Entscheidungsstichwort (Thema)
Wahlrecht
Leitsatz (amtlich)
1. Ein von einem Arbeitgeberverband nach SGG § 166 Abs 2 bevollmächtigter Angestellter kann auch für den Verband wirksam Revision einlegen.
2. Die an einem Wahlanfechtungsverfahren Beteiligten (SVwG § 30) können über den Streitgegenstand - die Gültigkeit der Wahl- nicht durch ein vom beklagten Versicherungsträger abgegebenes und vom Kläger angenommenes Anerkenntnis nach SGG § 101 verfügen.
Entscheidungen des Beschwerdewahlausschusses über die Zulassung einer Vorschlagsliste nach SVWO § 22 waren auch vor der Neufassung von dessen Abs 4 durch die Wahlordnung vom 1973-08-13 nur mit einer gegen den Versicherungsträger gerichteten Klage (SVwG § 30) anfechtbar.
Eine rechtswirksam vollzogene Unterschrift unter einer Vorschlagsliste (SVwG § 7) kann jedenfalls nach Ablauf der Frist für die Einreichung der Vorschlagslisten (SVWO § 11 Abs 1) nicht mehr zurückgenommen werden, auch nicht durch Anfechtung wegen Irrtums oder Täuschung (BGB §§ 119, 123).
Kassenärzte werden als Mitglieder der KÄV nicht "für den Versicherungsträger" (SVwG § 3 Nr 4 § 17 Abs Nr 4)tätig.
Apotheker sind trotz Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe Gewerbetreibende und nicht "freiberuflich" für den Versicherungsträger tätig (SVwG § 17 Abs 3 Nr 4).
Leitsatz (redaktionell)
1. Listenunterzeichner können ihre Unterschriften unter einer Wahlvorschlagsliste nach Ablauf der Einreichungsfrist nicht zurücknehmen oder anfechten.
2. Das Ruhen der Wählbarkeit nach SVwG § 17 Abs 3 Nr 4 betraf nicht Kassenärzte und Apotheker.
Normenkette
SGG § 166 Abs. 2 Fassung: 1953-09-03, § 101 Abs. 1 Fassung: 1953-09-03; BGB § 119 Abs. 1 Fassung: 1896-08-18, § 123 Abs. 1 Fassung: 1896-08-18; SVWO § 22 Fassung: 1967-11-06, § 22 Abs. 4 Fassung: 1973-08-13; SVwG § 7 Abs. 2 Fassung: 1967-08-23, § 17 Abs. 3 Nr. 4 Fassung: 1967-08-23, § 30 Fassung: 1967-08-23
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 13. April 1972 wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat den Beigeladenen die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten. Im übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.
Gründe
I
Der klagende Arbeitgeberverband hält die 1968 erfolgte Wahl zur Vertreterversammlung (VV) der beklagten Krankenkasse insoweit für ungültig, als es sich um die Wahl der Beigeladenen zu 1) bis 3) als Vertreter der Arbeitgeber handelt. Nach Ansicht des Klägers hätte die vom Beigeladenen zu 1) als Listenvertreter eingereichte Vorschlagsliste (Liste Dr. K.) mangels einer ausreichenden Zahl von Unterschriften nicht zugelassen werden dürfen; außerdem seien die Beigeladenen als "regelmäßig freiberuflich für den Versicherungsträger tätige" Kassenärzte und Apotheker nicht wählbar gewesen.
Aus der Gruppe der Arbeitgeber wurden für die Wahl des Jahres 1968 zwei Vorschlagslisten eingereicht, eine vom Kläger, eine zweite "freie Liste" vom Beigeladenen zu 1) mit 32 Unterschriften (erforderlich waren mindestens 30 Unterschriften). Beide Listen wurden vom Wahlausschuß am 29. Januar 1968 zugelassen. Von den Unterzeichnern der Liste Dr. K. zogen vier ihre Unterschrift später wieder zurück. Der Wahlausschuß hielt die Rücktrittserklärungen für unwirksam, eine Beschwerde des Klägers wurde vom Landeswahlausschuß zurückgewiesen. Bei der Wahl vom 10. Juni 1968 entfielen auf die Liste des Klägers 598 gültige Stimmen = 14 Sitze, auf die Liste Dr. K. 63 gültige Stimmen = 1 Sitz. Damit waren der Beigeladene zu 1) als Mitglied der VV, die Beigeladenen zu 2) und 3) sowie zwei weitere Arbeitgeber als seine Vertreter gewählt.
Nach öffentlicher Bekanntmachung des endgültigen Wahlergebnisses am 12. Oktober 1968 focht der Kläger die Wahl als ungültig an. Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen, auch die Berufung des Klägers blieb ohne Erfolg. Nach Ansicht des Landessozialgerichts (LSG) hat die ihm gegenüber erklärte Rücknahme der - zunächst auch gegen den Landeswahlausschuß erhobenen - Klage den Rechtsstreit insoweit erledigt. Keine Erledigung sei dagegen eingetreten durch das von der Beklagten abgegebene und vom Kläger angenommene Anerkenntnis der Ungültigkeit der Wahl, da die Beklagte nicht über den Streitgegenstand habe verfügen können. Die Wahl sei auch nicht ungültig. Eine Rücknahme von Unterschriften nach Ablauf der Frist für die Einreichung der Vorschlagslisten und nach deren Zulassung sei unwirksam. Im übrigen hätten hier keine Gründe für eine Nichtigkeit oder Anfechtbarkeit der geleisteten Unterschriften vorgelegen. Auch die Frage der Wählbarkeit von Kassenärzten habe das SG zu Recht bejaht. Kassenärzte würden zwar freiberuflich, jedoch nicht "für" den Versicherungsträger tätig. Sie nähmen vielmehr kraft eines gesetzlichen Sicherstellungsauftrages eigene Befugnisse und Verpflichtungen wahr und träten der Krankenkasse nicht unmittelbar, sondern nur im Rahmen der Kassenärztlichen Vereinigung gegenüber. Eine Kollision ihrer wirtschaftlichen Interessen mit denen des Versicherungsträgers, insbesondere bei der Honorierung der ärztlichen Leistungen, sei im Hinblick auf das bestehende Vertragssystem nur in geringem Maße möglich. Auch die - vom Kläger in der Klageschrift ausdrücklich bejahte - Wählbarkeit des Beigeladenen zu 2) als Apotheker unterliege keinen Bedenken, da unmittelbare Beziehungen zwischen Apothekern und Krankenkassen weder rechtlich noch wirtschaftlich beständen (Urteil vom 13. April 1972).
Der Kläger hat durch seinen Geschäftsführer die zugelassene Revision eingelegt und gerügt: Das LSG habe die Rücknahme der fraglichen Unterschriften zu Unrecht für unwirksam gehalten. Die Unterzeichner seien vom Kläger getäuscht worden, wie sich namentlich aus den schriftlichen Erklärungen der Arbeitgeber J und ... ergebe. Arglistig erschlichene Unterschriften könnten aber nicht als rechtswirksam angesehen werden. Das LSG habe auch die Frage der Wählbarkeit von Kassenärzten und Apothekern zur VV einer Krankenkasse unrichtig entschieden. Obwohl der Kassenarzt seinen Beruf nicht nach Anweisung der Krankenkasse ausübe, erfülle er doch, wenn auch beschränkt, eine ihr obliegende Aufgabe und werde in diesem Sinn für sie tätig. Bei Apothekern sei dies noch deutlicher. Verkannt habe das LSG auch die Möglichkeit einer Interessenkollision zwischen der Krankenkasse und den Kassenärzten; letztere hätten naturgemäß ein starkes Interesse an für sie günstigen Honorarvereinbarungen und würden, etwa als Mitglieder der Verhandlungskommission der Krankenkassen, Konflikten ausgesetzt, die durch das Ruhen ihrer Wählbarkeit zur VV gerade vermieden werden sollten. Der Kläger beantragt, die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben und festzustellen, daß die 1968 erfolgte Wahl der Beigeladenen zu 1) bis 3) als Arbeitgebervertreter in die VV der Beklagten ungültig ist.
Die beklagte Krankenkasse hält die Revision des Klägers ebenfalls für begründet, hat aber keinen Antrag gestellt.
Die Beigeladenen halten das angefochtene Urteil für zutreffend und beantragen die Zurückweisung der Revision.
II
Die Revision des klagenden Arbeitgeberverbandes, eingelegt von dessen Geschäftsführer Dr. jur. ... ist zulässig. Dr. ... ist Angestellter einer Vereinigung von Arbeitgebern, deren Vorsitzender ihm für diesen Rechtsstreit Prozeßvollmacht erteilt hat. Damit sind alle Voraussetzungen seiner Postulationsfähigkeit nach § 166 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) erfüllt. Daß er nicht für ein Mitglied des Verbandes, sondern für den Verband selbst auftritt, ist unschädlich. Auch für Fälle dieser Art gilt die genannte Vorschrift nach Wortlaut und Sinn; auch dann kann nämlich erwartet werden, daß der Verband - wie hier geschehen - eine sachkundige und prozeßerfahrene Person mit der Vertretung vor dem Bundessozialgericht (BSG) beauftragt.
Die Revision ist jedoch nicht begründet. Das LSG hat die vom Kläger angefochtene Wahl der Beigeladenen zutreffend für gültig gehalten.
Es hat sich mit Recht nicht durch das (von der beklagten Krankenkasse vor dem SG abgegebene und vom Kläger angenommene) Anerkenntnis der Ungültigkeit der Wahl an einer Sachentscheidung gehindert gesehen. Durch dieses Anerkenntnis ist der Rechtsstreit nicht in der Hauptsache erledigt worden, da die Beteiligten über den Streitgegenstand - die Gültigkeit der Wahl der Beigeladenen - nicht verfügen können (§ 101 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 SGG). Die Entscheidung über die Gültigkeit einer Wahl zu den Organen der Sozialversicherungsträger hat der Gesetzgeber im Gesetz über die Selbstverwaltung auf dem Gebiet der Sozialversicherung (Selbstverwaltungsgesetz -SVwG) idF vom 23. August 1967 (BGBl I 917) den Gerichten übertragen, ohne insoweit - anders als z. B. in dem BSG 18, 278 entschiedenen Fall - ein Verwaltungsverfahren vorzuschalten (§ 30 Abs. 2 SVwG). Damit ist den Beteiligten, insbesondere der Krankenkasse trotz ihrer formellen Beklagtenrolle bei Wahlanfechtungen, die Verfügung über den Streitgegenstand entzogen worden. Das ist offenbar geschehen, weil die Frage der Gültigkeit oder Ungültigkeit der Wahl die Interessen nicht nur der Prozeßbeteiligten, sondern in erheblichem Maße auch der Öffentlichkeit berührt, der die gesetzmäßige Wahl der Organe der Versicherungsträger nicht gleichgültig sein kann.
Nach § 30 Abs. 1 SVwG kann u. a. jede nach § 7 Abs. 2 vorschlagsberechtigte Vereinigung von Arbeitgebern - dazu gehört der klagende Arbeitgeberverband - die Wahl durch Klage gegen den Versicherungsträger anfechten, wenn gegen Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren verstoßen worden und eine Berichtigung nicht erfolgt ist, es sei denn, daß durch den Verstoß das Wahlergebnis nicht geändert oder beeinflußt werden konnte. Nach § 29 SVwG können Entscheidungen und Maßnahmen, die sich unmittelbar auf das Wahlverfahren beziehen, nur mit den im SVwG und in der Wahlordnung (WO) vorgesehenen Rechtsbehelfen angefochten werden. Unmittelbar auf das Wahlverfahren beziehen sich auch Entscheidungen eines Wahlausschusses über die Zulassung einer Vorschlagsliste und Entscheidungen des Beschwerdewahlausschusses über die gegen die Zulassung erhobene Beschwerde (§§ 20 ff der Wahlordnung für die Sozialversicherung idF vom 6. November 1967, BGBl I 1063, deren Zweiter Teil das "Wahlverfahren" regelt). Nach § 22 Abs. 4 WO kann die Entscheidung des Beschwerdewahlausschusses nur zugleich mit der Wahl angefochten werden. Damit ist eine selbständige Anfechtung dieser Entscheidung ausgeschlossen und ihre Überprüfung dem Wahlanfechtungsverfahren nach § 30 SVwG vorbehalten worden (so jetzt ausdrücklich § 22 Abs. 4 WO idF der Dritten Verordnung zur Änderung der Wahlordnung vom 13. August 1973, BGBl I 982: Die Entscheidung des Beschwerdewahlausschusses kann nur durch Klage nach § 30 SVwG angefochten werden). Auch nach der früheren, hier noch anzuwendenden Fassung des § 22 Abs. 4 WO war Anfechtungsgegner deshalb der betreffende Versicherungsträger. Die Rücknahme der - zunächst auch gegen den Landeswahlausschuß (Beschwerdewahlausschuß) erhobenen - Klage steht mithin einer Nachprüfung der Entscheidung über die Zulassung der Vorschlagsliste des Beigeladenen zu 1) nicht entgegen.
Der Wahlausschuß und der Landeswahlausschuß haben diese Liste mit Recht zugelassen. Von der Ungültigkeitsgründen des § 20 Abs. 2 WO, bei deren Vorliegen die Vorschlagsliste zurückzuweisen ist, kommt hier nur die Nr. 8 in Betracht (Ungültig ist eine Vorschlagsliste, die nicht von der nach § 7 Abs. 3 SVwG erforderlichen Zahl von Wahlberechtigten unterzeichnet ist). Erforderlich war hier entsprechend der Größe der beklagten Krankenkasse die Unterschrift von mindestens 30 Wahlberechtigten. Diese Zahl von Unterschriften trug die vom Beigeladenen zu 1) eingereichte Liste. Wenn später, im Laufe des Monats Februar 1968, vier Unterzeichner in Schreiben an den Wahlausschuß oder den Beigeladenen zu 1) ihre Unterschrift wieder zurückzogen, so wurde damit die fristgemäß eingereichte und bei der Einreichung mit der erforderlichen Zahl von Unterschriften versehene, inzwischen sogar vom Wahlausschuß zugelassene Liste nicht nachträglich ungültig. Ob "Wahlwillenserklärungen", zu denen auch die Unterschriften unter einer Vorschlagsliste gehören, überhaupt wegen Willensmängeln anfechtbar (rücknehmbar) sind, ist schon sehr fraglich, vor allem wegen der Besonderheiten des Wahlverfahrens als einer "Massenveranstaltung", die in kürzester Frist mit äußerster Präzision ablaufen muß und deshalb keinerlei Unklarheiten duldet (vgl. Seifert, Komm. zum Bundeswahlgesetz - BWG -, 2. Aufl., 1965, Vorbemerkungen zum Vierten Abschnitt, Rdnr. 3, und § 21 BWG, Rdnr. 6). Auf keinen Fall ist die Rücknahme einer Unterschrift unter einer Vorschlagsliste noch nach Ablauf der Einreichungsfrist zulässig (Seifert aaO mit weiteren Nachweisen aus dem Schrifttum und der Rechtsprechung).
Wäre es anders, dann könnte eine Vorschlagsliste, die nicht mehr als die gerade erforderliche Zahl von Unterschriften trägt, von einem einzigen, dem "letzten" Unterzeichner durch Rücknahme seiner Unterschrift ungültig gemacht werden, ohne daß sich die Ungültigkeit - wegen Ablaufs der Einreichungsfrist - noch beheben ließe. Damit wären die anderen Unterzeichner der Liste praktisch von der erstrebten Teilnahme an der Wahl durch Aufstellung einer eigenen Liste ausgeschlossen, obwohl sie, wie bei einer Anfechtung der Unterschrift wegen Irrtums, für den Willensmangel des Anfechtenden nicht verantwortlich sind, im Falle einer Anfechtung wegen Täuschung an ihr nicht beteiligt gewesen zu sein brauchen. Schon wegen dieser Beeinträchtigung von Rechten oder Interessen unbeteiligter Dritter kann die Rücknahme einer Unterschrift nach Ablauf der Einreichungsfrist nicht zugelassen werden. Ob etwas anderes gilt, wenn nur dem äußeren Anschein nach eine Unterschrift vorliegt, ihre rechtswirksame Vollziehung aber, z. B. wegen Geschäftsunfähigkeit, nicht möglich war, oder ob selbst dann aus Gründen der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes die "Scheinunterschrift" nach außen hin wie eine rechtswirksame zu behandeln ist, kann offen bleiben, da ein Sachverhalt dieser Art hier nicht vorliegt.
Nach Feststellung des LSG haben die Arbeitgeber, die ihre Unterschrift später zurückgenommen haben, die Rücknahme damit begründet, die Unterschrift sei nicht ernst gemeint gewesen (J), der Unterzeichner habe nicht gewußt, daß der Arbeitgeberverband ebenfalls eine Liste einreiche (...), die Interessen der Arbeitgeber würden bereits durch andere Parteifreunde hinreichend vertreten (B). Auch wenn diese Feststellungen nicht vollständig sein sollten - nach dem Vorbringen des Klägers hat der Beigeladene zu 1) die genannten Arbeitgeber durch Täuschung zur Unterschrift bewogen -, so spricht nichts dafür, daß die Unterschriften nicht wirksam vollzogen worden sind. Für eine nachträgliche Anfechtung, gleich aus welchen Gründen, ist aber, wie ausgeführt, nach Ablauf der Frist für die Einreichung der Vorschlagslisten kein Raum.
Das LSG hat auch die Wählbarkeit der Beigeladenen mit Recht bejaht. Nach § 17 SVwG in der hier noch anzuwendenden Fassung vom 23. August 1967 ruht die Wählbarkeit, soweit sie nach Abs. 1 besteht und durch Abs. 2 nicht ausgeschlossen wird, außer für bestimmte Angehörige der Aufsichtsbehörde (Abs. 3 Nrn. 2 und 3): für Beamte, Angestellte und Arbeiter des Versicherungsträgers (Nr. 1) sowie für "Personen, die regelmäßig freiberuflich für den Versicherungsträger tätig sind" (Nr. 4), und zwar für die unter den Nrn. 1 bis 3 Genannten bis zur tatsächlichen Beendigung ihrer Tätigkeit, für die unter Nr. 4 Genannten bis zum Ablauf eines Jahres nach dem letzten Tätigwerden.
Zweck dieser Vorschriften ist offenbar, von der Willensbildung in den Organen des Versicherungsträgers solche Personen auszuschließen, deren rechtliche und wirtschaftliche Interessen durch Entscheidungen der Organe berührt werden können, ohne daß von Fall zu Fall jeweils besonders geprüft werden muß, ob die fragliche Entscheidung dem Betreffenden oder seinen Angehörigen "einen unmittelbaren Vorteil oder Nachteil bringen kann" (in diesem Fall darf nach § 4 Abs. 6 SVwG ein Organmitglied bei der Beratung und Abstimmung nicht anwesend sein). Die Möglichkeit von Interessenkollisionen besteht dabei nicht nur für die Bediensteten des Versicherungsträgers, namentlich bei personalpolitischen Entscheidungen (Beförderung, Disziplinarmaßnahmen), der Gewährung von Vergünstigungen (Weihnachtsgratifikationen, Darlehen) oder dem Verzicht auf Rückforderungsansprüche (vgl. SozR Nr. 4 zu § 30 Reichsversicherungsordnung - RVO -), sondern auch für die in Nr. 4 Genannten, d. h. die regelmäßig freiberuflich für den Versicherungsträger Tätigen. Bei ihnen wird es sich vor allem um die Gestaltung des Vertragsverhältnisses einschließlich der Vergütung, eine Kündigung u. ä. handeln. Ebenso wie die durch Nr. 1 erfaßten Personen müssen aber auch die in Nr. 4 genannten "für den Versicherungsträger" tätig sein.
Letzteres ist bei Kassenärzten mit dem LSG zu verneinen. Zwischen dem einzelnen Kassenarzt und der Krankenkasse bestehen nach geltendem Kassenarztrecht keine unmittelbaren Rechtsbeziehungen, der Kassenarzt ist vielmehr Mitglied einer Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV), die ihrerseits die ärztliche Versorgung der Versicherten sicherzustellen hat und zu diesem Zweck Verträge mit den Krankenkassen schließt (§§ 368 a Abs. 4, 368 g, 368 n Abs. 1 RVO). Richtig ist allerdings, daß sich eine von den Vertragspartnern getroffene Vereinbarung, insbesondere eine Regelung über die Höhe der Vergütung, nachdem fast alle Krankenkassen zur Honorierung nach Einzelleistungen (§ 368 f Abs. 3 RVO) übergegangen sind, unmittelbar auf die einzelnen Kassenärzte und ihre (zwar rechtlich gegen die KÄV, wirtschaftlich aber gegen die Krankenkasse gerichteten) Vergütungsansprüche auswirkt. Auch in anderer Weise können die Krankenkassen Einfluß auf die Rechtsbeziehungen der Kassenärzte nehmen, z. B. durch Anträge auf Vornahme einer Wirtschaftlichkeitsprüfung oder - über ihre Landesverbände - auf Entziehung der Kassenzulassung (vgl. §§ 368 n Abs. 4, 368 b Abs. 4 RVO, § 27 der Zulassungsordnung für Kassenärzte vom 28. Mai 1957). Das ändert indessen nichts daran, daß die Kassenärzte im Rechtssinne nicht "für" die Versicherungsträger tätig sind; es erklärt andererseits aber, warum bei der Novellierung des SVwG durch das Gesetz vom 7. August 1973 (BGBl I 957) das Ruhen der Wählbarkeit nach § 17 Abs. 3 Nr. 4 SvWG auf Personen ausgedehnt worden ist, die zwar nicht "für den Versicherungsträger", aber "im Rahmen eines mit diesem abgeschlossenen Vertrages tätig sind" (Art. 1 Nr. 16 Buchst. f). Das ist geschehen, weil sich nach Ansicht des Gesetzgebers die bisherige Fassung des Gesetzes als zu eng erwiesen hat: Die Gefahr einer Interessenkollision bestehe nicht nur bei den unmittelbar für den Versicherungsträger freiberuflich tätigen Personen, sondern beispielsweise auch bei denjenigen, die regelmäßig im Rahmen eines zwischen der Organisation der freiberuflich Tätigen und dem Versicherungsträger geschlossenen Vertrages freiberuflich tätig würden; die Änderung trage dem Rechnung (BT-Drucks. 7/288, S. 14 zu Buchst. e). Wie diese Begründung deutlich macht, handelt es sich bei der Ergänzung des § 17 Abs. 3 Nr. 4 SVwG um eine echte Rechtsänderung und nicht um eine bloße Klarstellung des Gesetzeswortlauts. Die Rechtsänderung gilt jedoch nach Art. 4 § 5 Abs. 2 der Novelle vom 7. August 1973 nicht für die laufende Wahlperiode. Für diese waren und sind deshalb Kassenärzte zu den Organen der Versicherungsträger - noch - wählbar (für das neue Recht anders Schlüter, DOK 1973, 617, 622 linke Spalte unten).
Das LSG hat auch die Wählbarkeit des beigeladenen Apothekers St im Ergebnis zutreffend bejaht. Die Ausnahmevorschrift des § 17 Abs. 3 Nr. 4 SVwG gilt für ihn schon deshalb nicht, weil er als Apotheker nicht freiberuflich tätig ist. Anders als der Arzt, der jedenfalls seit der Reichsärzteordnung vom Jahre 1935 kein Gewerbe, sondern einen grundsätzlich an die Person gebundenen und deshalb (BSG 8, 256, 260) "seiner Natur nach freien Beruf" ausübt (§ 1 Abs. 2 der Bundesärzteordnung idF vom 4. Februar 1970, BGBl I 237), betreibt der Apotheker trotz Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe (§ 1 der Bundes-Apothekerordnung vom 5. Juni 1968, BGBl I 601) nach wie vor ein - nicht in diesem Sinne personengebundenes - Gewerbe (vgl. Landmann/Rohmer, Gewerbeordnung, 12. Aufl., § 6 Anm. 4 mit weiteren Nachweisen).
Da sich das angefochtene Urteil somit im Ergebnis als richtig erweist, hat der Senat die Revision des Klägers als unbegründet zurückgewiesen. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Fundstellen