Leitsatz (amtlich)
. Die Beurteilung der Frage, ob die Ehefrau eines Beschädigten nach dessen Tod "Witwe iS des BVG § 38" geblieben ist, richtet sich allein nach deutschem Recht; wird die Witwe in Deutschland mit einem britischen Staatsangehörigen von einem britischen Militärgeistlichen getraut, ohne daß eine standesamtliche Eheschließung stattfindet, so bleibt sie auch dann Witwe iS des BVG § 38, wenn sie in einem ausländischen Staat wohnt, in dem diese Trauung als rechtswirksame Eheschließung anerkannt wird.
Normenkette
BVG § 38 Fassung: 1950-12-20; BGBEG Art. 13
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 10. Februar 1965 aufgehoben die die Sache zur erneuten Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Die Entscheidung über die Kosten bleibt dem abschließenden Urteil vorbehalten.
Gründe
Die Klägerin war in erster Ehe mit Hans H. verheiratet, der im Jahre 1945 in russischer Kriegsgefangenschaft gestorben ist. Im Oktober 1947 stellte sie einen Antrag auf Hinterbliebenenbezüge nach der Sozialversicherungs-Direktive Nr. 27. Die damals zuständige Versorgungsbehörde erkannte den Tod des ersten Ehemannes als Folge einer Wehrdienstschädigung an und gewährte dem aus dieser Ehe stammenden Sohn die Waisenrente. Über den Antrag auf Witwenrente entschied die Behörde nicht, weil die Klägerin mitgeteilt hatte, daß sie sich am 21. Februar 1948 mit dem britischen Staatsangehörigen Edward G. verheiraten werde. Diese Eheschließung fand vor dem zuständigen englischen Militärgeistlichen in Deutschland statt; eine Trauung vor einem deutschen Standesbeamten wurde nicht vollzogen. Die Klägerin lebt mit ihrem jetzigen Ehemann und ihrem Sohn aus erster Ehe seit 1948 in England.
Im Oktober 1960 beantragte sie, ihr die Witwenrente nach dem Bundesversorgungsgesetz zu gewähren, weil sie nach deutschem Recht nicht wiederverheiratet sei; die Ehe mit ihrem jetzigen Ehemann sei nur nach englischem, nicht aber nach deutschem Recht geschlossen worden. Diesen Antrag lehnte das Versorgungsamt mit Bescheid vom 27. Oktober 1960 ab. Der Widerspruch war erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 1. September 1961).
Das Sozialgericht (SG) hat mit Urteil vom 10. Oktober 1963 die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin - wie beantragt - Witwenversorgung ab 1. Oktober 1960 zu zahlen. Das Landessozialgericht (LSG) hat auf die Berufung der Beklagten mit Urteil vom 10. Februar 1965 das Urteil des SG vom 10. Oktober 1963 aufgehoben und die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt, die am 21. Februar 1948 zwischen der Klägerin und ihrem jetzigen Ehemann vor dem englischen Militärgeistlichen geschlossene Ehe sei nach englischem Recht gültig, nach deutschem Recht aber nicht rechtswirksam zustande gekommen. Nach Art. 13 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB) in Verbindung mit § 11 des Ehegesetzes (EheG) komme, wenn einer der Verlobten die deutsche Staatsangehörigkeit besitze, die Eheschließung nur zustande, wenn sie vor einem deutschen Standesbeamten stattgefunden habe. Da die zweite Ehe der Klägerin nicht vor einem deutschen Standesbeamten geschlossen worden sei, lebe sie somit in einer sog. hinkenden Ehe. Dies sei aber deshalb unschädlich, weil die Klägerin mit ihrem Ehemann seit 1948 in England lebe; denn in England werde diese Ehe als gültig angesehen. Die Klägerin habe dort alle Rechte, die einer rechtsgültig verheirateten Ehefrau nach dem englischen Ehe- und Familienrecht zustünden. Das Bundessozialgericht (BSG) habe in seinem Urteil vom 28. April 1959 (BSG 10, 1) anerkannt, daß der Witwenrente der Versorgungsgedanke zugrunde liege. Die Rente solle die Witwe nach dem Verluste ihres Ernährers wirtschaftlich sichern. Diese Aufgabe sei aber im vorliegenden Falle entfallen, nachdem die Klägerin seit 1948 in England in einer dort gültigen Ehe mit ihrem zweiten Ehemann zusammenlebe. Sie habe in England den vollen Unterhaltsanspruch gegen ihren Ehemann und alle einer Ehefrau nach englischem Recht zustehenden Rechte. Nach dem Versorgungsgedanken, Sinn und Zweck der Versorgungsgesetze müsse die Frage, ob die Witwe sich wieder verheiratet habe, im vorliegenden Fall nicht nach deutschem Recht beurteilt werden, sondern nach dem Recht, das in dem Lebensbereich der Klägerin gelte, hier also nach englischem Recht. Demgemäß lebe die Klägerin in einer gültigen Ehe und sei daher wiederverheiratet. Diese Auffassung stehe nicht im Widerspruch zu dem oben erwähnten Urteil des BSG, da in jenem Falle die Anspruchsberechtigte in dem deutschen Rechtsbereich gelebt und daher alle Nachteile gehabt habe, die wegen der Ungültigkeit der Ehe nach deutschem Recht bestanden hätten; sie habe vor allem in Deutschland keinen Unterhaltsanspruch gegen ihren Ehemann geltend machen können. Die Verhältnisse der Klägerin seien aber gerade anders. Für einen solchen Fall habe das BSG in dem angeführten Urteil ausdrücklich die Entscheidung offengelassen. Es wäre wirklichkeitsfremd, die Grundsätze der Entscheidung des BSG auch dann anzuwenden, wenn die Klägerin in einem Rechtskreis lebe, der ihr die vollen Rechte einer Ehefrau zuerkenne.
Das LSG hat die Revision zugelassen.
Gegen dieses, am 17. März 1965 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 1. April 1965, beim BSG am 2. April 1965 eingegangen, Revision eingelegt und diese gleichzeitig begründet.
Sie beantragt, das Urteil des LSG vom 10. Februar 1965 aufzuheben und die
Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG Hamburg vom 10. Oktober 1963 zurückzuweisen, ferner
die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin die außergerichtlichen Kosten aller Rechtszüge zu erstatten.
Die Klägerin rügt in ihrer Revisionsbegründung, auf die Bezug genommen wird, eine Verletzung des § 38 BVG durch das LSG. Sir bringt hierzu vor, sie habe, da ihr erster Ehemann an Schädigungsfolgen verstorben sei, die Voraussetzungen für die Hinterbliebenenbezüge nach § 38 BVG erfüllt. Dem stehe die zweite Eheschließung am 21. Februar 1948 vor dem zuständigen englischen Militärgeistlichen in Deutschland mit einem britischen Staatsangehörigen nicht entgegen.
Es sei unbestritten, daß diese Eheschließung nach deutschem Recht nicht gültig sei, so daß sie noch als Witwe ihres ersten Ehemannes angesehen werden müsse. Die zweite Ehe sei nämlich nach deutschem Recht eine Nichtehe. Demzufolge müsse sie auch von dem Recht des BVG her als nicht wiederverheiratet angesehen werden. Daran vermöge auch der Umstand nichts zu ändern, daß ihre zweite Ehe in England gültig sei und sie dort den vollen Unterhaltsanspruch gegen ihren zweiten Ehemann und alle einer Ehefrau nach englischem Recht zustehenden Rechte habe. Die Gewährung der Witwenrente und ihr Wegfall seinen von bestimmten gesetzlichen Voraussetzungen abhängig. Diese müßten erfüllt sein, wenn die Rechtsfolgen eintreten sollen. Seien sie nicht gegeben, so werde dieser Mangel nicht durch einen Hinweis auf die Motive der gesetzlichen Regelung behoben. Demzufolge könne der Versorgungsgedanke, der in der Gewährung der Witwenrente enthalten sei, nicht herangezogen werden, um ihr den Anspruch zu versagen. Der vom BSG entschiedene und vom LSG zitierte Fall liege zwar insofern anders, als dort die Klägerin nach erfolgter Eheschließung noch im Bundesgebiet gewohnt habe, jedoch sei deswegen nicht eine gegenteilige Entscheidung über den von ihr erhobenen Anspruch auf Witwenrente gerechtfertigt.
Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
Diese beiden Beteiligten beziehen sich in ihren Schriftsätzen vom 11. Mai 1965 bzw. vom 20. Mai 1965, auf die ebenfalls Bezug genommen wird, auf ihr Vorbringen in der Berufungsinstanz, das weitgehend der vom LSG im angefochtenen Urteil vertretenen Rechtsauffassung entspricht.
Die durch Zulassung gemäß § 162 Abs. 1 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte Revision ist form- und fristgerecht eingelegt und auch rechtzeitig begründet worden (§§ 164, 166 SGG). Die zulässige Revision ist begründet.
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin für die Zeit vom 1. Oktober 1960 an einen Anspruch auf Witwenrente nach dem BVG hat. Nach § 38 BVG hat die Witwe eines Beschädigten einen Anspruch auf Hinterbliebenenrente, wenn der Beschädigte an den Folgen einer Schädigung gestorben ist. Der Anspruch der Klägerin, deren Ehemann nach den unangegriffenen Feststellungen des LSG an den Folgen einer Wehrdienstschädigung gestorben ist, hängt also davon ab, ob sie noch "Witwe" im Sinne dieser Bestimmung ist, d.h. ob sie noch eine Frau ist, die ihren Ehemann durch Tod verloren und sich nicht wiederverheiratet hat. Ist sie nicht mehr Witwe, so kann sie folgerichtig auch keinen Anspruch auf Witwenversorgung haben. Zwar enthält das BVG - im Gegensatz zu § 1291 der Reichsversicherungsordnung (RVO) und § 68 Abs. 1 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) - keine ausdrückliche Bestimmung darüber, daß ein Anspruch auf Witwenrente dann entfällt oder nicht besteht, wenn sich die Witwe wiederverheiratet hat; jedoch ergibt sich diese Rechtsfolge auch für das BVG schon zwanglos aus dem Gebrauch des Wortes "Witwe" in § 38 BVG, die als anspruchsberechtigte Person bezeichnet ist. Daß der Anspruch auf Witwenrente mit der Wiederverheiratung entfällt, muß auch dem § 44 Abs. 1 BVG entnommen werden, der vorsieht, daß die Witwe "im Falle der Wiederverheiratung anstelle des Anspruches auf Rente" eine Abfindung in bestimmter Höhe erhält. Demnach hat die Klägerin im vorliegenden Fall nur dann einen Anspruch auf Witwenrente nach dem BVG, wenn sie nicht wiederverheiratet ist. Die Klägerin ist aber nicht wiederverheiratet, weil ihre Ehe nach den ebenfalls unangegriffenen und daher bindenden Feststellungen des LSG in Deutschland im Februar 1948 nur vor einem britischen Militärgeistlichen mit dem britischen Staatsangehörigen Edward G. geschlossen wurde und daher nach deutschem Recht nicht gültig ist. Die Klägerin ist nämlich im Februar 1948 Deutsche gewesen, mithin ist die Frage, ob ihre Trauung vor einem britischen Militärgeistlichen mit dem britischen Staatsangehörigen E. G. als gültige Eheschließung anzuerkennen ist, nach deutschem Recht zu beurteilen; dies ergibt sich aus Art. 13 Abs. 1 EGBGB. Nach dieser Vorschrift wird die Eingebung der Ehe, sofern auch nur einer der Verlobten ein Deutscher ist, in Ansehung eines jeden der Verlobten nach den Gesetzen des Staates beurteilt, dem er angehört. Das gleiche gilt für Ausländer, die im Inland eine Ehe eingehen. Das bedeutet, daß eine gültige Ehe in Deutschland nur in der Form geschlossen werden kann, wie sie das deutsche Recht vorschreibt. Das deutsche Recht aber, also das EheG, schreibt zwingend die Eheschließung vor einem Standesbeamten vor (§ 13 EheG). Es kennt, falls auch nur einer der Verlobten deutscher Staatsangehöriger ist, keine Ausnahme von diesem Grundsatz. Ohne die vorgeschriebene Mitwirkung eines Standesbeamten kann nach deutschem Recht keine Ehe geschlossen werden, anderenfalls handelt es sich um eine Nichtehe. Dieser Mangel der vorgeschriebenen Form ist auch nicht heilbar, selbst nicht durch ein fünfjähriges Miteinanderleben (§ 17 Abs. 2 EheG). Die Trauung der Klägerin ist allerdings nur für ihre Person in Deutschland als Eheschließung rechtlich unwirksam, dagegen richtet sich für ihren Partner die Wirksamkeit der Trauung als Eheschließung nach den Gesetzen seines Heimatstaates. Da, wie schon das LSG ausgeführt hat, das englische Recht die nur kirchlich geschlossene Ehe anerkennt, hat der Trauungsakt in Ansehung der Klägerin zwar eine für den Bereich dieses Rechts wirksame Ehe geschaffen, hat aber im Bereich des deutschen Rechts nur zu einer Nichtehe (hinkende Ehe) geführt. Eine andere Beurteilung ergibt sich auch aus dem Haager Eheschließungs-Abkommen vom 12. Juni 1902 (RGBl 1904, 221) allein schon deswegen nicht, weil Großbritannien diesem Abkommen nicht beigetreten ist (s. dazu Palandt, BGB, 17, Aufl., Anhang zu Art. 13 EGBGB).
Diese Rechtslage, wie sie sich aus dem deutschen bürgerlichen Recht hinsichtlich der Wirksamkeit der Ehe der Klägerin ergibt, muß auf dem Gebiet der Kriegsopferversorgung die gleiche sein. Wenn hier Begriffe verwendet sind, deren rechtlicher Gehalt durch Vorschriften anderer Rechtsgebiete - hier des bürgerlichen Rechts (EheG und EGBGB) - bestimmt ist, so kann solchen Begriffen bei ihrer Verwendung im Recht der Kriegsopferversorgung nur der gleiche Rechtsgehalt zukommen. Alles staatliche Recht bildet eine Einheit und deshalb sind innerhalb seines Geltungsbereichs grundsätzlich die vom Recht verwendeten Begriffe - wie hier die Begriffe "Wiedervereinigung" bzw. "Witwe" - im gleichen Sinne zu gebrauchen und zu verstehen (vgl. BSG 10, 1, 3), Dies träfe nur dann nicht zu, wenn das betreffende Gesetz selbst abweichende Bestimmungen enthielte oder wenn sich aus den Umständen deutlich ergäbe, daß ein bestimmter Begriff anders als in anderen Gesetzen zu verstehen ist. Das ist aber dem BVG für den vorliegenden Fall nicht zu entnehmen. Es ergibt sich kein Anhaltspunkt dafür, daß das BVG, soweit es familienrechtliche Begriffe verwendet, diese mit einem anderen Gehalt verbindet, als dies im Ehe- und Familienrecht kraft ausdrücklicher Vorschrift geschehen ist. Da also die Frage, ob die Klägerin Witwe ist, davon abhängt, ob sie sich wiederverheiratet hat, nach bürgerlichem Recht ihre Trauung im Februar 1948 vor einem englischen Militärgeistlichen in Deutschland aber nur zu einer Nichtehe und nicht zu einer Wiederverheiratung geführt hat, so muß auch im Recht der Kriegsopferversorgung ihre Ehe in Ansehung ihrer Person als Nichtehe (hinkende Ehe) und sie selbst deshalb weiterhin als Witwe ihres am 1. Oktober 1945 in russischer Gefangenschaft an Schädigungsfolgen gestorbenen Ehemannes Hans H. angesehen werden. Dann aber steht ihr auch die Witwenrente nach dem BVG zu.
Aus den gleichen Erwägungen hat der 1. Senat des BSG in seiner Entscheidung vom 28. April 1959 (BSG 109, 1 ff) für das Gebiet der Rentenversicherung ausgesprochen, daß einer in einer Nichtehe lebenden Witwe die Hinterbliebenenrente zu gewähren ist. Allerdings ist diese Verpflichtung nur für den Fall ausgesprochen worden, daß die Witwe im Geltungsbereich des deutschen Rechts wohnt; offengeblieben ist in dieser Entscheidung, ob die Witwenrente auch dann zu gewähren ist, wenn die Witwe in einen Staat ziehen sollte, der ihre zweite Ehe rechtlich billigt (BSG 10, 4). Der erkennende Senat ist jedoch - entgegen der Meinung des LSG - der Auffassung, daß bei Ansprüchen, die nach deutschem Recht - hier dem BVG - zu beurteilen sind, notwendigerweise auch die einzelnen Anspruchsvoraussetzungen, im vorliegenden Fall also die Frage, ob die Klägerin wiederverheiratet oder wegen Vorliegens einer Nichtehe weiterhin Witwe geblieben ist, nach deutschem Recht zu beurteilen ist. Die Frage, ob die Klägerin Witwe ist, kann - soweit sie Ansprüche nach deutschem Recht geltend macht - nicht unterschiedlich danach beurteilt werden, in welchem Lande die Klägerin sich jeweils aufhält und ob nach dem Recht dieses Landes die Trauung der Klägerin als Ehe anerkannt wird oder nicht.
Der vom LSG zur Begründung seiner Auffassung herangezogene Versorgungsgedanke kann nicht dazu führen, der Klägerin, die eindeutig nach deutschem Recht nicht wiederverheiratet und daher Witwe geblieben ist, die ihr in dieser Eigenschaft zustehende Versorgung zu versagen. Es ist zwar richtig, daß der gesetzlichen Regelung der Witwenrente auch der Gedanke zugrunde liegt, diese Rente der Witwe als Versorgung wegen des verlorenen Unterhalts durch den Tod des Ehemannes zu gewähren. Ist jedoch - wie auch der 1. Senat des BSG in der oben angeführten Entscheidung (BSG 10, 1, 3) zutreffend hierzu ausgeführt hat - die Gewährung oder der Wegfall der Witwenrente von bestimmten Voraussetzungen abhängig und sind diese Voraussetzungen unzweifelhaft erfüllt, so muß die an diese Voraussetzungen geknüpfte Rechtsfolge eintreten, auch wenn in einem bestimmten Fall die Rechtsfolge nicht den Motiven der gesetzlichen Regelung entspricht. Das Motiv des Gesetzgebers, einer Kriegerwitwe mit der Gewährung der Witwenrente nach dem BVG den durch den kriegsbedingten Verlust ihres Ehemannes entgangenen Versorgungs- und Unterhaltsanspruch in gewissem Rahmen zu ersetzen, solange sie nicht durch Wiederverheiratung einen neuen Unterhaltsanspruch gegen ihren zweiten Ehemann erworben hat, stellt jedenfalls keine ausreichende Rechtsgrundlage dafür dar, um die Witwenrente dann zu versagen, wenn die Witwe - wie im vorliegenden Fall - in einer hinkenden Ehe lebt, die aber in dem Land, in dem sie sich gerade aufhält, als gültig anerkannt wird und ihr Unterhaltsansprüche gegen den angetrauten Ehepartner gewährleistet.
Das Ergebnis dieser rechtlichen Überlegungen, daß nämlich der Klägerin als Witwe die Hinterbliebenenrente nach § 38 BVG zusteht, obwohl ihr in England Unterhaltsansprüche gegen ihren angetrauten Ehemann zustehen, ist trotz seiner Unvereinbarkeit mit den gesetzgeberischen Motiven nicht etwa auf eine Lücke im Gesetz zurückzuführen, die vom Richter auszufüllen wäre. Das gilt zunächst von den bürgerlich-rechtlichen Gesetzen, nach denen die Klägerin in einer Nichtehe lebt. In dieser Beziehung liegt kein Sachverhalt vor, der vom deutschen Gesetzgeber übersehen und bei seiner Kenntnis anders - als geschehen - geregelt worden wäre.
Mit der Einführung der obligatorischen Zivilehe und des Art. 13 EGBGB hat der deutsche Gesetzgeber bewußt die Wirksamkeit der Eheschließung eines deutschen Staatsangehörigen ausnahmslos von der Mitwirkung eines Standesbeamten abhängig machen wollen. Daß dem deutschen Gesetzgeber auch andere Formen der Eheschließung, die von anderen Staaten als wirksam angesehen werden, bekannt waren, unterliegt keinem Zweifel und geht schon daraus hervor, daß die im Ausland nach anderen Formen geschlossenen Ehen im deutschen Rechtsgebiet nach dem Haager Eheschließungs-Abkommen von 1902 unter bestimmten Voraussetzungen wirksam sind (s. dazu Art. 1, 5 und 8 des Abkommens). Der deutsche Gesetzgeber hat damit also bewußt in Kauf genommen, daß ein deutscher Staatsangehöriger in Deutschland ohne Mitwirkung eines Standesbeamten keine gültige Ehe schließen kann und bei einer Eheschließung in anderer Form in einer Nichtehe lebt. Es besteht somit keine vom Richter auszufüllende Gesetzeslücke. Das gleiche gilt im Hinblick auf das BVG. Nach diesem Gesetz sollen alle Witwen, welche die Voraussetzungen des § 38 BVG erfüllen, die Hinterbliebenenrente erhalten. Es ist kein Anhalt dafür gegeben, daß nach dem Willen des Gesetzgebers eine Gruppe von Witwen von dieser Regelung ausgenommen bleiben sollte, nämlich diejenigen, die nur nach deutschem Recht, nicht aber nach dem Recht ihres Aufenthaltsortes wegen der dort gültigen Wiederverheiratung als Witwen anzusehen sind. Allein der Umstand, daß bei dieser Gruppe von Witwen das allgemeine Motiv der gesetzgeberischen Regelung, nämlich wegen des ersatzlosen Fortfalls der ehelichen Unterhaltsansprüche die Versorgung zu gewähren, nicht verwirklicht wird, bedeutet nicht ohne weiteres, daß hier eine Lücke im Gesetz vorliegt, die der Richter auszufüllen hätte. Der Richter würde das Gesetz vielmehr ändern, wenn er für eine kleine Gruppe von Personen, die nach der eindeutigen Fassung des Gesetzes von seiner Regelung nicht ausgenommen sind, eine Sonderregelung in Abweichung vom geltenden Wortlaut nach den allgemeinen Motiven des Gesetzgebers treffen würde. Es muß daher dem Gesetzgeber überlassen bleiben, ob er Witwen von der Versorgung ausschließen will, denen nach dem Recht ihres Aufenthaltslandes eheliche Unterhaltsansprüche gegen den Ehepartner ihrer hinkenden Ehe zustehen.
Das aus den vorstehenden Erwägungen gewonnene Ergebnis, wonach die Klägerin trotz ihrer in England wirksamen Ehe in Deutschland weiterhin als Witwe gilt und daher die ihr in dieser Eigenschaft zustehende Versorgung zu beanspruchen hat, kann auch in rechtspolitischer Beziehung nur als allein angemessen empfunden werden. Im anderen Fall, nämlich wenn die Klägerin nicht als Witwe anzusehen und ihr die Witwenversorgung zu versagen wäre, würde das Ergebnis als unerwünscht angesehen werden müssen im Hinblick darauf, daß den Begriffen Witwe bzw. Wiederverheiratung auf dem Gebiet der Kriegsopferversorgung eine andere Bedeutung als auf anderen Rechtsgebieten beigemessen würde; das Ergebnis müßte ferner im Hinblick auf die Betroffenen unverständlich erscheinen, als diese hinsichtlich ihrer Rechte und Pflichten eine unterschiedliche Behandlung erfahren würden, je nachdem ob die Ehe nach dem maßgeblichen Recht des jeweiligen Aufenthaltsortes gültig oder ungültig wäre.
Selbst ein Ergebnis, das unbeschadet der rechtlichen Begriffe Witwe und Wiederverheiratung allein von dem Motiv des Gesetzgebers, nämlich den Witwen nur bei ersatzlosem Verlust ehelicher Unterhaltsansprüche Versorgung zukommen zu lassen, geprägt wäre, müßte rechtspolitisch als unerwünscht erscheinen. In diesem Fall würde die Versorgung nämlich davon abhängen, in welchem Land die Klägerin und ihr Ehemann sich gerade aufhielten und ob in diesem Land die Ehe als gültig anzusehen ist und daher der Klägerin eheliche Unterhaltsansprüche zustehen oder nicht. Bei jedem Wohnsitzwechsel von Land zu Land könnte also der Unterhaltsanspruch der Klägerin wechselnd begründet sein oder nicht. Abgesehen von diesem wenig erwünschten Ergebnis würde damit im Hinblick auf eine Heiratsabfindung nach § 44 Abs. 1 BVG, die ja nach den Motiven des Gesetzgebers an die Stelle einer infolge gültigen Wiederverheiratung entfallenen Rente treten soll, bei öfteren Wohnwechsel - verbunden mit einem Wechsel der Witwenversorgung - schier unlösbare Probleme aufwerfen. Es muß daher - jedenfalls unter den derzeitig geltenden Gesetzen - auch aus rechtspolitischen Erwägungen das Ergebnis gebilligt werden, daß der Familienstand der Klägerin unabhängig von ihrem jeweiligen Aufenthaltsland allein nach deutschem Recht zu beurteilen ist und daß der Klägerin wegen ihres bestehenden Witwenstandes auch die Witwenrente zusteht, unabhängig davon, ob ihr in ihrem jeweiligen Aufenthaltsland eheliche Unterhaltsansprüche zustehen.
Wenn somit auch die Gründe, mit denen das LSG die Witwenrente versagt hat, nicht durchgreifen, so konnte der Senat aber noch nicht über die begehrte Gewährung der Witwenrente entscheiden, weil das LSG wegen seiner anderweitigen Rechtsauffassung nicht geprüft hat, ob und zu welchem Personenkreis des § 7 BVG die Klägerin gehört, insbesondere ob sie Ausländerin ist oder nicht, von welcher Feststellung wiederum ihr Anspruch abhängt. Zwar hat sie durch ihre Eheschließung im Februar 1948 vor einem britischen Militärgeistlichen die deutsche Staatsangehörigkeit nicht verloren; der § 17 Nr. 6 des Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetzes (RuStaG) vom 22. Juli 1913, der den Verlust der Staatsangehörigkeit für eine Deutsche bei einer Eheschließung mit einem Ausländer vorsieht, findet nämlich keine Anwendung, weil er voraussetzt, daß eine nach deutschen Recht gültige Eheschließung zustande gekommen ist (Maßfeller, Das deutsche Staatsangehörigkeitsrecht von 1870 bis zur Gegenwart, 1953, S. 49 Anm. zu § 17, 5 a; W. Schätzel, Das deutsche Staatsangehörigkeitsrecht, 1958, S. 141). Jedoch könnte die Klägerin durch Einbürgerung auf Antrag die britische Staatsangehörigkeit erworben und dadurch die deutsche Staatsangehörigkeit nach § 17 Nr. 2 RuStaG verloren haben. Hierzu fehlen jegliche Feststellungen. Diese sind auch nicht etwa, wie die Beigeladene in ihrem Schriftsatz vom 13. Mai 1964 meint, deshalb unerheblich, weil die Klägerin auch als Ausländerin gemäß § 8 BVG Versorgung erhalten könnte. Streitig und entschieden worden ist bisher nur über den Rechtsanspruch der Klägerin, nicht aber über die Gewährung der Witwenrente als einer im Ermessen der Versorgungsverwaltung liegenden Kannleistung nach § 8 BVG. Mithin kann in diesem Verfahren der Senat auch nicht darüber befinden, ob der Klägerin etwa eine Versorgung nach § 8 BVG zusteht und kann nicht offen lassen, ob die Klägerin Deutsche oder Ausländerin ist; denn diese Frage ist für den streitigen Anspruch erheblich.
Die Sache mußte daher zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverwiesen werden.
Fundstellen