Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Auslegung des Klageantrags. Schwerbehindertenrecht. Antrag auf Feststellung eines Mindest-GdB. wirklicher Wille maßgebend. Klärungspflicht des Sozialgerichts. keine strikte Bindung an den Klageantrag. Rüge der mangelhaften Zurückverweisung
Leitsatz (amtlich)
Bei der Auslegung eines Klageantrags in Schwerbehindertenverfahren ist auch bei einem beantragten Mindest-Grad der Behinderung der wirkliche Wille des Prozessführenden maßgebend, sofern er sich aus Umständen ergibt, die für das Gericht und die anderen Beteiligten erkennbar sind.
Orientierungssatz
1. Bei eventuell bestehenden Unklarheiten muss das Gericht auf eine Klärung des Klageantrags hinwirken.
2. Zudem darf das Tatsachengericht die ihm obliegende Amtsermittlungspflicht keinesfalls dadurch verkürzen, dass es die gebotene Auslegung des Klageantrags unterlässt und sich entgegen § 123 SGG an die Fassung der Anträge gebunden sieht, obwohl diese Anlass und Raum für eine Auslegung bieten.
3. Zur Rüge einer mangelhaften Zurückverweisung ist es erforderlich, etwaige Fehler des LSG in der Ermessensausübung aufzuzeigen.
Normenkette
BGB § 133; SGG § 92 Abs. 1 Sätze 1, 3, Abs. 2 S. 1, § 106 Abs. 1, § 112 Abs. 2 S. 2, §§ 123, 159 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, § 160 Abs. 2 Nr. 3, § 164 Abs. 2 Sätze 1, 3; ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2, § 287 Abs. 1 S. 1, § 308 Abs. 1 S. 1; SGB 9 § 69 Abs. 1 S. 1; SGB 9 § 2 Abs. 3
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 12. Mai 2016 wird zurückgewiesen.
Das Sozialgericht Berlin hat abschließend auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Höhe des bei der Klägerin festzustellenden Grades der Behinderung (GdB).
Mit Antrag vom 5.9.2013 hat die 1959 geborene Klägerin bei dem beklagten Land zunächst erfolglos die Feststellung des bei ihr bestehenden GdB geltend gemacht (Bescheid vom 29.11.2013; Widerspruchsbescheid vom 6.3.2014). Im anschließenden Klageverfahren vor dem SG hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin beantragt, den GdB mit "mindestens 20" festzustellen und hierzu ausgeführt, dass bei der Klägerin "aufgrund der Trümmerbrüche im unteren Sprunggelenk und der darauf beruhenden Bewegungsbeeinträchtigung zuzüglich der erheblichen Schmerzen ein GdB von 30 festzustellen" sei. Sie habe einen Anspruch, sich einem schwerbehinderten Menschen gleichstellen zu lassen. Nach Einholung eines Befundberichts hat der Beklagte mit Teilanerkenntnis vom 2.10.2014 den GdB ab September 2013 mit 20 festgestellt und beantragt, die weitergehende Klage abzuweisen. Die Klägerin hat das Teilanerkenntnis nicht angenommen und die Klage aufrechterhalten. Nach Anhörung der Beteiligten hat das SG sodann die Klage abgewiesen, weil diese wegen des Klageantrags mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig sei (Gerichtsbescheid vom 4.1.2016).
Auf die Berufung der Klägerin hat das LSG den Gerichtsbescheid aufgehoben und die Sache an das SG zurückverwiesen. Das SG habe die Klage zu Unrecht als unzulässig abgewiesen, ohne eine Sachentscheidung zu treffen. Die Klägerin habe von Anfang an mit ihrer auf Feststellung eines GdB von "mindestens 20" gerichteten Klage - nunmehr auch gegen den Ausführungsbescheid vom 11.1.2016 - einen GdB von 30 erreichen wollen. Nach den allgemeinen Auslegungsregeln sei bei Prozesserklärungen der wirkliche Wille zu erforschen und hier nach dem Meistbegünstigungsgrundsatz im Zweifel davon auszugehen, dass das Begehren entsprechend der Klagebegründung nicht auf einen GdB von 20 beschränkt sei. Die Sache sei an das SG zurückzuverweisen, weil vorliegend dem Erhalt des Instanzenzuges der Vorrang gegenüber dem Interesse an einer möglichst schnellen Sachentscheidung einzuräumen sei (Urteil vom 12.5.2016).
Mit seiner Revision rügt der Beklagte die Auslegung der Prozesserklärung der Klägerin iS von § 133 BGB. Zu Unrecht weiche das LSG von den Grundsätzen des BSG im Urteil vom 9.8.1995 (9 RVs 7/94) ab. Das konkrete Begehren eines Klägers sei das, "was er mindestens beantragt" habe. Ein Kläger sei nicht mehr beschwert, wenn er einen gewissen Mindestbetrag verlange und ihm dieser zugesprochen werde.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 12. Mai 2016 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 4. Januar 2016 zurückzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält die Entscheidung des LSG für rechtmäßig.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision des beklagten Landes ist unbegründet (§ 170 Abs 1 S 1 SGG). Die Aufhebung der Entscheidung des SG und die Zurückverweisung der Sache dorthin durch das LSG sind nicht zu beanstanden.
1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist das Berufungsurteil, mit dem das LSG den Gerichtsbescheid des SG vom 4.1.2016 aufgehoben und die Sache nach § 159 Abs 1 Nr 1 SGG an das SG zurückverwiesen hat. Nach dieser Vorschrift kann das LSG durch Urteil die angefochtene Entscheidung aufheben und die Sache an das SG zurückverweisen, wenn dieses die Klage zu Unrecht abgewiesen hat, ohne in der Sache selbst zu entscheiden (Adolf in Schlegel/Voelzke, juris-PK SGG, 1. Aufl 2017, § 159 SGG RdNr 14). Dies ist der Fall, da das SG das Begehren der Klägerin auf Feststellung eines GdB von 30 verkannt, seiner Prozessentscheidung unzutreffend einen auf einen GdB von höchstens 20 gerichteten Antrag zugrunde gelegt und ihrer Klage deshalb zu Unrecht das Rechtsschutzbedürfnis angesprochen hat.
a) Dem Klagebegehren ist nicht in vollem Umfang entsprochen worden. Das SG durfte die weitergehende Klage der Klägerin nicht mangels Rechtsschutzbedürfnisses als unzulässig abweisen, sondern hätte darüber in der Sache entscheiden müssen.
Das Klagebegehren ist nach § 92 Abs 1 S 1 SGG mit der Klage zu bezeichnen; demzufolge "soll" die Klage einen bestimmten Antrag enthalten (§ 92 Abs 1 S 3 SGG). Nach § 123 SGG entscheidet das Gericht über die damit erhobenen Ansprüche, ohne an die Fassung der Anträge gebunden zu sein. Bei unklaren Anträgen muss das Gericht nach § 92 Abs 2 S 1 SGG mit den Beteiligten klären, was gewollt ist, und darauf hinwirken, dass sachdienliche und klare Anträge gestellt werden (§ 106 Abs 1, § 112 Abs 2 S 2 SGG; BSG Beschluss vom 16.2.2012 - B 9 SB 48/11 B - Juris RdNr 17 mwN). Zwar ist bei der Auslegung von Anträgen, die ein Rechtsanwalt oder ein vergleichbar qualifizierter Prozessbevollmächtigter gestellt hat, in der Regel davon auszugehen, dass dieser das Gewollte auch richtig wiedergibt (vgl BSG Beschluss vom 5.6.2014 - B 10 ÜG 29/13 B - Juris RdNr 12). Bleibt indes der Erklärungsinhalt des Antrags trotzdem mehrdeutig, dann ist nach den dargelegten Grundsätzen ebenfalls meistbegünstigend auszulegen (so auch BVerwG Urteil vom 22.2.1985 - 8 C 107/83 - Juris RdNr 25; Aussprung in Roos/Wahrendorf, SGG, 2014, § 123 RdNr 24).
Das Gewollte, also das mit der Klage verfolgte Prozessziel, ist im Wege der Auslegung festzustellen (vgl zB BSG Urteil vom 22.3.1988 - 8/5a RKn 11/87 - BSGE 63, 93, 94 = SozR 2200 § 205 Nr 65 S 180; BSG Urteil vom 8.12.2010 - B 6 KA 38/09 R - Juris). In entsprechender Anwendung der Auslegungsregel des § 133 BGB ist der wirkliche Wille zu erforschen. Dabei sind nicht nur der Wortlaut, sondern auch die sonstigen Umstände des Falles, die für das Gericht und die anderen Beteiligten erkennbar sind, zu berücksichtigen (vgl BSG Urteil vom 22.3.1988 - 8/5a RKn 11/87 - aaO). Im Zweifel ist davon auszugehen, dass unter Berücksichtigung des Meistbegünstigungsprinzips alles begehrt wird, was dem Kläger aufgrund des Sachverhalts rechtlich zusteht (vgl etwa BSG Urteil vom 24.4.2008 - B 9/9a SB 10/06 R - SozR 4-3250 § 69 Nr 9 RdNr 16). Diese Auslegung ist unter Berücksichtigung aller Umstände auch vom Revisionsgericht vorzunehmen, ohne an die von den Tatsachengerichten vorgenommene Auslegung gebunden zu sein (vgl BSG Urteil vom 16.5.1995 - 9 RVs 11/94 - Juris RdNr 13 mwN; Jaritz in Roos/Wahrendorf, SGG, 2014, § 92 RdNr 45 mwN).
Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben kann das Begehren der Klägerin - trotz ihrer anwaltlichen Vertretung - nur so verstanden werden, dass sie die Feststellung der Voraussetzungen eines GdB von 30 ab dem 5.9.2013 erreichen will. Vor dem SG hat die Klägerin schriftsätzlich beantragt, bei ihr einen GdB von "mindestens 20" festzustellen und zur Begründung ausgeführt, dass bei ihr ein GdB von 30 vorliege und sie aus diesem Grund einen Anspruch habe, sich einem schwerbehinderten Menschen gleichstellen zu lassen. Aufgrund der bestehenden Gesundheitsstörungen sei bei ihr ein GdB von 30 festzustellen. Diese tatsächliche Zielrichtung ist auch nach dem Teilanerkenntnis des Beklagten vom 2.10.2014 unverändert geblieben, da die Klägerin die Klage aufrechterhalten hat. Dass die Klägerin mit ihrer Klage tatsächlich einen über 20 liegenden GdB erreichen will, hat auch das beklagte Land erkannt und zu erkennen gegeben, indem es ein "Teilanerkenntnis" abgegeben und in diesem Zusammenhang beantragt hat, die weitergehende Klage abzuweisen. Bei evtl bestehenden Unklarheiten hätte das SG darüber hinaus auf eine Klärung des Klageantrags hinwirken müssen (§ 106 Abs 1, § 112 Abs 2 S 2 SGG).
Die von der Revision benannte und vom Berufungsgericht kritisierte Rechtsprechung des Senats in seinem Urteil vom 9.8.1995 (9 RVs 7/94 - SozR 3-1930 § 116 Nr 7 S 24 = Juris RdNr 16) zur Auslegung von Klageanträgen in Schwerbehindertenverfahren, die auf die Feststellung eines Mindest-GdB gerichtet sind, steht der vorgenommenen Auslegung nicht entgegen und widerspricht insbesondere nicht der Rechtsprechung des BSG zur Auslegung von Prozesserklärungen im Allgemeinen (BSG Urteil vom 22.3.1988 - 8/5a RKn 11/87 - BSGE 63, 93, 94 = SozR 2200 § 205 Nr 65 S 180). Der Senat hat mit Urteil vom 9.8.1995 (aaO) zur Höhe der Rahmengebühr eines Bevollmächtigten im isolierten Vorverfahren ua ausgeführt, "daß im Schwerbehindertenverfahren um Festsetzung eines höheren GdB zumeist unbestimmte und nach oben offene Anträge gestellt werden, weil sich der (Gesamt-)GdB nicht errechnen läßt, sondern Ergebnis einer Bewertung unter Würdigung sämtlicher Einzelbehinderungen und ihrer wechselseitigen Beziehungen ist. Die Lage ist ähnlich wie bei einem unbezifferten Antrag auf Schmerzensgeld. Ein Behinderter ist nach Anhebung des GdB auf den von ihm genannten Mindestwert ebenso wenig beschwert wie ein Kläger, dem die in seinem Antrag geforderte Mindestsumme an Schmerzensgeld zugesprochen wird (BGH VersR 1970, 83; 1977, 861). Es fehlt dann eine - weitergehende - Forderung …".
Hieran hält der Senat fest, weist aber klarstellend darauf hin, dass diese Entscheidung für die Auslegung von Klageanträgen in Schwerbehindertenverfahren nur insoweit von Bedeutung ist, als es ausschließlich um einen auf einen Mindest-GdB gerichteten Antrag geht, bei dem sich aus den weiteren Umständen des Falles kein höheres Klagebegehren erkennen lässt. Mit der genannten Rechtsprechung wollte der Senat ursprünglich zusätzlichen anwaltlichen Erfolgsgebühren die Grundlage entziehen. Aus dem Umstand eines Antrags auf Feststellung eines Mindest-GdB sollte kein gebührenerhöhendes Entgegenkommen abgeleitet werden können, wenn das Verfahren sich auf der Grundlage des Mindest-GdB erledigte. Die Begründung, das Verfahren hätte mit dem Ziel einer über den Mindest-GdB hinausgehenden Forderung fortgesetzt werden können, sollte ins Leere laufen (vgl hierzu auch: Hellstab, AGS 1997, 32). Folgerichtig wird diese Entscheidung von den Instanzgerichten insbesondere zur Begründung in Kostenstreitigkeiten herangezogen (vgl zB LSG Berlin Urteil vom 29.10.2002 - L 13 SB 59/01 - Juris RdNr 23; SG Köln Beschluss vom 27.1.2015 - S 16 SB 1593/13 - Juris RdNr 13) und ihre begrenzte Bedeutung bei der Auslegung von Anträgen auf Feststellung eines Mindest-GdB im Übrigen auch in der tatrichterlichen Spruchpraxis erkannt (vgl zB Bayerisches LSG Urteil vom 25.3.1999 - L 15 SB 47/97 - Juris RdNr 17). Keinesfalls darf das Tatsachengericht die ihm obliegende Amtsermittlungspflicht dadurch verkürzen, dass es die gebotene Auslegung des Klageantrags unterlässt und sich entgegen § 123 SGG an die Fassung der Anträge gebunden sieht, obwohl diese Anlass und Raum für eine Auslegung bieten.
Selbst im Zivilrecht wird die Rechtslage bei der Bewertung von unbezifferten Prozessanträgen auf Schmerzensgeld differenziert betrachtet. Zwar muss im Zivilprozess die Klage entgegen § 92 Abs 1 S 3 SGG einen bestimmten Antrag enthalten (§ 253 Abs 2 Nr 2 ZPO) und ist das Gericht entgegen § 123 SGG an die Parteianträge gebunden (§ 308 Abs 1 S 1 ZPO). Für die Geltendmachung von Schmerzensgeld gelten aber seit jeher Besonderheiten, die dem Umstand Rechnung tragen, dass der Tatrichter über die Höhe des Schmerzensgelds unter Würdigung aller Umstände nach seiner freien Überzeugung entscheidet (§ 287 Abs 1 S 1 ZPO). Der Kläger darf deshalb ein angemessenes Schmerzensgeld unter Angabe einer Betragsvorstellung (Größenordnung) verlangen. Nach der auch vom Senat in seiner Entscheidung vom 9.8.1995 (aaO) zitierten Rechtsprechung des BGH gilt dann aber auch, dass ein Kläger regelmäßig nicht mehr beschwert ist, wenn er ein angemessenes Schmerzensgeld unter Angabe einer Betragsvorstellung verlangt und das Gericht ihm ein Schmerzensgeld in eben dieser Höhe zuerkennt (BGH Beschluss vom 4.11.1969 - VI ZB 14/69 - Juris; BGH Beschluss vom 21.6.1977 - VI ZA 3/75 - VersR 1977, 861). Der BGH hat in seiner Rechtsprechung die Angabe einer Betragsvorstellung, nach der sich die Beschwer bestimmt, jedenfalls dann als notwendig erachtet, wenn der Kläger sich die Möglichkeit einer Rechtsmitteleinlegung erhalten will (vgl zB BGH Urteil vom 30.4.1996 - VI ZR 55/95 - BGHZ 132, 341, 352; BGH Urteil vom 2.2.1999 - VI ZR 25/98 - BGHZ 140, 335, 340). Diese Entscheidungen dienten vornehmlich der Verdeutlichung von Grundsätzen zur Feststellung einer durch das Rechtsmittelverfahren zu beseitigenden Beschwer (vgl BGH Versäumnisurteil vom 10.10.2002 - III ZR 205/01 - Juris RdNr 14). Zugleich hat der BGH auch verdeutlicht, dass die Ausübung des richterlichen Ermessens durch die Angabe eines Mindestbetrags nach oben nicht begrenzt werde; die Überschreitung einer angegebenen Größenordnung sei mit der Bindung an die Anträge (§ 308 Abs 1 ZPO) vereinbar, solange der Kläger für sein Begehren keine Obergrenze (etwa im Sinne von "nicht mehr als …") angebe (vgl BGH Urteil vom 30.4.1996 - VI ZR 55/95 - BGHZ 132, 341 , 350, 351 f; BGH Versäumnisurteil vom 2.2.1999 - VI ZR 25/98 - BGHZ 140, 335, 340; BGH Versäumnisurteil vom 10.10.2002 - III ZR 205/01 - Juris RdNr 12; BGH Urteil vom 30.3.2004 - VI ZR 25/03 - Juris RdNr 6 mwN). Selbst unter den engeren formalen Anforderungen des Zivilprozesses kann das Klagebegehren Hinweise auf eine abweichende Bedeutung der von ihm angegebenen Größenvorstellung des Schmerzensgelds für die Beschwer erkennen lassen (s insbesondere BGH Versäumnisurteil vom 10.10.2002 - III ZR 205/01 - Juris RdNr 12 ff).
Zusammenfassend ist - wie oben ausgeführt - auch im Schwerbehindertenrecht bei der Auslegung eines Prozessantrags nach den allgemeinen Auslegungsregeln der wirkliche Wille des Prozessführenden maßgebend, soweit er sich aus den Umständen ergibt, die für das Gericht und die anderen Beteiligten erkennbar sind (vgl BSG Urteil vom 22.3.1988 - 8/5a RKn 11/87 - BSGE 63, 93, 94 = SozR 2200 § 205 Nr 65 S 180). Dies hat der Senat gerade auch für die Feststellung des GdB klargestellt (Beschluss vom 16.2.2012 - B 9 SB 48/11 B - Juris RdNr 16 f mwN unter Hinweis auf BSG Urteil vom 24.4.2008 - B 9/9a SB 10/06 R - SozR 4-3250 § 69 Nr 9 RdNr 16).
Im Ergebnis ist die rechtliche Würdigung des Klageantrags durch das LSG iS von § 123 SGG iVm § 133 BGB nicht zu beanstanden. Das SG hat zu Unrecht unter Verneinung des Rechtsschutzbedürfnisses die Klage als unzulässig abgewiesen, ohne in der Sache selbst eine Entscheidung zu treffen. Die Klägerin verfolgt ihr prozessuales Ziel, einen GdB von 30 zu erreichen, zulässigerweise weiter mit der kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs 1 S 1 SGG - s zur statthaften Klageart etwa BSG Urteil vom 27.2.2002 - B 9 SB 6/01 R - Juris RdNr 40). Durch das Teilanerkenntnis vom 2.10.2014 und den Ausführungsbescheid vom 11.1.2016 ist diesem Begehren lediglich bis zur Feststellung eines GdB von 20 entsprochen worden, sodass eine weitergehende Beschwer verbleibt, über die bisher nicht entschieden ist.
b) Ob das LSG berechtigt war unter Aufhebung des Gerichtsbescheids die Sache an das SG zurückzuverweisen anstatt selbst eine Entscheidung in der Sache zu treffen, kann der Senat mangels Verfahrensrüge durch den Beklagten nicht entscheiden. Nach § 159 Abs 1 SGG "kann" das LSG die Sache an das SG zurückverweisen, hat also eine Ermessensentscheidung zu treffen, ob es in der Sache selbst entscheidet oder zurückverweisen will (s hierzu zB BSG Beschluss vom 19.9.2013 - B 3 KR 3/13 B - Juris RdNr 9; BSG Beschluss vom 12.1.2017 - B 9 V 58/16 B - Juris RdNr 15 mwN; Sommer in Roos/Wahrendorf, SGG, 2014, § 159 RdNr 15 mwN; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 159 RdNr 5 mwN). Eine fehlerhafte Zurückverweisung kann als Verfahrensfehler gerügt werden, ist aber im Revisionsverfahren nicht von Amts wegen zu prüfen (BSG Urteil vom 31.7.1991 - 6 RKa 18/90 - BSGE 69, 147, 153 = SozR 3-2500 § 106 Nr 7 S 37; Sommer, aaO, RdNr 18 mwN), weil durch den vollständigen Erhalt des Instanzenzugs die Grundordnung des Verfahrens nicht berührt ist (vgl hierzu BFH Urteil vom 30.8.1995 - I R 162/94 - BFHE 178, 538 = BStBl II 1996, 139; Keller, aaO, RdNr 5c mwN).
Zur Rüge einer mangelhaften Zurückverweisung wäre es erforderlich gewesen, Fehler des LSG in der Ermessensausübung aufzuzeigen. Diesen Anforderungen genügt die Revisionsbegründung des Beklagten nicht. Eine Auseinandersetzung mit der vom LSG getroffenen und nach § 159 Abs 1 SGG zu treffenden Ermessensentscheidung, ob in der Sache selbst entschieden oder zurückverwiesen wird, fehlt vollständig. Eine solche konkrete Auseinandersetzung ist auch nicht sinngemäß in der Antragstellung und dem Begehren zu sehen, die Berufung der Klägerin zurückzuweisen. Der Beklagte stellt weder dar, welche Rechtsansicht das LSG zu der zu treffenden Ermessensentscheidung nach § 159 Abs 1 SGG konkret vertreten hat noch führt er aus, weshalb diese Rechtsansicht (zur Ermessensentscheidung) von ihm nicht geteilt wird.
Damit bleibt der Revision der Erfolg versagt. Die Entscheidung des LSG zur Zurückverweisung an das SG hat Bestand. Das SG wird das Verfahren in erster Instanz erneut zu eröffnen und unter Zugrundelegung der rechtlichen Beurteilung des LSG eine Entscheidung in der Sache zu treffen haben (§ 159 Abs 2 SGG).
2. Das SG wird nach Entscheidung in der Sache gemäß § 193 SGG auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben. Aufgrund der Zurückverweisung an das SG ist noch keine Entscheidung über den endgültigen Erfolg der Klage getroffen worden (vgl BSG Urteil vom 31.7.1991 - 6 RKa 18/90 - BSGE 69, 147, 154 = SozR 3-2500 § 106 Nr 7 S 37). Hierbei wird zu beachten sein, dass nach dem gegenwärtigen Stand des Verfahrens das prozessuale Ziel über den Antrag hinaus auf Zuerkennung eines GdB von 30 gerichtet ist.
Fundstellen
NDV-RD 2019, 6 |
SGb 2018, 551 |
SGb 2019, 248 |
br 2018, 156 |