Leitsatz (amtlich)
1. Einen Anspruch auf Unterhalt "hätten Eltern geltend machen können" (RVO § 596 Abs 1), wenn sie ohne den Arbeitsunfall ihres Kindes gegen dieses einen Unterhaltsanspruch nach bürgerlichem Recht (BGB §§ 1601 ff) gehabt hätten.
2. Eine Unterhaltsberechtigung nach BGB § 1602 entfällt nicht schon, wenn die den Eltern zur Verfügung stehenden Mittel die Regelsätze des BSHG erreichen oder geringfügig überschreiten.
Leitsatz (redaktionell)
Unterhaltsberechtigt nach BGB § 1602 ist nur, wer außerstande ist, sich selbst zu unterhalten. Der Unterhalt umfaßt den gesamten Lebensbedarf (BGB § 1610 Abs 2 S 1). Grundsätzlich ist der Lebensbedarf nach objektiven Maßstäben zu bestimmen, wobei von normaler Lebensführung auszugehen ist. Gleichwohl dürfen die Verhältnisse des Einzelfalles (ua Lebensalter, Gesundheitszustand, Geschlecht, Wohnsitz, gemeinsame oder alleinige Wirtschaftsführung) nicht unberücksichtigt bleiben. Der angemessene Unterhalt (BGB § 1610) ist grundsätzlich noch nicht gedeckt, wenn die dem Unterhaltsberechtigten zur Verfügung stehenden Mittel die jeweils örtlich und zeitlich geltenden Regelsätze des BSHG erreichen.
Normenkette
RVO § 596 Abs. 1 Fassung: 1963-04-30; BGB §§ 1602, 1610; BSHG
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts für das Saarland vom 16. Januar 1973 aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Entziehung der Elternrente des Klägers.
Der 1907 geborene Kläger und seine ebenfalls 1907 geborene Ehefrau sind die Eltern des ... 1939 geborenen und am 16. Juni 1964 tödlich verunglückten B W. Sie sind Eigentümer eines Einfamilienhauses mit einem Einheitswert von 5.700,- DM. Das Haus hat 4 Zimmer und ein nicht bewohnbares Dachgeschoß. Der Kläger ist dauernd erwerbsunfähig und geht keiner gewinnbringenden Beschäftigung nach. Er bezog eine Versichertenrente wegen Erwerbsunfähigkeit und eine Zusatzrente, die am Todestag des Sohnes zusammen 245,70 DM betrugen. Seit dem 1. Mai 1972 bezieht der Kläger Altersruhegeld. Der Kläger und seine Ehefrau haben einen weiteren verheirateten Sohn, der drei Kinder hat und in derselben Straße wie der Kläger in einem neuerbauten Wohnhaus wohnt.
Die Beklagte hatte einen Anspruch auf Elternrente nach § 596 der Reichsversicherungsordnung (RVO) verneint, da der Kläger und seine Ehefrau infolge ausreichenden eigenen Einkommens keinen Anspruch auf Unterhalt gegen ihren verunglückten Sohn gehabt hätten. Das Sozialgericht (SG) für das Saarland verurteilte die Beklagte zur Gewährung von Elternrente, weil der Verstorbene bis zu seinem Tode seinen gesamten Lohn in Höhe von netto 640,- DM monatlich seinen Eltern abgegeben und sie damit aus seinem Arbeitsverdienst wesentlich unterhalten habe. Das Landessozialgericht (LSG) für das Saarland bestätigte diese Entscheidung in seinem Urteil vom 23. Mai 1967, da das Renteneinkommen des Klägers seit dem tödlichen Unfall des Sohnes teils unter teils in der Höhe der Regelsätze der Sozialhilfe gelegen und deshalb ein Unterhaltsanspruch gemäß §§ 1601 ff des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) gegen den Verstorbenen bestanden habe.
Mit ihrem Bescheid vom 3. April 1969 entzog die Beklagte die Elternrente mit Ablauf des Monats Mai 1969, weil die Eltern nach Vollendung des dreißigsten Lebensjahres ihres verstorbenen Sohnes keinen Ersatzanspruch wegen entgangenen Unterhalts mehr gehabt hätten. In der Regel entfalle nämlich der Anspruch auf Unterhalt im Zeitpunkt der Heirat des Unterhaltspflichtigen. Da das durchschnittliche Heiratsalter lediger männlicher Personen zwischen fünfundzwanzig und dreißig Jahren liege, könne mindestens das dreißigste Lebensjahr als der Zeitpunkt angesehen werden, bis zu dem der Verstorbene geheiratet haben würde.
Das SG hat den Entziehungsbescheid aufgehoben (Urteil vom 24. August 1971).
Das LSG hat das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 16. Januar 1973). Es hat zur Begründung u. a. ausgeführt:
Seit Mai 1969 seien die Voraussetzungen für die Gewährung der Elternrente nach § 596 RVO nicht mehr erfüllt. Es könne dahingestellt bleiben, ob der Sohn inzwischen verheiratet und dadurch seine Leistungsfähigkeit entfallen wäre. Selbst wenn er aber noch unterhaltsfähig i. S. von § 1603 BGB wäre, wären die Eltern nicht mehr unterhaltsberechtigt i. S. von § 1602 BGB, wie sich aus einer Gegenüberstellung der tatsächlichen Einkünfte des Klägers und seiner Ehefrau mit den Beträgen, die ihnen nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) als Hilfe zum Lebensunterhalt zustehen würden, ergebe. Das BSHG gebe Anhaltspunkte, aus denen entnommen werden könne, welches Einkommen erforderlich sei, um den notwendigen Lebensunterhalt bestreiten zu können. Dabei sei zu berücksichtigen, daß sich die Regelsätze nach dem BSHG (§ 22) bei dem Kläger und seiner Ehefrau um 30 % erhöhen würden (§ 23), weil der Kläger erwerbsunfähig i. S. der gesetzlichen Rentenversicherung sei und inzwischen das 65. Lebensjahr vollendet habe. Auch seine Ehefrau habe am 6. Mai 1972 das 65. Lebensjahr vollendet; ob auch sie erwerbsunfähig sei, stehe nicht fest. Zu ihren Gunsten sei jedoch davon auszugehen, daß sich die Regelsätze für beide ab Mai 1969 um 30 % erhöhen würden. Eine solche Gegenüberstellung zeige, daß sich das Renteneinkommen des Klägers, mit Ausnahme der Zeit vom 1. Juni bis 30. September 1971, teilweise nicht unerheblich über den ihm zustehenden Regelsätzen der Sozialhilfe bewege. Wegen der zwischenzeitlichen Anhebung seiner Renten stehe der Kläger heute günstiger da als im Zeitpunkt des Todes seines Sohnes. Bei der Gegenüberstellung des Renteneinkommens mit den Sozialhilfesätzen sei der Mietwert der eigenen Wohnung nicht zu berücksichtigen, weil diesem die Kosten für das Haus, die Steuern und Reparaturen gegenüberstünden. Andererseits hätte der Kläger aber nach dem BSHG einen Anspruch auf Mietbeihilfe gehabt, wenn er mit seiner Ehefrau nicht im eigenen Haus wohnte. Diese Mietbeihilfe würde mindestens dem Mietwert der Wohnung im eigenen Haus entsprechen.
Auch der Vermögenswert des eigenen Anwesens sei außer Betracht zu lassen. Grundsätzlich müßte dieser zwar im Rahmen der §§ 1601 ff BGB berücksichtigt werden, der Wert des Anwesens habe sich aber gegenüber der Zeit der Rentengewährung nicht verändert. Die Berücksichtigung dieses Wertes könnte nur zu Ungunsten des Klägers geschehen. Da aber bereits in der Erhöhung des Renteneinkommens im Verhältnis zu den Regelsätzen des BSHG eine wesentliche Änderung liege, habe es der Klärung der Frage, ob dem Kläger eine Veräußerung seines Anwesens unter den gegebenen Verhältnissen zuzumuten sei, nicht bedurft.
Im vorliegenden Fall seien die Sozialhilfesätze sehr wohl ein geeigneter Vergleichsmaßstab. Der Kläger wohne in einer kleinen Gemeinde, er habe sein eigenes Haus und lebe in der Nähe seines zweiten Sohnes. Die gestiegenen Renteneinnahmen - zum frühest genannten Zeitpunkt: 1. Mai 1969, hat das LSG einen Mehrbetrag von 26,- DM und zu dem zuletzt genannten Zeitpunkt: 1. Oktober 1972, einen Mehrbetrag von 27,30 DM bei zwischendurch größeren und kleineren Differenzen ermittelt - ermöglichten ihm daher eine einigermaßen auskömmliche Lebenshaltung. Das sei bei der Bewilligung der Elternrente nicht der Fall gewesen, so daß inzwischen eine wesentliche Änderung eingetreten sei.
Das LSG hat die Revision zugelassen. Der Kläger hat dieses Rechtsmittel in rechter Form und Frist eingelegt und u. a. wie folgt begründet:
Verletzt seien die §§ 596, 622 Abs. 1 RVO, weil eine wesentliche Änderung seit der Rentenfeststellung nicht eingetreten sei. Die Regelsätze des BSHG könnten nicht in der vom LSG vorgenommenen Weise zur Prüfung und Beurteilung der Unterhaltsberechtigung herangezogen werden, weil sie nach anderen Grundsätzen bemessen seien, in der Regel nicht die individuellen Verhältnisse der Elternrentenempfänger berücksichtigten, nur den monatlichen Unterstützungssatz angäben und nicht die Aufwendungen des Rentners für einmalige oder in größeren Abständen wiederholt auftretende Bedürfnisse und außergewöhnliche Ausgaben umfaßten. Eine sichere Aussage darüber, ob ein Rentenempfänger tatsächlich in der Lage sei, sich mit eigenen Mitteln allein einen einigermaßen auskömmlichen Lebensunterhalt zu verschaffen, sei daher anhand der Regelsätze des BSHG nicht möglich. Im übrigen seien aber die Renteneinnahmen des Klägers im Jahre 1969 gegenüber der Rentengewährung 1967 nur geringfügig verbessert, so daß eine wesentliche Änderung der Verhältnisse nicht eingetreten sei. Das Renteneinkommen des Klägers liege heute nicht wesentlich, d. h. nicht wenigstens um 20 v. H., über den Regelsätzen der Sozialhilfe. Die Rentenerhöhungen könnten daher nicht als wesentliche Änderung der Einkommensverhältnisse angesehen werden.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des LSG für das Saarland vom 16. Januar 1973 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG für das Saarland vom 24. August 1971 zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie führt u. a. aus: Die Entziehung der Elternrente rechtfertige sich allein schon deshalb, weil der Sohn des Klägers inzwischen das dreißigste Lebensjahr vollendet haben würde. Nach der Lebenserfahrung wäre er in diesem Alter verheiratet und damit der Unterhaltsanspruch seines Vaters gegen ihn erloschen. Gegen eine solche Annahme spreche nicht, daß der Sohn des Klägers zur Zeit seines tödlichen Unfalls bereits fünfundzwanzig Jahre alt und nicht verheiratet gewesen sei. Daraus könne nicht geschlossen werden, daß er mit dreißig Jahren ebenfalls nicht verheiratet gewesen wäre. Im übrigen treffe aber die vom LSG für die Klageabweisung gegebene Begründung zu. Das LSG habe nämlich nicht allein auf einen Vergleich der Regelsätze der Sozialhilfe mit den tatsächlichen Einnahmen des Klägers abgestellt.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz).
Entscheidungsgründe
Die durch Zulassung statthafte Revision ist insoweit begründet, als sie die Aufhebung des Urteils des LSG anstrebt. Die von dem LSG getroffenen Feststellungen rechtfertigen nicht die Abweisung der Klage gegen den Entziehungsbescheid der Beklagten vom 3. April 1969.
Die Entziehung einer nach § 596 RVO - i. d. F. des Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetzes (UVNG) - gewährten Elternrente ist nur wegen einer wesentlichen Änderung der für die Bewilligung maßgebenden Verhältnisse zulässig (BSG 1, 184). Eine derartige wesentliche Änderung liegt u. a. dann vor, wenn die Einkommensverhältnisse der Eltern sich derart gebessert haben, daß ein Unterhaltsanspruch nach den §§ 1601 ff BGB nicht mehr besteht, denn Elternrente ist nach § 596 RVO nur so lange zu gewähren, wie die Eltern ohne den Arbeitsunfall gegen den Verstorbenen einen Anspruch auf Unterhalt hätten geltend machen können. Ebenso wie ein Unterhaltsbeitrag "wesentlich" i. S. § 596 RVO ist, wenn durch ihn der Zustand beseitigt wird, daß die Eltern nicht imstande sind, sich selbst zu unterhalten, liegt eine wesentliche Änderung der Verhältnisse vor, wenn die Eltern auch ohne den Unterhaltsbeitrag sich nunmehr selbst unterhalten können. Der Wegfall der Unterhaltsberechtigung i. S. von § 1602 BGB bedeutet also eine wesentliche Änderung der Verhältnisse, die zur Entziehung der Elternrente berechtigt.
Unterhaltsberechtigt nach § 1602 BGB ist nur, wer außerstande ist, sich selbst zu unterhalten. Der Unterhalt umfaßt den gesamten Lebensbedarf (§ 1610 Abs. 2 Satz 1 BGB). Grundsätzlich ist der Lebensbedarf nach objektiven Maßstäben zu bestimmen, wobei von normaler Lebensführung auszugehen ist. Gleichwohl dürfen die Verhältnisse des Einzelfalles nicht unberücksichtigt bleiben. Als bestimmende Faktoren kommen dabei u. a. in Betracht: Lebensalter, Gesundheitszustand, Geschlecht, Wohnsitz, gemeinsame oder alleinige Wirtschaftsführung u. ä. (Staudinger, Bürgerliches Gesetzbuch, 10./11. Aufl., 1966, 4. Bd., § 1610 RndNrn 6 u. 8). Die Neufassung des § 596 RVO, die im vorliegenden Fall maßgebend ist, weil sich der Unfall nach dem Inkrafttreten des UVNG (1.7.1963) ereignet hat (Art. 4 § 1 UVNG - BSG 25, 249), gibt den Verwandten der aufsteigenden Linie den Rentenanspruch nicht mehr "für die Dauer der Bedürftigkeit" (§ 593 RVO a. F.), sondern "so lange sie gegen den Verstorbenen ohne den Unfall einen Anspruch auf Unterhalt hätten geltend machen können". Während der Entwurf zum UVNG (vgl. BT-Drucks. IV/120 S. 14 § 594) noch den Begriff der "Bedürftigkeit" beibehalten hatte, wurde dieser in der endgültigen Fassung des Gesetzes nicht mehr verwendet. Damit sollte klargestellt werden, daß die Unterhaltsberechtigung nicht an fürsorgerechtlichen Begriffen der "Bedürftigkeit" gemessen werden soll, sondern sich allein an den bürgerlich-rechtlichen Unterhaltsregelungen (§§ 1601 ff BGB) auszurichten hat (Bericht des Ausschusses, BT-Drucks. IV/938 - neu S. 15). Die Neufassung trägt damit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) insoweit Rechnung, als diese schon früher Bedürftigkeit i. S. von § 593 RVO a. F. solange angenommen hatte als die Verwandten der aufsteigenden Linie nicht in der Lage waren, ein "einigermaßen auskömmliches Leben" zu führen und nicht erst dann, wenn nach fürsorgerechtlichen Maßstäben "Bedürftigkeit" vorlag (BSG 1, 184 ff mit weiteren Hinweisen auch auf die Rechtsprechung des RVA; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Stand 15. August 1973, S. 590). In seinem Urteil vom 30. Juli 1968 (BSG 28, 163, 166) geht der 2. Senat des BSG letztlich davon aus, daß Bedürftigkeit i. S. von § 593 RVO a. F. ebenso wie nach § 844 Abs. 2 BGB und § 17 Abs. 1 Nr. 5 Bundesentschädigungsgesetz (Bundesgesetz zur Entschädigung für Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung) gleichbedeutend mit der - in dieser Vorschrift allerdings anders umschriebenen - "Bedürftigkeit" des § 1602 BGB ist. Dem ist zuzustimmen, denn die Hinterbliebenenrente sowohl nach § 593 RVO a. F. als auch nach § 596 RVO n. F. soll einen Ersatz für den den Hinterbliebenen infolge des Arbeitsunfalls entgangenen Unterhaltsanspruch gewähren. Wegen dieser unveränderten Unterhaltsersatzfunktion sind nach wie vor die bürgerlich-rechtlichen Unterhaltsregelungen die maßgebende Grundlage für die Prüfung, ob die Verwandten einen Unterhaltsanspruch hätten geltend machen können.
Zur Feststellung einer Unterhaltsberechtigung in diesem Sinne genügt nicht ein Vergleich der den Eltern zur Verfügung stehenden Mittel mit den Regelsätzen des BSHG dahingehend, daß, wenn diese erreicht oder überschritten werden, eine Unterhaltsberechtigung nicht vorliegt (Brackmann aaO; Lauterbach, Gesetzliche Unfallversicherung, Stand September 1973, § 596 RVO Anm. 6 b, S. 553/1 ff; BSG 1, 184, 187; Urt. v. 30.6.1965 - 2 RU 244/63 in BG 1966, 156). Der Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem BSHG umfaßt den notwendigen Lebensunterhalt (§§ 11, 12 BSHG). § 1610 BGB gibt einen Anspruch auf den "angemessenen Unterhalt". Ob der notwendige Lebensunterhalt i. S. von § 12 BSHG in der Regel dem angemessenen Unterhalt i. S. von § 1610 BGB entspricht, weil es etwa Aufgabe der Sozialhilfe ist, dem Empfänger ein der Würde des Menschen entsprechendes Leben zu ermöglichen (§ 1 Abs. 2 BSHG), kann hier dahinstehen. Der angemessene Unterhalt ist jedenfalls grundsätzlich noch nicht gedeckt, wenn die den Verwandten zur Verfügung stehenden Mittel die jeweils örtlich und zeitlich geltenden Regelsätze des BSHG erreichen. Die Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem BSHG kann durch laufende und einmalige Leistungen gewährt werden (§ 21 Abs. 1 BSHG), wobei die laufenden Leistungen nach Regelsätzen gewährt werden (§ 22 Abs. 1 BSHG). Die nach § 22 Abs. 2 BSHG erlassene Regelsatzverordnung vom 20. Juli 1962 (BGBl I S. 515) umschreibt in § 1 den Umfang der Lebensbedürfnisse, die aus den Regelsätzen gedeckt werden. Es ergibt sich daraus, daß nicht der gesamte notwendige Lebensbedarf i. S. von § 12 BSHG von den Regelsätzen erfaßt wird. Die Deckung des notwendigen Lebensbedarfs kann daher nur durch zusätzliche weitere Leistungen erreicht werden. So enthalten die Regelsätze etwa nicht die Mittel zur Beschaffung von Winterfeuerung, Kleidung, Schuhen, Wäsche und Hausrat von größerem Anschaffungswert, für größere Instandhaltung von Hausrat sowie schließlich Aufwendungen aus besonderen Anlässen. Diese zusätzlichen - meist einmaligen - Sozialhilfeleistungen werden nicht schon abgedeckt durch einen Zuschlag von 30 v. H., den das LSG zusätzlich berücksichtigt hat. Ungeachtet solcher einmaliger Leistungen ist nämlich nach § 23 BSHG ein Mehrbedarf in dieser Höhe u. a. für Personen, die das 65. Lebensjahr vollendet haben, anzuerkennen, weil die Regelsätze nicht besonderen Lebenslagen Rechnung tragen, die allgemein erhöhte Aufwendungen erfordern (siehe die Kommentare zum BSHG: Mergler, Anm. 1 zu § 23; Oestreicher, Rd. Nr. 6 zu § 23; Knopp/Fichtner, Rd. Nr. 3 zu § 23).
Die von dem LSG festgestellten Beträge, mit denen das tatsächliche Einkommen des Klägers und seiner Ehefrau zwar die Regelsätze des BSHG überschreitet, sind - von vorübergehenden größeren Unterschieden, die nach alsbaldiger Erhöhung der Regelsätze weitgehend wieder angeglichen wurden, abgesehen - nicht so erheblich, als daß sich daraus auch bei Berücksichtigung der vom LSG im Falle des Klägers und seiner Ehefrau herangezogenen besonderen Umstände schließen ließe, daß ihr notwendiger Lebensunterhalt im o. g. Sinne seit Mai 1969 laufend gedeckt ist. Insoweit hätte es daher weiterer Ermittlungen, unter Umständen mit Hilfe des zuständigen Sozialhilfeträgers bedurft (so im Ergebnis auch BSG, Urteil vom 27. Juni 1968 - 11 RJ 59/68 - unveröffentlicht).
Da die notwendigen weiteren Ermittlungen nicht von dem Revisionsgericht angestellt werden können, war der Rechtsstreit unter Aufhebung des angefochtenen Urteils des LSG an dieses zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.
Gegebenenfalls wird bei der erneuten Entscheidung zu prüfen sein, ob der Entziehungsbescheid aus anderen Gründen, etwa wegen des wahrscheinlichen Wegfalls der Unterhaltsverpflichtung des Verstorbenen infolge veränderter persönlicher Verhältnisse, gerechtfertigt wäre.
Die Kostenentscheidung bleibt dem abschließenden Urteil vorbehalten.
Fundstellen