwar unterlassen, im Revisionsverfahren einen aus sich heraus verständlichen Sachantrag zu stellen. Ihr Antrag, die Urteile des LSG und SG aufzuheben und “der Klage stattzugeben” lässt noch nicht erkennen, welches Klageziel sie letztlich verfolgt. Auch lässt sich ihm nicht entnehmen, ob sie auf einen vor dem SG oder LSG gestellten Antrag abstellen will. Aber da sie sowohl vor dem SG als auch LSG – abgesehen von sachlich nicht wesentlichen sprachlichen Nuancen – die gleichen “Zahlungsanträge” gestellt hat, wird iVm ihrem Vorbringen in der Revisionsbegründung gerade noch deutlich, worauf der Revisionsantrag zielt, nämlich darauf, die Beklagte als Träger der Versorgungslast zur Erstattung der Kosten zu verurteilen, die ihr durch die Begründung von sog Rentenanwartschaften in Höhe von 24,15 DM entstanden sind. Der Antrag genügt damit noch den Anforderungen des § 164 Abs 2 Satz 3 SGG.
b) Die allgemeine Leistungsklage nach § 54 Abs 5 SGG ist zulässig. Das Verfahren betrifft eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit, die nach den Vorschriften des SGG zu beurteilen ist (§ 51 Abs 1 SGG); denn streitig ist der rentenrechtliche Vollzug der familiengerichtlichen Entscheidung über den Versorgungsausgleich (vgl hierzu entsprechend: BSG, Urteil vom 20. September 1988, BSGE 64, 75, 76 = SozR 5795 § 4 Nr 6). Der mit der Klage geltend gemachte Anspruch ist ein “Rechtsanspruch”, über den kein Verwaltungsakt ergehen muss.
2. Die Klage ist unbegründet. Die Klägerin kann ihren (öffentlich-rechtlichen) Erstattungsanspruch auf Zahlung eines “Ausgleichsbeitrags”, der ihr nach § 225 Abs 2 SGB VI zusteht, nicht durchsetzen, weil die Beklagte die Einrede der Verjährung wirksam erhoben hat (dazu sogleich unter 3.). Ein Erstattungsanspruch nach § 225 Abs 1 SGB VI, den diese Vorschrift als Aufwendungsersatzanspruch ausgestaltet, steht ihr schon deshalb nicht zu, weil diese Norm niemals anwendbar ist, wenn – wie hier – der Wert der durch Entscheidung des Familiengerichts begründeten “Rentenanwartschaft” einen Monatsbetrag von 1 vH der maßgeblichen Bezugsgröße nicht übersteigt (§ 225 Abs 2 Satz 2 SGB VI – dazu unter 4.).
3. Die Klägerin hat den Anspruch aus § 225 Abs 2 Satz 1 SGB VI, kann ihn aber nicht gerichtlich durchsetzen, weil die Beklagte die Verjährungseinrede wirksam erhoben hat.
a) Gemäß § 225 Abs 2 Satz 1 SGB VI hat der Träger der Versorgungslast dem Rentenversicherungsträger “Beiträge” (dazu sogleich) zu zahlen, wenn durch die Entscheidung des Familiengerichts eine “Rentenanwartschaft” begründet wurde, deren Monatsbetrag 1 vH der bei Ende der Ehezeit (oder Lebenspartnerschaftszeit) geltenden monatlichen Bezugsgröße nicht übersteigt.
Die im Urteil des AG Böblingen vom 20. April 1990 idF des Änderungsbeschlusses vom 17. Mai 1990 angeordnete Übertragung der Anwartschaft, die die geschiedene Ehefrau des Versicherten bei der Beklagten erworben hatte, in Höhe von 24,15 DM zu Gunsten des Versicherten auf das bei der Klägerin zu begründende Rentenversicherungskonto ist am 23. Juni 1990 rechtskräftig geworden. Der Betrag überstieg nicht 1 vH der bei Ende der Ehezeit (30. September 1989) geltenden monatlichen Bezugsgröße iS des § 18 SGB IV. Diese belief sich im Jahre 1989 auf 3.150 DM. 1 vH dieses Betrags ergeben 31,50 DM, sodass der übertragene Monatsbetrag von 24,15 DM einen sog Bagatellfall iS des § 225 Abs 2 Satz 1 SGB VI begründet. Auch wenn die Klägerin ihr Zahlungsbegehren zuletzt rechtlich allein auf § 225 Abs 1 Satz 1 SGB VI gestützt hat, muss das Gericht prüfen, ob ihr Begehren eine Anspruchsgrundlage in § 225 Abs 2 Satz 1 SGB VI findet. Denn die Dispositionsmaxime befugt nicht dazu, die Rechtsprüfung des Gerichts einzuengen.
b) Gegen diesen Anspruch hat die Beklagte die begründete Einrede der Verjährung erhoben. Ihr steht daher ein Leistungsverweigerungsrecht zu (§ 214 Abs 1 Bürgerliches Gesetzbuch ≪BGB≫). Nach dem entsprechend anzuwendenden § 113 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) verjährt auch der Erstattungsanspruch der Klägerin gegen die Beklagte in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Versorgungsausgleichsentscheidung des Familiengerichts rechtskräftig – und damit auch der Klägerin bekannt – geworden ist.
aa) Eine spezialgesetzliche Verjährungsregelung findet sich weder in § 225 SGB VI noch in sonstigen Vorschriften des SGB VI. Die in § 2 Abs 4 der Versorgungsausgleichs-Erstattungsverordnung (VAErstV) vom 9. Oktober 2001 (BGBl I 2628) geregelte Verjährung findet im vorliegenden Fall keine Anwendung.
Für Erstattungsfälle des § 225 SGB VI hat erstmals die VAErstV eine ausdrückliche Verjährungsregelung geschaffen. Nach § 2 Abs 4 aaO verjährt der Erstattungsanspruch des Trägers der Rentenversicherung in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres. Diese Verordnung findet gemäß § 3 aaO erstmals auf die Erstattung der im Jahr 2001 entstehenden Aufwendungen Anwendung. Vor allem aber fallen gemäß § 1 Abs 1 Satz 1 aaO in ihren sachlichen Geltungsbereich nur Erstattungsansprüche aus § 225 Abs 1 Satz 1 SGB VI (und § 290 Satz 1 SGB VI), nicht aber aus § 225 Abs 2 Satz 1 SGB VI.
bb) Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen und der Beteiligten gilt für Ansprüche aus § 225 Abs 2 Satz 1 SGB VI auch die Verjährungsregelung des § 25 Abs 1 SGB IV nicht. Denn dieser öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch ist nicht auf die Zahlung von “Beiträgen” gerichtet.
“Beiträge” iS des § 225 Abs 2 Satz 1 SGB VI sind keine Beiträge im sozialversicherungsrechtlichen Sinn und damit auch nicht iS des § 25 Abs 1 SGB IV. Bei diesen handelt es sich um einen Teil der in § 20 Abs 1 SGB IV genannten Mittel der Sozialversicherung (einschließlich der Arbeitsförderung), die nach Maßgabe der besonderen Vorschriften für die einzelnen Versicherungszweige durch Beiträge der Arbeitnehmer, Arbeitgeber oder Dritter sowie durch staatliche Zuschüsse und sonstige Einnahmen aufgebracht werden. “Beiträge” zur Sozialversicherung sind als Geldzahlungen der Beitragszahlungsschuldner aus einem Beitragsschuldverhältnis zur Erfüllung ihrer Beitragsschuld Gegenstand von Beitragsansprüchen der Sozialversicherungsträger (§ 22 Abs 1 SGB IV). Diese haben die Höhe der Beitragsschuld so zu bemessen, dass die Beiträge (zusammen mit den anderen Einnahmen) ihre im Haushaltsjahr anfallenden Ausgaben decken und die Betriebsmittel sowie die Rücklage bereitgehalten werden können (§ 21 SGB IV). Sie sind in den Haushaltsplan des Sozialversicherungsträgers einzustellen (§§ 67 bis 70, 73 SGB IV). Soweit das Gesetz “sonstige Einnahmen” als “Beiträge” bezeichnet, werden diese durch bloße Namensgebung (“juristische Zauberei”) nicht zu Beiträgen iS von §§ 20 ff SGB IV. Eine solche zumeist irreführende Kennzeichnung als “Beiträge” stellt diese “sonstigen Einnahmen” in ihrer leistungsrechtlichen Bedeutung ganz oder teilweise in den Rechtswirkungen denjenigen gleich, die tatsächlich zurückgelegte Beitragszeiten haben (zB § 177 SGB VI: Beitragszahlung für Kindererziehungszeiten, eine pauschalierte Kostenerstattung für die im jeweiligen Jahr angefallenen Kosten der Rentenversicherungsträger aus Renten mit Kindererziehungszeiten).
Soweit – wie hier – die Rechtsfolge eines speziellen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs als “Beitrag” bezeichnet wird, soll hingegen lediglich die Höhe des Erstattungsbetrags festgelegt werden. Der Ausdruck “Beitrag” fasst zusammen, dass ein Geldbetrag zu zahlen ist, der der Höhe eines Beitrags entspricht, der aufgrund eines versicherten Arbeitsentgelts zu zahlen wäre, aus dem nach dem Beitragssatz, der am Ende der Ehezeit galt, eine fiktive “Rentenanwartschaft” (= fiktive Regelaltersrente) in Höhe der vom Familiengericht begründeten “Rentenanwartschaft” entstanden wäre (vgl § 187 Abs 2 und 3 SGB VI). Im Übrigen führt diese – rechtlich sehr unklare und zum Teil Fehlvorstellungen provozierende – Redeweise vom “Beitrag” zu auf der Hand liegenden verwaltungstechnischen Vereinfachungen.
Für die in § 225 Abs 2 Satz 1 SGB VI benannten “Beiträge” verdeutlicht auch § 187 Abs 1 Nr 3 SGB VI durch die ausdrückliche Bezugnahme auf § 225 Abs 2 SGB VI, dass es sich rechtlich um keine “Beiträge”, sondern um Zahlungen zur Ablösung einer Erstattungspflicht handelt. Danach können im Rahmen des Versorgungsausgleichs “Beiträge” gezahlt werden, “um die Erstattungspflicht für die Begründung von Rentenanwartschaften zu Gunsten des Ausgleichsberechtigten abzulösen (§ 225 Abs 2)”. Die Höhe solcher “Beiträge”, die sich rechtlich im Grundsatz aus den genannten gesetzlichen Wertungen ergibt, kann demgemäß verwaltungstechnisch vereinfacht so berechnet werden, dass zunächst die “Rentenanwartschaften” in EP umgerechnet werden (§ 187 Abs 2 SGB VI). Für je einen EP ist sodann der Betrag zu zahlen, der sich ergibt, wenn der zum Zeitpunkt der Beitragszahlung geltende Beitragssatz auf das für das Kalenderjahr der Beitragszahlung vorläufige Durchschnittsentgelt angewandt wird (§ 187 Abs 3 Satz 1 SGB VI).
cc) Auch die Verjährungsregelungen der §§ 45 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I), 27 Abs 2 SGB IV, 50 Abs 4 SGB X und 113 SGB X sind nicht (direkt) anwendbar, ebenso wenig die des BGB.
Die vierjährige Verjährungsfrist des § 45 Abs 1 SGB I betrifft “Ansprüche auf Sozialleistungen”, also keine öffentlich-rechtlichen Erstattungsansprüche des Rentenversicherungsträgers gegen den Träger der Versorgungslast. § 27 Abs 2 Satz 1 SGB IV ordnet eine vierjährige Verjährungsfrist für Ansprüche auf Erstattung zu Unrecht entrichteter Beiträge an. § 50 Abs 4 SGB X unterwirft den Anspruch eines Leistungsträgers gegen den Empfänger zu Unrecht erbrachter Leistung einer vierjährigen Verjährung. Schließlich ist auch § 113 SGB X nicht unmittelbar einschlägig. Die dort geregelte vierjährige Verjährungsfrist betrifft Erstattungsansprüche der Leistungsträger untereinander, wenn ein Träger an Stelle des sachlich zuständigen Trägers Sozialleistungen erbracht hat. Die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren der §§ 194, 195, 199 Abs 1 BGB betrifft direkt nur privatrechtliche Ansprüche.
dd) Es ist aber eine im SGB planwidrige Gesetzeslücke, dass es keine Verjährungsregelung für Erstattungsansprüche aus § 225 Abs 2 Satz 1 SGB VI gibt. Diese Lücke ist durch analoge Anwendung des § 113 Abs 1 SGB X zu schließen. Nach dieser Vorschrift verjähren Erstattungsansprüche zwischen Leistungsträgern (§ 12 SGB I) in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem der erstattungsberechtigte Leistungsträger von der Entscheidung des Erstattungspflichtigen über dessen Leistungspflicht Kenntnis erlangt hat.
Die Voraussetzungen für eine Rechtsfortbildung im Wege der Analogie sind erfüllt. Erfasst der Tatbestand einer für eine bestimmte Rechts- und Interessenlage getroffenen Norm eine Fallgestaltung nicht unmittelbar und fehlt es auch sonst an einer besonderen Regelung, so ist – in den Grenzen des Gesetzesvorbehalts (§ 31 SGB I) – durch Auslegung des Gesetzes zu ermitteln, ob eine Gesetzeslücke vorliegt, die durch die entsprechende Anwendung einer für vergleichbare Rechts- und Interessenlagen getroffenen Norm zu schließen ist, oder ob es – unter Umständen aufgrund eines Umkehrschlusses – bei der Anwendung der Grundregel sein Bewenden hat (vgl BVerfG, Kammerbeschluss vom 28. September 1998, 2 BvR 2232/94, NStZ 1999, 24 f). Stets darf richterliche Rechtsfortbildung im Wege der Analogie nur dann einsetzen, wenn das Gericht aufgrund einer Betrachtung des einfachen Gesetzesrechts eine Gesetzeslücke feststellt. Hat das Gesetz eine “eindeutige Entscheidung” getroffen, darf der Richter diese nicht aufgrund eigener rechtspolitischer Vorstellungen verändern und durch eine judikative Lösung ersetzen (BVerfG, Kammerbeschluss vom 9. März 1995, 2 BvR 1437/93, NStZ 1995, 399 ff). Auch das bloße “Schweigen des Gesetzes” rechtfertigt noch nicht die Annahme einer echten Gesetzeslücke; vielmehr muss aus den Gesamtumständen ersichtlich sein, dass das “Schweigen” vom Konzept des Gesetzes nicht getragen wird (vgl BSG, Urteil vom 6. August 1986, BSGE 60, 176, 178, mwN = SozR 2600 § 57 Nr 3), dass also nach dem Gesetzeskonzept eine Regelung von Sachverhalten der in Frage stehenden Art notwendig gewesen wäre. Eine solche “planwidrige” Gesetzeslücke ist hinsichtlich der Verjährung der Erstattungsansprüche aus § 225 Abs 2 Satz 1 SGB VI festzustellen.
Es ist “planwidrig”, dass das SGB für Erstattungsansprüche der Rentenversicherungsträger gegen Träger der Versorgungslast keine Verjährungsregelung ausgestaltet hat. Für alle im SGB geregelten materiell-rechtlichen Ansprüche hat das Gesetz eine vierjährige Verjährungsfrist als Regelfrist vorgesehen. Für den im Anspruchsgrund identischen Anspruch aus § 225 Abs 1 SGB VI hat zudem inzwischen der vom SGB ermächtigte Verordnungsgeber (für ab 2002 bestehende Ansprüche) ebenfalls eine vierjährige Verjährungsfrist angeordnet. Es ist nicht zu prüfen, ob das Gesetz durch die rechtlich irreführende Bezeichnung “Beitrag” sich selbst bezüglich der Erforderlichkeit des § 187 Abs 1 Nr 3 SGB VI und der “Nichterforderlichkeit” einer speziellen Verjährungsregelung fehlgeleitet hat. Denn jedenfalls ist ersichtlich, dass auch insoweit gerade eine Unverjährbarkeit lediglich des Erstattungsanspruchs aus § 225 Abs 2 Satz 1 SGB VI systemwidrig und aus Sachgründen des Gesetzeskonzepts nicht abzuleiten ist.
Es entspricht dem Gesetzesplan, wie aus den Normen des SGB erkennbar wird, dass Ansprüche einer – regelmäßig vierjährigen – Verjährung unterliegen. Der zum 1. Januar 1976 in Kraft getretene § 45 SGB I hat alle Ansprüche auf Sozialleistungen der vierjährigen Verjährungsfrist unterworfen (vgl zum Vorgängerrecht mit eingeschränkterem Anwendungsbereich: § 29 Abs 3 Reichsversicherungsordnung). In der Folgezeit ist mit dem Inkrafttreten der weiteren Bücher des SGB durch die Regelungen in den §§ 25 Abs 1 und 27 Abs 2 Satz 1 SGB IV sowie in den §§ 50 Abs 4 und 113 SGB X die vierjährige Verjährungsfrist auf Beitragsansprüche und bestimmte öffentlich-rechtliche Erstattungsansprüche ausgedehnt worden (vgl hierzu: BSG, Urteil vom 1. August 1991, BSGE 69, 158, 160 ff = SozR 3-1300 § 113 Nr 1). Auch hat das Bundessozialgericht (BSG) in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass der allgemeine öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch – jedenfalls ab 1976 – einer vierjährigen Verjährungsfrist unterliegt, weil diese Frist ein allgemeines Prinzip des Sozialrechts darstelle (Urteil vom 11. August 1976, BSGE 42, 135, 137 f = SozR 3100 § 10 Nr 7; Urteil vom 1. August 1991, aaO). Demgemäß hat der 2. Senat des BSG (Urteil vom 28. Juni 1988, 2 RU 40/87) diese Verjährungsregelungen entsprechend auf einen Abrechnungs- bzw Kostenerstattungsanspruch eines Krankenhauses gegen den Träger der gesetzlichen Unfallversicherung angewandt. Ebenso ist der 4. Senat des BSG (Urteil vom 30. September 1993, 4 RA 6/92) davon ausgegangen, dass der vierjährigen Verjährungsfrist sämtliche im Sozialrecht wurzelnden (Rück-)Erstattungsansprüche unterliegen, und zwar auch solche, die vor Inkrafttreten des § 113 SGB X entstanden sind.
Für die Schließung der Lücke kommt es darauf an, inwieweit der vom Gesetz nicht geregelte Sachverhalt mit dem von anderen Vorschriften zu diesem Zweck geregelten Sachverhalt übereinstimmt und worin er sich von diesem unterscheidet. Die analoge Anwendung ist nur gerechtfertigt, wenn eine Übereinstimmung in den für die rechtliche Beurteilung wesentlichen Merkmalen besteht (BVerwG, Urteil vom 10. März 1982, Buchholz 238.3 A § 6 BPersVG Nr 5; BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 1978, BVerwGE 57, 183). Sie ist also dann geboten, wenn das Gesetz auch die Art des streitigen Sachverhalts nach seinem Konzept, wegen der Gleichheit der zu Grunde liegenden Sachverhalte, Wertungen und Interessenlage im Sinne einer der von ihm getroffenen Regelungen hätte erfassen müssen (vgl BSG, Urteil vom 6. August 1986, BSGE 60, 176, 178 = SozR 2600 § 57 Nr 3).
Der nicht geregelte Fall, nämlich die Frage der Verjährung eines Erstattungsanspruchs aus § 225 Abs 2 Satz 1 SGB VI, ist durch eine Analogie zu § 113 Abs 1 SGB X zu schließen. Von der Gleichheit der Interessenlage her ist diese Analogie geboten (ebenso: BSG, Urteil vom 6. Dezember 1989, 2 RU 30/89). Denn die zu Grunde liegenden Sachverhalte der (Rück-)Erstattungsansprüche (§§ 102 ff SGB X) stimmen von der Interessenlage in wesentlichen Merkmalen mit dem Erstattungsanspruch aus § 225 Abs 2 Satz 1 SGB VI überein. Insoweit besteht eine größere Vergleichbarkeit als zu den Sachverhalten, die den Verjährungsregelungen des § 45 Abs 1 SGB I, der §§ 25 Abs 1 und 27 Abs 2 Satz 1 SGB IV und des § 50 Abs 4 SGB X zu Grunde liegen und die jeweils subjektive Rechte und Ansprüche des Versicherten gegen den Leistungsträger bzw Erstattungsansprüche des Leistungsträgers gegen den Versicherten zum Gegenstand haben. Dagegen betrifft § 225 Abs 2 Satz 1 SGB VI Erstattungsansprüche zwischen zwei Trägern, nämlich der gesetzlichen Rentenversicherung und der Versorgungslast, und regelt einen internen Ausgleich bzw eine Rückabwicklung zwischen ihnen wegen eines nicht gerechtfertigten finanziellen Vorteils des zum Ausgleich verpflichteten Trägers der Versorgungslast. Eine vergleichbare Konstellation ist in den Fällen der §§ 102 ff SGB X gegeben. Auch diese Regelungen bezwecken einen internen Ausgleich bzw Rückabwicklung zwischen zwei (Leistungs-)Trägern wegen eines nicht gerechtfertigten Vermögensvorteils des zum Ausgleich Verpflichteten. Beide Erstattungsansprüche weisen daher sowohl von der Interessenlage als auch Zweckbestimmung her eine weit gehende Übereinstimmung auf. Der Gesetzesvorbehalt des § 31 SGB I (ein Analogieverbot) steht dieser Analogie nicht entgegen, weil subjektive Rechte der Klägerin weder begründet noch aufgehoben noch abgeändert und auch nicht festgestellt, also nicht “geregelt” werden. Denn auch verjährte Ansprüche bestehen erfüllbar fort (§ 214 Abs 2 BGB).
Gemäß § 113 Abs 1 SGB X analog ist der Erstattungsanspruch aus § 225 Abs 2 Satz 1 SGB VI in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres verjährt, in dem die Rechtskraft der familiengerichtlichen Versorgungsausgleichsentscheidung eingetreten ist und damit auch der Rentenversicherungsträger hiervon Kenntnis erlangt hat. Das Urteil des AG Böblingen ist am 23. Juni 1990 rechtskräftig geworden. Der Erstattungsanspruch der Klägerin ist mit Ablauf des Jahres 1994 verjährt. Gegen den erstmals von ihr im August 1995 geltend gemachten Anspruch hat die Beklagte wirksam die Einrede der Verjährung erhoben.
c) Entgegen der Ansicht der Klägerin steht der Wirksamkeit der Einrede nicht etwa entgegen, dass der Beklagten insoweit ein rechtserheblicher Ermessensfehler unterlaufen wäre.
Zwar steht es im – pflichtgemäßen – (internen) Ermessen des Erstattungspflichtigen, ob er die Einrede der Verjährung erhebt oder aber die – trotz Ablauf der Verjährungsfrist erfüllbare – Forderung noch erfüllt. Er muss – intern – erwägen, ob es Sachgründe gibt, die es ihm ausnahmsweise aufdrängen, die Einrede nicht zu erheben. Er muss diese Erwägungen aber weder nach außen offen legen noch die Erhebung der Einrede mit Ermessenserwägungen begründen; denn es geht nicht um Sozialleistungen (§§ 39, 40 Abs 2 SGB I). Auch ist er an keinem Verwaltungsverfahren (§ 8 SGB X) mit dem Rentenversicherungsträger beteiligt, sodass er keine nach § 35 Abs 1 Satz 3 SGB X zu begründende Ermessensentscheidung trifft.
Es gibt zwischen Rechtssubjekten der vollziehenden Gewalt keinen Rechtssatz des Inhalts, dass im Ergebnis der nach materiellem Recht anspruchsberechtigte Träger stets den ihm zustehenden Ersatz erhält; anderenfalls wäre kein Raum für Verjährungsvorschriften. Infolgedessen ist der Eintritt der Verjährung grundsätzlich nur vom Zeitablauf abhängig. Gerade bei Ausgleichsansprüchen zwischen Trägern liegt es im Interesse des Rechtsfriedens, wenn Erstattungsansprüche innerhalb angemessener Frist abgewickelt werden. Die Erhebung der Verjährungseinrede findet im öffentlichen Recht ihre Grenze nur in den rechtsstaatlichen Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB). Insbesondere der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung kann der Verjährungseinrede entgegenstehen, und zwar dann, wenn sich der Verpflichtete in Widerspruch zu einem früheren Verhalten gesetzt hat, zB wenn die Beklagte die Klägerin von der rechtzeitigen Geltendmachung des Erstattungsanspruchs abgehalten hätte (zum Ganzen: BSG, Urteil vom 30. September 1993, 4 RA 6/92). Hierfür bestehen im vorliegenden Fall keine Anhaltspunkte.
4. Entgegen der Ansicht der Klägerin ist § 225 Abs 1 SGB VI schlechthin nicht anwendbar, weil ein “Bagatellfall” iS von § 225 Abs 2 Satz 1 SGB VI vorliegt (siehe oben unter 3.). Dies wird durch § 225 Abs 2 Satz 2 SGB VI außerdem noch ausdrücklich klargestellt. Im Übrigen gibt es in einem “Bagatellfall” keinen Rechts- oder Sachgrund, einem Rentenversicherungsträger, der seinen “Beitragsanspruch” (dazu oben unter 3.) nicht vor Ablauf der Verjährungsfrist geltend gemacht und damit seine Pflicht verletzt hat, Einnahmen rechtzeitig und vollständig zu erheben (§ 76 Abs 1 SGB IV), wegen dieser Pflichtverletzung einen vom Gesetz für “Bagatellfälle” ausgeschlossenen Aufwendungsersatz zuzuerkennen:
a) § 225 Abs 1 und 2 SGB VI regelt den Ausgleichsbedarf zwischen dem Rentenversicherungsträger und dem Versorgungslastträger, wenn durch die Entscheidung des Familiengerichts “Rentenanwartschaften” begründet, also ein Leistungsrechtsverhältnis zwischen dem Rentenversicherungsträger und dem Versorgungsausgleichsberechtigten geschaffen (oder aufgewertet) wurde. Die erforderlichen Deckungsmittel hat der von der Versorgungslast befreite Versorgungslastträger zu überweisen. Rechtsgrund und Anspruchsgrundlage ist also das in § 225 SGB VI in den Rechtsfolgen spezialgesetzlich ausgestaltete Institut des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs, weil zwischen den Trägern eine ungerechtfertigte Vermögensverschiebung eingetreten ist. § 225 Abs 2 SGB VI bestimmt als Rechtsfolge für die dort genannten “Bagatellfälle” die Zahlung eines “Ausgleichsbeitrags”. § 225 Abs 1 SGB VI gibt dem Versorgungslastträger auf, wenn kein “Bagatellfall” vorliegt (§ 225 Abs 2 Satz 2 SGB VI), dem Rentenversicherungsträger die ihm entstandenen Aufwendungen zu ersetzen.
b) Die Auffassung der Klägerin, der “Anwendungsausschluss” des § 225 Abs 2 Satz 2 SGB VI greife nur, wenn der Träger der Versorgungslast die “Beiträge” tatsächlich gezahlt habe, findet schon im Gesetzeswortlaut keine Stütze. Nach dem Text wird der Ausschluss ohne Einschränkungen angeordnet und ist nicht davon abhängig, dass der Träger der Versorgungslast die Beiträge tatsächlich gezahlt, also den Anspruch aus § 225 Abs 2 Satz 1 SGB VI erfüllt hat. Der Anwendbarkeitsausschluss setzt vielmehr nur voraus, dass die Voraussetzungen eines “Bagatellfalls” nach § 225 Abs 2 Satz 1 SGB VI erfüllt sind. Die Auffassung der Klägerin ist auch nicht mit dem Gesetzeszweck vereinbar. § 225 Abs 1 Satz 1 SGB VI stellt – wie gesagt – für die Höhe des Anspruchs auf die entstandenen Aufwendungen ab. Deren Feststellung erfordert regelmäßig einen nicht unerheblichen Verwaltungsaufwand. Sinn und Zweck der Bagatellfall-Regelung des § 225 Abs 2 Satz 1 SGB VI ist es, diesen Verwaltungsaufwand zu verringern und sofort nach Eintritt der Rechtskraft der familiengerichtlichen Entscheidung die Verpflichtung des Trägers der Versorgungslast zur Zahlung des Ablösungsbetrags zu begründen, also gerade unabhängig davon, ob später dem Träger der Rentenversicherung Aufwendungen aus der übertragenen Rentenanwartschaft entstehen. § 225 Abs 2 Satz 1 SGB VI begründet somit im Verhältnis zu Abs 1 Satz 1 aaO eine (exklusive) Rechtsfolgenregelung, die – wie Abs 2 Satz 2 aaO klarstellt – schon die Anwendbarkeit des § 225 Abs 1 SGB VI ausschließt. “Aufwendungsersatz” und “Ausgleichsbeitrag” schließen sich aus. Die weitere Auffassung der Klägerin, ihr stehe bis zur tatsächlichen Zahlung der “Beiträge” ein Wahlrecht zu, welchen Anspruch sie geltend machen wolle, ist dem Gesetzestext ohnehin nicht einmal andeutungsweise zu entnehmen und mit Sinn und Zweck des Gesetzes nicht vereinbar.
5. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 197a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 154 Abs 1 Verwaltungsgerichtsordnung. Die Festsetzung des Streitwerts hat ihre Grundlage in § 197 Abs 1 SGG iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 47 Abs 1 und 3 sowie § 52 Abs 1 und 3 Gerichtskostengesetz idF des Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes vom 5. Mai 2004 (BGBl I 718).
Fundstellen