Leitsatz (amtlich)
Beziehen die in RVO § 165 Abs 1 Nr 3 bezeichneten Versicherten mehrere Renten aus der Rentenversicherung der Arbeiter und der Rentenversicherung der Angestellten, so haben sie den durch das FinÄndG 1967 eingeführten zweiprozentigen Beitrag nach RVO § 381 Abs 2 S 2 von jeder Rente zu leisten.
Normenkette
RVO § 381 Abs. 2 S. 2 Fassung: 1967-12-21, § 165 Abs. 1 Nr. 3 Fassung: 1967-12-21
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 19. August 1969 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Die 1899 geborene Klägerin bezieht von der Beklagten seit dem 1. Juli 1951 eine Witwenrente aus der Rentenversicherung ihres verstorbenen Ehemannes. Außerdem erhält sie seit dem 1. September 1964 von der Beklagten Altersruhegeld aus ihrer eigenen Versicherung.
Aufgrund der Einfügung des Satzes 2 in § 381 Abs. 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO) durch Art. 1 § 1 Nr. 14 Buchst. a des II. Teils des Gesetzes zur Verwirklichung der mehrjährigen Finanzplanung des Bundes vom 21. Dezember 1967 (BGBl I 1259), des Finanzänderungsgesetzes 1967 (FinÄndG 1967), behielt die Beklagte von jeder Rente 2 % des Zahlbetrages für die Aufwendungen für die Krankenversicherung (KrV) der Rentner ein.
Am 27. März 1968 beantragte die Klägerin, die Kürzung nur von ihrem Altersruhegeld vorzunehmen. Diesen Antrag lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 23. April 1968 ab. Dagegen richtet sich die von der Klägerin erhobene Klage, die das Sozialgericht (SG) Hamburg abgewiesen hat. Die dagegen eingelegte Berufung der Klägerin ist erfolglos geblieben.
Das Landessozialgericht (LSG) Hamburg hat in seinem Urteil vom 19. August 1969 (Breithaupt 1970, 11) die Revision nach § 162 Abs. 1 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zugelassen. Die Klägerin hat dieses Rechtsmittel eingelegt mit dem Antrage,
unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und des Urteils des Sozialgerichts Hamburg vom 20. Februar 1969 sowie des Bescheides des beklagten Versicherungsträgers vom 23. April 1968 diesen zu verurteilen, den von ihr ab 1. Januar 1968 zu tragenden Rentnerkrankenversicherungsbeitrag nur von dem Rentenbetrag einzubehalten, den sie aus eigener Versicherung erhält.
Sie rügt unrichtige Anwendung des § 381 RVO.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen,
da das angefochtene Urteil richtig sei.
Beide Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
II.
Die Revision der Klägerin kann keinen Erfolg haben.
Nach § 381 Abs. 2 Satz 2 idF des FinÄndG 1967 tragen die in § 165 Abs. 1 Nr. 3 RVO bezeichneten Versicherten zu den von den Trägern der Rentenversicherung (RentV) nach § 381 Abs. 2 Satz 1 RVO zu leistenden Beiträgen zur KrV der Rentner zwei vom Hundert des Zahlbetrages der ihnen gewährten Renten aus der RentV der Arbeiter und der RentV der Angestellten ohne Kinderzuschuß. Zutreffend hat das LSG ausgeführt, zwar gehe aus dem Wortlaut des Gesetzes nicht in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise hervor, daß bei mehrfachem Rentenbezug der Rentner den Betrag von 2 % von jeder Rente zu tragen habe. Denn das Wort "Renten" könnte immerhin auch deswegen gewählt worden sein, weil im ersten Teil des Satzes von den in § 165 Abs. 1 Nr. 3 RVO bezeichneten "Versicherten" die Rede ist. Gleichwohl kann aber der Sinn der Neufassung des § 381 Abs. 2 RVO nur der sein, daß der Beitragszuschuß von jeder Rente einzubehalten ist. Vor allem hätte der Gesetzgeber, wenn er hätte bestimmen wollen, daß der Beitrag nur von einer Rente zu berechnen ist, dies irgendwie zum Ausdruck bringen und insbesondere regeln müssen, von welcher Rente alsdann der Abzug vorgenommen werden sollte. Denn dafür wären mehrere Möglichkeiten in Betracht gekommen, einmal die Rente, die zuerst bewilligt worden ist, sodann die Rente, welche die niedrigere oder die höhere ist, oder schließlich die Rente aus eigener Versicherung oder die Hinterbliebenenrente. Schon daraus, daß eine solche Regelung unterblieben ist, kann nur geschlossen werden, daß alle Renten von dem Abzug betroffen sein sollten.
Wie das LSG des weiteren mit Recht ausgeführt hat, trifft es zwar zu, daß der Beitrag, den die Träger der RentV an die Träger der KrV zu leisten haben, für jeden Rentner nur einmal abzuführen ist, und zwar nach der Maßgabe des § 385 Abs. 2 RVO (vgl. § 381 Abs. 2 Satz 1 RVO), also nach einem durchschnittlichen Grundlohn. Daraus folgt aber nicht, daß auch die Beträge, die die Rentner nach § 381 Abs. 2 Satz 2 RVO zu tragen haben und die nach § 394 Abs. 3 Satz 1 RVO idF des FinÄndG 1967 vom Träger der RentV von der Rente einbehalten werden, auch nur von einer Rente zu leisten sind. Die Beiträge zur KrV der Rentner werden von dem Träger der RentV aufgebracht. Der Betrag von 2 % des Zahlbetrages der Rente, den die Rentner tragen, kommt den Trägern der RentV zugute. Diese zu entlasten, war der Wille des Gesetzgebers (vgl. Verhandlungen des Deutschen Bundestages, 5. Wahlperiode, Sten. Berichte Bd. 65, 142. Sitzung S. 7289 A). Der Beitragsanteil der Rentner ist daher kein echter Krankenversicherungsbeitrag, der etwa seiner Höhe nach das Risiko der KrV der Rentner decken soll. So wie in der RentV und in der KrV eine Solidarhaftung der Versicherten besteht, d.h. jeder Versicherte seinem Einkommen entsprechende Beiträge zu leisten hat, geht der Gesetzgeber auch bei der Beteiligung der Rentner an der Aufbringung der Mittel für ihre KrV davon aus, daß die Höhe ihrer Beiträge sich nach der Höhe des gesamten Renteneinkommens richten soll. Auch der versicherungspflichtige Beschäftigte hat Beiträge zur KrV aus seinem Gesamteinkommen, wenn auch im Rahmen der Beitragsbemessungsgrenze, zu leisten, gleichgültig, ob es aus einem oder mehreren versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen herrührt, obwohl auch er nur einmal versichert ist.
Dementsprechend hat auch der Staatssekretär K in der 161. Sitzung des 5. Deutschen Bundestages am 27. März 1968 (Stenografische Berichte Bd. 66 S. 8431) auf die Frage eines Abgeordneten erklärt, die Bundesregierung sehe keine Möglichkeit, daß den pflichtversicherten Rentnern, die mehrere Renten beziehen, ein Teil des von ihnen zu tragenden Beitrags zu ihrer KrV zurückerstattet wird; Art. 1 § 1 Nr. 14 Buchst. a FinÄndG 1967 bestimme, daß die versicherungspflichtigen Rentner von den Beiträgen zur KrV der Rentner zwei v.H. des Zahlbetrages der ihnen aus der RentV der Arbeiter und der RentV der Angestellten gewährten Renten - Mehrzahl! - zu tragen hätten; damit sei durch den Gesetzgeber klargestellt, daß bei Bezug von mehreren Renten der Beitragsanteil aus allen Renten zu zahlen sei (ebenso ua Fischwasser, KrV 1968, 91, 89; Beck, Die RentV 1968, 158, 161).
Was die Revision hiergegen vorbringt, vermag nicht zu überzeugen. Sie meint insbesondere, nach dem Willen des Gesetzgebers solle der 2 %ige Abzug keine Rentensteuer darstellen, sondern eine echte Beteiligung der Rentner an ihrer KrV. Es handele sich also um eine echte Beteiligung an den Aufwendungen für die KrV der Rentner. Eine KrV könne aber nur einmal und nicht mehrfach bestehen, so daß auch nur ein einmaliger Abzug möglich sei. Aus § 165 Abs. 6 RVO aF ergebe sich, daß die KrV aufgrund einer eigenen Rente der KrV aus einer Hinterbliebenenrente vorgehe. Eine Kürzung beider Renten sei deshalb systemwidrig. Diese Auffassung ist mit den obigen Ausführungen nicht zu vereinbaren. Sie kann im übrigen schon deshalb nicht richtig sein, weil die Hinterbliebenenrente sehr hoch und die Rente aus eigener Versicherung sehr niedrig sein kann, was vor allem bei Ehefrauen sehr häufig der Fall sein kann, wenn sie überwiegend niedrige freiwillige Beiträge aufzuweisen haben. In solchen Fällen ausgerechnet die niedrigere Rente zur Grundlage für den Beitragsabzug zu machen, würde nicht verstanden werden.
Nach Ansicht des Senats ist daher aus den genannten Gründen der Wille des Gesetzgebers eindeutig dahin gegangen, alle Renten eines Versicherten mit dem 2 %igen Abzug zu belasten.
Damit erweist sich die Revision als unbegründet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen