Leitsatz (amtlich)

Der Anspruch der Versorgungsverwaltung auf Erstattung zu Unrecht gewährter Elternbeihilfe kann auch nach dem Tode eines Elternteils in voller Höhe gegen den überlebenden Elternteil (als Gesamtschuldner) geltend gemacht werden.

 

Leitsatz (redaktionell)

Ein Rückforderungsbescheid wird nicht dadurch rechtswidrig, daß vor seinem Erlaß keine Prüfung nach KOV-VfG § 47 Abs 4 stattfindet (Bestätigung von BSG 1966-04-19 10 RV 33/64 = BVBl 1966, 138).

 

Orientierungssatz

Der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch ist das Spiegelbild der empfangenen Leistung; das Erstattungsverhältnis ist nur die Umkehrung des Leistungsverhältnisses.

 

Normenkette

KOVVfG § 47 Abs. 3 Fassung: 1960-06-27, Abs. 4 Fassung: 1960-06-27; BVG § 50 Fassung: 1960-06-27, § 51 Fassung: 1960-06-27

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 9. April 1965 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Im Dezember 1958 beantragte der Ehemann der Klägerin (K.) für sich und seine im Jahre 1888 geborene Ehefrau Elternrente nach dem gefallenen Sohn H und gab an, er habe am 1. April 1958 seinen gesamten Besitz seinem Sohn E übergeben und bei der landwirtschaftlichen Alterskasse Antrag auf Altershilfe gestellt; Renten usw. erhalte er nicht. In dem ihm darauf ausgehändigten und auch von der Klägerin am 3. Februar 1959 unterschriebenen Antragsformular ist unter Ziff. 11 - Einkommen der Eltern - die Frage nach Renten aus der Unfall- und Rentenversicherung mit "nein" beantwortet. Mit Bescheid vom 3. Februar 1961 gewährte das Versorgungsamt (VersorgA) den Eheleuten ab 1. Dezember 1958 Elternbeihilfe; durch den Tod des Sohnes H und auf Grund der Kriegsbeschädigung des Sohnes E habe der Besitz auf die beiden Kinder E und K aufgeteilt werden müssen; daher sei der gesamte Lebensunterhalt der Eltern nicht mehr sichergestellt. Als sonstiges Einkommen wurden das Altersgeld von 60,- DM und 57,70 DM monatlich als Leistungen aus dem Übergabevertrag (Nießbrauch) mit freier Unterkunft und Verpflegung, insgesamt 117,70 DM, auf die Einkommensgrenze von 190,- DM angerechnet. Die Feststellung des Anspruches auf Elternbeihilfe vom 1. Juni 1960 an, d. h. ab Inkrafttreten des Ersten Neuordnungsgesetzes (1. NOG), wurde zurückgestellt und vorläufig ein Betrag von 48,- DM monatlich gezahlt. Am 12. Mai 1962 starb K. Vom 1. August 1962 an wurde deshalb - bis zur Neufeststellung - der Klägerin nur eine Elternbeihilfe von 20,- DM gewährt. Aus Anlaß der Überprüfung ihrer Einkommensverhältnisse gab sie in einem Fragebogen vom 25. Juni/3. Juli 1962 an, daß sie eine Unfallrente von 78,- DM und eine Altershilfe für Landwirte von 40,- DM beziehe. Auf Anfrage ergänzte sie ihre Angabe dahin, daß sie die Unfallrente seit 1 1/2 bis 2 Jahren erhalte. Die landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft teilte dagegen mit, daß die Unfallrente seit dem 24. September 1941 gezahlt werde und bis zum 1. Dezember 1958 70,- DM monatlich betragen habe, seit dem 1. Januar 1961 sei sie auf 78,- DM monatlich erhöht worden. Am 5. Oktober 1962 erließ das VersorgA einen Anfechtungs- und Rückforderungsbescheid gemäß den §§ 42 Abs. 1 Ziff. 3, 47 Abs. 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VerwVG). Es seien Tatsachen, die für die frühere Entscheidung von wesentlicher Bedeutung gewesen seien, wissentlich verschwiegen worden. Das Einkommen aus der Unfallrente sei erstmals in dem Fragebogen am 3. Juli 1962 mitgeteilt worden. Ab 1. Dezember 1958 hätten die Klägerin und ihr Ehemann einschließlich der Unfallrente von 70,- DM ein Einkommen von 187,70 DM gehabt. Die durchschnittlichen Gesamtkosten des angemessenen Lebensunterhalts für ein Ehepaar seien zwischen 210,- DM bis 220,- DM, für einen Elternteil mit 140,- DM bis 150,- DM anzunehmen. Eine Teilernährerschaft sei abzulehnen, wenn der Fehlbetrag nicht etwa ein Drittel der Gesamtkosten des angemessenen Lebensunterhalts erreiche. Deswegen hätten - im Zeitpunkt der Erstbewilligung - die Voraussetzungen zur Gewährung einer Elternbeihilfe verneint werden müssen. Die vom 1. Dezember 1958 bis zum 31. August 1962 im Gesamtbetrag von 2.036,- DM gewährten Leistungen, darunter 20,- DM (für die Klägerin als Elternteil) für den Monat August 1962, wurden von der Klägerin zurückgefordert. Der Widerspruch, mit dem die Klägerin bestritt, daß sie und ihr nervenkranker Ehemann wissentlich falsche Angaben gemacht hätten, und mit dem sie vorsorglich den Erlaß der Schuld aus Billigkeitsgründen beantragte, weil ihr nur Bareinnahmen von 118,- DM monatlich zur Verfügung stünden, war erfolglos.

Das Sozialgericht (SG) hat mit Urteil vom 29. März 1963 den Bescheid vom 5. Oktober 1962 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Dezember 1962 insoweit aufgehoben, als von der Klägerin der 1.028,- DM übersteigende Betrag zurückgefordert werde; im übrigen hat es die Klage abgewiesen. Da der Ehemann der Klägerin verstorben sei, könne die zu Unrecht an ihn gezahlte Rentenhälfte nicht durch Verwaltungsakt, sondern allenfalls durch Klage vor den Zivilgerichten von den Erben (das sind die Klägerin und deren beide Kinder) zurückgefordert werden. Gemeinsam hätten die Eheleute 2.016,- DM erhalten, die Klägerin außerdem noch 20,- DM. Deshalb habe sie nur 1.028,- DM (1.008,- + 20,- DM) zu erstatten.

Gegen dieses Urteil haben die Klägerin und der Beklagte Berufung eingelegt. Durch Urteil vom 9. April 1965 hat das Landessozialgericht (LSG) die Berufung der Klägerin zurückgewiesen; auf die Berufung der Beklagten hat es das Urteil des SG geändert und die Klägerin verurteilt, 2.036,- DM an das beklagte Land zurückzuerstatten. Es erscheine ausgeschlossen, daß der Ehemann der Klägerin von der Unfallrente seiner Frau nichts gewußt habe. Der Einwand der Klägerin, er sei damals bereits geschäftsunfähig gewesen, greife im Hinblick auf den am 2. April 1958 notariell geschlossenen Haus- und Grundstücksübergabevertrag und die darin dem Ehemann der Klägerin erteilte Bevollmächtigung, alle zur Umschreibung erforderlichen Rechtshandlungen vorzunehmen, nicht durch. Eine neue Entscheidung nach § 42 Abs. 1 Nr. 3 VerwVG sei aber auch deshalb gerechtfertigt gewesen, weil die Klägerin selbst eine wesentliche Tatsache (den Bezug der Unfallrente) verschwiegen habe. Da dem Einkommen des Ehepaares von 187,70 DM als Gesamtkosten des angemessenen Lebensunterhalts ca. 220,- DM gegenübergestanden hätten, habe der Fehlbetrag nicht etwa ein Drittel der Gesamtkosten erreicht; deshalb sei die Versagung der Elternbeihilfe - rückschauend - nicht rechtswidrig. Die Klägerin sei nach § 47 Abs. 3 VerwVG auch zur Rückerstattung der gesamten an sie und ihren verstorbenen Ehemann zu Unrecht gezahlten Elternbeihilfe verpflichtet. Die Elternrente oder Elternbeihilfe werde nach den §§ 49 ff des Bundesversorgungsgesetzes (BVG), wenn die Voraussetzungen bei jedem Elternteil gegeben seien, nicht einzeln für jeden Teil gewährt, sondern grundsätzlich für das Elternpaar. Der aus dem öffentlich-rechtlichen Verhältnis der Versorgungsverwaltung zu dem Elternpaar entstandene einheitliche Anspruch könne nicht in einzelnen Teilen geltend gemacht und gewährt werden; er stehe beiden Elternteilen wie Gesamtgläubigern gemeinsam zu. Da der Erstattungsanspruch die Kehrseite des Anspruchs auf die Leistung sei und die Rechtsnatur sich durch die Rückforderung nicht ändere, werde mit der Rückforderung der einheitlich dem Elternpaar gewährten Beihilfe eine Gesamtforderung als eine Gesamtschuld geltend gemacht. Diese Gesamtschuld könne in sinngemäßer Anwendung der bürgerlich-rechtlichen Vorschriften (§ 421 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -) von jedem Elternteil ganz oder teilweise verlangt werden, und zwar auch noch nach dem Tode des einen Teils. Deshalb sei nicht zu prüfen gewesen, ob und inwieweit neben der Klägerin auch die Rechtsnachfolger des verstorbenen Ehemannes, von denen inzwischen der überhobene Betrag ebenfalls zurückgefordert worden sei, als Rückerstattungsschuldner in Betracht kämen; überdies sei diese Frage auch noch Gegenstand eines besonderen, beim SG anhängigen Verfahrens.

Mit der zugelassenen Revision rügt die Klägerin Verletzung des § 47 VerwVG. Es sei zwar davon auszugehen, daß die Klägerin und ihr verstorbener Ehemann die Elternbeihilfe zu Unrecht empfangen hätten. Der Beklagte habe aber nach dem Tode des Ehemannes die Rückzahlung des Gesamtbetrages nicht allein von der Klägerin verlangen dürfen. Die rechtliche Konstruktion des LSG, daß dem Elternrentenanspruch eines Elternpaares eine Gesamtforderung der Eltern zugrunde liege, habe zwar manches für sich. Wenn dann aber daraus - als Umkehrschluß - gefolgert werde, daß der überlebende Elternteil als Gesamtschuldner zu einer Leistung herangezogen werden könne, die er tatsächlich nicht erhalten habe, so stelle die Rückforderung unter solchen Umständen zumindest eine unbillige Härte dar. Die Klägerin beantragt,

das angefochtene Urteil aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des SG vom 29. März 1963 zurückzuweisen.

Der Beklagte beantragt,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Die durch Zulassung statthafte Revision ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, somit zulässig (§§ 162 Abs. 1 Nr. 1, 164, 166 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -). Sachlich ist sie nicht begründet.

Das VersorgA hat gegen die Klägerin nicht nur den Anfechtungs- und Rückforderungsbescheid vom 5. Oktober 1962 erlassen, sondern ihr im November 1963 in ihrer Eigenschaft als Miterbin nach ihrem verstorbenen Ehemann nochmals einen Bescheid gleichen Inhalts und wiederum mit dem Datum vom 5. Oktober 1962 versehen zugesandt. Das LSG ist auf diesen Bescheid nicht näher eingegangen; es hat ihn insbesondere nicht unter dem Gesichtspunkt gewürdigt, ob er nach § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden ist. Da die Klägerin insoweit verfahrensrechtliche Rügen nicht erhoben hat, war die Bedeutung dieses Bescheides für das anhängige Verfahren nicht zu erörtern.

Die Revision ist sachlich-rechtlich auf die Verletzung des § 47 Abs. 3 VerwVG idF des 1. NOG vom 27. Juni 1960 (BGBl I 453) gestützt. Die Klägerin meint, der Beklagte hätte nicht den Gesamtbetrag der Elternbeihilfe von ihr zurückfordern dürfen, da sie nicht Empfängerin des Teils der für ihren Ehemann bestimmten Elternbeihilfe gewesen sei. Da die Klägerin nur in dem sich daraus ergebenden Umfang um Nachprüfung des angefochtenen Urteils gebeten, nämlich Zurückweisung der Berufung des Beklagten gegen das Urteil des SG beantragt hat, steht ein Anspruch des Beklagten auf Rückforderung dem Grunde nach rechtskräftig fest. Es ist auch nicht mehr streitig, daß die Klägerin und ihr verstorbener Ehemann die ihnen ab 1. Dezember 1958 gezahlte Elternbeihilfe zu Unrecht empfangen haben und deshalb zu Recht ein auf § 42 Abs. 1 Ziff. 3 VerwVG gestützter Anfechtungsbescheid ergangen ist. Die Rechtsauffassung der Klägerin, daß von ihr aber nur etwa die Hälfte der insgesamt gezahlten Elternbeihilfe zurückgefordert werden könne, ist jedoch nicht begründet.

§ 47 Abs. 3 VerwVG gibt der Versorgungsverwaltung unter den dort bestimmten Voraussetzungen, die in der Person des "Empfängers" vorliegen müssen, das Recht zur Rückforderung zu Unrecht gewährter Leistungen. Das Gesetz verlangt hierzu in § 47 Abs. 3 Buchst. a VerwVG - § 47 Abs. 3 Buchst. b VerwVG kann hier außer Betracht bleiben -, daß der Empfänger selbst Tatsachen, die für die Entscheidung von wesentlicher Bedeutung waren, wissentlich falsch angegeben oder verschwiegen hat, oder daß er bei dem Empfang der Bezüge gewußt hat, daß sie ihm nicht oder nicht in dieser Höhe zustanden. Damit hat das Gesetz, obgleich es nur von dem Empfänger der Leistung spricht, auf Grund eines bestimmten Verhaltens des Versorgungsberechtigten und gestützt auf das zwischen der Versorgungsverwaltung und dem Versorgungsempfänger begründete Rechtsverhältnis die Folgerung gezogen, daß sich die Verpflichtung zur Rückgewähr nach § 47 Abs. 3 VerwVG gegen den oder die Versorgungsempfänger selbst richtet.

Empfänger ist deshalb nicht derjenige, der etwa außerhalb dieses Rechtsverhältnisses zufällig die Leistung entgegengenommen hat, sondern derjenige, dem die Leistung als dem Anspruchsberechtigten nach dem Gesetz zugedacht ist. Wer als Empfänger der Leistung legitimiert ist und in welchem Umfang er sie fordern kann, richtet sich nach den sachlich-rechtlichen Vorschriften. In diesem Zusammenhang bedarf es nicht der Prüfung, wer Empfänger der Leistung ist, wenn eine (dieselbe) Person sowohl Leistungen im eigenen Namen als auch im fremden Namen geltend gemacht hat, zB die Witwe des Gefallenen, die zugleich ihre Witwenrente und die Waisenrente für ihr Kind beansprucht. Das Rechtsinstitut der Elternrente und Elternbeihilfe ist in den §§ 50, 51 BVG idF des Sechsten Änderungsgesetzes vom 1. Juli 1957 (BGBl I 661) - aF - und idF des 1. NOG - nF - gleicherweise darauf abgestellt, ob der Verstorbene - in vollem Umfang oder zum Teil - der Ernährer "seiner Eltern" gewesen ist oder geworden wäre (§ 50 Abs. 1 BVG). In diesem Falle wird "bei einem Elternpaar" (vgl. § 51 Abs. 1 u. 2 BVG) bei voller Ernährereigenschaft eine Elternrente, bei teilweiser Ernährereigenschaft gemäß den §§ 50 Abs. 2, 51 Abs. 7 BVG alter und neuer Fassung Elternbeihilfe gewährt. Ist nur ein Elternteil berechtigt, so kann nur Anspruch auf eine bestimmte, nach oben begrenzte Rente oder Beihilfe für einen Elternteil erhoben werden (§ 51 Abs. 1, 2 BVG). Aus diesen Vorschriften ergibt sich, daß für den Fall der Berechtigung beider Elternteile der Anspruch nur einheitlich geltend gemacht werden kann, und daß die Leistung nicht als eine nach Anteilen unterschiedene Leistung einzeln den Elternteilen gewährt wird, sondern daß die Rente oder Beihilfe ungeteilt zu zahlen und die Anspruchsberechtigung beider Eltern auch dann zu prüfen ist, wenn nur ein Elternteil den Anspruch geltend macht. Aus der Besonderheit der gesetzlichen Regelung der Elternrente und der Elternbeihilfe ergibt sich ferner, daß die Versorgungsverwaltung durch die Gewährung der vollen Leistung an einen Elternteil - zumindest bei noch bestehender Ehe und bei Bestehen der ehelichen Gemeinschaft - sich von ihrer Verpflichtung auch gegenüber dem anderen Teil befreit. Da jeder der Elternteile die ganze Leistung fordern kann und die Versorgungsverwaltung als Schuldner die Leistung nur einmal zu bewirken verpflichtet ist, handelt es sich um eine Gesamtgläubigerschaft im Sinne des § 428 BGB. Das Gegenstück hierzu ist die Gesamtschuld; bei ihr schulden mehrere in der Weise die Leistung, daß jeder die ganze Leistung zu bewirken verpflichtet, der Gläubiger aber die Leistung nur einmal zu fordern berechtigt ist (§ 421 BGB). Sind nun an einem Rechtsverhältnis auf der Gläubigerseite und auf der Schuldnerseite mehrere Personen beteiligt, so ergibt sich daraus jedoch noch nicht ohne weiteres, daß auch ein wie oben dargelegtes Gesamtschuldverhältnis besteht oder die Gläubiger die Forderung nur als Gesamtgläubiger geltend machen könnten oder müßten. Wohl aber ist der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch das Spiegelbild der empfangenen Leistung; das Erstattungsrechtsverhältnis ist nur die Umkehrung des Leistungsverhältnisses (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 5. Juli 1966 - 9 RV 664/65 -). Diese Umkehrung des Leistungsverhältnisses führt dazu, daß die Schuldner- und Gläubigerrollen sich vertauschen, ohne daß sich an der Rechtsnatur des Anspruchs etwas ändert. Deshalb gilt derjenige, der als Gesamtgläubiger - neben den anderen Gesamtgläubigern - die Leistung zu fordern berechtigt war, als Empfänger der Leistung und ist als solcher auch verpflichtet, die gesamte zu Unrecht bezogene Leistung ohne Rücksicht darauf zu erstatten, ob er sie allein verbraucht hat. Vorausgesetzt ist hierbei in Fällen wie dem vorliegenden, daß in seiner Person auch die Voraussetzungen des § 47 Abs. 3 VerwVG erfüllt sind.

Das hier durch Gesetz begründete Schuldner-Gläubigerverhältnis findet seine innere Berechtigung in dem engen, auf Vertrauen gegründeten Verhältnis, in dem familienrechtlich Eheleute zueinander stehen. Das Ergebnis, daß die gesamten zu Unrecht empfangenen Bezüge noch nach dem Tode des einen Partners von dem anderen Partner zurückgefordert werden können, ist eine rechtssystematische Folge, die sich aus der Natur des der Leistung zugrunde liegenden Anspruchs ergibt. Sind wie hier wesentliche Tatsachen von beiden Eheleuten verschwiegen worden, so kann die jeden von ihnen in vollem Umfange treffende Rückerstattungspflicht auch nicht als unbillig angesehen werden. Auch bei einer Haftung nach bürgerlich-rechtlichen Vorschriften aus unerlaubter Handlung haftet jeder der Verpflichteten als Gesamtschuldner (§ 840 Abs. 1 BGB).

Das LSG hat die sich aus der Besonderheit des Anspruchs auf Elternrente oder Elternbeihilfe für die Rückforderung nach § 47 Abs. 3 VerwVG ergebenden Folgerungen zutreffend erkannt und deshalb diese Vorschrift nicht dadurch verletzt, daß es das Urteil des SG abgeändert, die Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 5. Oktober 1962 bestätigt und die Klägerin für verpflichtet gehalten hat, die gesamte Elternbeihilfe von 2.036,- DM an den Beklagten zu erstatten.

Die Klägerin hat im Widerspruchsverfahren vorsorglich beantragt, die Schuld aus Billigkeitsgründen zu erlassen, weil ihr nur Bareinnahmen in Höhe von 118,- DM monatlich zur Verfügung stünden. Der Widerspruchsbescheid vom 18. Dezember 1962 und das angefochtene Urteil sind auf diesen Antrag nicht eingegangen. Mit ihrem Vorbringen hat die Klägerin eine Ermessensentscheidung der Versorgungsverwaltung nach § 47 Abs. 4 VerwVG angeregt. Der Beklagte war jedoch nicht verpflichtet, schon in dem Widerspruchsbescheid eine solche Entscheidung zu treffen. Der Bescheid wurde nicht dadurch rechtswidrig, daß vor seinem Erlaß eine Prüfung nach § 47 Abs. 4 VerwVG nicht stattgefunden hatte (BSG, Urteil vom 19. April 1966 - 10 RV 33/64 -, veröffentl. in BVBl 1966 S. 138 Nr. 38).

§ 47 Abs. 4 VerwVG betrifft, wie in dieser Entscheidung ausgeführt ist, nicht die Rückerstattungspflicht an sich und enthält keine Voraussetzung für den Rückerstattungsanspruch, sondern setzt gerade voraus, daß eine solche Verpflichtung nach § 47 Abs. 1 bis 3 VerwVG besteht. Nur dann, wenn sie gegeben ist, hat die Versorgungsverwaltung gegebenenfalls auch die Möglichkeit eines Rückforderungs- und Vollstreckungsverzichts in Betracht zu ziehen. Das LSG ist deshalb mit Recht nicht darauf eingegangen, ob die Versorgungsverwaltung von der Einziehung der Forderung nach § 47 Abs. 4 VerwVG Abstand nehmen darf oder muß. Deshalb ist auch im Revisionsverfahren diese Frage nicht zu erörtern. Der Beklagte wird aber nunmehr zu prüfen haben, ob die Rückforderung für die Klägerin eine besondere Härte bedeutet und ob bei ihrem Alter (von 80 Jahren) und ihren Einkommens- und Vermögensverhältnissen das öffentliche Interesse an der Durchsetzung des Anspruchs hinter dem individuellen Interesse der Klägerin auf Freistellung von der Verpflichtung zurückstehen muß (vgl. BSG Urteil vom 13. Januar 1966 - 9 RV 614/63 -, BVBl 1966 S. 107 Nr. 28, hier S. 108). Auch ist gegebenenfalls zu prüfen, ob eine beabsichtigte Durchsetzung des Erstattungsanspruchs oder gar eine Vollstreckung gegen die Klägerin überhaupt Aussicht auf Erfolg verspricht oder diese nur unverhältnismäßige Kosten oder Verwaltungsaufwand verursachen würde (§ 47 Abs. 4 VerwVG, zweite Alternative).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2284704

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