Leitsatz (amtlich)
RVO § 182 Abs 3 regelt den Beginn des Krankengeldes und damit auch den Bezug desselben im Sinne von RVO § 183 Abs 5. Die Vorschriften des RVO § 182 Abs 5 und 6 bestimmen nur die Berechnung und die Zahlung des Krankengeldes, besagen aber nichts über seinen Beginn.
Leitsatz (redaktionell)
Anwendung des RVO § 183 Abs 5:
Der Bezug von Krankengeld iS des RVO § 183 Abs 5 beginnt auch dann mit dem Tage, von dem an es gemäß RVO § 182 Abs 3 zu gewähren ist, wenn die tatsächliche Zahlung wegen der Berechnungsweise des RVO § 182 Abs 5 erst später einsetzt.
Normenkette
RVO § 183 Abs. 5 Fassung: 1961-07-12, § 182 Abs. 3 Fassung: 1961-07-12, Abs. 5 Fassung: 1961-07-12, Abs. 6 Fassung: 1961-07-12
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 23. Februar 1967 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
Der Kläger erkrankte am 29. September 1961 (einem Freitag) arbeitsunfähig; seine Arbeitsunfähigkeit durch den Arzt wurde an diesem Tage festgestellt. Zuletzt hatte er am 28. September 1961 gearbeitet und für diesen Tag Arbeitsentgelt erhalten. In dem Betrieb wurde regelmäßig an fünf Tagen in der Woche gearbeitet. Die Beklagte zahlte Krankengeld an den Kläger erstmalig am 6. Oktober 1961 für vier Tage aus, wobei sie der Berechnung des Regellohns die in § 182 Abs. 5 der Reichsversicherungsordnung (RVO) für die Fünftagewoche getroffene Regelung zugrunde legte. Durch Bescheid vom 9. Februar 1962 wurde dem Kläger von der Landesversicherungsanstalt (LVA) Westfalen auf seinen Antrag vom 17. Oktober 1961 Berufsunfähigkeitsrente rückwirkend vom 1. Oktober 1961 an zuerkannt. Die LVA behielt gemäß § 183 Abs. 5 RVO die auf die Zeit vom 1. Oktober 1961 bis zum 31. März 1962 entfallende Rentennachzahlung in Höhe von insgesamt 1.126,20 DM ein und überwies diesen Betrag an die Beklagte, weil diese das Krankengeld in dem genannten Zeitraum noch ungekürzt in Höhe von arbeitstäglich 18,71 DM gezahlt hatte. Das Begehren des Klägers auf Auszahlung der Rentennachzahlung wies die Beklagte durch Bescheid vom 6. Juli 1964 mit der Begründung zurück, die Voraussetzungen des § 183 Abs. 5 RVO seien gegeben, da der Beginn des Rentenbezuges in die Zeit der Arbeitsunfähigkeit falle. Der Widerspruch des Klägers blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 9. Februar 1965).
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen, das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die Voraussetzungen des § 183 Abs. 5 RVO seien erfüllt. Im Zeitpunkt der Zubilligung der Rente wegen Berufsunfähigkeit ab 1. Oktober 1961 habe der Kläger bereits Krankengeld bezogen; denn der Anspruch auf Krankengeld entstehe dem Grunde nach mit dem Eintritt der Arbeitsunfähigkeit, auch wenn das Krankengeld gemäß § 182 Abs. 3 RVO erst später gewährt werde. Allerdings habe der Kläger tatsächlich kein Krankengeld für den 30. September 1961 bezogen. Dies beruhe aber darauf, daß in dem Betrieb des Arbeitgebers des Klägers regelmäßig nur an fünf Tagen in der Woche gearbeitet worden sei und die beklagte Krankenkasse von der Vorschrift des § 182 Abs. 5 RVO Gebrauch gemacht habe, nach der bei der Fünftagewoche das Krankengeld nicht für Werktage, sondern für Arbeitstage zu zahlen sei. Die Regelung für die Fünftagewoche in § 182 Abs. 5 RVO enthalte lediglich einen Berechnungsmodus, sage aber nichts darüber, von welchem Zeitpunkt an dem Versicherten grundsätzlich Krankengeld zu gewähren sei. Da dem Kläger aufgrund der am 29. September 1961 ärztlich festgestellten Arbeitsunfähigkeit von einem am 30. September 1961 beginnenden Zeitraum an Krankengeld zu gewähren gewesen sei, sei davon auszugehen, daß er ab diesem Zeitpunkt Krankengeld im Sinne des § 183 Abs. 5 RVO bezogen habe, auch wenn die tatsächliche Zahlung des Krankengeldes wegen der Berechnungsregel für die Fünftagewoche erst mit dem ersten Arbeitstag, nämlich dem 2. Oktober 1961, begonnen habe. Das LSG hat die Revision zugelassen.
Der Kläger hat gegen das Urteil Revision eingelegt. Er trägt vor: Die Gesetzessprache in § 183 RVO sei nicht einheitlich, da in Absatz 3 und 6 von dem Anspruch auf Krankengeld, in Absatz 2 und 4 von der Gewährung von Krankengeld und in Absatz 5 vom Bezug von Krankengeld gesprochen werde. Selbst wenn man davon ausgehe, daß es sich insoweit um einen einheitlichen Begriff handele, so bleibe doch die Frage offen, was unter "dem auf die ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit folgenden Tag" im Sinne des § 182 Abs. 3 RVO zu verstehen sei. Darunter sei bei der Fünftagewoche in jedem Fall der nächstfolgende Tag, an dem gearbeitet werde, zu verstehen. Hiernach habe der Bezug des Krankengeldes erst am 2. Oktober 1961 begonnen. Da die Rente aber schon ab 1. Oktober 1961 zugebilligt worden sei, fehle es an der Rechtsgrundlage für die Inanspruchnahme der Rentennachzahlung durch die Beklagte.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 23. Februar 1967, das Urteil des SG Dortmund vom 22. November 1965 sowie die Bescheide der Beklagten vom 6. Juli 1964 und 9. Februar 1965 aufzuheben und diese zu verurteilen, an den Kläger 1.126,20 DM zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Die Beteiligten sind mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden.
Die Revision ist nicht begründet.
Nach § 183 Abs. 5 RVO wird das Krankengeld, wenn dem Versicherten während des Bezuges von Krankengeld Rente wegen Berufsunfähigkeit ... zugebilligt wird, um den Betrag der für den gleichen Zeitraum gewährten Rente gekürzt; insoweit geht bei rückwirkender Gewährung der Rente der Rentenanspruch auf die Kasse über. Es wird also darauf abgestellt, daß der Bezug von Krankengeld vor dem Beginn der Rente eingesetzt hat. Im vorliegenden Fall hat der Kläger wegen der besonderen Verhältnisse in seinem Betrieb erst ab 2. Oktober 1961 Krankengeld bezogen, während ihm die Rente schon vorher, nämlich vom 1. Oktober 1961 an zugebilligt worden ist. Denn maßgebend für die Zubilligung und für den Bezug ist der Zeitpunkt, von dem ab der Rentenversicherungsträger die Rente zugesprochen hat (vgl. BSG 19, 28, 29; 20, 135). Dieser Tag war im vorliegenden Falle der 1. Oktober 1961. An ihm hat der Kläger aber bereits Krankengeld bezogen, auch wenn es erst vom 2. Oktober 1961 an tatsächlich gezahlt worden ist. Denn maßgebend für den Beginn des Krankengeldes ist § 182 Abs. 3 RVO; hiernach wird Krankengeld bei Arbeitsunfall oder Berufskrankheit von dem Tage an gewährt, an dem die Arbeitsunfähigkeit ärztlich festgestellt wird, im übrigen von dem darauf folgenden Tage an. Das war aber für den Kläger der 30. September 1961. Die Vorschriften des § 183 Abs. 5 und 6 RVO enthalten nur die Berechnung des Regellohns und damit des Krankengeldes bei Arbeitern mit Fünftagewoche und Sechstagewoche sowie bei sonstigen Versicherten, um eine gleichmäßige Höhe des Krankengeldes ohne Rücksicht auf die Art der Lohnzahlung sicherzustellen. Sie besagen aber nichts über den Beginn des Krankengeldes; für ihn ist nur der Absatz 3 maßgebend. Dies ergibt sich deutlich aus seinem Satz 2, in dem es ausdrücklich heißt, daß das Krankengeld nach näherer Bestimmung der Absätze 5 und 6 berechnet und bezahlt wird.
Dies Ergebnis entspricht auch dem Sinn des § 183 Abs. 5 RVO. Wie der Senat in seinem Urteil vom 18. Dezember 1963 (BSG 20, 135) ausgesprochen hat, beruht diese Regelung darauf, daß bei Zubilligung der Berufsunfähigkeitsrente während des Bezugs von Krankengeld dieses im allgemeinen noch aufgrund des Lohnes berechnet worden ist, den der Versicherte noch vor Eintritt der Berufsunfähigkeit, also meist noch bei ungeminderter Arbeitskraft, verdient hat; es sei daher gerechtfertigt, dieses "volle" Krankengeld bei Hinzutritt der Berufsunfähigkeitsrente in Höhe der Rente zu kürzen, während bei Zubilligung der Berufsunfähigkeitsrente schon vor dem Bezug des Krankengeldes dieses in der Regel von einem durch die Berufsunfähigkeit schon geminderten Entgelt berechnet worden und daher eine - weitere - Minderung wegen der Berufsunfähigkeitsrente nicht gerechtfertigt sei. Diese Gedanken müssen auch für den vorliegenden Fall gelten, in dem das Krankengeld noch nach einem vor dem Beginn der Berufsunfähigkeitsrente verdienten Entgelt berechnet wurde und nur wegen der Art der Entlohnung im Betrieb des Klägers nicht schon vom Tage nach der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit, dem 30. September 1961 an, sondern erst vom 2. Oktober 1961 an tatsächlich gezahlt wurde. Denn maßgebend ist, wie bereits dargelegt, für den Beginn des Krankengeldes und damit auch für eine Anwendung des § 183 Abs. 5 RVO, nur der § 182 Abs. 2 RVO.
Die Revision muß daher zurückgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.
Fundstellen