Entscheidungsstichwort (Thema)
Statthaftigkeit. Zulässigkeit der Berufung. Bindung und Wirksamkeit einer (gesetzwidrigen) Berufungszulassung
Leitsatz (amtlich)
In Schwerbehinderten-Streitigkeiten über die Feststellung anderer "gesundheitlicher Merkmale" als der MdE (SchwbG § 3 Abs 4), wie die Berechtigung zur unentgeltlichen Beförderung im Nahverkehr betreffend, ist eine Berufung nach SchwbG § 3 Abs 6 S 4 schlechthin ausgeschlossen. SGG § 150 ist nicht anwendbar.
Orientierungssatz
Wenn die Berufung gegen eine nach dem Gesetz schlechthin unanfechtbare Entscheidung zugelassen wird, so ist das für das Rechtsmittelgericht nicht wirksam und bindend.
Dieser Rechtsgrundsatz kann dadurch, daß auch offenbar nicht gesetzmäßige Zulassungen für die höhere Instanz bindend sind, nicht durchbrochen werden. Eine solche Bindung, die auf den Grundsätzen der Rechtsmittelklarheit und des Vertrauensschutzes beruht, kann nicht den völligen gesetzlichen Ausschluß eines Rechtsmittels außer Kraft setzen. Sie beschränkt sich vielmehr auf Fälle, in denen ein Rechtsmittel an sich statthaft ist, aber unter unrichtiger Anwendung von Zulassungsvorschriften eröffnet wird, und soll nur das Rechtsmittelgericht der Prüfung entheben, ob ein gesetzlicher Zulassungstatbestand gegeben ist. Diese Bindung kann also nur bei einer "unrichtigen" Zulassung eintreten, nicht dagegen bei einer "gesetzwidrigen".
Normenkette
SchwbG § 3 Abs. 4; SGG § 143 Fassung: 1953-09-03, § 144 Fassung: 1969-07-27, § 145 Fassung: 1958-06-25, § 146 Fassung: 1958-06-25, § 147 Fassung: 1958-06-25, § 148 Fassung: 1958-06-25, § 149 Fassung: 1974-07-30, § 150 Fassung: 1974-07-30; UnBefG § 2 Abs. 1 Nr. 6; SchwbG § 3 Abs. 6 S. 4
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Teilurteil des Landessozialgerichts Bremen vom 25. August 1977 aufgehoben. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Bremen vom 26. April 1977 wird als unzulässig verworfen, soweit sie die Feststellung einer Behinderung im Sinn von § 2 Abs 1 Nr 6 des Gesetzes über die unentgeltliche Beförderung von Kriegs- und Wehrdienstbeschäftigten sowie von anderen Behinderten im Nahverkehr betrifft.
Kosten des auf diese Berufung beschränkten Verfahrens vor dem Landessozialgericht und des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Das Versorgungsamt stellte bei der Klägerin eine geistige Behinderung im Sinne von § 1 Schwerbehindertengesetz (SchwbG), eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 100 vH sowie eine erhebliche Gehbehinderung fest, verneinte aber eine Körperbehinderung im Sinn des § 39 Abs 1 Nr 1 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) aF (Bescheid vom 9. September 1976). Einen Antrag der Klägerin, ihr einen Schwerbehindertenausweis mit einem orangefarbenen Flächenaufdruck für die unentgeltliche Beförderung im Nahverkehr auszustellen, lehnte das Versorgungsamt ab, weil eine Überprüfung unter Beteiligung des versorgungsärztlichen Dienstes ergeben habe, daß die Klägerin nicht körperbehindert im Sinne von § 39 Abs 1 Nr 1 BSHG sei (Bescheid vom 28. Oktober 1976). Widerspruch und Klage blieben erfolglos (Bescheid vom 18. November 1976, Urteil vom 26. April 1977). Das Sozialgericht (SG) hat die Berufung wegen "grundsätzlicher Bedeutung der Rechtslage" zugelassen. In der mündlichen Verhandlung vom 25. August 1977 vor dem Landessozialgericht (LSG) hat die Beklagte zu Protokoll den Bescheid vom 9. September 1976 dahin ergänzt, "daß das gesundheitliche Merkmal der Behinderung im Sinn des § 2 Abs 1 Nr 6 des Gesetzes über die unentgeltliche Beförderung von Kriegs- und Wehrdienstbeschädigten sowie von anderen Behinderten im Nahverkehr (UnBefG) nicht gegeben ist". Das LSG hat mit Teilurteil vom 25. August 1977 diese Ergänzung aufgehoben und die Beklagte zu der Feststellung verurteilt, daß die gesundheitlichen Merkmale des § 2 Abs 1 Nr 6 UnBefG gegeben sind. Die Berufung hat es als kraft Gesetzes zulässig beurteilt; ein Ausschlußgrund im Sinn des § 144 Abs 1 Nr 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG), worauf § 3 Abs 6 Satz 1 und 2 SchwbG für Ausweisstreitigkeiten verweise, sei nicht gegeben. Der Zulässigkeit der Klage stehe die Bestandskraft des Bescheides vom 9. September 1976 nicht entgegen. Wenn in ihm eine Körperbehinderung im Sinn des § 39 Abs 1 Satz 1 BSHG verneint worden sei, so habe nicht zugleich eine Feststellung über die Voraussetzung für die unentgeltliche Beförderung im Nahverkehr getroffen werden sollen. Zumindest habe die Beklagte durch ihre Ergänzung vor dem LSG die Ablehnung der begehrten Feststellung wiederholt. Die zusätzliche Anfechtung dieser Ergänzung sei sachdienlich und daher zulässig. Die Klägerin habe nach § 3 Abs 4 SchwbG iVm § 2 Abs 1 Nr 6 UnBefG Anspruch auf die begehrte Feststellung. Zwar sei sie nicht körperbehindert im Sinne von § 39 Abs 1 Nr 1 BSHG in der vor dem 3. Änderungsgesetz vom 25. März 1974 geltenden Fassung. Aber § 2 Abs 1 Nr 6 UnBefG knüpfe an die jeweils geltende Fassung des § 39 Abs 1 BSHG an. Nach Sinn und Zweck des § 2 UnBefG solle der Kreis der durch die Vorschrift Begünstigten mit der Entwicklung des Versorgungs-, Entschädigungs- und Sozialhilferechts Schritt halten. Über die Verpflichtung der Beklagten zur begehrten Feststellung habe durch Teilurteil entschieden werden können, da die entsprechende Kennzeichnung des Schwerbehindertenausweises nach § 3 Abs 5 Satz 1 und 2 SchwbG, über die noch eine Berufung anhängig sei, eine vorherige unanfechtbare Feststellung nach § 3 Abs 1 und 4 SchwbG voraussetze.
Die Beklagte hat die - vom LSG zugelassene - Revision eingelegt. Sie vertritt weiterhin die Auffassung, auch nach der Neufassung des § 39 Abs 1 BSHG hänge der Anspruch von Schwerbehinderten auf unentgeltliche Beförderung durch Nahverkehrsmittel davon ab, daß sie zum Personenkreis des § 39 Abs 1 Nr 1 BSHG aF gehörten.
Die Beklagte beantragt sinngemäß,
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das Teilurteil des LSG aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG zurückzuweisen, soweit sie die Feststellung der gesundheitlichen Merkmale nach § 2 Abs 1 Nr 6 UnBefG betrifft. |
Die Klägerin beantragt,
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die Revision zurückzuweisen. |
Sie bezieht sich auf das angefochtene Urteil.
Die Beteiligten haben sich nie einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
Das Teilurteil über einen selbständigen Anspruch, das das LSG nach § 202 SGG iVm § 301 Zivilprozeßordnung (ZPO) erlassen durfte (BSGE 27, 142, 143 = SozR Nr 5 zu § 301 ZPO) und das ein Endurteil darstellt (§ 301 Abs 1 ZPO), ist mit der Revision anfechtbar.
Die Revision der Beklagten ist auch begründet. Das Berufungsurteil ist aufzuheben, und die Berufung der Klägerin ist als unzulässig zu verwerfen (§ 158 Abs 1 SGG), soweit sie den Gegenstand des Teilurteils betrifft. Das LSG hat zu Unrecht in der Sache entschieden.
Die Berufung, die zu dem Teilurteil geführt hat, betrifft allein die nach § 3 Abs 4 SchwbG idF vom 29. April 1974 (BGBl I 1005) und des Gesetzes vom 14. Juni 1976 (BGBl I 1481) zu beanspruchende Feststellung einer bestimmten Behinderung, die zur unentgeltlichen Beförderung im Nahverkehr nach dem UnBefG vom 27. August 1965 (BGBl I 978) berechtigt. Dies ist ein selbständiger "Anspruch" im prozeßrechtlichen Sinn; für ihn ist die Zulässigkeit der Berufung gesondert zu prüfen (BSGE 10, 264). Die Klägerin begehrt in diesem Verfahren letzten Endes die Ausstellung eines Schwerbehindertenausweises für Körperbehinderte iS des § 39 Abs 1 Nr 1 BSHG mit orangefarbenen Flächenaufdruck; dieser berechtigt nach § 1 Abs 1 und 2 Nr 6 UnBefG zur unentgeltlichen Beförderung im Nahverkehr (zur Kennzeichnung des Ausweises: Abschnitt V der Richtlinien über die Ausweise für Schwerbeschädigte und Schwerbehinderte, Stand: Januar 1977, Bundesversorgungsblatt 1977, Beilage zu Heft 3/4). Eine der Voraussetzungen ist eine Körperbehinderung iS des § 39 Abs 1 Nr 1 BSHG, die die Klägerin festgestellt haben will. Eine solche Feststellung muß unanfechtbar getroffen sein, damit der begehrte Ausweis nach § 3 Abs 5 SchwbG ausgestellt werden kann. Ob die Berufung bezüglich jenes gesonderten Anspruches statthaft ist, hat das Revisionsgericht als Sachurteilsvoraussetzung bei einer zugelassenen Revision zu prüfen, ohne daß die Revisionsklägerin eine entsprechende Verfahrensrüge erhoben zu haben braucht (BSGE 37, 177 = SozR 2200 § 851 Nr 1).
Die Berufung, über deren Zulässigkeit hier zu entscheiden ist, war nach § 3 Abs 6 Satz 4 SchwbG ausgeschlossen. Diese Vorschrift lautet: "Eine Berufung gegen Urteile der Sozialgerichte, die Feststellungen nach Abs 4 betreffen, findet nicht statt". Dies ist eine Sonderbestimmung für Fälle der vorliegenden Art. Das hat das LSG verkannt; es hat allein die Vorschriften des § 3 Abs 6 Sätze 1 bis 3 SchwbG berücksichtigt. In dem Teil des Rechtsstreits, der Gegenstand des Revisionsverfahrens ist, geht es aber gerade um eine "Feststellung nach Abs 4", dh um eine solche über gesundheitliche Merkmale, die für die Inanspruchnahme einer Vergünstigung - hier der unentgeltlichen Beförderung im Nahverkehr - erforderlich ist. Nach üblichem juristischem Sprachgebrauch bedeutet die Formulierung "eine Berufung findet nicht statt" den völligen Ausschluß des Rechtsmittels. Sonst wird es als an sich "statthaft" ("findet statt") bezeichnet (zB §§ 511, 545 Abs 1, § 546 Abs 1, §§ 547, 567 Abs 1 ZPO, § 143 SGG); dh es kann überhaupt gegen eine Entscheidung gegeben sein (Stein/Jonas/Grunsky, ZPO, 20. Aufl 1977, Einleitung vor § 511, Rz 7; Thomas/Putzo, ZPO, 9. Aufl 1977, Vorbemerkung IV, 1 vor § 511 ZPO; Rosenberg/Schwab, Zivilprozeßrecht, 12. Aufl 1977, S 766, 774, 808 f). Eine Berufung kann auch unter bestimmten Voraussetzungen "nicht zulässig" sein (zB nach den §§ 144 bis 149 SGG), ist dann aber an sich statthaft. In solchen Fällen bezeichnet das Gesetz "die" Berufung als nicht zulässig. Im Unterschied dazu findet nach der hier maßgebenden Vorschrift "eine" Berufung - schlechthin - nicht statt. Das bestätigt die völlige Unanfechtbarkeit des sozialgerichtlichen Urteils. Obgleich auch in prozeßrechtlichen Vorschriften verschiedene Ausdrücke dieselbe Bedeutung haben können (vgl zB Beschluß des GmS-OGB SozR 1500 § 161 Nr 18) und obgleich in den Prozeßgesetzen die Zulässigkeit (Statthaftigkeit) der Ausschluß und die sonstige Einschränkung von Rechtsmitteln nicht durchgehend mit demselben Wortlaut angeordnet werden, handelt es sich doch bei der Unterscheidung zwischen "Statthaftigkeit" und "Zulässigkeit" und den je dazu gehörenden Adjektiven sowie Partizipien um Begriffe mit klar unterschiedener Bedeutung. Daß sich der Gesetzgeber daran auch in § 3 Abs 6 SchwbG gehalten hat, lassen die systematische Gliederung des Absatzes, die Entstehungsgeschichte und der Zweck der Vorschrift erkennen. Wenn mit der Regelung des Satzes 4 nicht ein uneingeschränkter Ausschluß der Berufung gemeint wäre, hätte es sich wegen des Zusammenhanges mit den vorausgehenden Sätzen aufdrängen müssen, hier wie dort einheitliche Begriffe zu verwenden. Dann hätte anstelle des Ausdruckes "findet nicht statt" in Satz 4 das Rechtsmittel, entsprechend der positiven Kennzeichnung anderer Fälle in Satz 3, als "unzulässig" bezeichnet werden müssen, wie auch im SGG, auf das in den Sätzen 1 und 2 verwiesen wird, die einschlägigen Vorschriften des § 143 einerseits und der §§ 144 bis 149 andererseits, von denen die für die Kriegsopferversorgung geltende Bestimmung des § 148 durch Satz 2 in Bezug genommen wird, die allgemeine Unterscheidung beachten. Die Entstehungsgeschichte des § 3 Abs 6 bietet keinen Anhalt dafür, daß der Gesetzgeber sich der Bedeutung des Wortlauts nicht bewußt gewesen wäre und in Wirklichkeit von der üblichen prozeßrechtlichen Terminologie hätte abweichen wollen. Die endgültige Fassung dieses Absatzes geht auf einen Antrag der SPD- und der FDP-Fraktion zurück; sie wollten den verfahrensrechtlichen Teil aus dem im Gesetzgebungsverfahren gescheiterten Entwurf eines Gesetzes über die unentgeltliche Beförderung Schwerbehinderter im öffentlichen Personenverkehr (Bundesrats-Drucks 736/74) übernehmen (Bericht und Antrag des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zu den Bundestags-Drucks 7/4653, 7/4585 und 7/4683 - Bundestags-Drucks 7/4960 - S 4 f). Nach diesem Entwurf (§ 10 Abs 1 iVm § 8 Abs 1) sollte allerdings die Berufung in Streitsachen über die Berechtigung zur unentgeltlichen Beförderung Schwerbehinderter statthaft sein. Die Abweichung davon ist sogar nochmals im Plenum des Bundestages erörtert und mit einer Entlastung der Landessozialgerichte begründet worden; ein CDU/CSU-Antrag, den Ausschluß der Berufung zu beseitigen (Bundestags-Drucks 7/4989), wurde von der Mehrheit des Parlaments abgelehnt (Niederschrift über die 235. Sitzung des Deutschen Bundestages vom 8. April 1976, S 16467 ff, insbesondere 16468 D). Bei dieser Auseinandersetzung hat kein Abgeordneter die Minimallösung angestrebt, die Berufung in Angelegenheiten des Absatzes 4 bloß für "unzulässig" iS der §§ 144 bis 149 SGG zu erklären mit der Folge, daß sie in Einzelfällen gem § 150 SGG zulässig werden könnte. Die Regelung des § 3 Abs 6 Satz 4 SchwbG ist demnach einer anderen Auslegung nicht zugänglich; sie bindet daher die Gerichte nach Art 20 Abs 3 GG. Dieser Berufungsausschuß ist auch sachlich hinzunehmen. Bei den davon betroffenen Angelegenheiten handelt es sich nur um Nebenwirkungen der Schwerbehinderteneigenschaft, während bei einem Streit über die Grundvoraussetzungen die Berufung uneingeschränkt statthaft ist. Ein hinreichender Grund für die Annahme eines Fehlgriffs im Ausdruck, der eine Auslegung gegen den Wortlaut des Gesetzes rechtfertigen könnte, ist nach alledem nicht erkennbar.
Die Endgültigkeit einer erstinstanzlichen Entscheidung ist schließlich weder nach dem SGG noch nach sonstigem Prozeßrecht (vgl zB § 511 a Abs 1 ZPO beim Streitwert unter 500,- DM) unvorstellbar. Schlechthin ausgeschlossen war die Berufung zum Beispiel gemäß § 206 SGG aF beim Streit über Teuerungszulagen nach dem nicht mehr wirksamen Teuerungszulagengesetz idF vom 25. Juni 1952 sowie nach § 214 Abs 1 und 2 SGG aF in Übergangsfällen, in denen in einer Unfall- oder in einer Kriegsopferversorgungssache ein in der Zeit vom 8. Mai 1945 bis zum 31. Dezember 1953 ergangenes Urteil eines Oberversicherungsamtes oder Verwaltungsgerichts allein bezüglich des Ursachenzusammenhanges zum LSG angefochten werden konnte (Abs 1 Nr 1) und wenn nach einem solchen Berufungsverfahren der Rechtsstreit im übrigen an das SG zurückverwiesen worden war. Die Berufung kann im gegenwärtigen Fall auch nicht wegen eines Zusammenhanges mit der begehrten Ausstellung eines Ausweises, eines möglicherweise berufungsfähigen Anspruchs, zulässig sein (anders für Ausnahmefälle, von denen hier keiner gegeben ist: BSG SozR 1500 § 146 Nr 4). Ein Bedürfnis für eine einheitliche Beurteilung besteht hier nicht. Ob es nicht auch sinnvoll wäre, gerade die grundlegende Feststellung über gesundheitliche Merkmale, von der die Ausstellung eines bestimmten Schwerbehindertenausweises abhängt, in zwei Tatsacheninstanzen nachprüfen zu lassen, hat das Revisionsgericht nicht zu entscheiden. Andererseits könnte es näher liegen, die Berufung in der noch anhängigen Ausweissache, einer Folgeentscheidung, als nicht statthaft zu behandeln. Darüber ist aber in dem gegenwärtigen Revisionsverfahren nicht zu befinden.
Die Berufung ist nicht dadurch zulässig geworden, daß das SG sie im Urteil zugelassen hat. Diese Entscheidung war unwirksam. Die Berufung kann durch eine Zulassung nach § 150 Nr 1 SGG lediglich "ungeachtet der §§ 144 bis 149 zulässig" werden. Wenn § 3 Abs 6 Satz 2 SchwbG auf "besondere Vorschriften für die Kriegsopferversorgung" verweist, so gilt dies allerdings für die Streitigkeiten nach § 3 Abs 6 Satz 1, dh ua allgemein für solche über Feststellungen nach Abs 4. Ungeachtet dessen sind für Streitigkeiten über eine solche Feststellung, um die es auch hier geht, die §§ 148 und 150 SGG nicht anwendbar; denn für Urteile, welche derartige Feststellungen betreffen, enthält - wie ausgeführt - Abs 6 Satz 4 eine Sonderregelung, die hier allein maßgebend ist. Insoweit verweist § 3 Abs 6 nicht uneingeschränkt auf SGG- Bestimmungen für die Kriegsopferversorgung, wie § 7 Abs 1 Satz 2 Gesetz über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten vom 11. Mai 1976 (BGBl I 1181) und § 61 Abs 2 Satz 2 Bundesseuchengesetz idF vom 25. August 1971 (BGBl I 1401). Ferner wird schon gar nicht ausdrücklich bestimmt, daß § 150 SGG entsprechend gilt, wie dies § 27 Abs 2 Halbsatz 2 Bundeskindergeldgesetz vom 14. April 1964 (BGBl I 265) tut. § 150 SGG ist beim Fehlen einer solchen Bezugnahme nicht auf andere Berufungsausschlußvorschriften als die §§ 144 bis 149 SGG anwendbar (Peters/Sautter/Wolff, Kommentar zur Sozialgerichtsbarkeit, § 150, Anm 1; Zeihe, Das SGG und seine Anwendung, § 150 Nr 1, Rz 4, 1). Wenn die Berufung gegen eine nach dem Gesetz schlechthin unanfechtbare Entscheidung zugelassen wird, so ist das für das Rechtsmittelgericht nicht wirksam und bindend (BGHZ 3, 244, 246; BAGE 8, 73, 75 f; BVerwGE 3, 143, 144; BVerwG, Die öffentliche Verwaltung 1959, 396 f; BVerwG Buchholz 310 § 132 Nr 14; 230 § 127 Nr 2; 234 § 1 Nr 30; Prütting, Die Zulassung der Revision, 1977, S 260 f; Stein/Jonas/Grunsky, § 546 ZPO, Rz 16; Eyermann/Fröhler, Verwaltungsgerichtsordnung, 7. Aufl 1977, § 132, Rz 22; Weyreuther, NJW-Schriften 14, Rz 16, 186). Dieser Rechtsgrundsatz kann dadurch, daß auch offenbar nicht gesetzmäßige Zulassungen für die höhere Instanz bindend sind (für die Revision: Urteil des erkennenden Senats in SozR 1500 § 160 Nr 21; Meyer-Ladewig, Sozialgerichtsbarkeit 1977, 133; für die Sprungrevision: BSG SozR 1500 § 161 Nr 15; eingeschränkt für die Berufung: BSG SozR 1500 § 150 Nr 2), nicht durchbrochen werden. Eine solche Bindung, die auf den Grundsätzen der Rechtsmittelklarheit und des Vertrauensschutzes beruht (vgl auch BSG SozR 1500 § 161 Nrn 4, 6, 7, 12), kann nicht den völligen gesetzlichen Ausschluß eines Rechtsmittels außer Kraft setzen. Sie beschränkt sich vielmehr auf Fälle, in denen ein Rechtsmittel an sich statthaft ist, aber unter unrichtiger Anwendung von Zulassungsvorschriften eröffnet wird, und soll nur das Rechtsmittelgericht der Prüfung entheben, ob ein gesetzlicher Zulassungstatbestand gegeben ist (BAG aaO). Diese Bindung kann also nur bei einer "unrichtigen" Zulassung eintreten, nicht dagegen bei einer "gesetzwidrigen" wie hier (Paulus, Zeitschrift für Zivilprozeßrecht, Band 71, S 206 f).
Mit der Verwerfung der Berufung, die zu dem aufzuhebenden Teilurteil geführt hat, ist der angefochtene Bescheid vom 28. Oktober 1976 rechtsverbindlich, soweit die Beklagte in ihm gemäß § 3 Abs 4 SchwbG festgestellt hat, die Klägerin sei nicht körperbehindert im Sinn des § 39 Abs 1 Nr 1 BSHG und damit nicht im Sinn des § 2 Abs 1 Nr 6 UnBefG behindert. Das LSG hatte nicht ungeachtet der nicht statthaften Berufung über die bezeichnete Voraussetzung für die unentgeltliche Beförderung deshalb sachlich zu entscheiden, weil außerdem die in der mündlichen Verhandlung vom 25. August 1977 erklärte "Ergänzung" angefochten wurde. Ein nachträglicher bestätigender Verwaltungsakt, der den bereits angefochtenen im Sinn des § 96 SGG" ersetzt" (BSG, Kriegsopferversorgung 1968, 76), ist kraft Klage (BSGE 18, 231, 234 f = SozR Nr 17 zu § 96 SGG) auch dan sachlich zu prüfen, wenn die den zuerst angegriffenen Bescheid betreffende Berufung nicht zulässig ist (BSG vom 9. Februar 1977 - 10 RV 11/76 -). Die von der Beklagten erklärte "Ergänzung" war jedoch nicht gemäß § 96 SGG angefochten; denn sie bezieht sich ausdrücklich auf den Bescheid vom 9. September 1976, und dieser ist nicht Gegenstand des gegenwärtigen Verfahrens. Damit ist die Klageabweisung auch auf diese "Ergänzung" zu erstrecken.
Die Kostenentscheidung, die sich auf das Verfahren über das Teilurteil beschränkt, ergibt sich aus § 193 SGG.
Fundstellen