Entscheidungsstichwort (Thema)
Beitragserhebung zur Rentenversicherung vom Krankengeld. notwendige Beiladung des Rentenversicherungsträgers. zuständiger Rentenversicherungsträger bei der Beitragserhebung. Unzuständigkeit des die Rente gewährenden Rentenversicherungsträgers
Orientierungssatz
1. In einem Rechtsstreit um die Frage, ob ein Versicherter vom Krankengeld Beiträge zur Rentenversicherung zu entrichten hat (§ 1385b Abs 1 S 2 Halbs 1 RVO) ist der Rentenversicherungsträger notwendig beizuladen (§ 75 Abs 2 SGG) (vgl BSG vom 26.6.1985 12 RK 15/85 = USK 8541).
2. Zuständig ist der Rentenversicherungsträger, an den die Beiträge abzuführen sind. Welcher Rentenversicherungsträger im Versicherungsfall Leistungen zu gewähren hat, ist demgegenüber nicht entscheidend. Seine Zuständigkeit für die Leistungsgewährung begründet nicht auch seine Zuständigkeit für die Beitragserhebung.
3. Wenn die zur Erfüllung von Ausfallzeiten gezahlten Beiträge nicht für Ausfallzeiten verwendet werden können, da sie bei der Rentenverrechnung bereits als Zurechnungszeiten angerechnet wurden, entfällt die Beitragspflicht grundsätzlich.
Normenkette
RVO § 1385b Abs 1 S 2 Halbs 1 Fassung: 1983-12-22; SGG § 75 Abs 2 Fassung: 1975-09-23; RVO § 1433 S 1 Fassung: 1957-02-23
Verfahrensgang
SG Hildesheim (Entscheidung vom 11.07.1984; Aktenzeichen S 2 Kr 12/84) |
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darum, ob die Beklagte vom Krankengeld Beiträge zur Rentenversicherung einbehalten durfte, insbesondere soweit dem Kläger rückwirkend für die Zeit des Krankengeldbezuges Rente wegen Erwerbsunfähigkeit bewilligt worden ist.
Der am 10. Februar 1929 geborene Kläger ist griechischer Staatsangehöriger und wohnt in Göttingen. Er war bei der beklagten Betriebskrankenkasse, die ihren Sitz ebenfalls in Göttingen hat, krankenversichert und bezog schon seit der Zeit vor dem 1. Januar 1984 Krankengeld. Mit Bescheid vom 17. Januar 1984 bewilligte ihm die Landesversicherungsanstalt (LVA) Württemberg (Verbindungsstelle für Griechenland) Rente wegen Erwerbsunfähigkeit rückwirkend vom 1. Juni 1983 an. Bei der Rentenberechnung wurde der Monat Januar 1984 als Zurechnungszeit berücksichtigt. Die Beklagte stellte nach Erhalt des Rentenbescheides die Zahlung von Krankengeld mit dem 26. Januar 1984 ein.
Im Bescheid vom 26. Januar 1984 errechnete die Beklagte für die Zeit vom 1. bis 26. Januar 1984 Krankengeld in Höhe von 1.561,04 DM, zog davon 144,40 DM an Beiträgen zur Rentenversicherung ab und zahlte dem Kläger die restlichen 1.416,64 DM aus. Der Widerspruch des Klägers blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 7. März 1984).
Das Sozialgericht (SG) Hildesheim hat nach Beiladung der LVA Württemberg der Klage auf Aufhebung des Bescheides und Auszahlung der 144,40 DM durch Urteil vom 11. Juli 1984 stattgegeben. Es hat die Auffassung vertreten, für Zeiten des Krankengeldbezuges, für die rückwirkend Rente wegen Erwerbsunfähigkeit bewilligt worden sei, seien keine Beiträge zur Rentenversicherung zu entrichten.
Die Beklagte hat die zugelassene Sprungrevision eingelegt. Sie beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hildesheim vom 11. Juli 1984 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Die Beigeladene schließt sich dem Antrag der Beklagten an.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz -SGG-).
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist im Sinne einer Aufhebung des angefochtenen Urteils und einer Zurückverweisung begründet. Einer Entscheidung des Senats in der Sache steht ein bei der Entscheidung über eine zulässige Revision von Amts wegen zu beachtender Verfahrensmangel entgegen.
Der Senat hat bereits in seinen Urteilen vom 16. April 1985 - 12 RK 56/84 - und vom 26. Juni 1985 - 12 RK 15/85 - entschieden, daß in einem Rechtsstreit um die Frage, ob ein Versicherter vom Krankengeld Beiträge zur Rentenversicherung zu entrichten hat (§ 1385b Abs 1 Satz 2 Halbs 1 RVO), der Rentenversicherungsträger notwendig beizuladen ist (§ 75 Abs 2 SGG). Zuständig ist der Rentenversicherungsträger, an den die Beiträge abzuführen sind. Das Nähere über die Zahlung können die Träger der Krankenversicherung und die Träger der Rentenversicherung durch Vereinbarung regeln (§ 1385b Abs 1 Satz 3 iVm § 1385a Satz 2 RVO). Dieses ist in dem Gemeinsamen Rundschreiben vom 18. November 1983 zum Haushaltsbegleitgesetz 1984 (BKK 1984, S 46 ff) geschehen. Gemäß B. I. 4. (aaO S 58) der Vereinbarungen sind die auf die Lohnersatzleistung entfallenden Rentenversicherungsbeiträge an den Rentenversicherungszweig zu zahlen, an den zuletzt vor dem Leistungsbezug Rentenversicherungsbeiträge entrichtet wurden. Beim Kläger ist das zur Rentenversicherung der Arbeiter geschehen. Ist demnach eine LVA zuständig, dann sind - so ist weiter vereinbart (aaO) - die Rentenversicherungsbeiträge an die LVA zu entrichten, an die die Krankenkasse auch die im Rahmen des Gesamtsozialversicherungsbeitrags eingezogenen Rentenversicherungsbeiträge abführt. Bei Betriebskrankenkassen wie der Beklagten ist das der Rentenversicherungsträger, in dessen Bezirk sich die Einzugsstellen befinden (§ 1433 Satz 1 RVO). Dieser Rentenversicherungsträger hätte auch etwaige Erklärungen zu Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung abzugeben (§ 1399 Abs 4 RVO). Welcher Rentenversicherungsträger im Versicherungsfall Leistungen zu gewähren hat, ist demgegenüber nicht entscheidend. Seine Zuständigkeit für die Leistungsgewährung begründet nicht auch seine Zuständigkeit für die Beitragserhebung. Deshalb ist seine Beiladung, dh hier die Beiladung der LVA Württemberg, weder notwendig noch ausreichend.
Die Einzugsstelle der Beklagten befindet sich im Bezirk der LVA Hannover. Deshalb war diese und nicht die leistungsgewährende LVA Württemberg notwendig beizuladen; das entspricht auch der Auffassung der LVA Württemberg. Da die Beiladung hier im Revisionsverfahren nicht nachgeholt werden kann (§ 168 SGG), war das angefochtene Urteil aufzuheben. Der Senat hat von seinem Ermessen Gebrauch gemacht, die Sache an das Landessozialgericht (LSG) zurückzuverweisen (§ 170 Abs 4 Satz 1 SGG).
Für eine neue Entscheidung in der Sache weist der Senat darauf hin, daß er sich in fünf Urteilen vom 19. Juni 1986 - 12 RK 53, 54, 56 und 60/85 sowie 12 RK 7/86 - mit Rechtsfragen zur Beitragserhebung vom Krankengeld, insbesondere mit deren Verfassungsmäßigkeit, befaßt hat. Im Anschluß an das letztgenannte Urteil wird im vorliegenden Verfahren insbesondere zu prüfen sein, ob der Monat Januar 1984 beim Kläger noch als Ausfallzeit iS des § 1385b Abs 1 Satz 1 iVm § 1259 Abs 1 Satz 1 Nr 1 Buchst b RVO in Betracht kommt, nachdem er bei der Rentenberechnung als Zurechnungszeit berücksichtigt worden ist. Sollte der Januar 1984 keine Ausfallzeit im Sinne der genannten Vorschriften sein, würde eine Beitragspflicht schon aus diesem Grunde entfallen.
Das LSG wird auch über die Erstattung außergerichtlicher Kosten - auch des Revisionsverfahrens - zu entscheiden haben.
Fundstellen