Orientierungssatz
Neufeststellung nach § 86 BVG - Ruhen der Versorgungsbezüge:
1. Ergibt die Neufeststellung der Rente nach dem BVG eine Minderung oder den Wegfall der Bezüge, so tritt die Minderung oder der Wegfall erst mit Ablauf des Monats ein, der auf die Zustellung des Bescheides folgt. Durch § 86 Abs 1 S 3 BVG sollte erreicht werden, daß der durch das BVG versorgungsrechtlich benachteiligte Personenkreis für eine Übergangszeit vor Rentenminderung oder Rentenwegfall geschützt wird.
2. Der Eintritt des Ruhens der Versorgungsbezüge stellt eine die Lebenshaltung des Empfängers unmittelbar berührende wesentliche Änderung der Verhältnisse und zwar eine Schlechterstellung des Rentenberechtigten dar.
3. Im Falle des Ruhens endet die Pflicht zur Rentenzahlung kraft Gesetzes in dem Zeitpunkt, in welchem der Tatbestand, der das Ruhen zur Folge hat, eintritt. Der Ruhensbescheid stellt dies lediglich fest und kann sich daher auch auf die zurückliegende Zeit beziehen, für welche die Rente vorher bewilligt war (vgl BSG vom 1957-02-14 8 RV 691/55 = BSGE 4, 281).
Normenkette
BVG § 86 Abs. 1 Sätze 3, 1; WFVG § 115 Abs. 6, § 118 Abs. 6
Verfahrensgang
LSG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 10.05.1957) |
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 10. Mai 1957 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen.
Gründe
Der Ehemann und Vater der Kläger ist am 8. Dezember 1943 während seines Einsatzes als Zahlmeister in Rußland verstorben. Sein Tod wurde als Wehrdienstfolge anerkannt. Das Kriegsversehrtenfürsorgeamt gewährte den Klägern mit Bescheid vom 29. Oktober 1947 ab 1. Januar 1947 Witwen- und Waisenversorgung in Höhe von 172,40 RM monatlich nach dem Wehrmachtsfürsorge- und Versorgungsgesetz (WFVG). Die Berechtigten wurden im Bescheid darauf hingewiesen, daß sie den etwaigen Bezug eines beamtenrechtlichen Witwen- und Waisengeldes unverzüglich anzuzeigen hätten. Die Versorgungsstelle für ehemalige Wehrmachtsangehörige beim Landesversorgungsamt (LVersorgA) Baden gewährte den Klägern in Vollzug des G 131 ab 1. April 1951 monatlich 144,22 DM Witwengeld, 40,-- DM Kinderzuschläge für zwei Kinder und 144,22 DM Waisengeld für zwei Waisen, zusammen 328,44 DM. Die Versorgungsbezüge unabhängig von der beamtenrechtlichen Unfallfürsorge wurden mit 103,32 DM Witwengeld, 40,-- DM Kinderzuschläge und 41,32 DM Waisengeld für zwei Waisen angegeben.
Mit Bescheid vom 5. Juli 1952 stellte das Versorgungsamt (VersorgA) nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) die Witwenrente der Klägerin zu 1) mit 40,-- DM und die Waisenrenten der Kläger zu 2) und 3) mit je 10,-- DM monatlich fest. Es errechnete den Unterschiedsbetrag zwischen der Versorgung nach allgemeinen beamtenrechtlichen Bestimmungen und der Versorgung aus der beamtenrechtlichen Unfallfürsorge mit (144,22 - 103,32 =) 40,90 DM für die Klägerin zu 1) und mit je (72,11 - 20,65 =) 51,45 DM für die Kläger zu 2) und 3). Da diese Unterschiedsbeträge die nach dem BVG festgestellten Versorgungsbezüge der Kläger überstiegen, stellte das VersorgA nach § 65 Abs. 1 Nr. 2 BVG das Ruhen des Rechts auf Versorgung ab 1. April 1951 fest, errechnete für die Zeit vom 1. April 1951 bis 31. August 1952 eine Überzahlung von 2.930,80 DM und rechnete diesen Betrag mit den von der Versorgungsstelle für ehemalige Wehrmachtsangehörige beim LVersorgA B..., dem VersorgA erstatteten beamtenrechtlichen Versorgungsbezügen auf. Der Bescheid vom 5. Juli 1952 blieb unangefochten.
Das VersorgA erteilte den Klägern am 20. Januar 1955 einen neuen Bescheid, worin es an der Aufrechnung festhielt und den Klägern Rechtsbehelfsbelehrung gab. Der Widerspruch der Kläger blieb ohne Erfolg. Auf ihre Klage hob das Sozialgericht (SG) mit Urteil vom 27. Mai 1955 "den Bescheid vom 5. Juli 1952" teilweise auf und verurteilte den Beklagten, den Klägern die einbehaltenen Pensionsteile für die Zeit vom 1. April 1951 bis 31. August 1952 wieder auszuzahlen. Die Berufung des Beklagten blieb sachlich erfolglos. Das Landessozialgericht (LSG) hob mit Urteil vom 10. Mai 1957 zwar das angefochtene Urteil, gleichzeitig aber auch den Bescheid des Beklagten vom 20. Januar 1955 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 3. Februar 1955 insoweit auf, als der Beklagte den Betrag von 2.930,80 DM von den Klägern zurückgefordert und sich aus dem Anspruch der Kläger auf Bezüge nach dem G 131 befriedigt hatte. Nach dem Badischen Landesgesetz über das Verfahren in Versorgungssachen vom 15. März 1950 (Badisches GVBl S. 156) in Verbindung mit § 71 des Gesetzes über das Verfahren in Versorgungssachen vom 10. Januar 1922 in der Fassung vom 2. November 1934 (RGBl I 1113) habe das VersorgA nach Genehmigung des Hauptversorgungsamts - jetzt LVersorgA - zugunsten des Berechtigten jederzeit einen neuen Bescheid erteilen dürfen. Einen Zugunstenbescheid in diesem Sinne stelle der Bescheid vom 20. Januar 1955 dar, denn wenn er auch sachlich mit dem Bescheid vom 5. Juli 1952 übereinstimme, so verbessere er doch die Rechtslage der Kläger, indem er ihnen den Rechtsweg neu eröffne. Dieser Bescheid sei ein Umanerkennungsbescheid im Sinne des § 86 Abs. 1 Satz 1 BVG, weil er erstmals die Bezüge der Kläger nach dem BVG, gleichzeitig aber auch das Ruhen ihres Anspruchs auf Auszahlung der Bezüge (§ 65 Abs. 1 Nr. 2 BVG) feststelle. Daneben enthalte der Bescheid den Entzug der den Klägern vom 1. April 1951 bis 31. August 1952 bereits gewährten Versorgungsbezüge, deren Rückforderung und die Verfügung, daß wegen des Rückforderungsbetrages Ersatzansprüche bei der Dienststelle geltend zu machen seien, die den Klägern Bezüge nach dem G 131 schulde.
Zutreffend sei der Bescheid, soweit er die Bezüge der Kläger nach dem BVG und das Ruhen dieser Bezüge ab 1. April 1951 feststelle. Dagegen sei die Rückforderung und der Ersatzanspruch gegenüber der für die Versorgung nach dem G 131 zuständigen Dienststelle nicht gerechtfertigt. Obwohl der Versorgungsbezüge nach dem BVG bewilligende Verwaltungsakt durch den Umanerkennungsbescheid zurückgenommen worden sei, weil sich aus der rückwirkenden Neufeststellung der Bezüge seine Fehlerhaftigkeit ergeben habe, müßten den Klägern gemäß § 86 Abs. 1 Satz 3 BVG die Bezüge belassen werden, die sie bis zum Ablauf des auf die Zustellung des Umanerkennungsbescheides folgenden Monats erhalten hätten. § 86 Abs. 1 Satz 3 BVG gehe als eine die Versorgungsempfänger bewußt begünstigende Schutzvorschrift der Ruhensvorschrift des § 65 Abs. 1 BVG vor. Deshalb sei der Beklagte weder berechtigt gewesen, den Klägern den Anspruch auf Auszahlung ihrer Bezüge ab 1. April 1951 zu entziehen, noch habe er die vom 1. April 1951 bis zum 31. August 1952 gezahlten Bezüge von den Klägern zurückfordern oder Ersatz hierfür von der für die Zahlung der Bezüge nach dem G 131 zuständigen Stelle fordern dürfen. Insoweit müsse der angefochtene Verwaltungsakt aufgehoben werden. Das SG habe aber den Beklagten nicht zur Zahlung der einbehaltenen Pensionsteile verurteilen dürfen, da es sich insoweit um eine Gehaltsforderung gegen die vom Bund mit der Durchführung des G 131 beauftragten Stelle handele, für die die Sozialgerichtsbarkeit nach § 51 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) nicht zuständig sei. Deshalb sei auch das Urteil des SG aufzuheben. Das LSG ließ die Revision zu.
Mit der Revision rügt der Beklagte Verletzung des § 86 Abs. 1 BVG. Er ist der Auffassung, das LSG habe diese Vorschrift zu weit ausgelegt. Unter dem Wegfall der Rente im Sinne des § 86 Abs. 1 Satz 3 BVG sei nicht der bloße Wegfall des Anspruchs auf Auszahlung der Rente, sondern nur der Wegfall des Rentenanspruchs zu verstehen. Nach dem Sinn des Gesetzes solle der Versorgungsberechtigte nur geschützt werden, wenn der Rentenanspruch selbst ersatzlos wegfalle. Falle nur der Anspruch auf Auszahlung der Rente weg, weil anstelle der Versorgungsrente Leistungen nach anderen Gesetzen auf Grund derselben Ursache bezogen würden, so sei der Versorgungsberechtigte versorgt und bedürfe daher des Schutzes nach § 86 Abs. 1 Satz 3 BVG nicht. Wende man die Vorschrift gleichwohl an, so komme man mit dem angefochtenen Urteil zu einer Doppelversorgung, die der Gesetzgeber durch § 65 BVG gerade ausschließen wolle. Es ergebe sich dabei aber auch eine ungerechtfertigte finanzielle Belastung der Länder. Diese Belastung sei in § 86 Abs. 1 letzter Halbsatz BVG vorgesehen worden, um eine Beschleunigung der Umanerkennung zu erreichen. Ergebe sich aber ein Mehrbetrag im Sinne dieser Vorschrift daraus, daß ein rückwirkendes Bundesgesetz Ruhenstatbestände des BVG auslöse, so dürfe das nicht zu Lasten der Länder gehen, weil es nicht in ihrer Macht gestanden habe, diese Mehrbeträge durch schnelle Umanerkennung zu vermeiden.
Der Beklagte beantragt,
die Klage unter Aufhebung der Urteile der Vorinstanzen abzuweisen.
Die Kläger beantragen,
die Revision zurückzuweisen.
Sie schließen sich der vom LSG vertretenen Auffassung an.
Die durch Zulassung statthafte Revision ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 162 Abs. 1 Nr. 1, 164 und 166 SGG), daher zulässig und auch sachlich begründet.
Streitig ist die Rechtmäßigkeit des Zugunstenbescheides vom 20. Januar 1955 zwischen den Beteiligten insoweit, als den Klägern darin der Anspruch auf Auszahlung ihrer Versorgungsrente rückwirkend ab 1. April 1951 entzogen, der von diesem Zeitpunkt bis zum 31. August 1952 überzahlte Betrag (2.930,80 DM) zurückgefordert und in dieser Höhe von der für die Bezahlung der Bezüge nach dem G 131 zuständigen Stelle beansprucht und erlangt worden ist.
Nach § 86 Abs. 1 Satz 2 BVG wird die Rente nach diesem Gesetz rückwirkend vom Inkrafttreten des Gesetzes - 1. Oktober 1950 (§ 84 Abs. 1 BVG) - an festgestellt. Ebenfalls rückwirkend auf den 1. Oktober 1950 war aber durch das BVG auch die Rechtsgrundlage für die Bezüge der Kläger, das WFVG, beseitigt worden (§ 84 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. f BVG). Deshalb bestimmte § 86 Abs. 1 Satz 1 und 3 BVG, daß die auf Grund der bisherigen versorgungsrechtlichen Vorschriften zu zahlenden Versorgungsbezüge solange weiterzuzahlen seien, bis die Bezüge nach dem BVG festgestellt sind und daß eine Minderung oder Entziehung der Rente erst mit Ablauf des Monats eintrete, der auf die Zustellung des Bescheides folgt, wenn die Bezüge nach dem BVG niedriger sind als bisher oder die Rente ganz wegfällt. Der Grundgedanke dieser Regelung ist, Rentenverbesserungen ab Inkrafttreten des BVG, Rentenminderungen dagegen erst nach Bescheidzustellung wirksam werden zu lassen. Durch § 86 Abs. 1 Satz 3 BVG sollte erreicht werden, daß der durch das BVG versorgungsrechtlich benachteiligte Personenkreis für eine Übergangszeit vor Rentenminderung oder Rentenwegfall geschützt wird. Nach Sinn und Zweck des § 86 Abs. 1 BVG kommt es also darauf an, welches wirtschaftliche Ergebnis die Einwirkung des BVG auf die im Einzelfall auszuzahlende Rente hat. Eine Rentenerhöhung führt zur Anwendung des Satzes 2, eine Rentenminderung zieht die Rechtsfolge des Satzes 3 nach sich. Somit unterscheidet § 86 Abs. 1 BVG nur zwei Personenkreise: die durch das BVG hinsichtlich ihrer Rente Begünstigten und die durch das BVG rentenmäßig Benachteiligten. Für eine weitere Unterscheidung in Rentenanspruch und Rentenauszahlungsanspruch bietet das Gesetz keinen Anhalt.
Das Bundessozialgericht (BSG) hat in SozR VerwVG § 47 Bl. Ca 2 Nr. 4 ausgeführt, daß der Eintritt des Ruhens der Versorgungsbezüge eine die Lebenshaltung des Empfängers unmittelbar berührende wesentliche Änderung der Verhältnisse sei, und zwar eine Schlechterstellung des Rentenberechtigten. Dieser Auffassung, die vom BSG auch auf dem Gebiet der Arbeitslosenversicherung (ArblV) vertreten worden ist (vgl. SozR AVAVG § 87 Ba 2 N 2), schließt sich der erkennende Senat an. Somit ist kein Grund ersichtlich, die Schutzvorschrift des § 86 Abs. 1 Satz 3 BVG, die als Spezialvorschrift für die Umanerkennung ohnehin der allgemeinen Bestimmung des § 65 BVG vorgeht, auf den Ruhenstatbestand nicht anzuwenden. Es muß vielmehr von dem auch aus dem Wortlaut und Sinn der Vorschrift erkennbaren Grundsatz ausgegangen werden, daß alle rentenmäßigen Nachteile, die das BVG mit sich bringt, einheitlich in dem sich aus § 86 Abs. 1 Satz 3 BVG ergebenden Zeitpunkt eintreten.
Nach § 86 Abs. 1 Satz 3 BVG ist ferner bestimmt, daß die sich aus dem Vergleich der nach Satz 1 und nach dem neuen Recht des BVG zu zahlenden Bezüge ergebenden Überzahlungen für die ersten sechs Monate nach Inkrafttreten des BVG vom Bund und für die weitere bis zur Umanerkennung vergehende Zeit von den Ländern zu tragen sind. Diese Regelung behandelt die Lastenverteilung zwischen Land und Bund. Die Vorschrift ist daher nicht geeignet, den Rechtsanspruch des Versorgungsberechtigten irgendwie zu beeinflussen.
Wenn den Klägern sonach uneingeschränkt die Schutzvorschrift des § 86 Abs. 1 Satz 3 BVG zugutekommt, so besagt dies aber noch nicht, daß der von ihnen erhobene Anspruch in vollem Umfange begründet ist. Denn die Kläger haben die nach dem WFVG in Verbindung mit § 86 Abs. 1 Satz 1 BVG gezahlten Versorgungsbezüge zu Unrecht empfangen, wenn und soweit die gezahlten Versorgungsbezüge auch nach "bisherigen versorgungsrechtlichen Vorschriften" nicht zustanden. § 86 Abs. 1 Satz 1 BVG ordnet die Weiterzahlung der auf Grund der bisherigen versorgungsrechtlichen Vorschriften "zu zahlenden" Versorgungsbezüge bis zur Feststellung der Bezüge nach dem BVG an, nicht - wie die Kläger meinen - die Weiterzahlung der nach bisherigem Versorgungsrecht "bewilligten" Versorgungsbezüge. Vom 1. April 1951 an war aber der Klägerin zu 1) Witwenrente nur insoweit zu zahlen, als sie zusammen mit Witwengeld oder Sterbegeld nach anderen Gesetzen den Betrag von 150,-- DM monatlich nicht überstieg und den Waisen Waisenrente nur insoweit, als Waisenrente zusammen mit Waisengeld oder Sterbegeld nach anderen Gesetzen einen Betrag von monatlich 30,-- DM nicht überstieg. Das ergibt sich aus §§ 115 Abs. 6 und 118 Abs. 6 WFVG in der Fassung der Nummern 27 b und 29 des Zweiten Gesetzes zur Änderung des WFVG vom 7. Mai 1942 (RGBl I 281). Der Erlaß des Reichsarbeitsministers vom 25. Februar 1944 (RVBl 1944, 17) hat insoweit inhaltlich keine Änderung gebracht (vgl. aaO § 115 Abs. 7, § 118 Abs. 6). Das WFVG hat zwar in Südbaden nicht uneingeschränkt bis zum Inkrafttreten des BVG (1. Oktober 1950) gegolten. Aber es besteht kein Anhalt dafür, daß gerade die Ruhensbestimmungen der §§ 115 Abs. 6 (§ 115 Abs. 7 nF) und 118 Abs. 6 WFVG dort schon vor dem 1. Oktober 1950 außer Kraft gesetzt worden wären. Ob es sich bei diesen Bestimmungen um revisibles Recht im Sinne des § 162 Abs. 2 SGG handelt, kann dahingestellt bleiben, denn selbst wenn dies nicht der Fall wäre, stünde § 162 Abs. 2 SGG der Anwendung durch das Revisionsgericht nicht entgegen, weil das LSG die Bestimmungen der 115 Abs. 6 und 118 Abs. 6 WFVG völlig unberücksichtigt gelassen hat (BSG 7, 122). Die Kläger erhielten aber, wie das LSG festgestellt hat, rückwirkend ab 1. April 1951 Bezüge nach dem G 131, und zwar die Witwe in Höhe von 144,22 DM Witwengeld sowie Kinderzuschlag für zwei Kinder von 40,-- DM, zusammen also 184,22 DM und die Waisen je 72,11 DM Waisengeld. Da rückwirkende Leistungen von Versicherungs- und Versorgungsbezügen als für den Zeitraum gezahlt angesehen werden müssen, für den sie bestimmt sind (vgl. BSG 1, 52, 54; 13, 56), änderten sich ab 1. April 1951 die für die Zahlung der Rente nach dem WFVG maßgebenden Verhältnisse dahin, daß nunmehr der Ruhenstatbestand der §§ 115 Abs. 6 und 118 Abs. 6 WFVG eintrat. Im Falle des Ruhens endet die Pflicht zur Rentenzahlung kraft Gesetzes in dem Zeitpunkt, in welchem der Tatbestand, der das Ruhen zur Folge hat, eintritt. Der Ruhensbescheid stellt dies lediglich fest und kann sich daher auch auf die zurückliegende Zeit beziehen, für welche die Rente vorher bewilligt war (BSG 4, 281, 285). Nach § 86 Abs. 1 Satz 1 BVG in Verbindung mit den "bisherigen versorgungsrechtlichen Vorschriften" der §§ 115 Abs. 6 und 118 Abs. 6 WFVG war daher für die Zeit ab 1. April 1951 der Witwe und den Waisen keine Versorgungsrente mehr zu zahlen; denn die Witwe hatte ab 1. April 1951 mit dem Bezug von 184,22 DM Witwengeld nebst Kinderzuschlägen ein Einkommen, das den Betrag von 150,-- DM monatlich überstieg und damit die Witwenrente nach dem WFVG zum Ruhen brachte. Wie das BSG wiederholt ausgesprochen hat, rechnen beamtenrechtliche Kinderzuschläge zum Einkommen der Mutter (BSG 6, 252; 9, 158). Ebenso übersteigt das Waisengeld von 72,11 DM je Waise ab 1. April 1951 die in § 118 Abs. 6 WFVG gesetzte Einkommensgrenze von 30,-- DM. Dies hat das LSG nicht beachtet. Da sonach das LSG die sachlich-rechtlichen Vorschriften der §§ 115 Abs. 6 und 118 Abs. 6 WFVG nicht und mithin auch § 86 Abs. 1 BVG unrichtig angewandt hat, mußte sein Urteil aufgehoben werden.
Der Senat kann in der Sache nur dann selbst entscheiden (§ 170 Abs. 2 SGG), wenn das LSG ausreichende bindende Feststellungen (§ 163 SGG) über die subjektiven und objektiven Voraussetzungen des Rückforderungsanspruchs nach § 47 Abs. 2 VerwVG (Schlechtgläubigkeit im Sinne des § 47 Abs. 2 VerwVG, Vertretbarkeit der Rückforderung wegen der wirtschaftlichen Verhältnisse der Empfänger) getroffen hat. Das ist nicht der Fall.
Die in der Zeit vom 1. April 1951 bis 31. August 1952 eingetretene, streitbefangene Überzahlung in Höhe von 2.930,80 DM darf der Beklagte nur nach Maßgabe des § 47 Abs. 1 und 2 VerwVG zurückfordern. Diese Vorschrift ist zwar nach § 51 Abs. 1 VerwVG erst am 1. April 1955 in Kraft getreten; sie ist jedoch gemäß § 52 VerwVG auf die am Tage ihres Inkrafttretens anhängigen Streitsachen anzuwenden. Ihre Rechtsgeltung erfaßt deshalb auch die Zeit vor dem 1. April 1955 (vgl. BSG 3, 234; 9, 47, 52). Dabei ist die Vorschrift in der vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Kriegsopferrechts vom 27. Juni 1960 (BGBl I 453) geltenden Fassung anzuwenden (vgl. BSG 13, 56, 57). Maßgebend ist somit im vorliegenden Fall § 47 Abs. 2 VerwVG in der Fassung vom 2. Mai 1955 (BGBl I 202). Die Anwendung dieser Vorschrift wegen "wesentlicher Änderung der Verhältnisse" setzt nicht allein voraus, daß ein Bescheid nach § 62 Abs. 1 BVG ergangen ist; vielmehr rechtfertigt auch die Tatsache, daß ein Ruhenstatbestand eingetreten ist, ihre Anwendung (SozR VerwVG § 47 Bl. Ca 2 Nr. 4). Der Rückforderungsanspruch des Beklagten hängt danach davon ab, ob die Kläger wußten oder wissen mußten, daß ihnen die gezahlten Versorgungsbezüge im Zeitpunkt der Zahlung nicht oder nicht in der bisherigen Höhe zustanden oder ob die erstmals am 5. Juli 1952 geltend gemachte Rückforderung wegen der wirtschaftlichen Verhältnisse der Empfänger vertretbar ist. Zeitpunkt der Zahlung im Sinne des § 47 Abs. 2 VerwVG ist der Zeitpunkt der Zahlung der einzelnen Versorgungsbezüge aus der Kriegsopferversorgung an den Berechtigten (BSG 13, 56). Das LSG hat indes nicht festgestellt, ob und ab wann die Kläger aus dem Bescheid vom 29. Oktober 1947, der die Anzeige beamtenrechtlicher Bezüge vorschrieb, entnommen haben oder entnehmen mußten, daß die Gewährung der beamtenrechtlichen Versorgung (Witwen- und Waisengeld) sich auf die Rente nach der Kriegsopferversorgung (WFVG) auswirken würde. Das LSG hat insbesondere nicht geprüft, ob die Kläger von dem Zeitpunkt an, in dem ihnen der Bescheid über Bezüge nach dem G 131 zuging, wissen mußten, daß ihnen die Leistungen der Kriegsopferversorgung jedenfalls nicht mehr in der bisherigen Höhe zustanden. Zur Frage der Vertretbarkeit einer Rückforderung wegen der wirtschaftlichen Verhältnisse der Kläger fehlen ebenfalls die nach der Rechtsprechung des BSG erforderlichen Feststellungen (BSG 11, 44; SozR VerwVG § 47 Bl. Ca 5 Nr. 8); das LSG hat weder die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Kläger noch deren für den notwendigen Lebensunterhalt erforderliche Aufwendungen (BSG 3, 124; 4, 70, 267; 6, 125) ermittelt. Da diese tatsächlichen Feststellungen für eine den Rechtsstreit abschließende Entscheidung fehlen, mußte der Senat die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückverweisen (§ 170 Abs. 2 Satz 2 SGG).
Das LSG wird festzustellen haben, ob und seit wann die Kläger beim Empfang der Bezüge nach dem WFVG schlechtgläubig im Sinne des § 47 Abs. 2 VerwVG waren oder ob ihre wirtschaftlichen Verhältnisse eine Rückforderung der Überzahlung vertretbar machen (vgl. hierzu BSG 13, 56 und BSG vom 8. Dezember 1960 - 8 RV 1229/59 in BVBl 1961 S. 134 Nr. 44!).
Sollte das LSG hiernach zu dem Ergebnis kommen, daß den Klägern noch ein Anspruch zusteht, so wäre der Beklagte insoweit zur Zahlung unmittelbar an die Kläger zu verurteilen. Der Beklagte hätte in diesem Falle zu Unrecht die Rückzahlung erlangt und wäre zur Erstattung an die Kläger verpflichtet. Die Bedenken des LSG, den Beklagten zur unmittelbaren Leistung an die Kläger zu verurteilen, teilt der Senat nicht. Auch sonst wird im Bereich der Leistungsverwaltung eine Klage im Zweifel als Leistungsklage (Verbundklage) und nicht als Feststellungsklage gedeutet (§ 54 Abs. 4 SGG).
Die Kostenentscheidung bleibt dem den Rechtsstreit abschließenden Urteil vorbehalten.
Fundstellen