Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 20. Januar 1993 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander auch im Revisionsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Die Klägerin begehrt Hinterbliebenenrente aus der Versicherung ihres am 15. August 1983 verstorbenen früheren Ehemannes (Versicherter); umstritten ist insbesondere, ob diesem Anspruch ein bei der Ehescheidung vereinbarter Unterhaltsverzicht entgegensteht.
Die im Jahre 1950 geschlossene Ehe der 1929 geborenen Klägerin und des 1928 geborenen Versicherten, aus der drei Kinder (geboren 1955, 1960 und 1964) hervorgegangen sind, wurde durch rechtskräftiges Urteil des Landgerichts Stade (LG) vom 14. Februar 1974 – 3 R 8/74 – aus dem Verschulden beider Parteien geschieden. Für den Fall der rechtskräftigen Scheidung schlossen die Eheleute am selben Tage einen Vergleich, in dem sie gegenseitig auf „Unterhalt und Unterhaltsbeitrag für Vergangenheit und Zukunft, auch für den Fall des Notbedarfs” verzichteten und vereinbarten, die elterliche Gewalt über die beiden jüngeren Kinder solle der Klägerin, die für den ältesten Sohn dem Versicherten übertragen werden. Zuvor hatte der damalige Prozeßbevollmächtigte der Klägerin dem Rechtsanwalt des Versicherten im Rahmen der außergerichtlichen Korrespondenz mit Schreiben vom 23. Januar 1974 mitgeteilt, die Klägerin sei im Falle einer „Konventionalscheidung aus beiderseitigem Verschulden” bereit, für sich selbst auf Unterhalt zu verzichten, falls ihr das Sorgerecht für die Kinder übertragen und der Versicherte sich verpflichten würde, einen angemessenen Unterhalt für die noch im Hause lebenden Kinder zu zahlen.
Zum Zeitpunkt der Scheidung waren beide Eheleute berufstätig. Die Klägerin erzielte als Küchenhilfe ein monatliches Bruttoeinkommen von etwa 1.645,– DM, der Versicherte als Elektriker ein solches von etwa 2.003,– DM. Zusätzlich erhielt die Klägerin das Kindergeld, von dem ältesten Sohn monatlich 150,– DM und von dem Versicherten monatlich 240,– DM als Unterhalt für die beiden jüngeren Kinder. Weder die Klägerin noch der Versicherte gingen nach der Scheidung eine neue Ehe ein. Im Jahr vor dem Tode des Versicherten hatte die Klägerin aus ihrer Tätigkeit als Küchenhilfe ein durchschnittliches Monatsnettoeinkommen von 1.735,61 DM; der Versicherte bezog während der letzten 9 ½ Monate vor seinem Tode eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit in Höhe von etwa 1.370,– DM.
Einen im November 1983 gestellten Antrag der Klägerin auf Hinterbliebenenrente lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 8. August 1984 mit der Begründung ab, aufgrund des vereinbarten Unterhaltsverzichts sei der Versicherte zur Zeit seines Todes nicht zur Unterhaltszahlung verpflichtet gewesen, und er habe auch keinen Unterhalt geleistet.
Am 20. April 1989 beantragte die Klägerin erneut die Gewährung von Hinterbliebenenrente unter Bezugnahme auf ein Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 23. November 1988 (5/5b RJ 100/86 in BSGE 64, 167 = SozR 2200 § 1265 Nr 90). Sie gab an, sie habe auf Unterhalt verzichtet, um das Sorgerecht für die Kinder zu erhalten. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 10. Mai 1989 ab; der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 27. September 1989). Das Sozialgericht Lüneburg (SG) hat die Beklagte durch Urteil vom 25. September 1991 verpflichtet, der Klägerin Hinterbliebenenrente nach ihrem früheren Ehemann zu gewähren. Aufgrund der Einkommensverhältnisse der Eheleute habe die Klägerin auch ohne den Unterhaltsverzicht keinen Unterhaltsanspruch gehabt. Die Verzichtserklärung habe sie in erster Linie abgegeben, weil bei dem Versicherten „nichts zu holen” gewesen sei; eine „Konventionalscheidung” habe nicht vorgelegen.
Auf die Berufung der Beklagten hat das Niedersächsische Landessozialgericht (LSG) die Entscheidung der Vorinstanz durch Urteil vom 20. Januar 1993 aufgehoben und die Klage abgewiesen. Ein Hinterbliebenenrentenanspruch nach § 1265 Abs 2 Satz 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) scheitere an der infolge des Unterhaltsverzichts fehlenden Unterhaltsverpflichtung des Versicherten; auch tatsächliche Unterhaltszahlungen seien nicht erbracht worden. Infolge des Unterhaltsverzichts bestehe auch kein Rentenanspruch nach § 1265 Abs 1 Satz 2 RVO. Die von der Rechtsprechung entwickelten Voraussetzungen, unter denen ein umfassender Unterhaltsverzicht im Rahmen dieser Vorschrift als unbeachtlich angesehen werden könne, lägen hier nicht vor. Sowohl der 5., als auch der 4. Senat des BSG hätten wiederholt entschieden (BSG SozR 2200 § 1265 Nrn 74, 90, 92, 93, 94, 98), ein Unterhaltsverzicht stehe einem Anspruch nach § 1265 Abs 1 Satz 2 RVO dann nicht entgegen, wenn er sich als „leere Hülse” erweise. Dies könne nur angenommen werden, wenn auch ohne den Unterhaltsverzicht noch zur Zeit des Todes des Versicherten und bereits zum Zeitpunkt der Vereinbarung des Verzichtes eine Unterhaltsverpflichtung ausschließlich aus den in § 1265 Abs 1 Satz 2 Nr 1 RVO genannten Gründen nicht bestanden habe und wenn die spätere Hinterbliebene es vernünftigerweise als ausgeschlossen habe erachten dürfen, daß die einen Unterhaltsanspruch hindernden Gründe bis zum Tode entfallen könnten. Abweichend von der Rechtsprechung des 4. und des 5. Senats sei es allerdings erforderlich, daß dominierender Grund für den Verzicht der Umstand gewesen sei, daß der Versicherte bei Abgabe des Unterhaltsverzichts nicht unterhaltspflichtig gewesen sei und es voraussichtlich auch nicht wieder werden würde. Daran mangele es hier.
Für einen Anspruch der Klägerin auf einen Unterhaltsbeitrag nach § 60 des Ehegesetzes (EheG), der allenfalls in Betracht komme, sei zwar im Zeitpunkt der Vereinbarung des Unterhaltsverzichts angesichts der Bruttoeinkommen der Eheleute, der Unterhaltszahlungen des Versicherten für die Kinder und des Geldbetrages, den die Klägerin monatlich von ihrem ältesten Sohn bekommen habe, kein Raum gewesen. Dies sei aber nicht der dominierende Grund für die Abgabe des Unterhaltsverzichts gewesen. In erster Linie habe der Unterhaltsverzicht vielmehr einer beschleunigten und vereinfachten Abwicklung des Scheidungsverfahrens und der damit verbundenen Nebenentscheidungen gedient; das ergebe sich insbesondere aus dem Schreiben des damaligen Prozeßbevollmächtigten der Klägerin vom 23. Januar 1974. Auch wenn der Schuldausspruch im Scheidungsurteil die tatsächlichen Verhältnisse möglicherweise richtig wiedergegeben habe, müsse angesichts der gesamten Umstände von einer „Konventionalscheidung” ausgegangen werden. Außerdem sei dominierender Grund für die Abgabe des Unterhaltsverzichts das Bestreben der Klägerin gewesen, das Sorgerecht für die beiden minderjährigen Kinder zu erlangen. Selbst wenn man ihrem Vortrag folgte, sie hätte bei eigener Bedürftigkeit bzw Leistungsfähigkeit des Versicherten nicht auf Unterhalt verzichtet, stünde ihr kein Anspruch auf Hinterbliebenenrente zu. Bei der Abgabe des Unterhaltsverzichts hätte sie es nämlich vernünftigerweise nicht als ausgeschlossen ansehen dürfen, daß die in § 1265 Abs 1 Satz 2 Nr 1 RVO aufgeführten Gründe, die einen Unterhaltsanspruch verhinderten, wieder entfallen würden. Dies sei unter Anlegung objektiver Kriterien aus der zum Zeitpunkt der Abgabe des Unterhaltsverzichts bestehenden Perspektive zu beurteilen; die tatsächliche Entwicklung sei nicht zu berücksichtigen. Danach sei es durchaus wahrscheinlich gewesen, daß der Versicherte spätestens nach Wegfall der Unterhaltsverpflichtung gegenüber seinen damals noch minderjährigen Kindern und mit steigendem Erwerbseinkommen unterhaltsfähig geworden wäre. Nicht auszuschließen sei auch gewesen, daß die Klägerin aus gesundheitlichen Gründen oder infolge Arbeitslosigkeit unterhaltsbedürftig geworden wäre.
Mit ihrer vom LSG zugelassenen Revision macht die Klägerin geltend, die „Dominanzrechtsprechung” des LSG stehe im Widerspruch zu der Rechtsprechung des BSG, nach der „Geschiedenenwitwenrente” auch bei Vorliegen eines Unterhaltsverzichts zu gewähren sei, wenn Tatbestände iS des § 1265 Abs 1 Satz 2 Nr 1 RVO die ausschließliche oder doch wesentliche Ursache iS der sozialrechtlichen Kausalitätstheorie gebildet hätten. Sie habe nur deshalb auf Unterhalt verzichtet, weil ein Unterhaltsanspruch zum damaligen Zeitpunkt und auf absehbare Zeit nicht durchzusetzen gewesen sei. Im Zeitpunkt der Abgabe der Unterhaltsverzichtserklärung habe es keine Anhaltspunkte dafür gegeben, daß sie durch Minderung oder Wegfall ihres Einkommens aus gesundheitlichen Gründen oder infolge von Arbeitslosigkeit unterhaltsbedürftig oder der Versicherte unterhaltsfähig hätte werden können. Die vom LSG vorgenommene Zukunftsprognose beruhe auf reinen Vermutungen.
Auch greife die Auffassung des 4. Senats des BSG, bei einem Unterhaltsverzicht handele es sich dann um eine „leere Hülse”, wenn bewiesen sei, daß auch ohne den Unterhaltsverzicht keine Unterhaltsverpflichtung ausschließlich aus den in § 1265 Abs 1 Satz 2 Nr 1 RVO genannten Gründen bestanden, und die spätere Hinterbliebene es vernünftigerweise als ausgeschlossen erachtet habe, daß diese Gründe bis zum Tode des Versicherten infolge einer Änderung der Verhältnisse wieder entfallen könnten. Ein Unterhaltsanspruch habe bei Vereinbarung des Unterhaltsverzichts unstreitig nicht bestanden, und sie habe seinerzeit nicht davon ausgehen können, daß ihr der Versicherte einen Unterhaltsbeitrag je würde leisten können.
Die Klägerin beantragt,
1. das Urteil des LSG Niedersachsen vom 20. Januar 1993, das Urteil des SG Lüneburg vom 25. September 1991 sowie den Bescheid vom 10. Mai 1989 (in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. September 1989) aufzuheben und 2. die Beklagte zu verurteilen, ihr Hinterbliebenenrente zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und weist ergänzend auf das Urteil des erkennenden Senats vom 21. Januar 1993 – 13 RJ 19/91 – (SozR 3-2200 § 1265 Nr 9 = BSGE 72, 39)) hin. Danach seien Überlegungen, welches die wesentliche Ursache für den Unterhaltsverzicht gewesen sei, unnötig. Der Ausnahmetatbestand der „leeren Hülse” sei hier nicht gegeben. Nur unter engen Voraussetzungen sei die Prognose gerechtfertigt, die Erwerbsfähigkeit und Unterhaltsfähigkeit des Versicherten werde sich auf unbestimmte Dauer nicht wesentlich bessern (Hinweis auf BSG SozR 2200 § 1265 Nrn 92, 94). Da der Versicherte weder unter einer die Erwerbsfähigkeit einschränkenden oder mindernden Krankheit gelitten habe, noch alkoholabhängig gewesen sei, habe eine derartige Prognose hier nicht gestellt werden können. Für eine Besserung der Einkommenssituation des Versicherten spreche auch der aus dem Rentenkonto zu entnehmende Einkommensverlauf.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der Klägerin ist nicht begründet. Das Berufungsurteil ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, der Klägerin Hinterbliebenenrente nach ihrem früheren Ehemann zu gewähren.
Der Anspruch der Klägerin richtet sich noch nach § 1265 Abs 1 RVO, denn ihre Ehe ist vor dem 1. Juli 1977 geschieden und der Rentenantrag vor dem 31. März 1992 gestellt worden; er bezieht sich auch auf die Zeit vor dem 1. Januar 1992 (§ 300 Abs 2 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches – Gesetzliche Rentenversicherung – ≪SGB VI≫; vgl BSG SozR 3-2200 § 1265 Nr 9 S 47).
Nach § 1265 Abs 1 Satz 1 RVO ist einer früheren Ehefrau des Versicherten, deren Ehe mit dem Versicherten vor dem 1. Juli 1977 geschieden, für nichtig erklärt oder aufgehoben worden ist, nach dem Tode des Versicherten Rente zu gewähren, wenn ihr der Versicherte zur Zeit seines Todes Unterhalt nach den Vorschriften des EheG oder aus sonstigen Gründen zu leisten hatte, oder wenn er im letzten Jahr vor seinem Tode Unterhalt geleistet hat. Beide Alternativen sind hier nicht gegeben. Eine Unterhaltsverpflichtung des Versicherten bestand schon wegen des bei der Scheidung vereinbarten Unterhaltsverzichts nicht. An dessen Wirksamkeit bestehen keine Zweifel. Anhaltspunkte für eine Nichtigkeit wegen Sittenwidrigkeit nach § 72 Satz 3 EheG sind nicht ersichtlich. Insbesondere ist nicht zu erkennen, daß der Unterhaltsverzicht bewußt zu Lasten Dritter, etwa eines Sozialhilfeträgers oder der Kinder vereinbart worden wäre (vgl dazu BGH FamRZ 1983, 137; OLG Köln FamRZ 1990, 634). Zwar fehlen im Berufungsurteil entsprechende ausdrückliche Feststellungen. Die Klägerin mußte aber ersichtlich keine Sozialhilfeleistungen in Anspruch nehmen. Da sie bereits vor der Vereinbarung des Unterhaltsverzichts berufstätig war, spricht auch nichts für eine nachhaltige Verschlechterung der Betreuungssituation der Kinder.
Ein umfassender endgültiger Verzicht wie der vorliegende schließt jegliche Unterhaltsverpflichtung nach dem EheG und damit die daran anknüpfende erste Alternative des § 1265 Abs 1 Satz 1 RVO aus (vgl BSG SozR 2200 § 1265 Nr 40 mwN). Tatsächliche Unterhaltsleistungen (zweite Alternative) hat der Versicherte nach den nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des LSG, die für den erkennenden Senat bindend sind (§ 163 des Sozialgerichtsgesetzes ≪SGG≫), nicht erbracht.
Auch aus § 1265 Abs 1 Satz 2 RVO kann die Klägerin einen Anspruch auf Hinterbliebenenrente nicht herleiten. Ist eine Witwenrente nicht zu gewähren, so findet nach dieser Vorschrift Satz 1 des § 1265 Abs 1 RVO auch dann Anwendung,
1. wenn eine Unterhaltsverpflichtung wegen der Vermögens- oder Erwerbsverhältnisse des Versicherten oder wegen der Erträgnisse der früheren Ehefrau aus einer Erwerbstätigkeit nicht bestanden hat und 2. wenn die frühere Ehefrau im Zeitpunkt der Scheidung, Nichtigerklärung oder Aufhebung der Ehe mindestens ein waisenrentenberechtigtes Kind zu erziehen oder für ein Kind, das wegen körperlicher oder geistiger Gebrechen Waisenrente erhielt, zu sorgen oder das 45. Lebensjahr vollendet hatte und 3. solange sie berufsunfähig (§ 1246 Abs 2 RVO) oder erwerbsunfähig (§ 1247 Abs 2 RVO) ist oder mindestens ein waisenrentenberechtigtes Kind erzieht oder für ein Kind, das wegen körperlicher oder geistiger Gebrechen Waisenrente erhält, sorgt oder wenn sie das 60. Lebensjahr vollendet hat.
Witwenrente ist hier zwar nicht zu gewähren. Darüber hinaus müssen aber auch die Voraussetzungen der Nrn 1 bis 3 kumulativ vorliegen (vgl BSG SozR 2200 § 1265 Nr 22 S 69). Hier sind bereits die Tatbestandsmerkmale der Nr 1 nicht gegeben. Fehlte die Unterhaltspflicht des Versicherten aus anderen als den dort genannten Gründen, kann § 1265 Abs 1 Satz 2 RVO keinen Rentenanspruch begründen (vgl BSGE 40, 155, 156 = SozR 2200 § 1265 Nr 6 S 18; BSG SozR 3-2200 § 1265 Nr 8 S 34). Folglich schließt ein Unterhaltsverzicht der früheren Ehefrau auch im Rahmen des § 1265 Abs 1 Satz 2 RVO grundsätzlich die Gewährung von Geschiedenenwitwenrente aus (vgl BSG SozR 3-2200 § 1265 Nr 9 S 51 = BSGE 72, 39, 45). Ein derartiger Unterhaltsverzicht ist jedoch aus Billigkeitsgründen dann als unschädlich für den Rentenanspruch nach § 1265 Abs 1 Satz 2 RVO anzusehen, wenn er im Hinblick auf die in Nr 1 dieser Vorschrift genannten wirtschaftlichen Verhältnisse der Ehegatten nur deklaratorischen Charakter hatte, mithin einer „leeren Hülse” gleichkam (vgl BSG SozR 3-2200 § 1265 Nr 9 S 51 = BSGE 72, 36, 45 mwN).
Einen Sonderfall bildet in diesem Zusammenhang die „Konventionalscheidung”, die dann vorliegt, wenn ein Scheidungsurteil auf einem abgestimmten Parteiverhalten der Ehegatten beruht. Dadurch soll das Verfahren beschleunigt und der scheidungsgerichtliche Ausspruch erleichtert werden. Soweit sich diese Abstimmung auf die Übernahme einer bestimmten Parteirolle und/oder der Scheidungsschuld bezog, hatte dies nach dem bis zum Inkrafttreten des Ersten Gesetzes zur Reform des Ehe- und Familienrechts (1. EheRG) am 1. Juli 1977 geltenden Eherecht Auswirkungen auf die unterhaltsrechtlichen Folgen der Scheidung (vgl §§ 58 ff EheG). Diese konnten dadurch abgewendet werden, daß der durch den erwarteten Urteilsausspruch unterhaltsrechtlich Begünstigte auf alle Unterhaltsansprüche verzichtete. Hat ein Unterhaltsverzicht der früheren Ehefrau auf diese Weise offensichtlich zu einer dem aktenkundigen Sachverhalt des Scheidungsverfahrens widersprechenden Entscheidung in der Schuldfrage geführt, so kann er im Rahmen des § 1265 Abs 1 Satz 2 RVO nicht als unbeachtlich behandelt werden. Ohne ihn wäre nämlich ein Scheidungsurteil, das die Grundlage für einen gesetzlichen Unterhaltsanspruch der geschiedenen Ehefrau hätte bilden können, nicht zustande gekommen. Bei der Prüfung, ob eine derartige „Manipulation” vorlag, können im Rahmen des § 1265 RVO allerdings nur solche Umstände berücksichtigt werden, die ohne weitere Ermittlungen aus vorhandenen Unterlagen des Ehescheidungsverfahrens eindeutig ablesbar sind, weil sonst die gesetzlich gewollte Bindung der Sozialgerichte an den Inhalt des Scheidungsurteils (vgl BSGE 10, 171, 172; 13, 166, 167; 27, 256, 257 f; BSG SozR 3-2200 § 1265 Nr 8) ausgehöhlt würde (vgl auch BSG SozR 3-2200 § 1265 Nr 9 S 54 = BSGE 72, 39, 48).
Das Berufungsgericht hat nicht ausschließlich den Inhalt der beigezogenen Scheidungsakten ausgewertet, sondern im wesentlichen aus dem Inhalt eines außergerichtlichen Schreibens des damaligen Prozeßbevollmächtigten der Klägerin geschlossen, der Unterhaltsverzicht habe einer beschleunigten und vereinfachten Abwicklung des Scheidungsverfahrens gedient. Dies hat es ausreichen lassen, um den Unterhaltsverzicht als für den Hinterbliebenenrentenanspruch beachtlich anzusehen. Darauf kommt es aber nicht an. Erheblich sind nur Anhaltspunkte für eine dem aktenkundigen Sachverhalt des Scheidungsverfahrens widersprechende Entscheidung in der Schuldfrage, solche sind indes aus den Feststellungen des LSG nicht zu erkennen. Im Scheidungsverfahren wurden vielmehr von beiden Beteiligten gegenseitig Vorwürfe erhoben, die jeweils für sich einen Schuldausspruch und damit zusammen eine Scheidung aus beiderseitigem Verschulden gerechtfertigt hätten.
Der Unterhaltsverzicht der Klägerin ist im Rahmen des § 1265 Abs 1 Satz 2 Nr 1 RVO aber deshalb nicht unbeachtlich, weil er keine bloße „leere Hülse” darstellte. Diesen Tatbestand sieht der erkennende Senat – in Übereinstimmung mit dem 4. und 5. Senat des BSG – dann als erfüllt an, wenn ohne die Verzichtserklärung der Ehefrau schon im Zeitpunkt der Scheidung sowie im Zeitpunkt des Todes des Versicherten aus den in § 1265 Abs 1 Satz 2 Nr 1 RVO genannten wirtschaftlichen Gründen kein Unterhaltsanspruch bestand und auch nach den bei Abschluß der Vereinbarung über den Unterhaltsverzicht gegebenen objektiven Umständen vernünftigerweise für die Zukunft nicht mit dem Entstehen von Unterhaltsansprüchen der geschiedenen Ehefrau gerechnet werden konnte (vgl Urteile des erkennenden Senats vom 21. Januar 1993 – 13 RJ 19/91 – BSGE 72, 39, 45 = SozR 3-2200 § 1265 Nr 9 und vom 16. Dezember 1993 – 1 RJ 1/93 –, zur Veröffentlichung vorgesehen). Dabei kommt es jeweils nur auf rentenrechtlich relevante Unterhaltsansprüche an, die also zumindest 25 % des zeitlich und örtlich maßgebenden Regelsatzes der Sozialhilfe erreichen oder übersteigen (vgl BSG SozR 2200 § 1265 Nrn 51, 65; Senatsurteil vom 16. Dezember 1993 – 1 RJ 1/93 –). Auf die subjektiven Überlegungen der früheren Ehepartner und damit auch auf die Frage, welche dieser Erwägungen domininierend für die Abgabe des Unterhaltsverzichts waren, kommt es entgegen der Ansicht des LSG in diesem Zusammenhang nicht an (vgl Senatsurteil vom 16. Dezember 1993 – 13 RJ 1/93 –; BSGE 72, 39, 46 = SozR 3-2200 § 1265 Nr 9 S 52).
Zwar bestand zum Zeitpunkt des Todes des Versicherten nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) zu den damaligen Einkommensverhältnissen der geschiedenen Eheleute kein Unterhaltsanspruch der Klägerin. Da die Ehe aus beiderseitigem Verschulden der Ehegatten geschieden worden war, ohne daß einer der Ehegatten die überwiegende Schuld an der Scheidung trug, konnte der Klägerin nur nach § 60 EheG, der auch über den 1. Juli 1977 hinaus anwendbar geblieben ist (vgl Art 12 Nr 3 Abs 2 1.EheRG≫ vom 14. Juni 1976 BGBl I S 1421), ein Anspruch auf Zubilligung eines Unterhaltsbeitrags zustehen. Die Verpflichtung zur Leistung eines solchen Unterhaltsbeitrages stellt nach der Entscheidung des Großen Senates (GS) des BSG (BSGE 48, 146, 152 = SozR 2200 § 1265 Nr 41 S 132) eine Unterhaltsverpflichtung iS des § 1265 Satz 2 RVO dar (s auch BSG SozR 2200 § 1265 Nrn 59, 94, 97).
Voraussetzung für einen Anspruch der Klägerin nach § 60 EheG wäre gewesen, daß sie sich nicht selbst hätte unterhalten können, und daß die Gewährung eines Unterhaltsbeitrags mit Rücksicht auf die Bedürfnisse sowie die Vermögens- und Erwerbsverhältnisse des Versicherten und der nach § 63 EheG unterhaltspflichtigen Verwandten der Bedürftigkeit der Billigkeit entsprochen hätte. Nach den Feststellungen des LSG erzielte die Klägerin im letzten Jahr vor dem Tode des Versicherten ein monatliches Durchschnittsnettoeinkommen von 1.735,61 DM, derweil der Versicherte während der letzten 9 ½ Monate seines Lebens – dem letzten wirtschaftlichen Dauerzustand, vgl BSG SozR Nr 67 zu § 1265 RVO – eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit von lediglich etwa 1.370,– DM bezog. Zwar sollten auf beiden Seiten dieselben Bezugszeiträume zugrunde gelegt werden, um eine bestmögliche Vergleichbarkeit der jeweiligen Einkommensverhältnisse zu gewährleisten (vgl BSGE 31, 90, 94). Da das Einkommen der Klägerin jedoch gleichbleibend war, ist die Differenz zwischen dem Durchschnittseinkommen für ein Jahr und dem für 9 ½ Monate allenfalls geringfügig und ändert nichts an dem Ergebnis, daß die Klägerin angesichts ihrer erheblich höheren Einkünfte keinen Anspruch auf einen Unterhaltsbeitrag nach § 60 EheG hatte, zumal Anhaltspunkte für einen außergewöhnlich hohen Bedarf nicht ersichtlich sind.
Es ist zwar unwahrscheinlich, daß die Klägerin im Zeitpunkt der Scheidung einen rentenversicherungsrechtlich relevanten Anspruch auf einen Unterhaltsbeitrag nach § 60 EheG in Höhe von mindestens 59,25 DM (25 % des damaligen Regelsatzes für einen Haushaltsvorstand von 237,– DM ≪RdErl des Niedersächsischen Ministers für Soziales vom 25. November 1973, Nds MinBl 1973 S 1681≫) hatte; aufgrund der Feststellungen des LSG kann dies aber nicht mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden.
Der Unterhaltsbeitrag nach § 60 EheG erreicht im allgemeinen nicht die Höhe des angemessenen Unterhaltes iS des § 58 EheG, sondern wird in der Regel auf dessen Hälfte festgesetzt (vgl BSG SozR 2200 § 1265 Nr 59; OLG Hamm FRES 1980, 425; s auch Düsseldorfer Tabelle, Stand 1. Januar 1980, FamRZ 1980, 19). Der angemessene Unterhalt iS des § 58 EheG, der danach jedenfalls die Obergrenze des Unterhaltsbeitrags nach § 60 EheG darstellt und für dessen Bemessung maßgeblich ist, wird nach den ehelichen Lebensverhältnissen im Zeitpunkt der Scheidung bemessen. In einer Ehe, in der – wie hier – beide Ehegatten erwerbstätig sind, richtet er sich regelmäßig nach den zusammengerechneten Nettoeinkünften beider Ehegatten (vgl etwa BSG SozR 3-2200 § 1265 Nr 11 mwN). Diese sind mithin zunächst festzustellen. Das LSG hat jedoch nur Feststellungen hinsichtlich der Bruttoeinkommen der Ehegatten getroffen. Die von ihm auf dieser Basis angestellten Erwägungen führen zwar mit einiger Wahrscheinlichkeit zu dem Ergebnis, daß kein Anspruch auf Unterhaltsbeitrag bestand, zumal der Klägerin angesichts ihrer Berufstätigkeit während der Ehe eine eigene Erwerbstätigkeit im Rahmen des Billigkeitsanspruchs nach § 60 EheG trotz der Betreuung der gemeinsamen Kinder zuzumuten war. Eine hinreichend sichere Beurteilung wegen der fehlenden Feststellungen zu den einzelnen Faktoren, anhand deren die Nettoeinkünfte ermittelt werden könnten (zB Steuerklasse), ist indessen nicht möglich.
Die Sache war gleichwohl nicht an das LSG zur Nachholung der fehlenden Feststellungen zurückzuverweisen, weil sich der Unterhaltsverzicht bereits aus anderen Gründen nicht als „leere Hülse” erweist. Aus dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des Berufungsgerichts ist zu folgern, daß es nach den bei Abschluß des Unterhaltsverzichts gegebenen objektiven Umständen vernünftigerweise nicht auszuschließen war, daß in Zukunft Unterhaltsansprüche der Klägerin entstehen konnten. Das LSG hat seine dahingehende Prognose darauf gestützt, daß zum einen der Versicherte spätestens nach Wegfall der Unterhaltsverpflichtung gegenüber seinen damals noch minderjährigen Kindern und mit steigendem Erwerbseinkommen unterhaltsfähig geworden wäre, es zum anderen nicht auszuschließen gewesen sei, daß sich das Einkommen der Klägerin aus gesundheitlichen Gründen oder infolge von Arbeitslosigkeit vermindert hätte oder ganz weggefallen und sie so unterhaltsbedürftig geworden wäre. Gegen die dieser Prognose zugrunde gelegten Tatsachen hat die Klägerin keine zulässigen und begründeten Verfahrensrügen erhoben. Sie hat zwar beanstandet, bei den vom LSG angestellten Überlegungen handele es sich um Spekulationen. Diese Rüge bezieht sich aber lediglich auf die Vorhersage als solche und den vom Berufungsgericht gewählten rechtlichen Ansatz, greift aber nicht die Tatsachenfeststellungen an.
Der erkennende Senat hat bereits in seinem zur Veröffentlichung vorgesehenen Urteil vom 16. Dezember 1993 – 13 RJ 1/93 – die Auffassung vertreten, daß einkommensmindernden Wechselfällen wie dem Eintritt von Krankheit oder Arbeitslosigkeit bei der Prognose im Rahmen des § 1265 Abs 1 Satz 2 Nr 1 RVO grundsätzlich Rechnung getragen werden muß. Denn sie gehören zum normalen Ablauf eines Arbeitslebens und können nur unter besonderen Umständen ausgeschlossen werden. Das Vorliegen von in dieser Hinsicht abgesicherten Verhältnissen bildet die Ausnahme und muß deshalb gesondert festgestellt werden. Den für den erkennenden Senat bindenden Feststellungen des LSG sind keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, daß zum einen der Versicherten zu keinem Zeitpunkt zwischen Ehescheidung und Tod hätte leistungsfähig sein und zum anderen die Klägerin in diesem Zeitraum nicht bedürftig hätte werden können. Demgegenüber hätte etwa vorgetragen werden müssen, daß der Versicherte infolge bestimmter Lebensumstände (zB Alkoholabhängigkeit, vgl BSG SozR 3-2200 § 1265 Nr 9 S 54) in Zukunft nicht leistungsfähig sein würde bzw daß die Klägerin aufgrund beamtenähnlicher Stellung oder tarifvertraglicher Regelung (vgl zB § 53 Abs 3 des Bundes-Angestelltentarifvertrages ≪BAT≫) gegen einen kündigungsbedingten Verlust des Arbeitsplatzes und damit gegen eine entsprechende Minderung oder völligen Wegfall des Einkommens abgesichert war.
Daß das Entstehen eines Unterhaltsanspruchs der Klägerin nicht auszuschließen war, kann anhand eines Beispiels verdeutlicht werden. Unterstellt man, die Klägerin habe im Jahre 1980 ihren Arbeitsplatz durch betriebsbedingte Kündigung verloren und bis zum Ablauf der nach damaliger Rechtslage längsten Dauer des Arbeitslosengeldbezuges von 312 Wochentagen (§ 106 Abs 1 Satz 2 Nr 5 des Arbeitsförderungsgesetzes vom 25. Juni 1969 ≪AFG≫, zuletzt geändert durch Gesetz vom 18. August 1980 ≪BGBl I S 1469≫) keine neue Beschäftigung gefunden, so wäre sie angesichts der vorgeschriebenen Anrechnung (Vorrang) von Unterhaltsansprüchen auf die anschließende Arbeitslosenhilfe nach §§ 137 Abs 1, 138 Abs 1 Nr 1 AFG unterhaltsbedürftig iS des § 60 EheG gewesen. Der Versicherte wäre auch leistungsfähig gewesen. Bei einem im Versicherungsverlauf ausgewiesenen monatlichen Bruttoeinkommen von 3.156,25 DM (Jahresbruttoeinkommen 37.875,– DM) im Jahre 1981 hatte der Versicherte nach Abzug der Lohnsteuer (bei Zugrundelegung der Steuerklasse I) in Höhe von 652,30 DM, der Kirchensteuer in Höhe von 58,71 DM, der Pflichtbeiträge (Arbeitnehmeranteile, vgl Senatsurteil vom 12. Oktober 1993 – 13 RJ 55/92 – mwN) für die gesetzliche Rentenversicherung der Arbeiter in Höhe von 292,14 DM, die gesetzliche Krankenversicherung (durchschnittlicher Beitragssatz der Allgemeinen Ortskrankenkassen ≪AOK≫) in Höhe von 191,07 DM und die Arbeitslosenversicherung in Höhe von 47,34 DM ein monatliches Nettoeinkommen von 1.914,69 DM zur Verfügung. Der angemessene Unterhalt nach § 58 EheG wäre mit etwa 3/7 des um den Kindesunterhalt von (höchstens noch) 240,– DM verminderten NettoeinkomBens (vgl Düsseldorfer Tabelle, Stand 1. Januar 1980, FamRZ 1980, 19), also 717,72 DM zu bemessen. Ob zur Berechnung des Unterhaltsanspruchs zwischen geschiedenen Eheleuten die sog. „Differenz-” oder die „Anrechnungsmethode” anzuwenden ist (vgl dazu Senatsurteil vom 12. Oktober 1993 – 13 RJ 55/92 –), kann angesichts des unterstellten fehlenden Einkommens der Klägerin dahingestellt bleiben.
Mit dem durch Halbierung des angemessenen Unterhaltsbetrages berechneten Billigkeitsunterhalt nach § 60 EheG in Höhe von 358,86 DM wäre ohne Gefährdung des Selbstbehalts des Versicherten (800,– DM nach der Düsseldorfer Tabelle, aaO) ein Unterhaltsanspruch in rentenversicherungsrechtlich relevanter Höhe erreicht worden. Da der Regelsatz der Sozialhilfe für einen Haushaltsvorstand nach dem 1981 in Niedersachsen geltenden Recht (RdErl des Ministers für Soziales vom 18. November 1980 ≪Nds MinBl 1980 S 1466≫) 328,– DM betrug, war dies nämlich ein Betrag von lediglich 82,– DM.
Die Voraussetzungen für einen Unterhaltsanspruch der Klägerin konnten demnach nicht auf Dauer ausgeschlossen werden und der Unterhaltsverzicht demnach nicht unbeachtlich bleiben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen