Leitsatz (redaktionell)
Hat sich bei der Umanerkennung nach BVG § 86 ergeben, daß zwar die nach dem KBLG gewährten Versorgungsleistungen nicht zurückgefordert werden können, daß die Rente nach dem BVG aber infolge der Ruhensvorschrift des BVG § 65 vom 1950-10-01 ab wegfällt, so können die bisher gewährten Versorgungsbezüge im Wege der Umanerkennung jedenfalls wirksam erst mit dem Ablauf des Monats entzogen werden, der auf die Zustellung des Bescheides folgt.
Normenkette
BVG § 86 Fassung: 1950-12-20, § 65 Fassung: 1950-12-20
Tenor
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 15. Mai 1956 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat den Klägern die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Von Rechts wegen.
Gründe
Die Kläger bezogen nach ihrem gefallenen Ehemann und Vater eine monatliche Pension von 76,17 DM für die Witwe und 35,24 DM für die Waise. Im Dezember 1951 setzte die Regierungshauptkasse die Pension unter Gewährung von Unfallfürsorge nach § 27 a des Einsatzwehrmachtfürsorge- und Versorgungsgesetzes (EWFVG) rückwirkend ab 1. September 1948 neu fest. Danach betrugen das Witwengeld monatlich 193,07 DM und das Waisengeld monatlich 96,53 DM zuzüglich 20,- DM Kinderzuschlag. Die Nachzahlung wurde im Januar 1952 ausgezahlt.
Mit Bescheid vom 26. Oktober 1950 wurde den Klägern nach dem Württembergischen Körperbeschädigten-Leistungsgesetz (KBLG) eine Witwenrente von 30.- DM und eine Waisenrente von 25.- DM monatlich ab 1. April 1950 gewährt. Dabei wurden die Pensionsbezüge der Waise mit 35.- DM zur Kürzung der Rente herangezogen, so daß der Waise einschließlich der Pension ein Betrag von 60.- DM verblieb (§ 14 Abs. 5 KBLG).
Im November 1952 gaben die Kläger auf einem Erhebungsbogen zur Ausgleichsrente an, daß sie keine Ausgleichsrente begehrten, da sie "nunmehr ... die vollen Bezüge in Form einer Pension" erhielten. Nachdem das Versorgungsamt (VersorgA.) die höheren Bezüge nach der Unfallfürsorge ermittelt hatte, stellte es im Umanerkennungsbescheid vom 21. November 1952 fest, daß das Recht auf Versorgungsbezüge nach § 65 Abs. 1 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) ruhe und daß die erhöhte Pension nach § 14 Abs. 4 und 5 KBLG anzurechnen sei. Das VersorgA. errechnete eine Überzahlung nach dem KBLG in der Zeit vom 1. April 1950 bis 30. September 1950 für die Witwe von 180.- DM, für die Waise von 150.- DM, nach dem BVG in der Zeit vom 1. Oktober 1950 bis 31. Dezember 1952 für die Witwe von 810.- DM, für die Waise von 675.- DM und forderte den gesamten Betrag zuzüglich einer Abschlagszahlung von 150.- DM, insgesamt 1.965.- DM von den Klägern zurück.
Das Sozialgericht (SG.) entschied mit Urteil vom 23. September 1954, daß der Beklagte die nach dem KBLG bis 30. September 1950 gewährten Renten (180.- DM und 150.- DM) nach § 12 Abs. 4 Satz 3 KBLG nicht zurückfordern dürfe. Die Kläger hätten die Änderung der Verhältnisse nicht absichtlich verschwiegen, denn die erhöhte Pension sei erst 1952 rückwirkend bewilligt worden. Im übrigen wies es die Klage ab.
Der Beklagte legte keine Berufung ein. Auf die Berufung der Kläger änderte das Landessozialgericht (LSG.) mit Urteil vom 15. Mai 1956 den Umanerkennungsbescheid dahin ab, daß die Witwe 450.- DM (10 Monate zu 30.- DM), sowie 150.- DM Abschlagszahlung und die Waise 250.- DM (10 Monate zu 25.- DM) zurückzuzahlen haben. Im übrigen wies es die Berufung zurück.
Das LSG. führte aus, § 86 Abs. 1 BVG sei sinngemäß auch auf die Belassung gezahlter Bezüge anzuwenden. Bei Weitergeltung des KBLG hätte die bis zur Bewilligung der höheren Unfallpension gewährte Rente nach § 12 Abs. 4 Satz 3 KBLG nicht zurückgefordert werden dürfen. Die Kläger hätten die Änderung ihrer Einkommensverhältnisse spätestens mit der Nachzahlung auf die Pension im Januar 1952 und mit der Zahlung der höheren Pension ab Februar 1952 erfahren und dies spätestens im Februar 1952 dem VersorgA. mitteilen müssen. Sie hätten aber trotz der Hinweise im KBLG-Bescheid weder eine besondere Anzeige erstattet noch das Einkommen in der Jahresbescheinigung oder in dem ersten Erhebungsbogen für die Ausgleichsrente angegeben. Auch als die Pension im April 1952 wiederum erhöht wurde, hätten sie nichts angezeigt. Dieses beharrliche Verschweigen sei als absichtlich im Sinne des § 12 Abs. 4 Satz 3 KBLG anzusehen. Die Rückforderung sei daher ab März 1952 begründet. Revision wurde zugelassen.
Der Beklagte hat Revision eingelegt und beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Berufung der Kläger gegen das Urteil des SG. vom 23. September 1954 zurückzuweisen.
Die Revision rügt Verletzung der §§ 86 Abs. 1, 84 Abs. 3, 65 Abs. 1 Nr. 2, 61 Abs. 3 BVG, §§ 47 Abs. 1 und 2, 52 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VerwVG). Unter den Versorgungsbezügen, die nach § 86 Abs. 1 BVG bis zur Umanerkennung weiterzuzahlen sind, seien nur solche zu verstehen, die nach den bisherigen versorgungsrechtlichen Bestimmungen im Zeitpunkt der Umanerkennung zustanden, nicht diejenigen, die in dem letzten, nach bisherigen Bestimmungen ergangenen Bescheid zur laufenden Zahlung angewiesen waren. § 12 Abs. 4 Satz 3 KBLG werde nicht von § 86 Abs. 1 BVG erfaßt. Er sei vielmehr nach § 84 Abs. 1 BVG mit dem KBLG aufgehoben worden. § 12 Abs. 4 Satz 3 KBLG sei auch keine verfahrensrechtliche Vorschrift im Sinne des § 84 Abs. 3 BVG, sondern haben materiell-rechtlichen Charakter. Die Rückforderung sei nach § 47 VerwVG zu beurteilen.
Die Kläger haben beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Die Revision ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 164, 166 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -). Sie ist infolge Zulassung statthaft (§ 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG) und daher zulässig. Sachlich ist sie nicht begründet.
Nach der vom Senat eingeholten amtlichen Auskunft des Arbeitsministeriums Baden-Württemberg war Sozialgerichtsrat H., der bei Erlaß des angefochtenen Urteils mitgewirkt hat, im Zeitpunkt der Entscheidung ständiges Mitglied des LSG. Baden-Württemberg. Da nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats (Urt. v. 3.11.1959 - 9 RV 758/59) die Besetzung eines Senats des LSG. mit zwei Sozialgerichtsräten nur dann vorschriftswidrig ist, wenn beide als Hilfsrichter an das LSG. abgeordnet und nicht dessen ständige Mitglieder sind, bestehen gegen die Besetzung des Senats des LSG., soweit sie von Amts wegen zu prüfen war, keine Bedenken.
Nach dem Urteil des SG., das von dem insoweit beschwerten Beklagten nicht angefochten ist, steht rechtskräftig fest, daß die Kläger nicht verpflichtet sind, die nach dem KBLG bis 30. September 1950 erhaltenen Renten zurückzuzahlen. Nach dem von den Klägern nicht angefochtenen Urteil des LSG. haben diese die in der Zeit vom 1. März 1952 bis 31. Dezember 1952 erlangten Rentenbezüge zurückzuzahlen. Streitig ist daher nur noch der Rückforderungsanspruch des Beklagten wegen der vom 1. Oktober 1950 bis 28. Februar 1952 gewährten Versorgungsleistungen (Witwe DM 510.-, Waise DM 425.-, zus. 935.- DM).
Das LSG. hat den Anspruch verneint. Dem ist im Ergebnis zuzustimmen.
Soweit der Umanerkennungsbescheid vom 21. November 1952 die Rückzahlung der nach dem KBLG bis 30. September 1950 gewährten Versorgungsbezüge anordnet, ist der Verwaltungsakt rechtswidrig, weil die nur für Hinterbliebenenbezüge geltende Vorschrift des § 12 Abs. 4 Satz 3 KBLG nicht beachtet ist. Das insoweit nicht angefochtene Urteil des SG. hat das Nichtbestehen dieses Rückforderungsanspruchs rechtskräftig festgestellt. Damit steht auch fest, daß diese Leistungen nicht im Sinne des § 47 VerwVG zu Unrecht empfangen sind.
Bezüglich der in der Zeit vom 1. Oktober 1950 bis 28. Februar 1952 nach dem KBLG gewährten Bezüge enthält der Bescheid vom 21. November 1952 zwei ihrem Rechtscharakter nach verschiedene Aussprüche: Er stellt im Wege der Umanerkennung das Ruhen dieser Bezüge rückwirkend ab 1. Oktober 1950 fest und ordnet zugleich deren Rückzahlung an. Beide Verfügungssätze konnten in einem Bescheid verbunden werden (BSG. 7 S. 8 (15)), 11. S. 44 (46)).
Ihre Rechtswirksamkeit ist getrennt zu prüfen, wobei der Ruhensanordnung der Vorrang zukommt: Ist die Ruhensanordnung rechtswidrig und sind daher die in der strittigen Zeit gewährten Leistungen nicht zu Unrecht empfangen, so ist eine Rückforderung dieser Bezüge nach § 47 VerwVG, der auf den Rückforderungsanspruch anzuwenden ist (BSG. 3 S. 234) ausgeschlossen.
Grundsätzlich kann eine Ruhensanordnung nach § 65 Abs. 1 Nr. 2 BVG von der Versorgungsverwaltung auch rückwirkend für eine Zeit angeordnet werden, für die Rente bereits bewilligt war (BSG. 4 S. 281). Erfolgt die Ruhensanordnung allerdings wie hier im Wege der Umanerkennung nach § 86 BVG, dann sind dabei auch die für die Umanerkennung allgemein und ohne Ausnahme geltenden Vorschriften des § 86 BVG über das Wirksamwerden der Umanerkennung zu beachten.
Nach § 86 Abs. 1 BVG werden die auf Grund der vor dem 1. Oktober 1950 geltenden Versorgungsvorschriften zu zahlenden Versorgungsbezüge so lange weitergezahlt, bis die Bezüge nach dem BVG festgestellt sind. Diese Feststellung erfolgt rückwirkend vom Inkrafttreten des BVG an. Sind die nach dem BVG zu gewährenden Bezüge niedriger als die bisher gewährten oder fällt die Rente ganz weg, so tritt die Minderung oder die Entziehung erst mit Ablauf des Monats ein, der auf die Zustellung des Bescheides erfolgt. Diese Übergangsvorschrift soll den im Vergleich zum KBLG nach dem BVG schlechter gestellten Versorgungsberechtigten den Übergang dadurch erleichtern, daß die Schlechterstellung im Rentenbezug erst nach Erteilung des Umanerkennungsbescheides - Ende des Zustellungsmonats - eintritt (BSG. 1 S. 290).
Die nach dem KBLG gewährten Versorgungsleistungen kann der Beklagte nach der Entscheidung des SG. nicht zurückfordern, ihr Empfang ist nicht zu Unrecht erfolgt. Die Ruhensanordnung hinsichtlich der Versorgungsleistungen nach dem BVG ab 1. Oktober 1950 ist daher tatsächlich und rechtlich dem Entzug der bisher gewährten Leistungen gleichzusetzen. Es ist kein Grund ersichtlich, die Rechtswohltat des § 86 BVG auf Übergangsfälle dieser Art nicht anzuwenden; denn diese Vorschrift macht keinen Unterschied, aus welchem Grunde im Falle der Umanerkennung die Rentenminderung oder der Rentenentzug nach dem BVG erfolgt. Sie bestimmt uneingeschränkt und für jeden Fall die Weitergewährung der Leistungen nach dem KBLG bis zum Ablauf des Zustellungsmonats. Da § 86 BVG somit eine Ruhensanordnung jedenfalls für die noch strittige Zeit vom 1. Oktober 1950 bis 28. Februar 1952 ausschloß, haben die Kläger die während dieser Zeit erhaltenen Leistungen nicht zu Unrecht empfangen. Damit entfällt ohne weiteres die Rückforderung dieser Leistungen nach § 47 Abs. 2 VerwVG. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob die übrigen Voraussetzungen für eine Rückforderung nach dieser Vorschrift gegeben wären.
Das LSG. hat somit im Ergebnis zutreffend entschieden. Die Revision der Beklagten war daher zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die Kosten erfolgt nach § 193 SGG.
Fundstellen